Almleben und Businesswelt- ein Tag, zwei Perspektiven

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linda

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Almleben versus Businesswelt

Ich höre nur meinen eigenen, gleichmäßigen Atem, das Klingeln der Kuhglocken sowie das Rauschen des Bergbachs. Mit wachem Auge kontrolliere ich den Zaun und stapfe über die saftig grüne Wiese bis ans oberste Ende der Weide. Oben angekommen, stütze ich mich auf meinen Stock und lege die Hand zum Schutz vor der Sonne über die Augen. Schnell mache ich mir einen Überblick über die Herde und kommuniziere per Handzeichen mit meiner Freundin. Ich übernehme die rechte Seite der Hügelkuppe und treibe die restlichen Kühe der Herde hinab zum Bach. Meine Freundin übernimmt die andere Seite und kämpft sich durchs Dickicht. Schnell muss man sein, damit einem einzelne Tiere nicht wieder abhanden kommen. Am Bach wartet die restliche Herde bereits und ich gehe voraus über den Bach, räume einige Steine und Äste zur Seite. Rufend treiben wir die Herde voran und 28 Kühe bewegen sich gemächlich, aber kontinuierlich in Richtung Stall. Die Melkarbeit beginnt, das langsame Ticken des Melkgeräts gibt den Takt vor. Zwischen zwei warmen, felligen Kuhbäuchen hänge ich meinen Gedanken nach und träume vor mich hin. Die schneeweiße Milch fließt rasch durch die Leitungen und füllt den großen Messingtank. 28 Euter später, versorgen wir die Tiere noch mit Salz und entlassen sie wieder aus dem Stall. Wir treiben sie wieder hoch hinauf auf die saftigen Almwiesen. Selbstbestimmt stromern sie auseinander, oder suchen sich ein schattiges Plätzchen, um Grasbüschel um Grasbüschel zu mampfen. Der Tag neigt sich dem Ende zu und wir kehren noch einmal zurück in den Stall, um ihn ordnungsgemäß zu reinigen. Meine Haut strotzt vor Schmutz und Erde, die Haare sind zerzaust, die Arbeitshose faltig. Sorgfältig schrubbe ich am Brunnen meine Stiefel und lasse sie vorm Stall trocknen. Nach getaner Arbeit streife ich meine Kleidung ab und genieße eine Dusche, um mich vom Schmutz zu befreien. Danach schlüpfe ich in meine Alltagsklamotten und blicke noch mal über die Schulter zu den Kühen. Langsam verschwindet die Sonne hinter den Bergen und ich lasse mir gemeinsam mit den anderen ein liebevoll zubereitetes Abendessen schmecken. Es wird gelacht und geredet, wir lassen den Tag gemeinsam Revue passieren. Anschließend spülen und trocknen wir noch das Geschirr und ich setze mich mit meinen Kollegen eingehüllt in flauschige Decken vor die Almhütte an unseren Stammtisch. Jedem ist egal, was der andere anhat, hauptsache es ist bequem und warm. Geredet wird über Gott und die Welt und wir beobachten zahlreiche Sternschnuppen. Klare Bergluft, liebe Menschen, Ruhe und Entspannung.
Irgendwann gähnen wir einhellig und beschließen, schlafen zu gehen. Ich stapfe über die steile, knarzende Holzstiege nach oben, putze noch meine Zähne und falle müde, aber glücklich ins Bett. Durch das gekippte Fenster höre ich das Bimmeln der Kuhglocken und irgendwo ruft ein Waldkäuzchen, ganz zaghaft. Schon bald schlafe ich ein.



