Am nächsten Morgen erwachte Christian vom leisen Surren des Rasierapparates. Der Vater stand am Waschbecken und rief: "Aufstehen, Bub, die Sonne scheint wieder!"
Es dauerte nicht lang, bis Christian gewaschen und angezogen war. Der Vater betrachtete ihn lächelnd und sagte: „Das ging aber flott. Was würde denn die Oma zu dieser Katzenwäsche sagen?"
Christian runzelte die Stirn. „Die Oma? Sie würde sagen: „Wäscht du dich ordentlich oder muss ich das machen?“
„Das kenne ich“, lachte der Vater, „das hat sie mich auch immer gefragt. Aber heute Abend darfst du das nicht vergessen, klar?" Christian nickte nur, dann trug ihn Vater huckepack die Treppe hinunter. Sie setzten sich an den runden Tisch in der Gaststube. Frau Kruse brachte ihnen das Frühstück und berichtete, dass der Großvater mit ihrem Mann Henning zum Einkaufen auf den Markt gefahren sei.
Christian fand diesen Morgen wunderbar. Er hatte den Vater ganz alleine für sich und fragte: „Was machen wir denn heute?" Noch bevor der Vater antworten konnte, wurde die Tür aufgestoßen. Eine junge Frau sprengte in die Stube und eilte mit Riesenschritten auf sie zu. Mit ihrer tiefen Stimme zerstörte sie Christians wundervollen Morgen. Sie klopfte seinem Vater kräftig auf den Rücken und rief: „Ha, alter Schurke, lässt du dich endlich einmal blicken?"
Der Vater sprang auf und umarmte die Fremde. Ausgelassen wirbelte er sie durch das Zimmer. Ihr lautes Lachen dröhnte Christian im Kopf. Er hielt sich die Ohren zu, schloss die Augen und presste die Lippen zusammen. Aber gleich darauf spürte er Vaters Hand auf seinem Kopf. Er sagte: „Gris, schau mal! Das ist Hille, eine gute Bekannte.“
Christian zuckte zusammen und versteckte seine Hände auf dem Rücken. Er konnte sich noch gut an die erste gute Bekannte von Vater erinnern, Lili. Sie hatte Christian mehrmals geküsst und mit ihren schmalen Fingern unablässig gestreichelt. Dabei hatte er sich vor ihren roten Fingernägeln gefürchtet. Sie hatte zu Vater gesagt, dass der Junge dringend wieder eine Mutti bekommen sollte. Die Frau duftete wie ein Blumengarten. Dennoch, Christian mochte nicht auf ihrem Schoß sitzen bleiben. Sie aber hielt ihn einfach fest. In seiner Not spuckte er sie an und lief zur Oma in die Küche. Sie kam nie wieder zu Besuch.
Vaters letzte Freundin, Carmen, erinnerte ihn mit ihren langen Krallen an eine wilde Katze. Als der Vater vorschlug, gemeinsam auf den Münsterturm zu steigen, war sie sofort begeistert. Aber Christian sollte bei seiner Oma bleiben. Das wäre doch zu anstrengend für den Kleinen, hatte sie gefaucht. Und nun hatte Vater also wieder eine neue, gute Bekannte, Hille. Mit Vaters
anderen Damen konnte man sie wirklich nicht vergleichen. Sie roch nach Erde, Staub und Heu, und in ihren kräftigen Händen hielt sie ein großes Bierglas. Dennoch wollte Christian diese Frau nicht begrüßen oder ihr gar die Hand geben. Er starrte sie einfach nur an.
Hille sagte: „Ich wohne auf dem kleinen Bauernhof nebenan. Wenn du magst, darfst du meine Eltern und mich gern besuchen. Du bist jederzeit herzlich willkommen bei uns, den drei Hs.“
Dann trank sie ihr Glas leer, wandte sich wieder an den Vater und sagte: „Jetzt muss ich weiter, wir ernten gerade Gerste. Tschüss denn zusammen!"
Christian war froh, dass Vaters Bekannte so schnell wieder verschwand und er rief: "Tschüss, Frau Dreihas!"
