Asranyias Saga - Anagard Kapitel 9

Anysa

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Kapitel 9 – Rettung

Schnell wie der Wind sprengte der Kurier entlang des Onami, durchquerte Surenaswälder im östlichen Teil Adaraks. Viele Tage war er unterwegs, bis er Thareb erreichte. Dort wechselte er zum zweiten mal sein Pferd.
Er kam zum Eingang des Passes von Tharul, der durch das Hyranigebirge zur Hauptstadt der Elben führte. Ein großer Wachtposten bewachte den offiziellen Eingang zum Pass, eine Kompanie unter dem Kommando des Elbenkriegers Serton Kann’ Anoli. Als dieser den Kurier erblickte, winkte er ihm nur zu und ließ ihn ohne Befragung passieren. Der Hauptmann kannte den Kurier mit Namen Narto Mi’ Lordi. Die Ankunft des Kuriers wurde Serton vor einem Tag gemeldet. Nichts geschah unbemerkt im Land der Elben. Überall waren Elben verstreut, die gewisse Aktivitäten weitergaben um vor Überraschungen sicher zu sein. Eine Angewohnheit, die seit dem Einmarsch der Menschen zur Routine geworden war.

Ein Vogel kam eines Tages zu dem Kurierstützpunkt bei Onami geflogen. Er war verletzt und schaffte mit den letzten Kräften zu einem Kurier. Tanako hatte ihn eigentlich zu König Marek geschickt. Diese lange Strecke hätte er nicht überlebt. Nun kümmern sich Fachkundige um das verletzte Tier und sorgen für Heilung und Ruhe. Enorm schlaue Tiere, die von den Elben mit viel Respekt behandelt werden. Ein Kuriervogel versucht alles, um an sein Ziel zu gelangen. Am besten für diese Art der Nachrichtenübertragung eignet sich die Rasse der Nasdra. Diese Vogelrasse ist etwas kleiner als die Tauben der Menschen. Aber Nasdras sind ausdauernder, intelligenter und stärker.
Der Nasdra von Tanako wurde mit einem Pfeil schwer verletzt. Sicherlich in der Hoffnung, die Nachricht des Elben vernichten zu können. Bei einer Taube wäre dieses Unterfangen von Erfolg gekrönt gewesen. Nicht bei einem Nasdra. Ein Kurier fand den Vogel und sah die Nachricht an seinem Bein. Adressiert war diese an König Marek persönlich und der Absender war Tanako. Sogleich machte er sich auf den Weg nach Tharul. Eile war geboten.

Immer näher kam Narto der Hauptstadt der Elben. Sie war die schönste Stadt in Adarak. Schon von weiten konnte er die Haupttürme des Schlosses sehen, in dem die königliche Familie weilte. Es war das Schloss Sasynehron, das Wahrzeichen Tharuls.
Es führten zwei Wege nach Tharul, ein westlicher und ein südlicher Weg. Der Pass von Tharul endete vor einem zehn Meter tiefen und doppelt so breiten Graben, der einst von den Elben ausgehoben wurde. Den Graben überspannte an beiden Seiten je eine Zugbrücke, die im Falle eines Angriffs eingeholt werden können. Jetzt waren sie herab gelassen und die Burgtore, die nur nachts geschlossen waren, standen weit offen. Rechts und links der beiden Tore standen hohe Wachtürme, deren Wächter jeden Reisenden mit einem musternden Blick kontrollierten. Die Burgmauer war in der Mitte nach außen spitz zulaufend, so dass bereits vor den Toren die Ankommenden beobachtet wurden. Die Burgmauer schloss mit den angrenzenden Bergen ab, so dass sich keine Lücke zeigte.
Narto passierte das große Westtor und fand sich in einem mächtigen Verteidigungswall wieder. Rechts von ihm war ein großer Sandplatz zu sehen, wo die Elbenkrieger ihr Training abhielten. Dieser Platz war auf der anderen Seite von dem zweiten Weg, der durch das Südtor führte, begrenzt. Der Kurier ritt weiter und passierte auf der rechten Seiten die großen Quartiere der Soldaten und links die Stallungen für die Pferde. Der Vorplatz war übersät mit Elbenkriegern, die entweder zu ihren Aufgaben eilten oder ihren Wachdienst abhielten.
