Am Bahnhof

Morfy

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Er rannte und rannte so schnell er konnte, doch der Zug hatte den Bahnhof längst verlassen. Mit Wucht warf er die Aktentasche auf eine Bank des leer gewordenen Gleises, hockte sich hin und ließ den Kopf in die Hände fallen. Fernab sang ein Straßensänger den letzten Vers eines Liebesliedes, es kam eine schwere Stille. Der Mann auf der Bank begann, zu weinen. Der Zug war fort, ein nächster käme in einer Stunde, doch das spielte keine Rolle, denn dieser war ihm besonders wichtig gewesen, genau dieser zu dieser Stunde und kein anderer. Jeder spätere könnte niemals wirklich diesen ersetzen; räumlich vielleicht, aber zeitlich nie. Der Zeitpunkt war für immer verloren.
Der Mann dachte an all die Fahrgäste, die es sich in den warmen Wagons gemütlich machten, die in Gesprächen versunken Beziehungen vertieften, sich näher kamen, ohne große Sorge, ihr Ziel nicht zu erreichen. Inmitten all dessen ein leerer Sitz, wo er mitsitzen sollte, statt allein verklemmt am Bahnhof stundenlang zu heulen.
 



 
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