Langsam drehte sich Hille um und fragte verdutzt: „Was hast du da eben gesagt?" Christian schaute hilfesuchend zum Vater, doch der betrachtetemgerade eindringlich die Zimmerdecke.
„Frau Dreihas?“ wiederholte Hille noch einmal.
„Ja“, sagte Christian.
Da begann Hille zu lachen, laut und schallend. Sie gluckste und rang nach Atem. Tränen liefen über ihr staubiges Gesicht, zeichneten Straßen auf ihre Wangen. Christian fand, dass Hille die schlimmste gute Bekannte von Vater war. Mit hochrotem Kopf schrie er: „Aufhören, sofort aufhören!“
„Na, na, na“, sagte der Vater. Er gab Hille ein Glas Wasser und legte seine Hand auf Christians Arm. Hille beruhigte sich wieder und trank das Glas in einem Zug leer. Sie beugte sich zu Christian und sagte: "Ich habe nicht über dich, sondern über mich gelacht. Ich bin wirklich ein Schaf. Schließlich kannst du nicht wissen, dass mit den drei Hs die Vornamen von meinen Eltern und mir gemeint sind. Mein Vater heißt Hannes, meine Mutter Hede und ich bin Hille. Tut mir leid, wenn ich dich erschreckt habe.“
Dann trank sie noch einen Schluck aus Vaters Kaffeetasse, winkte ihnen zu und eilte aus der Stube. Der Vater seufzte leise und sagte: „ja, ja, die Hille, sie war die beste Freundin deiner Mutter.“
„Und von dir?" fragte Christian.
Der Vater pfiff leise, grinste ihn an und sagte: „Sie ist nicht meine Freundin. Aber ich mag sie sehr gern, sie ist ein feiner Kerl. Du wirst sie schon noch kennen lernen. Doch jetzt lass uns endlich fertig frühstücken.“
Der Vater strich sich nun schon das zweite Brot und tröpfelte Honig darüber. „Weißt du“, sagte er, „das Vollkornbrot hier schmeckt mir sehr gut.“
Christian antwortete kauend: „Und mir schmecken die Brötchen am besten, die gibt's bei der Oma nur selten.“
*
Es dauerte nicht lang, bis Christian gewaschen und angezogen war. Der Vater betrachtete ihn lächelnd und sagte: „Das ging aber flott. Was würde denn die Oma zu dieser Katzenwäsche sagen?"
Christian runzelte die Stirn. „Die Oma? Sie würde sagen: „Wäscht du dich ordentlich oder muss ich das machen?“
„Das kenne ich“, lachte der Vater, „das hat sie mich auch immer gefragt. Aber heute Abend darfst du das nicht vergessen, klar?" Christian nickte nur, dann trug ihn Vater huckepack die Treppe hinunter. Sie setzten sich an den runden Tisch in der Gaststube. Frau Kruse brachte ihnen das Frühstück und berichtete, dass der Großvater mit ihrem Mann Henning zum Einkaufen auf den Markt gefahren sei.
Christian fand diesen Morgen wunderbar. Er hatte den Vater ganz alleine für sich und fragte: „Was machen wir denn heute?" Noch bevor der Vater antworten konnte, wurde die Tür aufgestoßen. Eine junge Frau sprengte in die Stube und eilte mit Riesenschritten auf sie zu. Mit ihrer tiefen Stimme zerstörte sie Christians wundervollen Morgen. Sie klopfte seinem Vater kräftig auf den Rücken und rief: „Ha, alter Schurke, lässt du dich endlich einmal blicken?"