Der Weg führte den Kurier direkt auf ein großes Gebäude zu, das rechts und links große Seitenflügel hatte, die spitz zulaufend zur Burgmauer hinzeigten. An dieser Stelle vereinigten sich der West- und der Südweg miteinander und führten als ein Weg unterhalb des Gebäudes hindurch.
Narto passierte ein sehr großes Tor, auf dem in wunderbar gearbeiteten Fresken die Geschichte Adaraks eingemeißelt war. Nachdem der Kurier das zweite Tor passiert hatte, eröffnete sich vor ihm die ganze Pracht von Tharul.
In einer Hochebene, umgeben von hohen Bergen, lag die Hauptstadt der Elben. Sanft streichelte die Sonne die schöne Stadt und erleuchtete das Schloss der elbischen Königsfamilie, Sasynehron. Inmitten der Stadt, nur leicht erhoben, ragten zehn majestätisch geformte Türme des Schlosses empor. Aus weißen Marmor bestehend, leuchteten sie so stark, als ob sie dem Reisenden den Weg weisen wollten. Die Hauptstraße, gesäumt von schlanken Säulen, führte Narto gerade auf das Schloss zu. Das Gestein für die Säulen wurde einst von den Zwergen aus den Bergen tief im Rückrat Landorys geholt.
Von beiden Seiten ginen verschiedene Straßen ab zu den einzelnen Häusern. Dies wirkte, mit der Hauptstraße, wie ein Baum mit seinen Ästen, an deren Krone das Schloss Sasynehron stand. Dies zeigte die Naturverbundenheit der Elben sehr stark auf und entsprach ihrem Wesen.
Hinter dem Schloss lag der Fluß Thely, der von einem Geltscher gespeist wurde. Am Rande der Stadt lagen die Anbauflächen für Getreide und Gemüse. Am östlichen Rand sammelte der Fluss sein Wasser im Thelysee, ein sehr beliebter Treffpunkt der Elben zum Ruhen und Verweilen.
Noch nie wurde Tharul bezwungen, was an den meisterhaften Verteidigungsanlagen lag und war mit knapp zwanzigtausend Einwohnern die größte Stadt in Adarak
Als sich der Kurier dem Schloss näherte, kamen mehrere bewaffnete Elbenkrieger auf ihn zu. Sie hatten ihn bereits erwartet und nahmen ihn in Empfang. Er wurde zum Dienstboteneingang gebracht, der schnellere Weg ins Schloss. Der Kurier sprang von seinem Pferd und eilte einem Elben entgegen, der bereits auf ihn gewartet hatte. Seine Ankunft war ihm voraus geeilt.
Der persönliche Diener des Elbenkönigs geleitete den Kurier durch das Schloss, an unzähligen Zimmern der Dienstboten vorbei. Es ging entlang einer dunklen Wendeltreppe, nur durch die Fackel, die der Diener in der Hand hielt, war der Weg zu sehen. Schließlich standen sie vor einer Tür. Der Diener klopfte leise an und die Tür wurde geöffnet. Licht drang in den Korridor der Wendeltreppe ein. Wortlos zeigte der Diener auf den offenen Eingang, drehte sich um und ging die Stufen wieder hinab. Narto trat durch die Türöffnung und stand plötzlich im Arbeitszimmer des Elbenkönigs.
Der Raum, sehr groß mit hohen Wänden, strahlte Kraft und Autorität aus. An der linken Wand standen dicke Bücherregale, bis unterhalb der Decke gefüllt mit den kostbarsten und seltensten Büchern. In der unterirdischen Bibliothek des Schlosses gab es aber wesentlich mehr Bücher. Es waren soviel, das noch nie ein Elb alle Bücher gelesen hatte. Ansatzweise kamen die Verwalter der Bibliothek, die Rovars, an ein umfangreiches Wissen heran.
