Am Tag, als diese Kälte kam

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Walther

Mitglied
Am Tag, als diese Kälte kam, die Berge
Und Täler, alles, in Gewahrsam nahm,
Stand er am Fenster. Äste hingen lahm
Und kahl herunter. „Wir sind eben Zwerge!“

War der Gedanke, der als Welle kam,
Ihn überspülte. Glaube gäbe Stärke:
„Der Mensch, der glaubt, veredelt seine Werke
Und adelt eitles Tun!“ Er spürte Scham:

Wie konnte diese Kälte ihn erschrecken,
Die er nicht fühlte, sondern drohen sah.
Das Dunkel spielte in den Zimmerecken,

Als wollte es ihn einfach freundlich necken.
Es wartete, geduldig, lauernd, nah,
Um ihn schon bald für immer zuzudecken.
 

Bernd

Foren-Redakteur
Teammitglied
Hallo, Walther,
als ich den Titel las, kam ich sofort in die Melodie von "Am Tag, als Conny Kramer starb."
Im weiteren Verlauf bemerkt man, das ist keineswegs beabsichtigt.
Ich bin nun unsicher. Geht es nur mir so?
Ich sehe keine einfache Lösung, würde aber gegebenenfalls den Titel ändern, denn das ist dann ein Ohrwurm.
Er klingt bei mir während des ganzen Gedichtes im Hintergrund und hat nichts damit zu tun.

Wenn es den anderen nicht so geht, kann aber alles bleiben.
 

anbas

Mitglied
Der Tag ... ach Beeeernd ... als Conny ... hättest Du bloß nichts gesagt ... Kramer starb ... jetzt höre ich es auch ... :D

Hi Walther,
mit Sonetten tue ich mich immer noch schwer. Dieses gefällt mir. Lediglich die "Zwerge" wirken auf mich wie ein Fremdkörper, irgendwie gewollt. Frag mich aber nicht nach 'ner Lösung - ich habe keine.

Liebe Grüße

Andreas
 

Walther

Mitglied
hallo in die runde,

das lied hatte ich nicht im kopf, und ich denke, daß es erst der erwähnung bedurfte, um die diskussion in die richtung zu bringen.

der ausruf "wir sind eben zwerge" ist angesichts der natur sachlich korrekt und logisch nachvollziehbar. er hatte mit dem reim nichts zu tun, im gegenteil: der satz war zuerst da, und der rest ergab sich daraus.

den beitrag von jotes lasse ich mal stehen, mit einer anmerkung dazu: es gibt grenzen des humors, dann gibt er in seinen gegenteil um. das kann man hier beobachten.

lg w.
 

JoteS

Foren-Redakteur
Hallo Walther,

entschuldige den albernen Kommentar, war nicht gegen Dich gerichtet. Der ist zum Teil aber auch eine Abwehrreaktion auf das Thema und beweist, dass Deine Zeilen nicht ganz spurlos an mir vorbeigingen.

Allerdings finde auch ich den Berge/Zwerge-Reim in diesem doch eher leicht morbiden Gedicht unpassend. Der Rest ist äusserst gelungen, was diese Kleinigkeit (es ist eigentlich nur eine Kleinigkeit) leider gross werden lässt.

Beste Grüsse

Jürgen
 

Bernd

Foren-Redakteur
Teammitglied
Das Lied kam mir nur durch das isolierte Lesen der Überschrift und anschließend durch die Hervorhebung im Text in den Kopf, Walther. Dass Du das nicht wolltest, ist mir klar.
Ich gerate durch das Lied in eine ungewollte Rhythmik, die ja nicht stimmt.
Insgesamt gefällt es mir auch.
Unbeabsichtigt habe ich Dich in Verteidigungsstellung gebracht.
Immerhin ging es im Wesentlichen nur mir so.
Es liegt wahrscheinlich an "diese" - oder an dem starken "Am Tag, als ..."

Viele Grüße von Bernd

PS: Der Binnenreim ist schön.
 

Walther

Mitglied
lb. jotes,

da sind wir einer und unterschiedlicher ansicht. rein klanglich haben wir ein reimschema abba baab cdc cdc. nun ist in s2 das reimschema nicht ganz "korrekt". das ist eine architektur, die man so flüssig und inhaltlich problemlos selten sieht.

ich sehe auch inhaltlich das problem nicht. die formulierung "wir sind eben zwerge" ist in ähnlicher form fast "standard". sie fehlt in einer variation fast in keinem buch, das sich mit "großer" natur beschäftigt. auch die kombination glaube und menschliche zwergennatur ist nichts neues.

die argumente ziehen also nicht. ein gefühl kann trügen.

lg w.


lb. bernd,

es gibt zwei eintragungen, die mich im moment dazu veranlassen, diesen text in kürze zu löschen. die eine ist deine erste, die andere die von anbas und dem nachfolgenden kommentar von jotes. man kann einen text mit solchen anmerkungen verbrennen. daß das keine böse absicht war, macht die sache leider nicht besser. ich denke nicht, daß dieser text diese kommentare verdient hat, weder von seinem inhalt noch von seiner sprachlichen qualität her.

ich bin nicht beleidigt, sondern eher enttäuscht, daß das passiert ist. es gibt momente, da ist eben alles falsch, was man tut. hier hat es damit begonnen, daß ich diesen text eingestellt habe. vielleicht wäre das morgen oder in 4 wochen alles ganz anders verlaufen.

lg w.
 