Der Vater sprang auf und umarmte die Fremde. Ausgelassen wirbelte er sie durch das Zimmer. Ihr lautes Lachen dröhnte Christian im Kopf. Er hielt sich die Ohren zu, schloss die Augen und presste die Lippen zusammen. Aber gleich darauf spürte er Vaters Hand auf seinem Kopf. Er sagte: „Gris, schau mal! Das ist Hille, eine gute Bekannte.“
Christian zuckte zusammen und versteckte seine Hände auf dem Rücken. Er konnte sich noch gut an die erste gute Bekannte von Vater erinnern, Lili. Sie hatte Christian mehrmals geküsst und mit ihren schmalen Fingern unablässig gestreichelt. Dabei hatte er sich vor ihren roten Fingernägeln gefürchtet. Sie hatte zu Vater gesagt, dass der Junge dringend wieder eine Mutti bekommen sollte. Die Frau duftete wie ein Blumengarten. Dennoch, Christian mochte nicht auf ihrem Schoß sitzen bleiben. Sie aber hielt ihn einfach fest. In seiner Not spuckte er sie an und lief zur Oma in die Küche. Sie kam nie wieder zu Besuch.
Vaters letzte Freundin, Carmen, erinnerte ihn mit ihren langen Krallen an eine wilde Katze. Als der Vater vorschlug, gemeinsam auf den Münsterturm zu steigen, war sie sofort begeistert. Aber Christian sollte bei seiner Oma bleiben. Das wäre doch zu anstrengend für den Kleinen, hatte sie gefaucht. Und nun hatte Vater also wieder eine neue, gute Bekannte, Hille. Mit Vaters
anderen Damen konnte man sie wirklich nicht vergleichen. Sie roch nach Erde, Staub und Heu, und in ihren kräftigen Händen hielt sie ein großes Bierglas. Dennoch wollte Christian diese Frau nicht begrüßen oder ihr gar die Hand geben. Er starrte sie einfach nur an.
Hille sagte: „Ich wohne auf dem kleinen Bauernhof nebenan. Wenn du magst, darfst du meine Eltern und mich gern besuchen. Du bist jederzeit herzlich willkommen bei uns, den drei Hs.“
Dann trank sie ihr Glas leer, wandte sich wieder an den Vater und sagte: „Jetzt muss ich weiter, wir ernten gerade Gerste. Tschüss denn zusammen!"
Christian war froh, dass Vaters Bekannte so schnell wieder verschwand und er rief: "Tschüss, Frau Dreihas!"
Langsam drehte sich Hille um und fragte verdutzt: „Was hast du da eben gesagt?" Christian schaute hilfesuchend zum Vater, doch der betrachtetemgerade eindringlich die Zimmerdecke.
„Frau Dreihas?“ wiederholte Hille noch einmal.
„Ja“, sagte Christian.
Da begann Hille zu lachen, laut und schallend. Sie gluckste und rang nach Atem. Tränen liefen über ihr staubiges Gesicht, zeichneten Straßen auf ihre Wangen. Christian fand, dass Hille die schlimmste gute Bekannte von Vater war. Mit hochrotem Kopf schrie er: „Aufhören, sofort aufhören!“
„Na, na, na“, sagte der Vater. Er gab Hille ein Glas Wasser und legte seine Hand auf Christians Arm. Hille beruhigte sich wieder und trank das Glas in einem Zug leer. Sie beugte sich zu Christian und sagte: "Ich habe nicht über dich, sondern über mich gelacht. Ich bin wirklich ein Schaf. Schließlich kannst du nicht wissen, dass mit den drei Hs die Vornamen von meinen Eltern und mir gemeint sind. Mein Vater heißt Hannes, meine Mutter Hede und ich bin Hille. Tut mir leid, wenn ich dich erschreckt habe.“
Dann trank sie noch einen Schluck aus Vaters Kaffeetasse, winkte ihnen zu und eilte aus der Stube. Der Vater seufzte leise und sagte: „ja, ja, die Hille, sie war die beste Freundin deiner Mutter.“
„Und von dir?" fragte Christian.
Der Vater pfiff leise, grinste ihn an und sagte: „Sie ist nicht meine Freundin. Aber ich mag sie sehr gern, sie ist ein feiner Kerl. Du wirst sie schon noch kennen lernen. Doch jetzt lass uns endlich fertig frühstücken.“
Der Vater strich sich nun schon das zweite Brot und tröpfelte Honig darüber. „Weißt du“, sagte er, „das Vollkornbrot hier schmeckt mir sehr gut.“
Christian antwortete kauend: „Und mir schmecken die Brötchen am besten, die gibt's bei der Oma nur selten.“
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