Ein großer dunkelbrauner Schreibtisch stand in der Mitte des Raumes auf einem geknüpften Teppich. Der Tisch war aus dem berühmten Kaltroholz kunstvoll gefertigt. Dieses Holz war nur an den Ausläufern des Hyranigebirges zu finden. Es war sehr selten und härter als jedes Metall. Die Verarbeitung beherrschten nur eine handvoll Elben. Reich verziert wirkte der Tisch nicht monströs, sondern passte farblich sehr gut in das Zimmer. Er bildete einen schönen Kontrast zu dem weißen Marmorfließen auf dem Boden.
Narto gegenüber stand ein groß gewachsener Mann, der eindeutig König Marek Tal’ en Essyndiell sein musste. Seine elegante Haltung, sein selbstbewusstes Auftreten und die Intelligenz in seinen Augen enttarnten ihn als den Elbenkönig. Manche behaupteten, er sei der schönste Elb in ganz Adarak. Seine feingeschwungenen Lippen, die alles beherrschenden Augen zeigten Kraft und Autorität aber auch Strenge und Durchsetzungsvermögen. Selbst wenn Marek in Lumpen gekleidet wäre, würde ihn jeder als einen majestätischen Elben erkennen. Der Kurier kniete vor seinem König nieder und senkte sein Haupt. „Euer Majestät.“
„Steht auf und macht die Tür wieder zu“, erklang eine volltönende Stimme. Erst jetzt bemerkte Narto, das die Tür zum Geheimgang noch offen stand. Schnell schloss er diese. Der Elbenkönig gab dem Kurier mit einem Wink zu verstehen, sich auf einen freien Stuhl zu setzen. Er selber umrundete seinen Schreibtisch und ließ sich in den großen, mit Samt überzogenen Sessel nieder.
Nartos Blick wurde von einem Wandteppich an der rechten Wandseite angezogen. Zu sehen war eine Elbin in einem Wald, die sich todesmutig einer anstürmenden Armee von Menschen und Dämonen entgegenstellte. Sie trug offensichtlich keine Waffe, um sich zu verteidigen. Ihr Schicksal war bereits besiegelt.
„Das ist Surena, die ihr Leben für das elbische Volk geopfert hatte“, erklärte der Elbenkönig, der dem interessierten Blick des Kuriers gefolgt war. „Sie gab im Krieg um Morwinda einst ihr Leben, so wie es eine Prophezeiung von ihr verlangte.“ Der Kurier nickte zustimmend. Jeder kannte die Geschichte von Surena, eine Heldin des elbischen Volkes. „Und trotzdem haben wir Morwinda verloren“, seufzte Narto und erntete sofort einen straffenden Blick des Königs. „Es kam, wie es vorherbestimmt war!“ Morwinda ging nach der Kapitulation der Elben verloren, obwohl diese in der Übermacht waren. Den Grund für die Aufgabe eines der schönsten Landstriche von Adarak war nur der elbischen Königsfamilie und dem Hohen Rat bekannt.
Neben dem Wandteppich hingen wertvolle Waffen- und Schmiedearbeiten der höchsten und perfektesten Kunst. Es war eine Schmiedekunst, die nur die Elben beherrschen und ihre Waffen dadurch fast unverwüstlich machten.
„Ich grüße Euch Narto Mi’ Lordi“, richtete der Elbenkönig das Wort erneut an den Kurier. „Welche Nachricht bringt Ihr mir vom weit entfernten Onali?“, fragte er im freundlichen Ton. Sogleich förderte der Kurier ein Stück Papier zu Tage, bereits etwas zerknüllt vom Transport. König Marek nahm den Brief entgegen. Er war an ihn persönlich adressiert. Die schön geschwungene Handschrift erkannte der König als die von Tanako. Der Brief war mit dem Symbol der Familie Van’ Lorindo Wa versiegelt, ein silberner Baum auf blauen Untergrund. Der Baum reckte elegant seine Äste gen Himmel, blieb aber dennoch mit seinen starken Wurzeln dem Erdboden verbunden.
Schnell brach König Marek das Siegel, öffnete den Brief und lass die wenigen Sätze. Was er dort erfuhr, ließ seine größten Befürchtungen zur Wahrheit werden.

