Er schloss müde die Tür und drehte an dem schweren Eisenrad, welches die Tür verriegelte. Es war das dritte Mal in dieser Nachtschicht: Es würde mehr gehen, aber die Arbeiter an den Öfen kamen kaum hinterher.
„Ja“, dachte der Mann, „die Kollegen dort haben mehr zu tun als ich“
Er nickte seinem Kollegen zu, der lustlos einen Schlüssel in einem Schloss drehte und an einem Hebel zog. Etwas fiel, der Schalter schnellte zurück und nur das rote Licht schien daran erinnern zu wollen, dass etwas passiert war.
In einem kurzen Moment der Stille, schauten die beiden Männer einander an: Tief und dunkel waren die Augenringe, blass und leer ihr Blick.
„Hast du gehört, was im Radio kam?“, fragte der Kollege am Hebel und setzte sich auf einen der Klappstühle.
„Ja …“, antwortete der Mann und setzte sich auf den anderen Klappstuhl.
„Es klingt alles nach einem Sieg …“
Schweigend blickte der Mann zu Boden und spielte mit der Kneifzange an seinem Gürtel.
„Nur warum dann die Jungen?“, fragte der Kollege.
Stille.
„Ich verstehe es nicht …“
„Kannst du bitte ruhig sein?“, rief der Mann und beide blickten betreten zu Boden. Von drinnen kamen Laute, doch sie waren nur leise und gedämpft. Fast wie das Branden eines Meeres aus weiter Ferne. Fast beruhigend, ehe es verebbte.
Sie warteten eine halbe Stunde, der Vorschrift gemäß. Doch selten dauerte es länger als zehn Minuten und nie länger als zwanzig. Der Mann, der vorher den Hebel umgelegt hatte, zog an einem weiteren, und ein leises Zischen erfüllte den Raum, dem das Summen eines Ventilators folgte. Sie warteten weitere zehn Minuten, auch dies war Vorschrift.
Dann öffneten sie die Tür. Es waren um die dreißig gewesen, recht jung, größtenteils Frauen; und wie immer hatten sie sich in den Ecken gesammelt. Das Haar war ihnen schon vorher abgenommen worden, das war gut.
Für einen Moment standen die beiden Männer noch da, ehe sie an die Arbeit gingen. Vier Ecken, zwei für jeden, und nie sprachen sie dabei.
Als der Mann den ersten Haufen durchsucht hatte, richtete er sich stöhnend auf und blickte zu seinem Kollegen. Dieser stand dort, wie eingefroren, und schaute auf eine der Frauen. Sie war mittleren Alters, hatte breite Hüften und breite Brüste, und zwischen ihnen lag ein Säugling, fest umschlungen, als hätte sie ihn ersticken wollen.
„Hey …“, sagte der Mann mit weicher Stimme.
Der andere erschrak, schaute sich um, verwirrt, als wäre er gerade aus einem Traum erwacht oder als finde er sich plötzlich in einem wieder. Dann aber besann er sich und suchte weiter.
Auch der Mann ging wieder an die Arbeit. Bald hatte er eine gefunden: Sie hatte graues, schütteres Haar und hätte seine Mutter sein können. Ihre Lippen waren zusammengepresst, doch als er sie öffnete, sah er etwas golden glänzen. Er seufzte, presste seine Lippen fest aufeinander und nahm die Kneifzange von seinem Gürtel.
„Hey.“ hörte er die Stimme seines Kollege.
„Die hier lebt noch.“
Sonderbar und fremd klangen diese Worte hier an diesem Ort, fast wie eine vergessene Sprache aus einem vergessenden Lande.
„Sie lebt.“ Wiederholte die Stimme.
Es stimmte.
Sie war noch jung, achtzehn vielleicht oder zwanzig. Die blasse, nackte Haut legte sich in weichen Formen um ihren schlanken Körper. Sie hatte ein schönes Gesicht, zu dem die geschorenen Haare passten. Und in ihren azurblauen, kindlichen Augen, da loderte die Angst.
Die zwei standen unbeholfen vor ihr.
„Hol den Kommandanten“, sagte der Mann schließlich.
Er zog seinen Ledermantel aus und legte ihn um ihre zitternden, schmalen Schultern.
Der Kommandant kam, und nun standen sie zu dritt unbeholfen vor ihr.
„Es hat noch nie eine überlebt“, flüsterte der Kommandant mit brüchiger Stimme.
Stille.
„Noch nie …“, wiederholte er, ehe er abbrach.
Schließlich halfen sie dem Mädchen auf; und fast schon dankbar nahm sie den Arm des Mannes an, den er ihr hinhielt.
Er führte sie hinaus auf den Platz. Der Kommandant blieb an der Tür stehen und sie nickten einander zu. Draußen war es dunkel, sternenklar und neumond; und doch rieb das Mädchen sich die Augen, als würde sie geblendet werden. Dann aber atmete sie tief ein und schaute zu den Sternen.
Und in der Stille, die folgte waren sie vereint, einem Mahnmal gleich: Das Mädchen und die Nacht, der Mann und die Sterne und das Leuchten ihrer azurblauen Augen, welche nun umso heller noch brannten, in der Dunkelheit, die sie umgab. Für einen Moment, war all dies eins und ewig und würde für immer so sein! Für einen Moment, ehe der Schuss der Pistole, die Stille zerriss.
