Absacker mit Fee (Sonett)

4,00 Stern(e) 4 Bewertungen

sufnus

Mitglied
Absacker mit Fee

Zur Absinthshow lockst du in die Traumabar
und mit weiter nichts als unbemalter Nacht
angetan - bedeutest du, bei Fühlgefahr
seien Ichkulissen nur dazu gemacht,

dass man sich in Ihnen sicher glaubt vor dir:
"Also gut, mein Lieber, ich bin da und frei
und ich wittere dein zahmes Seelentier.
Drei mal riefst du mich, nun bleiben wir uns treu,

heute bist du, Freundchen, à la carte gesetzt,
und bei uns brauchts so ein Schöngeschwafel nicht:
Wie ich an dir hinstarb, bis aufs Mark verletzt,

hast du ja zum Märchenschluss mit freier Sicht
in der Seinerzeit fast teilnahmslos studiert
und wirst jetzt als kalter Zwischengang serviert.".
 
Zuletzt bearbeitet:

N. Valen

Mitglied
Lieber Sufnus,

was für ein Ritt – von der Traumabar mit Absinthschimmer bis hin zum kalten Zwischengang.
Dein Text changiert zwischen Verführung und Verletzung, zwischen Bühne und Seziertisch.
Mir gefällt besonders, wie du die „Fee“ nicht als Leichtwesen belässt, sondern sie zur Kellnerin der eigenen Schmerzen machst.

Das hat Härte, aber auch eine eigentümliche Klarheit:
wer dreimal ruft, muss mit der Antwort leben.

Danke fürs Teilen – das bleibt bitter auf der Zunge, wie ein Absinth, der nachbrennt.

4/5 Warum:
  • Sprachkraft: stark, dicht, unverwechselbar. (volle Punktzahl)
  • Bildwelt: originell (Absinth, Traumabar, Fee), aber sperrig. Das verlangt volle Aufmerksamkeit – kein „Nebenbei-Gedicht“. (sehr hoch)
  • Schluss: „Zwischengang serviert“ – brutal klar, sitzt wie ein Schlag. (stark)
  • Abzug: Lesbarkeit. Es braucht mehrere Anläufe, um die Schichten zu entwirren. Das kann manche Leser eher fernhalten.
Viele Grüße
Nova
 

sufnus

Mitglied
Hey Nova!
Ganz lieben Dank für die Blumen, Analysen, Bedenkungen und Sterne!
Die Stichworte "sperrig" und "Lesbarkeit" finde ich sehr treffend. :) Ich hatte Lust, mal einen ziemlich langzeiligen Trochäus zu verwenden, ohne dass es allzuwild klappert und das führt u. U. zu einigen gravierenden Betonungshürden beim typischen Erstleseversuch, so dass man leicht den Eindruck gewinnen könnte, die Metrik sei hier komplett zerschreddert worden.
LG!
S.
 

Ubertas

Mitglied
Lieber sufnus,
seit einigen Monaten unterstütze ich die Organisation "Freispruch für das Seelentier". Nach eingehender Haushaltsprüfung und hinterlegten Schutzgebühren kommt der Unklapperverbund zu folgender Verkündigung: keine kalten Zwischengänge! Das verträgt das zarte Wesen nicht.
Liebe Grüße ubertas
 

mondnein

Mitglied
4/5 Warum:
  • Sprachkraft: stark, dicht, unverwechselbar. (volle Punktzahl)
  • Bildwelt: originell (Absinth, Traumabar, Fee), aber sperrig. Das verlangt volle Aufmerksamkeit – kein „Nebenbei-Gedicht“. (sehr hoch)
  • Schluss: „Zwischengang serviert“ – brutal klar, sitzt wie ein Schlag. (stark)
  • Abzug: Lesbarkeit. Es braucht mehrere Anläufe, um die Schichten zu entwirren. Das kann manche Leser eher fernhalten.
was ist das denn? Castingshow, oder Eiskunstlauf?

Dieses Liedchen hat einen gewissen surrealistischen Reiz, mit seinen wirren "Schichten", die von Sinn weitgehend frei sind, d.h. ein hineinzulegender "Sinn" kommt ganz vom Leser her, wie bekanntlich auch sonst, immer, bei jedem Gedicht.
Was hier besonders deutlich ist -
d.h. "deutlich" ist eigentlich nichts, also ist es in jede Richtung hin deutbar.
Dem, der Lust aufs Lesen und Deuten hat.