Straßenlärm, hupende Autos, aggressive Fahrer im Inneren. Ich stecke im morgendlichen Stau und komme in meinem SUV nur schleppend voran. Schon ruft mein Büro an. Ich nehme den Anruf über die Freisprechanlage entgegen. Mein Chef beschwert sich über mein Zuspätkommen und kündigt mir bereits Überstunden für heute Abend an. Ohne ein Wort des Abschieds, drückt er mich wieder raus. Nach wenigen Minuten komme ich im Bürogebäude an und fahre in die Tiefgarage. Ächzend steige ich aus dem Auto. Mein Rücken schmerzt von der ständigen Sitzerei. Ich hieve meine Aktentasche aus dem Kofferraum, versperre den Wagen und schlängle mich durch den Dschungel protziger SUV’s zum Aufzug. Vor dem Aufzug steht mein nervtötender Arbeitskollege, der mich bereits mit einer Flut an Informationen und Beschwerden überschüttet, wovon ich nur knapp die Hälfte wahrnehme. Die Aufzugstüren öffnen sich und ich finde mich in meinem Großraumbüro wieder. Meine Kollegen arbeiten bereits hektisch an ihren Aufträgen und grüßen mich nur spartanisch oder gar nicht. Seufzend lasse ich mich auf meinem Bürostuhl nieder und setze das Headset auf, um den allgemeinen Hintergrundlärm auszublenden. Eine Flut an Emails strömt mir entgegen, als ich das Postfach öffne. Nach zahlreichen Stunden, gefüllt mit Telefonaten, Emails und Dokumenten, Akten, Recherchen und noch mehr Telefonaten fahre ich meinen Laptop hinunter und klappe ihn endlich wieder zu. Gerade will ich mich aus dem Staub machen, als mich mein Sitznachbar ans Firmenessen heute abend erinnert. Innerlich stöhne ich lauthals auf, mache aber natürlich gute Miene zum bösen Spiel. Zwei Stunden später sitze ich im Anzug vor einem Glas Wein, der vermutlich mehr kostet, als mein gesamter Handtascheninhalt. Meine Fliege kratzt fürchterlich, am liebsten würde ich sie mir sofort vom Hals reißen. Gerade wird der 2. Gang serviert, der aus einer hauchdünnen Scheibe Wildschweinfleisch besteht, die ich im Normalfall mit einem Happen verputze, nun aber notgedrungen in kleinste Stückchen zersäble. Gesprächsthema Nummer Eins sind natürlich die neusten Immobilien unseres Chefs, was mich wirklich sehr langweilt. Endlich gelangen wir zum letzten Gang, ein Glas in Größe eines Schnapsgläschen mit Tiramisu befüllt. Satt bin ich eigentlich immer noch nicht. Der Abend zieht sich noch ewig in die Länge und ich fahre spätabends mit dröhnendem Schädel zurück in meine Villa.
Per Fingerprint öffne ich die Haustüre und lasse die Schlüssel auf die Marmorplatte in der Küche fallen. Erleichtert zwänge ich mich aus dem Anzug und löse die Fliege. Im 1. Stock angekommen, öffne ich erst mal mein Zimmerfenster, um etwas durchzulüften, schließe es aber bald darauf gerne wieder, da der Straßenlärm und das Gegröle der Betrunkenen auf den Straßen nicht auszuhalten ist. Seufzend verstaue ich meine Aktentasche im Tresor und lasse mich auf mein Boxspringbett fallen. Mein Schädel dröhnt und ich brauche mehrere Stunden, um endlich Schlaf zu finden.
 
Zuletzt bearbeitet:
Hallo Linda,

eigentlich sind das nicht zwei Perspektiven. Verschiedene Perspektiven sind dieselbe Sache aus verschiedenen Sichtweisen erzählt. Du stellst aber hier völlig gegensätzliche Berufswelten gegeneinander und hast quasi zwei Geschichten erzählt. Man könnte als Überschrift z.B. „Almleben contra Businesswelt" wählen, dann würde es passen.

Abgesehen davon, finde ich die beiden Geschichten gut erzählt.

Es ist ja nicht schwer zu erraten, dass du das Almleben bevorzugst. :)

Etwas ist mir noch aufgefallen:
Zwei Stunden später sitze ich im Anzug vor einem Glas Wein, der vermutlich mehr kostet, als mein gesamter Handtascheninhalt.
Beim Anzug tippe ich, dass die Geschichte ein Mann erzählt, beim Handtascheninhalt auf eine Frau.

Schöne Grüße
SilberneDelfine
 

linda

Mitglied
Hallo,

danke dass du dir die Zeit genommen hast meinen Text zu lesen. Mit der Titelwahl hast du recht, das hab ich gar nicht so bedacht. Hättest du vielleicht einen Vorschlag für einen passenderen Titel? :) Auch den Satz mit Anzug und Handtasche hast du gut beobachtet- es handelt sich tatsächlich um eine weibliche Figur ;)