„Ja“, dachte der Mann, „die Kollegen dort haben mehr zu tun als ich“
Er nickte seinem Kollegen zu, der lustlos einen Schlüssel in einem Schloss drehte und an einem Hebel zog. Etwas fiel, der Schalter schnellte zurück und nur das rote Licht schien daran erinnern zu wollen, dass etwas passiert war.
In einem kurzen Moment der Stille, schauten die beiden Männer einander an: Tief und dunkel waren die Augenringe, blass und leer ihr Blick.
„Hast du gehört, was im Radio kam?“, fragte der Kollege am Hebel und setzte sich auf einen der Klappstühle.
„Ja …“, antwortete der Mann und setzte sich auf den anderen Klappstuhl.
„Es klingt alles nach einem Sieg …“
Schweigend blickte der Mann zu Boden und spielte mit der Kneifzange an seinem Gürtel.
„Nur warum dann die Jungen?“, fragte der Kollege.
Stille.
„Ich verstehe es nicht …“
„Kannst du bitte ruhig sein?“, rief der Mann und beide blickten betreten zu Boden. Von drinnen kamen Laute, doch sie waren nur leise und gedämpft. Fast wie das Branden eines Meeres aus weiter Ferne. Fast beruhigend, ehe es verebbte.
Sie warteten eine halbe Stunde, der Vorschrift gemäß. Doch selten dauerte es länger als zehn Minuten und nie länger als zwanzig. Der Mann, der vorher den Hebel umgelegt hatte, zog an einem weiteren, und ein leises Zischen erfüllte den Raum, dem das Summen eines Ventilators folgte. Sie warteten weitere zehn Minuten, auch dies war Vorschrift.
Dann öffneten sie die Tür. Es waren um die dreißig gewesen, recht jung, größtenteils Frauen; und wie immer hatten sie sich in den Ecken gesammelt. Das Haar war ihnen schon vorher abgenommen worden, das war gut.
Für einen Moment standen die beiden Männer noch da, ehe sie an die Arbeit gingen. Vier Ecken, zwei für jeden, und nie sprachen sie dabei.
Als der Mann den ersten Haufen durchsucht hatte, richtete er sich stöhnend auf und blickte zu seinem Kollegen. Dieser stand dort, wie eingefroren, und schaute auf eine der Frauen. Sie war mittleren Alters, hatte breite Hüften und breite Brüste, und zwischen ihnen lag ein Säugling, fest umschlungen, als hätte sie ihn ersticken wollen.
„Hey …“, sagte der Mann mit weicher Stimme.
Der andere erschrak, schaute sich um, verwirrt, als wäre er gerade aus einem Traum erwacht oder als finde er sich plötzlich in einem wieder. Dann aber besann er sich und suchte weiter.
Auch der Mann ging wieder an die Arbeit. Bald hatte er eine gefunden: Sie hatte graues, schütteres Haar und hätte seine Mutter sein können. Ihre Lippen waren zusammengepresst, doch als er sie öffnete, sah er etwas golden glänzen. Er seufzte, presste seine Lippen fest aufeinander und nahm die Kneifzange von seinem Gürtel.
„Hey.“ hörte er die Stimme seines Kollege.
„Die hier lebt noch.“
Sonderbar und fremd klangen diese Worte hier an diesem Ort, fast wie eine vergessene Sprache aus einem vergessenden Lande.
„Sie lebt.“ Wiederholte die Stimme.
Es stimmte.
Sie war noch jung, achtzehn vielleicht oder zwanzig. Die blasse, nackte Haut legte sich in weichen Formen um ihren schlanken Körper. Sie hatte ein schönes Gesicht, zu dem die geschorenen Haare passten. Und in ihren azurblauen, kindlichen Augen, da loderte die Angst.
Die zwei standen unbeholfen vor ihr.
„Hol den Kommandanten“, sagte der Mann schließlich.
Er zog seinen Ledermantel aus und legte ihn um ihre zitternden, schmalen Schultern.
Der Kommandant kam, und nun standen sie zu dritt unbeholfen vor ihr.
„Es hat noch nie eine überlebt“, flüsterte der Kommandant mit brüchiger Stimme.
Stille.
„Noch nie …“, wiederholte er, ehe er abbrach.
Schließlich halfen sie dem Mädchen auf; und fast schon dankbar nahm sie den Arm des Mannes an, den er ihr hinhielt.
Er führte sie hinaus auf den Platz. Der Kommandant blieb an der Tür stehen und sie nickten einander zu. Draußen war es dunkel, sternenklar und neumond; und doch rieb das Mädchen sich die Augen, als würde sie geblendet werden. Dann aber atmete sie tief ein und schaute zu den Sternen.
Und in der Stille, die folgte waren sie vereint, einem Mahnmal gleich: Das Mädchen und die Nacht, der Mann und die Sterne und das Leuchten ihrer azurblauen Augen, welche nun umso heller noch brannten, in der Dunkelheit, die sie umgab. Für einen Moment, war all dies eins und ewig und würde für immer so sein! Für einen Moment, ehe der Schuss der Pistole, die Stille zerriss.