Hallo
@sufnus
wenn du höflich bleibst (da gehe ich bei dir davon aus) und deine Replik textbezogen ist, habe ich damit überhaupt kein Problem.
Vielen Dank für obige Blumen - im Folgenden also noch meine Anmerkungsanmerkungen mit Blickkontakt zum Ausgangstext.
Wer nicht durch alle bisherigen Kommentare durchscrollen will: Weiter oben merkte ich an, dass Bélas Gedicht vielstimmige Kommentare erhielt, wobei ich die ausgesprochen positiven (zu dem Zeitpunkt (n=5) oder Positives und Negatives abwägenden (n=1) den sehr stark negativ wertenden Kommentierer*innen (n=2) gegenüberstellte und darauf hinwies, dass die beiden negativen Kommentare sehr engagiert (das war das von mir benutzte Wort) waren.
Fee kritisierte daraufhin, dass ich damit die stillen Mitleser offenbar für zu "doof" (Fee dixit) hielte, sich ein eigenes Bild zu machen, während von Johnson problematisiert wurde, dass ich mit meiner Aussage meinen eigenen Leseeindruck verabsolutiere und andere Meinungen für dumm hielte.
Zu Fees Punkt also die Klarstellung: Ich halte jede(n) Leser*in, und zwar völlig unabhängig von ihrem/seinem IQ, Bildungsstand und der aktuellen Aufgestelltheit für fähig dazu, sehr Kluges oder auch sehr Dummes zu schreiben; und ich denke bei der Befähigung zur Verzapfung großer Dummheiten zuallererst an mich selbst. Nach meinem (sicherlich sehr verzerrten) Selbstbild neige ich jedoch nicht dazu, auf Mitmenschen herabzublicken. Und zu Johnsons Anmerkung: Keineswegs richte ich es mir im Käfig meiner eigenen Meinungen gemütlich ein, vielmehr wecken gerade abweichende Ansichten meine Neugier und entsprechend halte ich diese auch keineswegs für dumm sondern erst einmal für einen interessanten Fall.
Was mich bei meiner Zwischenanalyse der Kommentare also umgetrieben hat, war nicht die Fürdooferklärung des geschätzen Lesepublikums oder die Herabsetzung anderer Meinungen, sondern vielmehr die Frage, warum wohl Bélas Gedicht wohl so unterschiedlich aufgenommen wurde. Offensichtlich hat Bélas Werk dabei aber nicht, wie weiland Moses das Rote Meer, die Leserschaft in zwei paritätische Lager von Fans und Hatern geteilt (solche Werke gibt es ja auch und sie sind ein eigener spannender Fall), sondern es gab eine (in sich durchaus heterogene) größere Gruppe von Applausspender*innen und eine (nach meinem Eindruck in ihrer Lesevorliebe etwas ähnlicher aufgestellte) Minderheit von ablehnenden Rezipienten, nämlich eben Oliver (revilo) und Johnson.
Wenn wir einmal nicht unterstellen wollen, dass sich hierbei lediglich Sympathien oder Antipathien zum Autor Ausdruck verschaffen (dann wäre jede weitere Diskussion überflüssig und die Axt an die Sinnhaftigkeit eines inhaltlichen Foren-Austauschs gelegt), dann könnte man doch, insbesondere aus der Ablehnung von Bélas Gedicht durch Oliver und Johnson, etwas über die Konzeption von Bélas Gedicht lernen.
Johnson und revilo haben ja Punkte kritisiert, die tatsächlich sehr signifikant für dieses Gedicht sind: 1) Die Andeutung eines religiösen Motivs (Abendmahl), ohne dass der religiöse Bezug dann weiter "durchdekliniert" wird und 2) eine syntaktisch "versehrte" Sprache, bei der Bezüge ineinandergeschoben werden, so dass die Normgrammatik teilweise aufgehoben ist. Wenn man also die Kritik von Johnson und revilo umkehren will in eine Positivempfehlung, wie ein gelungenes Gedicht aussehen sollte, so hieße dies, dass ein Gedicht inhaltlich kohärent und verständlich sein sollte und dass ein Gedicht sich an die übliche Grammatik halten sollte.
Tatsächlich würde ich annehmen, dass bei einer Fußgängerumfrage, die meisten Menschen inhaltliche Verständlichkeit und grammatische Korrektheit für wünschenswerte Eigenschaften in der Lyrik hielten und ihre Probleme mit Gedichten tatsächlich damit begründeten, dass diese Textsorte (insbesondere wenn es sich gar um "moderne Lyrik" handele) so häufig unverständlich sei und sich einer seltsamen Sprache bediene. Wenn dies unter der ausgewählten Leserschaft der Lupe so nicht gilt, sich vielmehr eine Mehrheit gerade
für einen Text ausspricht, der nicht so leicht verständlich ist und von der Normgrammatik abweicht, scheint mir das ein guter Ausgangspunkt zu sein für Reflektionen zur Frage "Was ist ein Gedicht?" oder gar "Was macht ein Gedicht zu einem (für mich) ansprechenden Gedicht?". Also: 1. Darf Lyrik unverständlich sein? 2. Soll sie evtl. gar unverständlich sein? 3. Ist leicht verständliche Lyrik als weniger wertig anzusehen? 4. Oder ist schwerverständliche Lyrik vielleicht doch einfach nur elitär und abgehoben? 5.Sollte (gute) Lyrik inklusiv sein? 6) Falls ja: Wie kann sie das erreichen?
Nach so viel Geschreibsel in aller Kürze meine Meinungen dazu: 1) Unbedingt! 2) Keinesfalls! 3) Keinesfalls!!! 4) Die Gefahr besteht. 5) Als einzelnes Gedicht: Nein; als ganze Literaturgattung: Unbedingt. 6) Durch eine unglaubliche Vielfalt in Ausdruck und Ausdrucksform.
Ich glaube dabei, dass Bélas Gedicht einen sehr wichtigen Beitrag zum Punkt 6 darstellt und dass er es verstanden hat (was sehr schwer ist) einen Text zu verfassen, der nicht ganz leichtverständlich ist und doch überhaupt nicht elitär oder abgehoben rüberkommt, sondern sich nahbar zeigt.
LG!
S.