Anton hats nicht leicht

Scal

Mitglied
Es hat gekracht und dann noch einmal gekracht und dann wieder. Der Anton hörts, und, na klar: aufgestanden, hinausgeschaut. Aha, großes Feuer da drüben beim Dorf! Bauernhof. Dach kracht, Rauch wild. Aber auch schon ... tatütatütatü. Und da sieht der Anton: blinkblinktatü sogar von Bayern herüber und rechts die mit dem großen roten Kranwagen von Tschechien den Berg herunter! Super, denkt der Anton, kommen alle zusammen, werden schwitzen und werkeln und rennen und spritzen mit roten Gesichtern. Ja, sowieso, auch mit den Leuten von der Rettung werden sie beieinanderstehn und plaudern. Wahrscheinlich Schaum haben beim Mund, die Freiwilligen, die Össis, Bayern und Tschechen morgen in der Früh. Prost! Super! Geschafft!
Tun kann er ja nix, der Anton, nur schauen. Aber wie das so ist. Du schaust und schaust und schaust, aber dann kommt Ebbe. Anton also hingesetzt.

Irgendwann, weil naheliegend, Fernbedienung.
Bummkrach da.
Bummkrach dort.
Tot da.
Tot dort.

Nicht dass du denkst: Tatort, Sonntag, oder Terminator Fünf. Nein. Echt. Obwohl – fast wie unecht auch. Fernbedienung, Dorf oder so, bummkrach, bummkrach, Rauch wild.
Da hat beim Anton kurz die Schulter gezuckt und es ist ihm was Trauriges vom Kopf bis in den Bauch hinuntergeronnen bis in die Arme und die Hand, mit der er nach der Bierflasche greift, Rheinkölsch. Du weißt schon, Gewohnheit. Tor für BVB. Super! Prost! Aber diesmal anders. Eigentor, sozusagen.Traurig. Anton schluckt und dann Schluck. Schaum beim Mund.

Und. Natürlich, geht ja gar nicht anders. Anton hat Fragen. Wie du weißt, braucht's aber schon auch ein bisschen Geduld: Zuerst die Lottozahlen, dann die Experten. Anton geduldig. Antwort wird kommen. Jetzt sind sie da. Muss aber an dieser Stelle darauf hingewiesen werden, dass Anton kein Experte, aber ihm, während dem zweiten Schluck, schon ein wenig Antwortartiges in den traurigen Bauch hineingeronnen ist, nicht besonders viel, aber immerhin. Nämlich: Treibjagd, Neandertaler, keine Feuerwehr.

So, aber jetzt. Zuhören. Gescheite Gesichter.
Musst nicht meinen, Anton zunehmend entspannt. Nein. Anton schluckt, und dann wieder Eigentorschluck. Weil, wieder bumm bumm. Auf die mit dem roten Kleid, die Sarah von der Feuerwehr. Die kann was.
Jetzt aber, das weiß er, der Anton - und du wahrscheinlich auch. Muss man sehr leise denken, sowas. Also Vorsicht! Leise. Sonst: Schublade auf, Anton und du hinein.

Da, auf einmal, flugs, Sarah weg, schöne Bilder. Glänzend polierte Spitznasen, reines Metall, große Halle, dazu einige Herren, stolze, sogar Krawatte. Und durchs Fenster scheint die Sonne hinein.