Eure Majestät,
die Zwillinge wurden geboren, Anysa und Aris genannt. Die Mutter Iliah ist bei der Geburt verstorben. Der Söldner Perdur Kondros verfolgt uns. Nordazu lässt uns mit Dämonen jagen. Andero ist mit Aris in den Fluss gestürzt. Haben sie nicht mehr finden können. Wir sind durch das Wykportal und das Onaliportal bis zum Hyranigebirge gekommen. Sind jetzt mit Filsondre unterwegs nach Anagard. Hoffe, das Anysa der Asranyias ist. Magische Aura ist sehr stark bei ihr. Brauchen dringend weitere Hilfe.
Euer ergebner Tanako Van’ Lorindo Wa.


Der kurze Bericht war in einer geheimen Sprache verfasst, die nur wenige Elben beherrschten. Dadurch sollte verhindert werden, das solch wichtige Nachrichten in die falschen Hände gerieten.
Marek Tal’ en Essyndiell blickte von dem Brief auf. „Wie seid Ihr in den Besitz dieser Nachricht gekommen?“, verlangte er von dem Kurier zu wissen. Narto berichtete in knappen Sätzen das Geschehne. „Ich bin so schnell wie möglich nach Tharul gereist“, schloss der Kurier seinen Bericht ab. Der Elbenkönig stand auf und legte Narto eine Hand auf die Schulter. „Ihr habt richtig gehandelt.“
Er nahm die Hand wieder von seiner Schulter und begab sich in Richtung Tür. Der Kurier stand auf und folgte König Marek. „Erfrischt Euch nun und ruht etwas.“ Die Tür wurde geöffnet und beide traten in den Korridor hinaus. Zwei Elbenkrieger flankierten die Tür und nahmen Haltung an, als sie den König erblickten. Sie trugen blaue lange Mäntel, darunter schwarze Hemden und Hosen. Ein silbernes Kettenhemd bot ihnen ausreichend Schutz. Die Mäntel waren mit silbernen Fäden durchzogen. Weiche schwarze Lederstiefel komplettieren die Uniform. Als Waffen führten sie ein elegantes Schwert an der Hüfte und mehrere versteckte kleinere Waffen am Körper. Es war die Leibgarde des Königs. Zwei Diener standen an der gegenüberliegenden Wand. „Sonlo“, richtete er das Wort an einen der Diener in der hellblauen Uniform, „sorgt dafür, das Narto sich ausruhen kann und etwas zu essen bekommt.“
Der Elbenkönig schaut den Kurier an. „Ich danke Euch für die schnelle Übermittlung“, verabschiedete er sich von ihm. Narto und der Diener verbeugten sich tief, bevor König Marek wieder in seinem Arbeitszimmer verschwindet. Sonlo geleitete den Kurier durch die Flure des Schlosses und brachte ihn zu einem der Dienerunterkünfte, wo er versorgt wurde.

Marek überlegte, in seinem bequemen Sessel sitzend, wie er Tanako und dem Asranyias am besten helfen konnte. Er trat erneut in den Flur hinaus. „Lasst nach Ar’ Fonlaris schicken“, befahl er dem anderen Diener. Dieser verbeugte sich und war sogleich verschwunden. Marek setzte sich an seinen Schreibtisch. Sein Mogo war mittlerweile kalt geworden. Er setzte das Gefäß an seine Lippen und nahm einen kräftigen Schluck des starken Getränks. Sogleich spürte er die belebende Wirkung und fühlte sich wesentlich wacher und konzentrierter.
In seinem dreihundertjährigen Leben hatte er bereits viel erlebt und gesehen. Doch es gab bisher nur wenige Situationen, die für das elbische Volk so bedrohlich waren wie diese. Marek hatte gehofft, das Nordazu den Asranyias nicht finden würde. Es war außerdem unklar, welches der beiden Kinder denn nun der Heilsbringer war. Er hoffte inständig, das es das Mädchen war, denn der Junge schien nicht mehr am Leben zu sein. Sollten sie es nicht schaffen, den Asranyias in Sicherheit zu bringen, würde es schlecht um Adarak stehen, vor allem aber um Landory.
