5. Beim Großvater

molly

Mitglied
4. Beim Großvater

Schon wurde die Tür schon von innen geöffnet. Eine Frau streckte ihnen die Hand entgegen und sagte: „Willkommen! Ich bin Frau Kruse, die Wirtschafterin.
Frau Kruse führte sie an der Gaststube vorbei zu einen Nebenzimmer. Sie bat Christians Vater, er möge schon einmal ins Büro gehen, der Großvater wolle kurz alleine mit ihm sprechen. Christian klammerte sich an Vaters Hand. Dieser schaute leise seufzend zur Zimmerdecke, dann beugte er sich zu Christian und flüsterte: „Er ist eben ein wenig wunderlich. Ich hole dich so schnell wie möglich!"
Mit Riesenschritten eilte er den Flur entlang. Frau Kruse öffnete die Tür zum Nebenzimmer und schob Christian hinein. Sie sagte: „Du könntest einen heißen Tee vertragen oder willst du lieber eine Schokolade?“
Christian entschied sich rasch für die Schokolade und setzte sich gleich an den ersten Tisch beim Eingang. Nur ein alter Mann und ein Frau saßen noch im Raum und sahen zu ihm her.
„Tag", sagte Christian.
Die Frau nickte ihm zu und vertiefte sich erneut in die Zeitung, schlug sie jedoch bald zu und verließ den Raum.
Der Mann erwiderte den Gruß mit tiefer und kräftiger Stimme, und beugte sich wieder über sein Teeglas. Heimlich beobachtete Christian den Fremden. Dieser hatte einen wunderschönen weißen Bart. Viele Runzeln und Fältchen liefen über sein Gesicht und seine Nase war ziemlich groß. Er sah aus wie der freundliche Rübezahl in seinem Märchenbuch, nur hatte dieser einen längeren Bart. Frau Kruse stellte die Tasse Schokolade vor Christian und verschwand wieder.
„Oh!“, rief er erstaunt. Doch dann legte er seine kalten Finger um die warme Tasse und begann zufrieden zu trinken.
„Stimmt etwas nicht?" fragte der Fremde.
Christian duckte sich erschrocken hinter seine Tasse und murmelte: "Nein, nein!"
„Warum hast du dann "Oh" gerufen?" erkundigte sich der Mann. Christian räusperte ehe er antwortete: „Ich dachte, sie bringt mir Schokolade."
„Und was ist das, was vor dir steht?" fragte der Rübezahl weiter.
Christian antwortete: „Das ist Kakao, aber der schmeckt gut!“ "Du zitterst ja!" stellte nun der Mann fest, „hast du vielleicht Angst?"
Christian schüttelte heftig den Kopf: „Nein, nein! Ich habe nasse Füße und friere.“ Dass er sich vor seinem Großvater fürchtete, ging diesen alten Mann doch wirklich nichts an.
„Dann brauchst du dringend trockene Socken", bemerkte der Fremde.
Genau das hätte seine Oma auch gesagt. Christian lächelte den Fremden dankbar an und murmelte: „Trockene Socken und die Oma bräuchte ich jetzt!"
Der alte Mann fragte nicht weiter. Er trank sein Glas leer und als er das Zimmer verließ, nickte er Christian zu.
Obwohl viele Geräusche aus der Gaststube zu ihm hinüber drangen, fühlte sich Christian auf einmal sehr verlassen und allein. Er dachte an die Oma und der Bauch tat ihm weh. Seine Augen begannen zu brennen und richtig schlucken konnte er auch nicht mehr. Zum Glück erschien Frau Kruse und führte ihn ins Büro. Christian blieb wie angewurzelt im Türrahmen stehen. Er sperrte den Mund auf und starrte den Mann hinter dem Schreibtisch mit großen Augen an.
Der Vater nahm seine Hand und sagte: „Gris, das ist dein Großvater!“
Christian rührte sich nicht, auch nicht, als der Vater ihn sanft am Ärmel zog und bat, endlich den Großvater zu begrüßen. Gerade, als der Vater den Jungen ungeduldig nach vorne schieben wollte, löste sich der Großvater vom Schreibtisch. Er ging auf Christian zu und streckte ihm ein Paar große Socken entgegen. Der alte Mann, der eben noch mit ihm im Nebenzimmer gesprochen hatte, der freundliche Rübezahl, wie Christian ihn heimlich genannt hatte, das war sein Großvater.
Der sagte: "Wenn du die trockenen Socken angezogen hast, kannst du mit deiner Oma telefonieren, ihr sagen, dass du gut hier angekommen bist!"
Christian zog die trockenen Socken an. Der Vater schaute ihm kopfschüttelnd zu, doch bevor er noch etwas fragen konnte, legte der Großvater den Finger auf den Mund und sagte: „Ich wähle jetzt die Nummer vom Krankenhaus, deine Großmutter hat ja ein Telefon am Bett!“
Dann sprach Christian kurz mit der Oma, es war wunderbar ihre Stimme zu hören. Sie klang zufrieden und zum Schluss sagte sie: "Ich drück‘ dich, Bub!"
Christian schielte zu seinem Großvater und antwortete: „Ich dich auch.“
Anschließend hauchte ihm die Oma einen Kuss in den Hörer. Normalerweise hätte Christian das auch gemacht, doch Vater und Großvater beobachteten ihn, und so sagte er nur: „Tschüss, Oma.“
Nun öffnete der Großvater die Zimmertür und rief: "Kruse, wir können essen".
Während dem Essen unterhielten sich die beiden Männer. Christian hörte aufmerksam zu, doch schon nach kurzer Zeit begann er zu gähnen. Der Großvater stand auf und sagte: „Ich zeige euch die Schlafzimmer!"
*
 



 
Oben Unten