Schönen Abend, lg Linda
 

Agnete

Mitglied
hallo Linda, willkommen. :)
Ja, das fiel mir auch auf, ein Mann tr#ägt eine Fliege, eine Frau nicht.
Da es hier um verschiedne Alltagsstimmungen geht, möchte man irgendwie dasselbe Geschlecht haben. Ist eigentlich Unsinn, denn man kann natpülich auch einfach zwei Beschlechter im Berufsleben gegenüberstellen.
Aber doch, irgendwie stört es ein bissel... wie Delphine schon sagt.;)
Da die beiden Texte unabhängig voneinander stehen, aber doch ein Gefühl im Leser erzeugen sollen von Gegensatz, müsste man sie mit dem Titel verbinden.
Vielleicht ganz weg von Pro uns Contra, denn obwohl ich eine Frau bin und Natur sehr liebe, wäre eine Alm für mich nix. Auch der SUV nicht... also geht es um eine Symbolfigur, die nicht im Vordergrund steht, sondern nur das Thema symbolisiert.
Ich würde in die Richtung gehen "Andere Welt, verschiedene Welten.. irgend sowas wertneutrales.

Ich kannte mal eine Linda... bist du das? Lateinlehrerin
LG von Agnete
 

wirena

Mitglied
Hallo linda, da du dich über ein Upload = up date? = Aktualisierung - freuen würdest hier Folgendes:


Anschließend spülen und trocknen wir noch das Geschirr und ich sestze
Korrektur: Anschliessend spülen und trocknen wir noch das Geschirr und ich setze ...

Anmerkung: ...dass Anschliessend mit 2 s-Buchstaben geschrieben ist, ist meiner Schweizertastatur geschuldet - es ist halt wie es ist und nicht zu korrigieren... passt mir und möchte dies auch nicht ändern müssen.

All dies nur, weil ich die Schreibfehler/Tippfehler nur allzugut kenne - oft, vermutlich der Geschwindigkeit der tanzenden Finger geschuldet, verschwinden Buchstaben einfach oder eben beginnen auf ihre Weise zu tanzen - wie z.B. erst das "s" und dann das "t", wie es bei dir geschehen ist unbemerkter Weise -

ja, und zu Deiner Schilderung Deines Erlebens: es gefällt mir ausserordentlich gut, wie du die Ruhe der Unruhe gegenüber stellst - gerne gelesen :)

LG wirena
 

DocSchneider

Foren-Redakteur
Teammitglied
Hallo Linda,

leider sind beide Berufsbeschreibungen sehr klischeehaft. Es kann nicht sein, dass das Leben auf einer Alm so gut und das Leben in der Stadt so schlecht ist.

Das ist mir einfach zu schwarz und weiß.

Gruß DS
 

Bo-ehd

Mitglied
Hallo Linda, meine Überlegungen bzgl. des Titels gehen in eine andere Richtung. Etwa dahingehend:

Von Hornknöpfen und Nadelstreifen
oder
Zopfmuster vs. Nadelstreifen.
Meine Wahl wäre:
Von Zopfmustern und Nadelstreifen

Gruß Bo-ehd
 

linda

Mitglied
hallo Linda, willkommen. :)
Ja, das fiel mir auch auf, ein Mann tr#ägt eine Fliege, eine Frau nicht.
Da es hier um verschiedne Alltagsstimmungen geht, möchte man irgendwie dasselbe Geschlecht haben. Ist eigentlich Unsinn, denn man kann natürlich auch einfach zwei Geschlechter im Berufsleben gegenüberstellen.
Aber doch, irgendwie stört es ein bissel... wie Delphine schon sagt.;)
Da die beiden Texte unabhängig voneinander stehen, aber doch ein Gefühl im Leser erzeugen sollen von Gegensatz, müsste man sie mit dem Titel verbinden.
Vielleicht ganz weg von Pro uns Contra, denn obwohl ich eine Frau bin und Natur sehr liebe, wäre eine Alm für mich nix. Auch der SUV nicht... also geht es um eine Symbolfigur, die nicht im Vordergrund steht, sondern nur das Thema symbolisiert.
Ich würde in die Richtung gehen "Andere Welt, verschiedene Welten.. irgend sowas wertneutrales.

Ich kannte mal eine Linda... bist du das? Lateinlehrerin
LG von Agnete
Hallo Agnete,
danke für deine Gedanken, bin immer noch am Überlegen wegen des Titels und freue mich weiterhin auf Vorschläge. Latein hatte ich nie, nur Italienisch- daher bin ich wohl nicht deine ehemalige Schülerin ;) LG!
 

linda

Mitglied
Hallo linda, da du dich über ein Upload = up date? = Aktualisierung - freuen würdest hier Folgendes:




Korrektur: Anschliessend spülen und trocknen wir noch das Geschirr und ich setze ...