Die meridorianische Armee war bereits bis nach Phenob vorgedrungen. Bald würde sie die Nisse überqueren und in die unabhängige Bentraebene eindringen. Die Menschen würden dort starken Widerstand leisten. Sie waren es gewohnt, um ihr Land zu kämpfen. Doch gegen Dämonen, Monstern und schwarze Magie hatten sie auf Dauer keine Chance. Die Magier von Phenob konnten auch nicht helfen. Sie waren seit Jahrzehnten völlig zerstritten, so dass sie keine gemeinsame Linie gegen Meridor finden würden.
Der oberste Kriegsherr von Meridor, Torak Mandro, wütete wie ein Berserker unter der unterjochten Bevölkerung der Nordmark. Doch König Mersador Gyndre Trago hatt endlich versucht, einen Gegenangriff zu starten. Diese verlangsamte das Vorankommen der feindlichen Armee zwar, stoppte jedoch nicht die Invasion.
Mit der halbvollen Tasse Mogo ging der Elbenkönig zum Wandteppich. Er betrachtete die wunderschöne Surena, die einst ihr Leben für Landory gab. Nur dadurch war es möglich, das Land vor dem Bösen zu schützen. Ihr Schicksal war vorherbestimmt seit dem Zeitpunkt ihrer Geburt. Genau wie bei dem jetzigen Asranyias. Surena selber hatte eine Prophezeiung verfasst und über den Asranyias geschrieben. Unklar war bisher, woher sie ihr Wissen für den Brief genommen hatte. Ein Klopfen an der Tür riss ihn aus seinen Gedanken.
„Herein“, rief er und begab sich wieder zu seinem Sessel. Die Tür wurde geöffnet und ein Diener trat ein. Er verbeugte sich tief und kündigte eine Elbenkrieger an. „Heidur Ar’ Fonlaris ist jetzt da, Euer Hoheit.“ Er trat einen Schritt zu Seite und machte einem sehr großen Elben in schwarzer Uniform platz. „Du kannst gehen“, entließ Marek den Diener. Dieser verbeugte sich erneut und verließ das Arbeitszimmer. Heidur, Heerführer der südadarakanischen Streitmacht, verbeugte sich ebenso vor seinem König. Aber nicht so tief wie es der Diener vor ihm tat. Grund hierfür war die enge persönliche Beziehung der beiden. Marek hatte seine Grundausbildung zusammen mit Heidur absolviert. Sie waren enge Freunde.
Der Elbenkönig grüßte ihn mit einem kurzen Nicken und wieß ihm einen Stuhl gegenüber seinem Schreibtisch zu. Nachdem sich Heidur gesetzt hatte, reichte ihm Marek den Brief von Tanako. Stumm lass er ihn und schaute Marek wortlos an. „Das sind schlechte Neuigkeiten, Euer Majestät“, brach er das Schweigen. „Ich werde einen Suchtrupp zum Wyke entsenden. Vielleicht finden sie Vater und Sohn“, erklärte Marek dem Heerführer. „Des weiteren wird eine kleine Einheit Krieger sich nach Anagard begeben und Tanako helfen.“
„Und ich werde sie anführen“, bestätigte Heidur den Plan des Königs. Gespannte Stille breitet sich in dem großen Raum aus. Schließlich ergriff Heidur erneut das Wort.
„Gibt es denn noch Hoffnung, mein König?“ Marek schaute ihm in die Augen. „Es gibt immer Hoffnung“, antwortete er kurz. „Denn ich weiß, das der Asranyias noch lebt.“ Heidur schaute ihn fragend an. „Erst gestern bestätigte mir Magier Denres Mag’ Ron, das die Aura des Asranyias bisher immer noch sehr stark vertreten ist“, erklärte der Elbenkönig. „Wäre der Asranyias tot, würde die magische Aura nicht mehr existieren. Sie erlischt ebenso, wenn der Asranyias unsere Welt verlässt.“
„Landory verlassen? Ich versteh nicht, Euer Hoheit.“, fragte Heidur etwas verwirrt. In knappen Sätzen berichtete Marek seinem Freund den einstiegen Plan, um den Asranyias zu retten.
„Und da die Aura noch zu spüren ist, lebt der Asranyias“, schloss Marek seine Ausführungen. „Dann muss also das Mädchen der gesuchte Asranyias sein. Der Junge wird den Sturz in den Fluss nicht überlebt haben. Trotzdem sollten wir nach ihm suchen“, schlussfolgerte Heidur.
