Ich lese es jetzt wieder und versuche, einen Deutungspfad durch die vielen Möglichkeiten, deren Wald man vor Bäumen nicht sieht, zu schlagen, aber natürlich gehen, schwimmen, fliegen oder singen andere Leser anders.
weil bei längeren trochäischen Reihen die Navigation zwischen rhythmischer Monotonie und einem Zerfall des Metrums zunehmend schwierig wird
das sind lange Texte, diese
Dramen der Griechen, nicht eben mal ein Vier-Strophen-Gedicht, sondern stundenlange Echos des Narkissos im schwankenden Spiegelbild des Teichs, gleich ob beim Lesen oder beim abendfüllenden Schauspiel,
die nämlich, die allesamt, außer den Chören, in
iambischen Trimetern rhythmisiert sind. Das sind in der deutschen Versfüße-Zählung dann sechs Iamben. Es sind keine Monologe, sie werden deshalb nicht monoton, es geht ja der Dialog hin und her, Satz und Gegensatz, in spannender Steigerung der Handlung bis zur peripetie hinauf und im Sturz zur katástrophê hinab,
Wenn der Iambus deiner sechs Silben einen schweren Vortakt bekommt, einen betonten, kann er gleich als Trochäus gelesen werden. Der Vers geht dann betont los. hier, in den Versanfängen, allerdings meistens mit schwachen Anfangssilben, Einzelsilben, die unbetont sein könnten - "
zur Ab... ; und mit ...; daß man ... ; und ich ... ; Drei mal ,,," - und die deshalb ganz gut als Iambus gelesen werden würden, wenn der sogleich folgende Trochäus den ein-füßigen Waldgänger nicht einen halben Schritt zurückträte und selbst zurückzutreten zwänge:
Zur Absinthshow lockst du in die Traumabar
und mit weiter nichts als unbemalter Nacht
angetan - bedeutest du, bei Fühlgefahr
seien Ichkulissen nur dazu gemacht,
Beginnt mit einem spätimpressionistischen Bild aus dem vorigen Jahrhundert, wo die Künstler Absinth gesoffen haben, aber das eigentliche Gift in deren Flaschen war ein schlecht gepanschter Alkohol. Das mit dem berauschenden "Absinth" gilt heute als Mythos.
Könnte eine Bar mit "Trauma" im Titel sein, was aber nicht einladend klingt; und die Fast-Homophonie von Trauma und Traum wäre der Witz dabei. So flach ins Bild gesetzt sind am ehesten Träume, deren Ereignisszenerie wie ein Bar gestaltet ist, wo die absinthinspirierten Künstler eine "show" abziehen. Vielleicht eine Schlägerei, wie bei einem typischen Aufwachtraum, wo die empfangenen Schläge den Wiedereintritt des Tastsinns ins Bewußtsein bemerkbar machen. Rin Künstler-Schlag darf das "Trauma" sein, das der Bar den Titel gegeben hat.
Da taucht das lyrische "Du" auf, mit dem der Autor sich im Leser versteckt bzw. im Leser präsent wird, wo er sich in ihn hineinspricht.
Und es lockt, muß wohl eine Verführerin sein, diese "Du"-Identifikation des Autors mit dem Leser, zugleich schamvoll distanziert zum "Du", in dem das Ich des Lesers dem Leser präsent erschiene, wenn der Leser diese Unterstellung annähme, diese verführerische "Du"-Gestalt, die mit ihm, wenn er gleichen Geschlechts ist, nur identisch wäre, wenn sich seine wie auch seines Gegenübers Sexualität in ihm wie in seinem identisch scheinenden Gegenüber spiegeln ließe. Hetero-Paarung (wie Narkissos mit dem weiblichen Echo seines Spiegelbildes) könnte zwar eine Distanz schaffen, die statt der Identifikation des geschriebenen "Du" mit dem lesenden "Ich" den Traumcharakter des Traumas ins Wachbewußtsein triebe, wo die brutal einander Schlagenden und wieder Getrennten sich in dem einen Körper des Aufwachenden wiederfänden, wenn die verführende "Du"-Gestalt nicht schon die liebevolle Identifikation mit dem "Ich" des Lesers schon vor dem Aufwachen lustvoll vollgezogen hätte.
Wenn ihre "Nacht" nicht mit Bemalungen übertüncht oder mit reizend geschminkten Augen, Wimpern und Lippen seinem inneren Sinn sinnlich vorgemalt worden ist, also: wenn die Nacht farblos bleibt, hüllt ihre Unsichtbarkeit sie ein, wird sie durch Unsichtbarkeit verhüllt. Oxymoron.
"Nacht" ist zugleich auch eine empfindungssatte Fülle. Eine Schönheit, die wie ein Mantel oder ein anschmiegsames Kleid die Verführungskraft der "Du"-Dea entblößt. indem sie ihn trägt.
soweit zunächst.
grusz, hansz