alles halb so wild

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sufnus

Mitglied
Hey anbas!
Die Strophe 1 ist mir ein bisschen zu simplifizierend-polemisch gehalten - wobei... "simplifizierend-polemisch" trifft irgendwie nicht so ganz, was ich meine, denn gegen Polemik und Simplifizierung ist in einem gesellschaftlich engagierten Gedicht ja nichts einzuwenden ... hm... *grübel* … vielleicht so: Die Klimawandelleugner und (die noch viel wichtigere Gruppe!) -ignorierer werden in Strophe 1 etwas zu witzfigurenhaft dargestellt, was weder dabei hilft, diese Personen "abzuholen" noch der Tragweite des Problems so ganz gerecht wird.
Das Schlussbild finde ich aber richtig stark! Hier ist auch das LyrDu in adäquater Vielschichtigkeit abgebildet.
Interessanterweise wird der Text für mich auch erst in und durch die letzten sieben Zeilen zum Gedicht, während die erste Strophe m. E. typische "Kurzprosa im Zeilenstil" repräsentiert.
LG!
S.
 
Hallo anbas,

dein Gedicht gefällt mir. Anders als Sufnus lese ich aber gar nichts von Klimawandel-Leugnern oder Ignorierern und das Gedicht auch nicht als Gesellschaftskritik. Sondern, dass das LI bzw. das LD sich damit abgefunden hat, dass da nichts mehr aufzuhalten ist. Da redet es sich eben ein, es ist doch nicht so schlimm.
Aber ganz kann es sich nicht verstellen. Wieso sonst die (vom Weinen um die Welt) geröteten Augen?

es ist doch alles

gar nicht so schlimm

sagst du und schaust

in den sonnenuntergang

mit geröteten augen
Das ist für mich die stärkste Strophe.

Ich lese wirklich das Gedicht vollkommen anders als Sufnus, aus einer persönlichen Perspektive des LI, nicht als Anschuldigung an Klimaleugner oder Ignorierer.

Schöne Grüße
SilberneDelfine
 
Zuletzt bearbeitet:

sufnus

Mitglied
Hey SD! :)

Als reines Pamphlet gegen eine ganze Gruppe von Mitmenschen lesen ich das Gedicht auch keineswegs und wenn ich über Deine Deutung nachdenke, stelle ich gar keinen so großen Unterschied in der inhaltlichen Lesart fest, allenfalls sehe ich zwischen mir und Dir anders gesetzte Akzente im - sozusagen - Vektor, der von diesem Gedicht ausgehend ins Weiterführende weist.

Insofern: Auch für mich ist evident, dass hier der Einzelfall eines lyrDu geschildert wird: "Persönliche Perspektive", wie Du schreibst, triffts natürlich genau. Und demzufolge enthält das Gedicht auch keine explizite Anklage gegen bestimmte Gruppen von Menschen, unabhängig davon ob man sie nun (Ver-)Leugner oder Ignorierer des Klimawandels nennen möchte oder - find ich gut! - etwas empathischer als klimaresignierte Zeitgenossen betrachtet.
Auch sind wir offensichtlich bei der positiven Bewertung des Schlussbildes einer Ansicht.
Insgesamt geht das also nach meinem Eindruck nicht so sehr weit auseinander.

Der wesentliche Unterschied ist dann halt (nur), dass Dich die erste Strophe nicht stört, während ich sie als zu "Cartoon-haft" gestaltet ansehe. Tatsächlich gibt es ja unzählige Cartoons, in denen jemand inmitten einer epischen Überflutung auf dem Hausdach sitzt oder in einer dampfenden Hitzehölle und mit kontrafaktischer Sprechblase verkündet, dass alles nicht so schlimm sei oder der Klimawandel bekanntlich ein Gerücht sei o. ä. Und ich finde, diese "Pointe" ist so grob gesetzt, dass sie mich auch dann nicht für einen Text oder einen Cartoon einnimmt (oder eingenommen haben wird), wenn - wie in diesem Gedicht - im Anschluss ein differenzierteres Bild des Protagonisten (in dem Fall des lyrDus) gezeichnet wird.
Aber gerade weil hier der Text nach Strophe 1 in ein graustufigeres Betrachten abbiegt (das uns ja beiden gut gefalllen hat), verstehe ich vollkommen, wenn Du (und andere Leser*innen) mit dem Intro kein Problem haben.

In dem Zusammenhang würde mich noch interessieren, ob mein Eindruck, dass Strophe 1 eigentlich noch nicht wirklich ein Gedicht ist, sondern eher zeilenumbrüchige Prosa und mit Strophe 2 dann erst das Gedicht-Momentum einsetzt, noch von anderen geteilt wird oder ob hier außer mir niemand einen sonderlichen Gattungswechsel wahrnimmt.

LG! :)

S.
 

