Wie oft habe ich es gehört, dieses "Aber geh!", Ausdruck für belustigten Zweifel, für heitere Geringschätzung und freundliches Abwimmeln. Er sagt es bei jeder Gelegenheit, nur dann, wenn es angebracht wäre, sagt er es nicht. Wenn ich ihm am Morgen erzähle, dass ich am Abend Erika besuchen werde, brummt er beifällig. Würde ich sagen "Mir scheint, die Waschmaschine ist hin", käme das übliche "Aber geh!" Genauso, wenn ich ein bisschen vor mich hinträume und ihm verrate, dass ich an Seelenwanderung glaube und dass wir in der Matrix leben, immer "Aber geh!"
Stefan sagt "Komm herein!" und dabei grinst er wie der junge Elvis, wenn er vor dem ersten Song die Gitarre stimmt. I'm all shook up. Am nächsten Morgen berichte ich, dass mir Erika wieder lange Geschichten von ihrer Arbeit erzählt hat. Es sind meine eigenen, reichlich auffrisiert, denn er liebt das Drama. Wüsste er, wer sie erlebt hat, würde er sie mit seinem Stehsatz quittieren. Er meint, ich solle Erika doch einmal einladen. Na ja, warum nicht? Sie könnte ihm gefallen.
Es gab eine Zeit der Gewissensbisse und der Grundlagenforschung. Keine Besuche bei Erika, nur daheim und wach bis in die frühen Morgenstunden, beschäftigt mit der Frage, warum ich ihm so gleichgültig erscheine. Ich kann nicht sagen: weil du unsere Beziehung ständig in Frage stellst; weil dich ruhige Zeiten so unruhig machen; weil du den ehelichen Beischlaf für ein Mysterienspiel hältst; weil du mich ausweidest wie der Geier das Lamm; weil du so selten lachst. Stattdessen sage ich: du täuscht dich; ich bin nach der Arbeit oft müde; du interessierst dich nicht für meine Gedanken; am Sex ist nichts auszusetzen; lass uns bitte endlich schlafen gehen.
Dann ein Urlaub am See, eingeblockt in einer Hütte. Endlose Aussprachen. Er sagt: du bist so leicht zu begeistern; du willst nicht mit mir allein sein; dich interessiert nicht, was ich denke; du sagst nie, was du dir wünscht im Bett; du magst meinen Körper nicht. Ich denke: deine schwarze Galle verdirbt alles; dich kann gar nichts begeistern; du redest ständig von deiner Arbeit; ich ertrage dich nur in verdünnter Form; dein trauriger Körper erregt mein Mitleid. - Tagsüber schläft er, während ich versuche, nicht an Stefan zu denken.
Am Ende waren wir zu erschöpft, um das Tal zu durchschreiten. Aber er hat verstanden, dass er sich nicht im Zweifel suhlen und mich mit Schlamm bewerfen soll. Auch, dass wir nicht immer in Gefühlen baden müssen, weil das den Nerven und dem Denken schadet. Ich habe ihm erklärt, warum es mich anwidert, wenn ihn anderer Leute Unglück in eine angeregte Stimmung versetzt und wenn er niemandem einen Erfolg gönnt. Seither sagt er immer "Aber geh!" zu mir.
Erika meint, dass man den Depressiven nicht trauen kann. Sie tun alles, um Turbulenzen zu erzeugen. Manchmal greifen sie zu Kokain, manchmal zum Messer. - Wenn ich es recht bedenke, hätte er Grund, zum Messer zu greifen, denn nach jenem Urlaub bin ich schnurstracks zu Stefan gegangen. Bei ihm hängen keine dunklen Wolken unter der Zimmerdecke und kein ewig-gekränktes Ich hockt in der Sofaecke. Er freut sich, wenn ich da bin. "Aber geh!" sagt er nur, wenn ich regentriefend vor seiner Tür stehe und fürchte, ihm den Parkettboden zu versauen.
Natürlich sage ich mir immer wieder, dass es so nicht weitergehen kann. Nicht, weil mich das Gewissen drückt - mit dem Lügen komme ich inzwischen gut zurecht -, sondern weil die Situation so verfahren ist. In den dümmlichen Ratgebern heißt es: Hören Sie auf ihr Herz! Aber mein Herz hat zwei Kammern. Dort wohnt weder er noch Stefan, sondern mein luftiges Ich, das gern mit Stefan spielt, und mein düsteres, das der Andere sofort aufgespürt hat. Es könnte sich breitmachen, wenn ich ihn aufgebe. Er hält es in Schach.