JoteS

Foren-Redakteur
Hallo Walther,

den ersten Kommentar hab ich nun einfach gelöscht. Ein unpassender Käse weniger.

Ich kann nunmal nichts für meine Zwergenallergie und bitte Dich, mir diese nachzusehen. Du hast schon recht, dass es doch passt aber Sternenstaub ist auch häufig, passt vielleicht auch oft und ich werde ihn trotzdem nie in einem Gedicht verstreuen. Geschmackssache.

Lösch es nicht; für mich ist das Gedicht trotz meiner Zwergenallergie durchaus stimmig.

Ich meine in Deinen letzten Gedichten zu spüren, dass Du zur Zeit nicht gerade in Hochstimmung bist... setze nicht auch noch wegen eines Gedichts weitere Läuse auf Deine Leber.

Einfach mal grundlos lächeln. Das hilft.

Gruss

Jürgen

P.S.: Bei Missfallen über den Kommentar den Absender bitte verbal verhauen.
 

Bernd

Foren-Redakteur
Teammitglied
Lieber, Walther, das würde mir leid tun. Wäre es ok, wenn ich meinen Text lösche?
Das Problem des Rhythmus in der ersten Zeile bleibt aber trotzdem.
Es wäre meines Erachtens besser, wenn sie "War der Gedanke, der als Welle kam," in der zweiten Strophe entsprechen würde.

(Das gilt auch, wenn Du es in der Leselupe löschst, was ich bedauerlich fände.)

Ich gebe mal ein Beispiel, das es aber nur verdeutlichen soll:

An jenem Tag, als Kälte kam, die Berge ...
 

anbas

Mitglied
Hallo Walther,

ich wollte weder Dich kränken noch Dein Werk veralbern. Tut mir leid, wenn das so bei Dir angekommen ist. Lösche den Text bitte nicht.

Ich selber kann meinen Kommentar, bzw. den ersten Teil, nicht mehr löschen - Bernd, würdest Du das bitte übernehmen.

Liebe Grüße

Andreas
 

Walther

Mitglied
hallo in die runde,

die kommentare können ruhig stehen bleiben. darum geht es mir gar nicht. es ist immer wieder faszinierend, wie sich ein eintrag von der kommentarseite entwickelt und damit ein eigenleben entsteht.

lg w.
 

Bernd

Foren-Redakteur
Teammitglied
Noch etwas zum Inhalt.
Insbesondere die letzten drei Strophen kann ich zur Zeit sehr gut nachvollziehen.

Ich denke, das Thema ist Frost (im zwischenmenschlichen, psychischen Sinn), der einen erstarren lässt, wobei man selbst ihn noch verstärkt, indem man sich in einem Kreislauf befindet.

Wenn ich es jetzt nochmal zusammen mit den Kommentaren lese, wird der Prozess noch deutlicher.

Der Text stellt eine mittelschwere oder tiefe Depression dar.
 

JoteS

Foren-Redakteur
Ach Walther,

zumindest von mir selbst kann ich behaupten, dass ich stets zuerst das Werk und nur das Werk lese und mir erstmal ein Urteil bilde. Dann, erst dann bilde ich mir ein Urteil.

Es mag durchaus vorkommen, dass ein Kommentar dieses bestätigt oder mir einen neuen, interessanten Aspekt zeigt aber das ist nicht allzu häufig.

Ich gehe davon aus, dass auch der Rest der Leserschaft zunächst mal das Gedicht liest. Wer seine Meinung aufgrund eines Kommentars bildet, auf dessen Meinung kann man getrost pfeifen.

Und ja, ich lasse mich gerne mal aufgrund eines Kommentars zu Albernheiten hinreissen. Auch ich habe manchmal lustige Assoziationen, die nicht unbedingt mit dem Inhalt oder der Qualität des Werkes zu tun haben.

Passiert so etwas, dann tut dies dennoch dem Gedicht keinen Abbruch und solch ein Quatsch ist umso lustiger, je erster und wirkungsvoller das Gedicht ist.

Klar, kann man auch mal etwas bewusst auf diese Weise ins Lächerliche ziehen aber das, lieber Walther wollte hier keiner.

Du kannst Dich also entspannt zurücklehnen. Einem guten Gedicht kann ein blöder Kommentar nichts anhaben.