Nachdem ein Diener zwei Tassen mit Mogo gebracht hatte, sprach Heidur weiter.
„Euer Majestät?“
„Ja, Heidur.“
„Wohin führt das Portal in Anagard?“
„Ich weiß es nicht.“ Heidur nahm noch einen Schluck seines heißen Getränks.
„Ist der Asranyias dort in Sicherheit?“, hakte der Elbenkrieger weiter nach.
„Laut der Prophezeiung, ja.“
„Marek?“
„Ja, Heidur.“
„Denkst du, sie wird es schaffen, alter Freund?“
„Sie muss, Kamerad, sie muss es schaffen. Ob sie will oder nicht. Sonst sind wir verloren.“



„Wir müssen über den Felsgrat kommen, den ich bei unserem Kampf mit den Murlocks kurz sehen konnte“, erläuterte Filsondre seinen Plan. Lang hatte erüberlegt, während das Lagerfeuer für eine behagliche Wärme sorgte. Ihm war klar, dass sie auf dem Felsgrat den Murlocks schutzlos ausgeliefert wären. Die Eras würden sie nicht auf Dauer beschützen können. Einen anderen Weg gab es jedoch nicht. Er blickte vom Eingang der kleinen Höhle hinauf zu den riesigen Felsblocken. Diese müssten sie überwinden und anschließend auf den Rentvo klettern.
Das nächste Problem. Der Turm war so hoch, das auf dem Plateau immer Schnee lag. Er hatte zwar keine glatten Wände, doch würde es fast unmöglich werden, ihn zu überwinden. Filsondre hatte aber gelesen, dass der Rentvo Innen hohl sein sollte und das eine Wendeltreppe bis zum Plateau hinaufführte. Der Eingang zu dieser Treppe lag ungefähr auf der Hälfte des Anstiegs. Genaueres konnte er nicht in Erfahrung bringen. Wer diesen Turm jemals erbaut hatte oder das Zeitportal konnten selbst die allwissenden Rovar nicht in Erfahrung bringen. Der einzige Hinweis auf Anagard wurde in einem Buch mit dem einfachen Namen „Andere Orte“ gefunden. Dieses Buch sollte mehrere tausend Jahre alt sein, der Schriftsteller war unbekannt. In dem Buch wurden geheimnisvolle, versteckte und magische Orte und deren Bedeutung beschrieben. Unter anderem wurde Anagard als einer der gefährlichsten Orte auf Landory beschrieben. Gefährlich aber auch nur für denjenigen, der uneingeladen einen Fuß auf Anagard setzte. Hier lebten viele Monster, kleine und große. Aus dem Buch war für Filsondre auch ersichtlich, welche Gefahren der Gerasee birgt und wie er diese umgehen konnte.
Es wurde auch die Aktivierung des Zeitportals beschrieben. Dazu nötig war ein ganz spezielles Pulver, das Chompridpulver. Daher führte es Filsondre in einem Beutel mit sich. Nur eines stand nicht in dem Buch. Wohin das Zeitportal führte. Es hieß, dass das Zeitportal eine eigene Seele besäße und es in die Besucher hineinschaut. Dann brachte es den Reisenden an den Ort, der für ihn bestimmt war.
Die wunderschöne Naturlandschaft wurde genauestens beschrieben. Die Trasebberge, hoch und schlank mit ihren weißen Häuptern, die einer Krone ähnelten. Und die Vegetation mit ihrer Tierwelt und unberührter Natur glich einem Paradies, wenn die Gefahr nicht wäre. Anagard, nur sehr schwer zugänglich, hatte viele tiefe Abgründe, vor allem auf der Insel. Wie eine Wachmannschaft umschlossen die Trasebberge des Zeitportals. Der Rentvo lag in der Mitte der Insel, nochmals umschlossen von einem tiefen Graben, dessen Tiefe nur zu erahnen war. Eine Insel auf der Insel, die erst einmal überwunden werden musste.