Da haben wir's wieder, die Undankbarkeit, den Typ Anton. Richtet sich nicht einfach auf und nickt, zutiefst germanisch befriedigt. Aber wenigstens das: Der Anton beugt sich vor. Freilich, Irrtum, wer jetzt denkt, dankbares Interesse an den Herren. Anton wegen was anderem neugierig. Möchte wissen, was auf diesen Ungetümdingern, diesen Glanznasen droben steht. Ok, "Made in Germany" Aber, was steht da noch. Aha! "Rheinmetall". Und da sieht der Anton, wie einer von den Herren über diesen naseweisen Dingsdaleib drüberstreicht und es fällt ihm ein, dass er so was ähnliches gestern bei einer Zoosendung gesehen hat, wie nämlich der Tierbetreuer von den Nashörnern zärtlich über die dicke Haut von einem von diesen Viechern drübergestreichelt hat. Lieb ist das, hat sich der Anton gedacht.
Jetzt denkt Anton: Bauernhof, Rauch wild, Feuerwehr, Rettung, super, Leute vom Bauernhof lebendig. Fürchterlich insgesamt, aber lieb auch. Lieb, wie gestern im Zoo.
Aber, das weißt duch auch. Grausam, die Zeit. Flugs, alles ziemlich anders im nächsten Moment im Anton. Schluck.

Zuhören. Da ist einer, der sagt was Wichtiges, so schaut er aus, Laptop am Talktischchen.
Wichtig, dass du weißt, warum der Anton plötzlich geklickt hat. Fernseher auf einmal black, Musikbox laut. Weißt, das hat mit der Sprache zu tun. Da sieht man wieder, wie wirksam die ist. Der Anton nämlich sofort gewusst: lieb und schrecklich, sehr nahe beisammen. Ja, das hat der letzte Satz von dem Wichtiggesicht geleistet. „Rheinmetall. Absolut richtige Entscheidung. Toll gemacht, BVB!“

Rheinkölsch-Flasche vom Anton inzwischen leer, klar. Hört jetzt Wagner, Rheingold. Aber wieder Vorsicht! Nicht dass du glaubst, aha, Wagner, schlechter Geruch, Schublade auf, Anton hinein. Anton jetzt bei Rheinwein weil nahe am weinen - und in Kürze bei The Grateful Dead, also im Damals, quasi vorm Klimawandel.

Bevor die Sprache aber jetzt aufhört, soll schon noch gesagt sein, was der Anton vor den Grateful Dead gerade noch denken hat können:
"Wichtiges Nashornzugpferd mit Laptop, Neandertaler, Treibjagd. Keine Feuerwehr. Nicht lieb."
 
Zuletzt bearbeitet:

Scal

Mitglied
Historie:

Ubertas
Mitglied

20 August 2024
In Harnisch
kleidet sich die Welt.
Sie sprengt sich mit Prunk
ins Unheil hinein.

Wir gehen darauf.
Wir stehen darauf.
(wir gehen drauf)

Es ist eine kalte Nacht.

Laßt Euch nicht verführen!
Es gibt keine Wiederkehr. (Brecht)
Zitieren
Melden Dieses Werk hat Ihnen gefallen? Dann lesen Sie andere Werke von Ubertas


S
Scal
Mitglied

Mittwoch um 10:38
Prägnant.
Harnischprunkunheil
sprengt durch klirrend kalte Nacht.

Ich frage mich, ob nicht - in Anbetracht der gegenwärtigen Zeitlage - Ironie oder Satire die geeignetesten literarischen Mittel wären, um eine Sichtweise zu kennzeichnen, weil alle "ernsthaft" argumentierenden "Hindeutungen" vielfach sogleich zu Scharmützeln führen. Bis der Gegner als blutendes Antipathieobjekt am Boden liegt oder zu liegen scheint. Der lässt sich das nicht gefallen, steht wieder auf und ... tja ... Heraklit: Der Krieg ist aller Dinge Vater ....

Wie der Wolf Haas seinen Brenner darstellt und ihn denken lässt, dachte ich mir, das wär doch was ...Hat zu einigen Kurztexten geführt, (mein "Brenner" heißt Anton) aber eigentlich nur für die eigene Schublade gedacht - mit einer aktuelllen Anlass-Ausnahme (Lelu, Humor, in Kürze.

Nun also doch noch ein zweiter Schubladen-Anton, inzwischen etwas befeilt.
Jetzt aber: Genug. Pause.
 



 
Oben Unten