5 Frühlingshaikus

Walther

Mitglied
hi avatar,

damit wir die texte diskutieren können, solltest du sie bitte einzeln einstellen. lieben dank!

lg w.
 

Bernd

Foren-Redakteur
Teammitglied
Hallo, Avatar,
mir gefallen die Gedichte. Ob sie aber Haiku (im strengen Sinne) sind?
Ich denke, es sind Mischformen.
Die äußere Form ist Haiku. (3 Zeilen, kurze Verse, die in deutsch (und englisch) oft verwendete Formübertragung mit 5-7-5 Silben.
Ebenfalls vorhanden ist in allen der Jahreszeitenbezug (ein Jahreszeitenwort).
Auch die Entwicklung ist - so denke ich jedenfalls - Haiku-typisch.
Ein Element aus der westlichen Kultur kommt aber dazu, welches im Haiku normalerweise nicht verwendet wird: die Interpretation und Erklärung, zum Teil in abstrakten Begriffen. Es geht damit über die Beschreibung hinaus.
Sprengt es damit schon die Form? Hierzu kann es unterschiedliche Auffassungen geben.
Ich habe viele solcher Gedichte geschrieben, ging aber dann von der Interpretation auf die Beschreibung zurück.
Es ist natürlich so - und völlig klar - dass es auch bei Haiku Entwicklungen gibt, ebenso wie in der Sprache, insbesondere, wenn verschiedene Kulturen sich treffen.
Vergessen wir nie, dass es ursprünglich ein "kleines lustiges Gedicht" ist, also ein "lustiges Gedichtlein".

Nun zu den einzelnen:
Schneeglöckchenwispern.
Aufgeregte Langsamkeit
Versteckt unter Schnee.
Hier haben wir eine Vermenschlichung, das Schneeglöckchen wird personifiziert - "wispern", "aufgeregt" - wir haben auch die "aufgeregte Langsamkeit", ein Gegensatzpaar. "Versteckt" ist eine menschliche Sicht, denn es wächst einfach.


Zwischen Krokussen
Erfand sich ein Gedanke.
Schnee schmolz ihn davon.
Hier haben wir eine weitergehende Personifizierung mit einem abstrakten Bild "erfand sich ein Gedanke". Du erklärst es, statt es zu zeigen.

Dem Hummelgebrumm
Sich sehnsüchtig darbietend.
Lockende Blüten
Auch hier die Personifizierung. Es ist wie eine Metapher. Die lockende Blüte als Symbol der Fruchtbarkeit, des Werbens.


Heckenbraunellen
In scheuer Annäherung.
Er fliegt hinterher.

Hier haben wir tatsächlich ein Bild, ohne Interpretation. "Scheu" ist hier nicht eine Eigenschaft der Vögel im abstrakten Sinn, sondern beim Liebesspiel.



In Trippelschritten
Hin zu ihr und her zu rück.
Halbwüchsiger Spatz

Auch hier haben wir ein Bild, ohne zusätzliche Interpretation.

Ich denke, in Bezug auf ein Naturbild sind die beiden letzten "echte" Haiku.

Aber: gemessen an unserer eigenen Lyrikkultur und -Tradition ist für mich das erste am spannendsten.

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Ich bin nicht so ein Experte auf dem Gebiet des Haiku, wie Bernd, aber ich lerne stets dazu, habe auch viele Übersetzungen aus dem Japanischen gelesen.
Zumindest in den Übersetzungen wird es oft nicht so streng behandelt, dass nur "reine" Naturbilder zulässig sind.

Oft sind das aber die spannendsten, weil zugleich fremd wirkend und vertraut.
 

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Vielen Dank für das Feedback.

Einzeln einstellen oder als Block?

Das kann ich gerne machen. Als block reichen sie aber vom Vorfrühling bis zum Spatfrühling und haben damit die zeitliche Zuweisung, die mahn in Haikus gern hat.

Zunächst einmal gehen alle fünf Haiku auf Naturbeobachtungen zurück und haben damit das spontane Element, das Cellist im "Wasser und Wein" vermisst hat.

Das mit dem Eindruck des Autors und der Deutung ist so eine Sache.
In Haiku 2 und 3 ist in der Tat eine Deutung enthalten, in 4 und 5 nicht.
Im ersten Haiku bin ich abweichender Meinung.
Es entstand bei strahlender Sonne und Altschnee und überall um mich herum, wo Schnee war knisterte es. Schneeglöckchengewisper war der Versuch dieses Geräusch einzufangen.
Ich gebe aber gern zu, dass ich nach der Wahl dieses Wortes nicht weiter darüber nachgedacht habe.

So, und jetzt stelle ich sie noch einmal ein. Einzeln und de rReihe nach. wie gewünscht.

Liebe Grüße
vom
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Bernd

Foren-Redakteur
Teammitglied
Wispern:
Vielleicht hast Du hier recht. "Gewisper" hat etwas onomatopoetisches (lautmalendes) an sich.
Vielleicht hat es mich deshalb nicht so gestört, denn es gefiel mir ja mit am besten.

"Verstecken" ist ebenfalls eine Beschreibung, wenn man es als "tote" Metapher betrachtet, es ist dann also auch keine Metapher mehr, sondern eine Beschreibung des Zustandes.


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Es gibt keine feste Regel in der Leselupe, ein Haiku nur einzeln einzustellen.

In manchen Fällen kann es besser sein, das hängt von den Intentionen ab.

Im gegebenen Fall kann man sie durchaus auch als zusammengehörig auffassen.

Für die Diskussion einzelner Aspekte kann einzelnes Einstellen besser sein.
 



 
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