Ich geh jetzt erst mal die Wäsche abhängen und bügeln, das macht mehr Spaß
 

seefeldmaren

Mitglied
Hey Sufnus,

Entwertung, Endgültigkeit und Entzauberung - die letzte Zeile wirkt auf mich fast zu erklärend und ich finde vielleicht etwas stilistische Inkohärenz der dargebotenen Bilder: Absinthshow, Seelentier, Menü - dies aber nur als Oberflächenkratzerei.

Schön finde ich, dass die "Feierlichkeit" durch die Ironie scharfkantig gemacht wird. Das gibt der Fee etwas Bedrohliches.

Das Metrum verschaffte mir keine Probleme beim lesen. Das Leser hier Stolpern, liegt vielleicht an den männlichen Kadenzen, die manchmal wie eine Wand wirken können.

Maren
 

N. Valen

Mitglied
Lieber Mondnein,

du hast recht – mein Feedback klingt tatsächlich mehr nach Jury als nach Resonanz. Das war nicht als Casting gemeint, eher als Versuch, transparent zu machen, warum ich beim Lesen hängen geblieben bin.
Deine Lesart gefällt mir: das Surreale einfach laufen lassen, ohne Schichten entwirren zu wollen. Vielleicht ist genau das die Kraft von Sufnus’ Text – dass er sich gar nicht auf eine Deutung festnageln lässt, sondern offen bleibt.
Danke für den Kontrapunkt – der macht mir gerade bewusst, wie unterschiedlich man Rückmeldungen überhaupt anlegen kann.

Viele Grüße
Nova
 

sufnus

Mitglied
Hey Nova, Maren & Ubertas!
Freue mich sehr, dass Ihr dem Text Eure Zeit schenkt!
Wie schon angedeutet, war es für ich als eine Art metrische Etüde angelegt. Der Trochäus findet im Deutschen ja ganz überwiegend in kurzzeiligeren Gedichten mit drei, vier oder fünf Hebungen statt, weil bei längeren trochäischen Reihen die Navigation zwischen rhythmischer Monotonie und einem Zerfall des Metrums zunehmend schwierig wird (abgesehen davon tendieren Zeilen mit mehr als den hier verwendeten sechs Hebungen dazu, in der Mitte auseinander zu fallen und sich im Lese-Ohr als kürzere metrische Einheiten zu gruppieren).
Neben der formalen Hürde (beim Schreiben, aber auch beim Lesen), gibt es noch eine inhaltliche: Irgendwie ist bei dem Gedicht eine gewisse Ich-Verunklarung am Start. Am Anfang klingt es ja wie konventionelle Du-Lyrik, bei der ein ebensolches Gegenüber von der Gedichtstimme "angesungen" wird. Allerdings gibt es in den ersten fünf Zeilen zwar ein deutlich angesprochenes Du, aber es fehlt (bis auf die etwasrätselhaften Ich-Kulissen) das korrespondierende Ich. In der sechsten Zeile taucht dann ein Ich auf, aber zugleich wechselt das Gedicht in eine direkte Rede, so dass dieses Ich vermutlich nicht mit der anfänglichen Gedichtstimme identisch ist (oder doch?).
Wenn man jetztnochmal zur Überschrift zurückhüpft, entwirft die ja ein Setting mit einem Theken-Ich, das sich einen Absacker genehmigt (oder ein Absacker ist?) und einer beigesellten Fee, die wir uns im Absinthfall natürlich grün vorstellen dürfen. Man könnte sich das Ich der wörtlichen Rede also als die Stimme der Fee vorstellen, die den Thekentyp zur Rede stellt, insgesamt bleibt das alles aber ein bisschen ins Dissoziative gerückt (war zumindest der Plan ;) ).
LG!
S.
P.S.
Und nur kurz zur Erklärung meines etwas selektiven Antwortens: Dem betreffenden User, der in Zukunft weitgehend ausgespart bleibt, habe ich diesen Umstand der Ignorierung natürlich vor einiger Zeit mitgeteilt - Hintergrund ist, dass ich mit seiner Mischung aus lamentierenden Gelesenwerdeanspruch und insgesamt rotzigem Auftreten nicht einverstanden bin und daher überwiegend getrennte Gedeihlichkeiten pflegen werde. :)
 

mondnein

Mitglied
Ich lese es jetzt wieder und versuche, einen Deutungspfad durch die vielen Möglichkeiten, deren Wald man vor Bäumen nicht sieht, zu schlagen, aber natürlich gehen, schwimmen, fliegen oder singen andere Leser anders.