Der Anführer der Elbengruppe drehte sich zu seinen Kameraden um. „Morgen brechen wir auf!“



Heidur Ar’ Fonlaris und seine Truppe reitete so schnell es ging der 250 Meilen entfernten Hochebene von Anagard entgegen. Einige Tage brauchten Sie, um nur den Eingang nach Anagard zu erreichen. Sie nahmen einen Weg, der direkt von Tharul nach Anagard führte. Dieser wurde von den Elben gut bewacht. Der nördliche Eingang war zwar nicht ganz so gefährlich, wie der von der Westseite. Jedoch war dieser ein reiner Kletterweg und daher sehr mühsam.
Einen Tag nach dem anderen verging, bis sie die Hochebene erreicht hatten. Mondrids waren ihnen zwar begegnet, doch hatten diese gegen die Elbengruppe keine Chance.
Der Heerführer kam am Gerasee an und begann sogleich mit dem Bau eines Floßes. Auch er hatte eine spezielle Paste, um das Boot vor dem Gerasee zu schützen. Der Rentvo war durch das Gebirge der Trasebberge zu sehen. Ob sie bereits auf dem Plateau waren oder waren sie gerade in Gefahr? Ob es noch Hoffnung gibt?

Der kleine Flugdrache würde vor Wut rot anlaufen, wenn er nicht bereits Schuppen dieser Farbe hätte. Seit Stunden versuchte er nun schon, die beschränkten Murlocks zum Aufbruch zu bewegen. Die Murlocks waren von dem Angriff der Eras so überrascht gewesen, das sie ihr Heil in der Flucht gesucht hatten. Wenn man bedachte, wie klein Eras waren und wie riesig die Murlocks, war diese Flucht einfach nur lachhaft. Es war vielmehr die Anzahl der kleinen Monster, die so überraschend war. Selbst bei der Verfolgung der Elben, die in einem Felsspalt verschwunden waren, tauchten die Eras auf und bekämpften die Murlocks. Seit dem hatten sie die Insel Traseb verlassen und ruhten nun vor dem Gerasee am Ufer.
Der kleine Drache versuchte erneut, die riesigen Monster umzustimmen. Da kam ihm eine Idee. Er versprach ihnen, das sie eine menschliches Dorf angreifen dürften und alle Menschen dort jagen und verspeisen könnten. Meistermagier Nordazu würde dies billigen. Ein Murlock öffnete träge die Augen und nahm dem kleinen Drachen das Versprechen ab. Er gab kurze Laute zu den anderen Murlocks ab. Diese richteten sich auf, gingen in die Knie und stemmten sich mit einem gewaltigen Sprung in die Höhe. Sie entfalteten ihre Flügel und begaben sich zurück nach Traseb. Einen markerschütternden Schrei gaben alle ab und begannen so erneut ihre Jagd. Nah endlich, dachte der kleine Drache. Es ging los und bald würde er sein kleines Fressen haben, das leckere Baby. Er folgte den großen Murlocks zu seinem Festmahl.

Die elbische Gruppe um Heidur legte gerade am Ufer der Insel an, als sie einen lauten Schrei hörten. Sie drehten sich um und sahen mehrere schwarze Punkte am Himmel, die immer näher kamen. Heidur späte genauer hin und erkannte voller Schrecken, um was es sich bei den Punkten handelte. „Murlocks kommen, versteckt euch“, rief er den Elbenkriegern zu. Schnell rannten sie zu den spärlichen Büschen und Bäumen. Die Murlocks sahen sie nicht und flogen über sie hinweg. Heidur kam aus seinem Versteck wieder heraus und sah, wie die Monster Richtung Rentvo flogen. „Wir müssen uns beeilen“, sagt er und war mit den Elbenkrieger schon auf dem Weg ins Innere der Insel. Hoffentlich kamen sie nicht zu spät.

„Was war das?“, fragte Tanako und hielt Anysa eng umklammert. Seit er das kleine Baby kannte, entwickelten sich bei ihm immer mehr menschliche Gefühle. Ob ihre Aura diese Gefühle in ihm auslöste? Er schüttelte mit dem Kopf. Jetzt war keine Zeit für solche Gedanken. „Sie kommen“, meinte Filsondre trocken. „Lasst uns gehen und es hinter uns bringen.“
Sie verließen den Spalt, der eher einer Höhle glich und begaben sich zum Rentvo. Durch Gestrüpp und dornige Büsche kämpften sie sich immer weiter voran. Dorram konnte gut mit ihnen mithalten. Doch man sah ihm an, das ihn seine Verletzungen geschwächt hatten.