Ubertas

Mitglied
Lieber Andreas,

mir gefallen deine Zeilen sehr:)
Bei deinen Gedichten habe ich wirklich stets die Garantie, dass sie sich mehr und mehr offenbaren, je öfter man sie liest. Das bereitet mir nicht nur Freude, es begeistert mich! Es bleibt nie bei einer Lesart, das ist wunderbar.
Sufnus Gedankengang stimme ich zu bzgl. Gedicht-Momentum. Der Ausdruck gefällt mir btw:)
Strophe 1, da seh ich mir den Titel an:
Alles halb so wild.
Sagen gerne diejenigen, die es selbst nicht betrifft, die beschwichtigen und gerne von Harmlosigkeit sprechen, weil sie gern verdrängen oder auf der endlosen Welle schwimmen. Genau dazu passt das
"Ge-rede"
Strophe 2 versucht dieses zu verarbeiten. Da betritt für mich das lyrische du/ich die Bühne.
Strophe 3 finde ich ebenfalls bezaubernd. Da darf man sich die Frage stellen: ist es das Abendrot der Nichthinseher? Das einmalig einzelne? Oder spiegeln sich noch mehr gerötete Augen in ihm?
Das Cartoonhafte kann man so feststellen und es ist gewiss verdaulich. Für mich sind es in Strophe 1 die Stürme des Lebens, das Ersticken an zuviel Nähe, ein innerer Zusammenbruch, der einen wie die Flut wegreißt aus dem Alltag. Gleichzeitig funktioniert auch das Lesen mit Blick auf den Klimawandel.
Dieses Gedicht schafft einen Zusammenfluss. Da sehe ich die Eindrücke von SilberneDelfine, sufnus, mir und noch vielen anderen in einem hervorragenden Gedicht angekommen:)

Liebe Grüße ubertas
 

anbas

Mitglied
Moin,

ganz lieben Dank für Eure Rückmeldungen und die Sterne!

Zur Interpretation des Gedichtes möchte ich mich ungerne äußern. Ich bin vielmehr fasziniert und positiv überrascht, welche Gedanken es bei Euch auslöst.

@sufnus
Zum Thema "Kurzprosa": Es wird immer wieder mal darüber diskutiert, ob ein Text noch Lyrik, Prosa-Lyrik oder eben Kurzprosa mit Zeilenumbruch ist. Ich sehe diesen Teil irgendwo in diesem Grenzbereich. Doch spätestens durch den zweiten Teil würde der Geamt-Text aus meiner Sicht auf jeden Fall als Lyrik "durchgehen".

@SilberneDelfine
Ich freue mich, dass Dir diese Zeilen gefallen.

@Ubertas
Bei deinen Gedichten habe ich wirklich stets die Garantie, dass sie sich mehr und mehr offenbaren, je öfter man sie liest.
Jetzt muss ich aber aufpassen, dass mich das nicht unter Druck setzt, und ich trotzdem auch weiterhin meine gereimten Blödeleien und andere humorvollen Texte in die LL stelle ...:oops: :cool:. - Aber natürlich freue ich mich über diese Rückmeldung von Dir und Deine Auseinandersetzung mit meinen Zeilen.

Liebe Grüße

Andreas
 

Ubertas

Mitglied
Jetzt muss ich aber aufpassen, dass mich das nicht unter Druck setzt, und ich trotzdem auch weiterhin meine gereimten Blödeleien und andere humorvollen Texte in die LL stelle ...:oops: :cool:.

Bloß nicht, lieber Andreas!!! Und schon gar nicht von mir:)
Ich setze mich seit Jahren für den Erhalt des lyrischen Spaßvogels ein. Leider ist sein Bestand bedroht. Schuld daran ist die Überpopulation der scheinbar seriösen gemeinen Verdrossenheitsdrossel - verursacht durch menschliches Zufüttern.
Diese räuberische Drosselart bricht regelmäßig über den Nistplatz des lyrischen Spaßvogels herein. Meistens dann, wenn er gerade irgendetwas ausbrütet.
Die Folgen: gesenkte Libido und nachhaltig versaute Laune beim Spaßvogel. Wissenschaftliche Studien zeigen, dass er sich immer mehr in zivilisationsferne Gefilde zurückzieht. Allerdings mit etwas Glück, der richtigen Einstellung am Fernglas und mit etwas Frohsinn im Herzen lässt er sich an guten Tagen dennoch sichten:)

In diesem Sinne freue ich mich auf alle neuen Beiträge von dir, egal von welcher "Natur" sie sind:)

Liebe Grüße ubertas
 

anbas

Mitglied
Liebe ubertas,

das beruhigt mich sehr. Die Verdrossenheitsdrossel ist wirklich ein fieser Vogel und starker Gegner. Ganz im Gegensatz zu der Schnapsdrossel, die den Spaßvogel nicht besiegen konnte (weshalb man sie jetzt auch überwiegend in einschlägigen Vogeltränken auffindet). :cool:
Aber es gibt auch Hoffnung. In jüngster Vergangenheit hat man Spaßvögel beobachten können, die sich mit Spottdrosseln zusammengetan haben. Es bleibt abzuwarten, ob und wenn ja, was für eine Brut da entsteht. ;)

Liebe Grüße

Andreas

(schau mal: Hier )
 

Ubertas

Mitglied
Lieber Andreas,
da steht einer Vogelhochzeit nichts mehr im Wege!

Spaßvogel+Spottdrossel=perfect match

Ich denke, der gemeinsame Nachwuchs wird so einige Lachmöwen aufscheuchen:)
Aber auch bei der Schnapsdrossel geht es wieder bergauf. Nach zweiwöchiger Premium-Mitgliedschaft bei Promillevögel fand er seine Traumpartnerin, die Weinamsel. Jetzt sind sie gemeinsam am Zwitschern;-)
Ich wünsche dir ein verdrossenheitsdrosselfreies Wochenende:)
Lieben Gruß ubertas
 

Perry

Mitglied
Hallo Andreas,
alles halb so wild, sprach der Leuchtturmwärter, als die Flut über den Deich sprang.
Das Bier im Kühlschrank langt noch für ein paar Tage, bis dahin hat sich das Wasser wieder verlaufen.
Prost aufs Abendrot und LG
Manfred
 

anbas

Mitglied
Hallo Manfred,
in den letzten Wochen habe ich ein paar Antworten auf Texte von mir aus dem Blick verloren, so wie auch diese hier von Dir. Vielen Dank für Deine Rückmeldung. Prost!
Liebe Grüße
Andreas
 



 
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