weil bei längeren trochäischen Reihen die Navigation zwischen rhythmischer Monotonie und einem Zerfall des Metrums zunehmend schwierig wird
das sind lange Texte, diese Dramen der Griechen, nicht eben mal ein Vier-Strophen-Gedicht, sondern stundenlange Echos des Narkissos im schwankenden Spiegelbild des Teichs, gleich ob beim Lesen oder beim abendfüllenden Schauspiel,
die nämlich, die allesamt, außer den Chören, in iambischen Trimetern rhythmisiert sind. Das sind in der deutschen Versfüße-Zählung dann sechs Iamben. Es sind keine Monologe, sie werden deshalb nicht monoton, es geht ja der Dialog hin und her, Satz und Gegensatz, in spannender Steigerung der Handlung bis zur peripetie hinauf und im Sturz zur katástrophê hinab,
Wenn der Iambus deiner sechs Silben einen schweren Vortakt bekommt, einen betonten, kann er gleich als Trochäus gelesen werden. Der Vers geht dann betont los. hier, in den Versanfängen, allerdings meistens mit schwachen Anfangssilben, Einzelsilben, die unbetont sein könnten - "zur Ab... ; und mit ...; daß man ... ; und ich ... ; Drei mal ,,," - und die deshalb ganz gut als Iambus gelesen werden würden, wenn der sogleich folgende Trochäus den ein-füßigen Waldgänger nicht einen halben Schritt zurückträte und selbst zurückzutreten zwänge:

Zur Absinthshow lockst du in die Traumabar
und mit weiter nichts als unbemalter Nacht
angetan - bedeutest du, bei Fühlgefahr
seien Ichkulissen nur dazu gemacht,
Beginnt mit einem spätimpressionistischen Bild aus dem vorigen Jahrhundert, wo die Künstler Absinth gesoffen haben, aber das eigentliche Gift in deren Flaschen war ein schlecht gepanschter Alkohol. Das mit dem berauschenden "Absinth" gilt heute als Mythos.
Könnte eine Bar mit "Trauma" im Titel sein, was aber nicht einladend klingt; und die Fast-Homophonie von Trauma und Traum wäre der Witz dabei. So flach ins Bild gesetzt sind am ehesten Träume, deren Ereignisszenerie wie ein Bar gestaltet ist, wo die absinthinspirierten Künstler eine "show" abziehen. Vielleicht eine Schlägerei, wie bei einem typischen Aufwachtraum, wo die empfangenen Schläge den Wiedereintritt des Tastsinns ins Bewußtsein bemerkbar machen. Rin Künstler-Schlag darf das "Trauma" sein, das der Bar den Titel gegeben hat.

Da taucht das lyrische "Du" auf, mit dem der Autor sich im Leser versteckt bzw. im Leser präsent wird, wo er sich in ihn hineinspricht.
Und es lockt, muß wohl eine Verführerin sein, diese "Du"-Identifikation des Autors mit dem Leser, zugleich schamvoll distanziert zum "Du", in dem das Ich des Lesers dem Leser präsent erschiene, wenn der Leser diese Unterstellung annähme, diese verführerische "Du"-Gestalt, die mit ihm, wenn er gleichen Geschlechts ist, nur identisch wäre, wenn sich seine wie auch seines Gegenübers Sexualität in ihm wie in seinem identisch scheinenden Gegenüber spiegeln ließe. Hetero-Paarung (wie Narkissos mit dem weiblichen Echo seines Spiegelbildes) könnte zwar eine Distanz schaffen, die statt der Identifikation des geschriebenen "Du" mit dem lesenden "Ich" den Traumcharakter des Traumas ins Wachbewußtsein triebe, wo die brutal einander Schlagenden und wieder Getrennten sich in dem einen Körper des Aufwachenden wiederfänden, wenn die verführende "Du"-Gestalt nicht schon die liebevolle Identifikation mit dem "Ich" des Lesers schon vor dem Aufwachen lustvoll vollgezogen hätte.