Und so denke ich hin und her. Manchmal will ich auf der Stelle reinen Tisch machen, manchmal beschließe ich, alle beide zu verlassen, manchmal lächle ich einem fremden Mann auf der Straße zu - und sage mir nachher: Aber geh!
Stefan sagt "Komm herein!" und dabei grinst er wie der junge Elvis, wenn er vor dem ersten Song die Gitarre stimmt. I'm all shook up. Am nächsten Morgen berichte ich, dass mir Erika wieder lange Geschichten von ihrer Arbeit erzählt hat. Es sind meine eigenen, reichlich auffrisiert, denn er liebt das Drama. Wüsste er, wer sie erlebt hat, würde er sie mit seinem Stehsatz quittieren. Er meint, ich solle Erika doch einmal einladen. Na ja, warum nicht? Sie könnte ihm gefallen.
Es gab eine Zeit der Gewissensbisse und der Grundlagenforschung. Keine Besuche bei Erika, nur daheim und wach bis in die frühen Morgenstunden, beschäftigt mit der Frage, warum ich ihm so gleichgültig erscheine. Ich kann nicht sagen: weil du unsere Beziehung ständig in Frage stellst; weil dich ruhige Zeiten so unruhig machen; weil du den ehelichen Beischlaf für ein Mysterienspiel hältst; weil du mich ausweidest wie der Geier das Lamm; weil du so selten lachst. Stattdessen sage ich: du täuscht dich; ich bin nach der Arbeit oft müde; du interessierst dich nicht für meine Gedanken; am Sex ist nichts auszusetzen; lass uns bitte endlich schlafen gehen.
Dann ein Urlaub am See, eingeblockt in einer Hütte. Endlose Aussprachen. Er sagt: du bist so leicht zu begeistern; du willst nicht mit mir allein sein; dich interessiert nicht, was ich denke; du sagst nie, was du dir wünscht im Bett; du magst meinen Körper nicht. Ich denke: deine schwarze Galle verdirbt alles; dich kann gar nichts begeistern; du redest ständig von deiner Arbeit; ich ertrage dich nur in verdünnter Form; dein trauriger Körper erregt mein Mitleid. - Tagsüber schläft er, während ich versuche, nicht an Stefan zu denken.
Am Ende waren wir zu erschöpft, um das Tal zu durchschreiten. Aber er hat verstanden, dass er sich nicht im Zweifel suhlen und mich mit Schlamm bewerfen soll. Auch, dass wir nicht immer in Gefühlen baden müssen, weil das den Nerven und dem Denken schadet. Ich habe ihm erklärt, warum es mich anwidert, wenn ihn anderer Leute Unglück in eine angeregte Stimmung versetzt und wenn er niemandem einen Erfolg gönnt. Seither sagt er immer "Aber geh!" zu mir.
Erika meint, dass man den Depressiven nicht trauen kann. Sie tun alles, um Turbulenzen zu erzeugen. Manchmal greifen sie zu Kokain, manchmal zum Messer. - Wenn ich es recht bedenke, hätte er Grund, zum Messer zu greifen, denn nach jenem Urlaub bin ich schnurstracks zu Stefan gegangen. Bei ihm hängen keine dunklen Wolken unter der Zimmerdecke und kein ewig-gekränktes Ich hockt in der Sofaecke. Er freut sich, wenn ich da bin. "Aber geh!" sagt er nur, wenn ich regentriefend vor seiner Tür stehe und fürchte, ihm den Parkettboden zu versauen.
Natürlich sage ich mir immer wieder, dass es so nicht weitergehen kann. Nicht, weil mich das Gewissen drückt - mit dem Lügen komme ich inzwischen gut zurecht -, sondern weil die Situation so verfahren ist. In den dümmlichen Ratgebern heißt es: Hören Sie auf ihr Herz! Aber mein Herz hat zwei Kammern. Dort wohnt weder er noch Stefan, sondern mein luftiges Ich, das gern mit Stefan spielt, und mein düsteres, das der Andere sofort aufgespürt hat. Es könnte sich breitmachen, wenn ich ihn aufgebe. Er hält es in Schach.
Und so denke ich hin und her. Manchmal will ich auf der Stelle reinen Tisch machen, manchmal beschließe ich, alle beide zu verlassen, manchmal lächle ich einem fremden Mann auf der Straße zu - und sage mir nachher: Aber geh!
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