Am Ende

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Walther

Mitglied
Am Ende


Am Ende dieser Straße steht Entscheidung:
Der Weg daran vorbei ist zugestellt.
Ein Wachhund hat den letzten schon verbellt.
Ich trage wieder mal die falsche Kleidung:

Der Wind ist kalt, der Regenmantel fehlt.
Der Wintereinbruch stand schon in der Zeitung:
Wer sich verrennt, hat eine lange Leitung.
Wenn der Konflikt, verdrängt zwar, heftig schwelt,

Dann bricht das Feuer los als Explosion.
Das ganze Leben ist bloß Illusion,
Ein Trugbild, ein Ich-mache-mir-was-vor.

Du hast mir deine Tür gewiesen. Kläglich
Ging ich hinaus, als wäre das alltäglich.
Von unsrer Liebe blieb nur das Dekor.
 

Bernd

Foren-Redakteur
Teammitglied
Hallo, Walther,
das Gedicht scheint mir (mindestens) drei Themen zu vereinen.
Zum ersten haben wir den Lebensweg, die Straße, die wir gehen, bildlich gesprochen. Es gibt Scheidewege, aus denen man wählen kann, scheinbar frei, aber die anderen sind zugestellt, und automatisch wählst du normalerweise den besser gangbaren.
Und dann folgt doch ein Zwang zur Entscheidung.

Das nächste ist die Konsequenz. Da man alles nur wie in Platons Höhle sieht, war der Weg falsch und so konnte die aus dem schwelenden Brand folgende Explosion nicht verhindert werden. Der Weg war zugestellt, aber auch nicht sichtbar, der das eventuell verhindern konnte.

Und das dritte Thema ist die Liebe, hier die un- oder nichtmehr erwiederte Liebe.

Alles gesamt hat einen gleichförmig-wehmütigen Klang, fast wie Schritte, die den Lebensweg beschreiten, das schwächt auuch die Explosion und macht sie dem Ich-Erzähler erträglich, er bemerkt das Schwelen lange nicht.
 

Walther

Mitglied
lb bernd,

es ist schön, daß du dich dieses unscheinbaren texts angenommen hast. er liest sich wie ein variation über ein oft besprochenes thema. und zugleich ist er das nicht.

das liegt daran, daß mehrere ebenen mit einander verwoben sind. der protagonist ist ein ausgeworfener, der heimatlos und völlig unvorbereitet in die wirklichkeit geriet. er wacht auf, weil seine lage ausweglos geworden ist. gerade die ausweglosigkeit ist die notwendige voraussetzung für seine bewußtwerdung.

die natur spielt die nötige begleitmusik. sie macht physisch erlebbar, was in der seele, im inneren des lyrichs, geschieht. diese korrespondenz des außen mit dem innen ist einer der schlüssel zum sonett als gedichtform.

die explosion zerreißt den schleier, legt frei, was bereits gewußt, aber nicht bewußt war. der selbstbetrug endet. diese erkenntnis ist es auch, die das lyrich sein schicksal ohne widerstand, ohne aufbegehren, ertragen und hinnehmen läßt.

es scheint keinen raum für die diskussion und die rezeption dieser texte mehr zu geben. ich werde daher vorerst keine beiträge mehr einstellen.

ich danke dir aufrichtig für dein bemühen.

lg w.
 

JoteS

Foren-Redakteur
Hallo Walther, erst so einen schoenen Text einstellen und dann den unverstandenen Heimatvertriebenen hier geben, das geht gar nicht!

Gerade weil der Limerick grassiert weiss man ein gutes Sonett um so mehr zu schaetzen, auch wenn man nicht jedes kommentiert. ;)

J.
 

Walther

Mitglied
griaßde jotes,

danke für die freundliche anmerkung. da stehen noch weitere texte, von denen jeder ein erwähnung wert wäre, und es sind nicht nur die meinen.

nö, mein lieber, ich will jetzt erstmal nicht mehr. es gibt andere räume, da bekommt man feedback. und darum geht es.

lg w.
 

Bernd

Foren-Redakteur
Teammitglied
Es ist demnach die Entscheidung des Dichters, der er ausweichen möchte, aber nicht kann. Der Ausweg wurde verstellt.
Wie kann man ihn öffnen?
 

Label

Mitglied
Lieber Walther

ich schließe mich Bernds Worten vollinhaltlich an.
Darüber hinaus erzeugt dein Gedicht in mir eine melancholisch-pragmatisch-Humormischung.

Eigentlich eine schreckliche Situation die du in leichten Federstrichen nachzeichnest. Möglich wird das durch den Zwieklang harte Tatsache und (Selbst)Ironie, das sich wie ein Zwiegespräch durch das Gedicht ping-pongt.

gefällt mir

Lieber Gruß
Label
 

Walther

Mitglied
hi label,

am ende kann man, so meine ich wenigstens, solche erlebnisse nur in der hier vorgestellten form verarbeiten. das sonett ist sozusagen eine blaupause des trennungsmanagements. es zeigt, daß man das nicht managen kann (auch wenn man es gerne täte), weil es immer einen verlierer, einen verstoßenen, gibt.

es freut mich, daß der kleine text deinen geschmack trifft!

danke fürs werten, lesen und kommentieren!

lg w.
 



 
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