Wenn ihre "Nacht" nicht mit Bemalungen übertüncht oder mit reizend geschminkten Augen, Wimpern und Lippen seinem inneren Sinn sinnlich vorgemalt worden ist, also: wenn die Nacht farblos bleibt, hüllt ihre Unsichtbarkeit sie ein, wird sie durch Unsichtbarkeit verhüllt. Oxymoron.

"Nacht" ist zugleich auch eine empfindungssatte Fülle. Eine Schönheit, die wie ein Mantel oder ein anschmiegsames Kleid die Verführungskraft der "Du"-Dea entblößt. indem sie ihn trägt.

soweit zunächst.
grusz, hansz​
 
Zuletzt bearbeitet:

James Blond

Mitglied
Die Stichworte "sperrig" und "Lesbarkeit" finde ich sehr treffend. :) Ich hatte Lust, mal einen ziemlich langzeiligen Trochäus zu verwenden, ohne dass es allzu wild klappert und das führt u. U. zu einigen gravierenden Betonungshürden beim typischen Erstleseversuch, so dass man leicht den Eindruck gewinnen könnte, die Metrik sei hier komplett zerschreddert worden.
Dem kann ich nur zustimmen, auch wenn ich den Inhalt ohne Schwierigkeiten als ein Thekengespräch mit Rachegelüsten verstehe. Da läuft der Trochäus allerdings gegen an, weil er den Sprachduktus einige Etagen höher schraubt, als es dem Thema gut tut. So entsteht eine abgehobene Künstlichkeit, die durch die teilweise etwas erzwungen wirkenden Komposita-Neologismen (als bekannte sufnus-Spezialität) noch gesteigert wird.

Obwohl der Text schlüssige Passagen aufweist, bilden sich beim Lesen zu viele Schweißperlen auf der Stirn, um einen entspannten Lesegenuss zu vermitteln. Die trefflichen Formulierungen werden durch unnötige Hirnschmalzzugaben leider ausgehebelt.

Lieber sufnus,
wir wissen ja, dass du ein kluges Kerlchen bist, aber du brauchst es uns nicht immer vorzuführen. ;)

Grüße
JB
 

sufnus

Mitglied
Hey James,
so charmant wurde ich - meines Wissens - bis dato nur von weiblichen Mitmenschen kritisiert; du offenbarst ja wirklich eine ungeahnte feminine Intelligenz (Pleonasmus), die ich als äußerst einnehmend empfinde. :)
Und wem nun diese meine Reverenz vor der platonischen Idee des Weiblichen heteronormativistisch-genderuncool vorkommt: Ich darf das, bin ein senilobleichgesichtsmännliches Anschauungsmodell und stehe unter Denkmalschutz.
Was nun aber den Kern Deiner Kritik angeht, nämlich erstens gibts beim User S. ein zu kompliziertes Schweißperltreibschreiben und zweitens ballen sich bei Diesemjenen zu viele Seltsamkeitswortzusammensetzungsmanierismen, so bemühe ich mich schon um dann-und-wannigere Abwechslung mit gaaanz relaxter Simpelsprechlyrik ohne Verdrehtheiten ... das Ding ist nur, dass ich nach Einfachschriebanwandlungen wieder dringend der Abwechslung von ebensolchem Leichtsprech bedürftig bin. Was will man da machen? Aber ich nehm den Ball gerne auf. :) Das nächste Poem soll also verschwitzungsfrei lesbar werden.
LG!
S.
 

sufnus

Mitglied
Ha!
Ich stelle gerade fest, dass ich mein Schreibkontingent aktuell ausgereizt habe...
... dann gibts jetzt einfach mal zum Überbrücken hier was zusammenhanglos Angehängtes und wenn ich wieder von der Kette gelassen werde, schreib ich noch was Schönes und Einfaches für alle, die sich daran erfreuen, also stellvertretenderweise für Dich. :)
LG!
S.


Zwei Knaben schrieben ein Gedicht.
Mir wars ja ehrlich viel zu schlicht,
doch alle andern fandens toll.
Die Welt ist schlecht. Ich wusst es. Schmoll.
 



 
Oben Unten