Gruss

Jürgen

P.S.: Auch ich tat mich beim Einstieg etwas schwer; die ersten zwei Zeile laufen auch bei mir nicht ganz rund. Die Zwergenallergie bekommen ich auch nicht los - da ist bei mir nichts zu machen. Daher die "6". Mindestens den Einstieg solltest Du dir nochmal zur stolzen Dichterbrust nehmen. Mag sein, dass ganz einfach nur das Ejambement an dieser Stelle zuviel ist. Das ist einfach in Verbindung mit dem eingeschobenen "alles" gramm. ungewöhnlich und man muss zwei, dreimal drüber um den Satz zu begreifen. Einfach ein Kunstgriff zuviel?
 

Walther

Mitglied
Am Tag, als diese Kälte kam, die Berge
xXxXxXxXxXx
Und Täler, alles, in Gewahrsam nahm,
xXxXxXxXxX
Stand er am Fenster. Äste hingen lahm
xXxXxXxXxX
Und kahl herunter. „Wir sind eben Zwerge!“
xXxXxXxXxXx

War der Gedanke, der als Welle kam,
xXxXxXxXxX
Ihn überspülte. Glaube gäbe Stärke:
xXxXxXxXxXx
„Der Mensch, der glaubt, veredelt seine Werke
xXxXxXxXxXx
Und adelt eitles Tun!“ Er spürte Scham:
xXxXxXxXxX

Wie konnte diese Kälte ihn erschrecken,
xXxXxXxXxXx
Die er nicht fühlte, sondern drohen sah.
xXxXxXxXxX
Das Dunkel spielte in den Zimmerecken,
xXxXxXxXxXx

Als wollte es ihn einfach freundlich necken.
xXxXxXxXxXx
Es wartete, geduldig, lauernd, nah,
xXxXxXxXxX
Um ihn schon bald für immer zuzudecken.
xXxXxXxXxXx
lb. bernd,

der rhythmus paßt erstklassig. das ist ein lupenreiner fünfhebiger jambus, der sich ohne probleme und rüttler bis zum ende durchlesen läßt, da er auch der wortmelodie folgt. ich sehe dein problem also wirklich nicht.

irgendwie scheint das mit diesem text nicht zu klappen.

lg w.
 

Bernd

Foren-Redakteur
Teammitglied
Lieber, Walter, wenn man den Text skandiert, hast Du völlig recht.
Das ist eine Möglichkeit des Vortrags. Ich verstehe aber jetzt mein Problem besser.
Eine andere Möglichkeit ist, dem "Gewicht" (so möchte ich es nennen) des Textes zu folgen. Ich neige eher zu dieser Methode, und bei dieser spielen auch Pausen eine Rolle.
Ich mache nach "Am Tag" eine Pause, und die bringt mich offensichtlich aus dem Rhythmus.

Das heißt nicht, dass alle meinem Beispiel folgen.
Ich habe dieses Gedicht nicht rein jambisch vorgetragen, das war dann der Fehler, da es anders beabsichtigt ist.
 
O

orlando

Gast
Lieber Walther,
da ich als Ex-Achter naturgemäß keine zwegenallergischen Symptome zeige, kann ich dem Text rundum zustimmen.
Klar, es hätte an dieser Stelle sicherlich noch etwas anderes gegeben, das schlüge aber das Gesamtkonstrukt in die Tonne. Und damit meine ich vornehmlich die schönlautigen Wechsel der kurzen und langen Vokale - und überhaupt. :)
Nachbessern könntest du übrigens, indem du die wörtliche Rede herausnimmst und stattdessen einen Gedankenstrich setzt. So käme klarer heraus, dass es sich gleichsam um eine allgemeingültige Eingebung handelt:
Und kahl herunter - wir sind eben Zwerge.
Der Schluss ist außerordentlich gut gelungen.
Dir einen herzlichen Gruß
orlando
 

Walther

Mitglied
[Am Tag, als diese Kälte kam, die Berge
Und Täler, alles, in Gewahrsam nahm,
Stand er am Fenster. Äste hingen lahm
Und kahl herunter. „Holz für Billigsärge?“

War der Gedanke, der als Welle kam,
Ihn überspülte. Glaube gäbe Stärke:
„Der Mensch, der glaubt, veredelt seine Werke
Und adelt eitles Tun!“ Er spürte Scham:

Wie konnte diese Kälte ihn erschrecken,
Die er nicht fühlte, sondern drohen sah.
Das Dunkel flackerte durch Zimmerecken,

Als spielten kleine Schatten dort Verstecken.
Es wartete, geduldig, lauernd, nah,
Um ihn schon bald für immer zuzudecken.
 

Walther

Mitglied
hallo bernd,

alles klar und verstanden. danke dir für deine hinweise und die interessante diskussion rund ums vortragen.

lg w.


hallo orlando,

deine idee und eine weitere ist oben umgesetzt. vielleicht macht das text runder. ich hoffe es wenigstens. :)

vielen dank!

lg w.
 

Label

Mitglied
Lieber Walther

die Änderungen in V 11 und 12 gefallen mir sehr gut.

besonders das flackernde Dunkel trägt perfektionierend zum allgemeinen Stimmungsbild bei.

lieber Gruß
Label
 



 
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