Anmerkung: ...dass Anschliessend mit 2 s-Buchstaben geschrieben ist, ist meiner Schweizertastatur geschuldet - es ist halt wie es ist und nicht zu korrigieren... passt mir und möchte dies auch nicht ändern müssen.

All dies nur, weil ich die Schreibfehler/Tippfehler nur allzugut kenne - oft, vermutlich der Geschwindigkeit der tanzenden Finger geschuldet, verschwinden Buchstaben einfach oder eben beginnen auf ihre Weise zu tanzen - wie z.B. erst das "s" und dann das "t", wie es bei dir geschehen ist unbemerkter Weise -

ja, und zu Deiner Schilderung Deines Erlebens: es gefällt mir ausserordentlich gut, wie du die Ruhe der Unruhe gegenüber stellst - gerne gelesen :)

LG wirena
Hallo Wirena,
danke für den Hinweis mit dem Tippfehler, hab ich gleich korrigiert! Passiert mir tatsächlich oft und beim Durchlesen übersieht man es dann öfters tatsächlich...
Freut mich sehr, dass du meine Gedanken gerne gelesen hast :)
 

linda

Mitglied
Hallo Linda,

leider sind beide Berufsbeschreibungen sehr klischeehaft. Es kann nicht sein, dass das Leben auf einer Alm so gut und das Leben in der Stadt so schlecht ist.

Das ist mir einfach zu schwarz und weiß.

Gruß DS
Hallo DS,
vollkommen in Ordnung dass du das so siehst. Ich durfte schon viele Erfahrungen während dem Arbeiten auf einer Alm sammeln und habe im Text meinen Tagesablauf beschrieben, an den ich so oft denke wenn ich wieder im Alltagsstress stecke und mich wieder danach sehne, wenn der Sommer vorüber ist. Du hast natürlich vollkommen recht, auch die Arbeit auf der Alm kann hart sein. Und ich spreche wirklich aus Erfahrung. Die Kühe werden schließlich nicht nur bei Sonnenschein geholt, sondern auch mit Blasen an den Füßen stundenlang im Gewitterregen gesucht. Es gibt schwierige Geburten, verletzte Tiere und die Arbeit ist oft hart. Dennoch ist die Arbeit unglaublich erfüllend und bereichernd zugleich. Doch das kann man vermutlich nur verstehen, wenn man es wirklich mal hautnah erlebt hat :). Dass das Leben in der Stadt "nur schlecht" ist stimmt natürlich so auch nicht. Das wollte ich mit dem Text auch eigentlich nicht sagen. Die Hektik, der Stress, die Reizüberflutung und Oberflächlichkeit findet man dort jedoch tatsächlich in einer Fülle, wie man sie auf der Alm niemals antreffen wird ;).

Gruß, Lena
 

linda

Mitglied
Hallo Linda, meine Überlegungen bzgl. des Titels gehen in eine andere Richtung. Etwa dahingehend:

Von Hornknöpfen und Nadelstreifen
oder
Zopfmuster vs. Nadelstreifen.
Meine Wahl wäre:
Von Zopfmustern und Nadelstreifen

Gruß Bo-ehd
Hallo bo-ehd, danke für den Input! Deine Vorschläge gefallen mir auch richtig gut! Danke dafür, lg Lena :)
 

petrasmiles

Mitglied
Liebe Linda,

von mir auch einmal ein herzliches Willkommen!

Ich kann mir gut vorstellen, dass man bei den sehr individuellen Erfahrungen und nur auf die Arbeit selbst bezogen zu diesen Gegenüberstellungen kommt. Ich denke nur, man sollte diese beiden individuellen Orte nicht so ganz ohne zum einen die Lebensbedingungen und zum anderen das soziale Umfeld betrachten.

So eine Geschichte wäre spannend, wenn man eine Person erleben ließe, was die beiden Umfelder mit ihr machen, wenn man anhand der jeweiligen Erlebnisse die Schwächen und Stärken spüren würde, aber nicht so strikt abgegrenzt, sondern miteinander verwoben, sodass man überhaupt den Eindruck bekommt, dass es sich um die gleiche Person handelt.
Zudem ist der Businessteil ein bisschen dick aufgetragen und wenig differenziert. Ich glaube nicht, dass ein Haus, bei dem man die Haus- oder Wohnungstür mit einem Fingerprint öffnen kann, an einer Hauptverkehrsader liegt, die dann auch noch von Betrunkenen frequentiert wird.

Liebe Grüße
Petra
 



 
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