Clown seiner Klasse
Mitglied
.
Das Leben ein Boxkampf?
Heiligabend 2016.
Der Gegner schlägt hart zu.
Mir ist mies zumute. Erkenne keinen Grund.
Ich taumele mühsam heim, sechzehn Kilometer quer durch die sternenklare, kalte Heilige Nacht.
Erreiche das Ziel im Morgendämmern des neuen Tages.
Meine Frau ergreift die Initiative, wirft das Handtuch, lässt mich umgehend klinisch behandeln.
Die Kernspintomographie bestätigt den Verdacht. Ein Schlaganfall, und nicht der erste, erklärt mir
das Ärzteteam. „Sehen Sie den Schatten dort, den dunklen Fleck?“
„Mh, mh, aha, soso.“
Wahrscheinlich chronisch hoher Blutdruck. Ein medizinischer Grund dafür wird nicht diagnostiziert.
Wir einigen uns auf Stress. "Ja, wird wohl vom Stress sein." Stress.
Ein paar Wochen Reha. Aufgepäppelt werden.
Alles funktioniert uneingeschränkt. Nur etwas langsamer. Glück gehabt.
Also zurück in den Ring. Der Kampf geht weiter, ich vermeide Stress, ich weiche dem Gegner aus,
glaube bald, darin geschickt zu sein.
Spare mir irgendwann das tägliche Schlucken der verschriebenen Medikamente.
„Ich esse meine Tabletten nicht, nein, die Tabletten ess‘ ich nicht!“, mault der Tablettenkasper in mir.
Dann der Morgen des 18. Oktober 2024. Knock out!
Die Ringglocke scheppert furchtbar laut.
Der Gegner geht brav in seine Ecke, beobachtet mich von dort. Mein Kopf schlägt an einen Türrahmen,
an eine Wand. Ich gehe zu Boden. Mein Kopf schlägt auf den Boden, es folgt ein Dutzend Versuche
wieder aufzustehen, genauso oft schlägt der Kopf auf. Wieder und wieder. Bis ich es ermüdet aufgebe.
Der Gegner steht weiter brav in seiner Ecke, beobachtet mich von dort.
Mittags findet mich meine Frau in der Küche auf dem Fußboden liegend, ergreift die Initiative,
lässt mich sofort in die Klinik bringen.
Eine Körperhälfte ist ausgeschaltet. Funktionslos. Hemiparese.
Das Sprachzentrum ist kaum betroffen, relativ schnell beherrsche ich Lesen und Schreiben wieder.
Habe nicht vergessen, wer ich bin, wo ich bin, in welcher Zeit ich lebe, wer die anderen sind und so
weiter. Noch einmal Glück gehabt. Irgendwie.
Ein monatelanger Rehaklinikaufenthalt folgt.
Sitzen lernen. Zuerst im Bett, dann im Rollstuhl. Stehen lernen. Mit Hilfe, später ohne. Ich ringe mir
nach und nach die Fähigkeit ab, mich allein zu pflegen, zu kleiden, ohne Hilfe aufs Klo zu gehen. Das
dauert etwa ein viertel Jahr. Dann Gehen lernen. Erst nur mit Begleitung, irgendwann allein, auf eine
Gehhilfe gestützt. Die Familie und Freunde halten mich im Kontakt zur Welt. Zu meiner Welt, die ich
liebe, an der ich leide, die mich erfüllt, die mir Angst macht, die mich vielleicht töten wird.
Entlassung aus der Reha Ende März. Draußen werden die Bäume grün.
Der Rest ist der Rest; alles was noch kommt, denke ich. Ich bin bereit für die letzten Runden.
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Das Leben ein Boxkampf?
Heiligabend 2016.
Der Gegner schlägt hart zu.
Mir ist mies zumute. Erkenne keinen Grund.
Ich taumele mühsam heim, sechzehn Kilometer quer durch die sternenklare, kalte Heilige Nacht.
Erreiche das Ziel im Morgendämmern des neuen Tages.
Meine Frau ergreift die Initiative, wirft das Handtuch, lässt mich umgehend klinisch behandeln.
Die Kernspintomographie bestätigt den Verdacht. Ein Schlaganfall, und nicht der erste, erklärt mir
das Ärzteteam. „Sehen Sie den Schatten dort, den dunklen Fleck?“
„Mh, mh, aha, soso.“
Wahrscheinlich chronisch hoher Blutdruck. Ein medizinischer Grund dafür wird nicht diagnostiziert.
Wir einigen uns auf Stress. "Ja, wird wohl vom Stress sein." Stress.
Ein paar Wochen Reha. Aufgepäppelt werden.
Alles funktioniert uneingeschränkt. Nur etwas langsamer. Glück gehabt.
Also zurück in den Ring. Der Kampf geht weiter, ich vermeide Stress, ich weiche dem Gegner aus,
glaube bald, darin geschickt zu sein.
Spare mir irgendwann das tägliche Schlucken der verschriebenen Medikamente.
„Ich esse meine Tabletten nicht, nein, die Tabletten ess‘ ich nicht!“, mault der Tablettenkasper in mir.
Dann der Morgen des 18. Oktober 2024. Knock out!
Die Ringglocke scheppert furchtbar laut.
Der Gegner geht brav in seine Ecke, beobachtet mich von dort. Mein Kopf schlägt an einen Türrahmen,
an eine Wand. Ich gehe zu Boden. Mein Kopf schlägt auf den Boden, es folgt ein Dutzend Versuche
wieder aufzustehen, genauso oft schlägt der Kopf auf. Wieder und wieder. Bis ich es ermüdet aufgebe.
Der Gegner steht weiter brav in seiner Ecke, beobachtet mich von dort.
Mittags findet mich meine Frau in der Küche auf dem Fußboden liegend, ergreift die Initiative,
lässt mich sofort in die Klinik bringen.
Eine Körperhälfte ist ausgeschaltet. Funktionslos. Hemiparese.
Das Sprachzentrum ist kaum betroffen, relativ schnell beherrsche ich Lesen und Schreiben wieder.
Habe nicht vergessen, wer ich bin, wo ich bin, in welcher Zeit ich lebe, wer die anderen sind und so
weiter. Noch einmal Glück gehabt. Irgendwie.
Ein monatelanger Rehaklinikaufenthalt folgt.
Sitzen lernen. Zuerst im Bett, dann im Rollstuhl. Stehen lernen. Mit Hilfe, später ohne. Ich ringe mir
nach und nach die Fähigkeit ab, mich allein zu pflegen, zu kleiden, ohne Hilfe aufs Klo zu gehen. Das
dauert etwa ein viertel Jahr. Dann Gehen lernen. Erst nur mit Begleitung, irgendwann allein, auf eine
Gehhilfe gestützt. Die Familie und Freunde halten mich im Kontakt zur Welt. Zu meiner Welt, die ich
liebe, an der ich leide, die mich erfüllt, die mir Angst macht, die mich vielleicht töten wird.
Entlassung aus der Reha Ende März. Draußen werden die Bäume grün.
Der Rest ist der Rest; alles was noch kommt, denke ich. Ich bin bereit für die letzten Runden.
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