Hin und wieder legten sie eine Pause ein, um Anysa ein Fläschchen Milch zu geben. Die Trasebberge waren nur schwer zu bezwingen. Sie mussten sich einen Weg suchen, der möglichst Trittsicherheit versprach und über einen Pass führt. Hin und wieder gab das Geröll unter ihren Füßen nach, doch konnten sie immer das Gleichgewicht halten.
Nach einer geraumen Weile standen sie aber vor einer neuen Barriere. Eine große Schlucht trennte sie vom Rentvo. „Wie kommen wir zu dem Turm?“, fragte Alarb in die Stille hinein, als sie einen erneuten Schrei hörten, ganz in ihrer Nähe. Schnell versteckten sie sich unter den angrenzenden Bäumen. Gerade rechtzeitig genug, denn die Murlocks flogen bereits über ihren Köpfen. „Flügel müssten wir haben“, meinte Tanako leise. Als die Murlocks in der Ferne verschwunden waren, traten die fünf Elben wieder ins Freie.
Tanako schaute sich um. Er spürt hier eine andere Aura. Es war aber nicht die von Anysa. Da bemerkte er etwas Außergewöhnliches an der Schlucht. Er ging mit Anysa an den Rand der Schlucht.. „Tanako, wohin wollt Ihr“, rief ihn Filsondre zu. Doch er hörte nicht auf ihn. Dann blieb er stehen, vor dem Abgrund. Ein leichtes Flimmern überspannte die Schlucht an dieser Stelle. „Geh!“, hörte er eine weibliche Stimme direkt an seinem Ohr. Er drehte sich um, konnte aber außer den Elbenkriegern niemanden weiter sehen. „Geh weiter, Tanako Van’ Lorindo Wa!“, erklang es erneut. Er schaute auf das Flimmern, sah den Abgrund hindurch.
Langsam begann er, einen Fuß noch vorn über den Abgrund zu schieben. Filsondre stürzte auf ihn zu. „Bleibt stehen!“, rief er ihm zu. Bevor er Tanako an der Schulter greifen konnte, hatte dieser seinen Schritt bereits vollendet. Und er stürzte nicht in die Tiefe. Sein Fuß schwebte über dem Abgrund. Er machte noch einen Schritt und stand oberhalb der Schlucht im Nichts. Filsondre blieb in seiner Bewegung wie erstarrt stehen. „Wie ist das möglich?“, fragte er verdutzt. Tanako zuckte nur die Schulter. „Ich weiß es nicht.“
„Aber woher wusstet Ihr, das Ihr nicht abstürzen werdet?“, wollte Filsondre wissen. Tanako wollte ihm bereits wahrheitsgemäß antworten, überlegte es sich aber anders. Filsondre musste nicht wissen, das er schon Stimmen hörte. „Ich weiß es nicht“, wiederholte er sich und lief weiter auf der unsichtbaren Brücke. Sindor und die anderen Elben folgten Tanako vorsichtig über den Abgrund. Unbehelligt kam sie auf der anderen Seite der Schlucht an und standen am Fuße des Rentvo.
„Wie kommen wir jetzt da hinauf?“, fragte Alarb Filsondre. „Wir müssen etwa eine Meile hinaufklettern“, erläuterte Filsondre die weiter Vorgehensweise „und werden dann einen Eingang ins Innere des Turms finden. Es gibt genug Tritte und Griffe. Trotzdem ist oberste Vorsicht geboten“
Der Anführer der elbischen Gruppe ließ seinen Worten Taten folgen und begann an einer günstigen Stelle mit dem Aufstieg. Der Felsenturm sah nur von der Ferne glatt aus. Er hat viele kleine Tritte und Möglichkeiten zum festhalten.
Tanako vergewisserte sich, das Anysa auf seinem Rücken sicher festgeschnallt war, bevor er Filsondre auf dem gleichen Weg folgte. Danach griff Dorram nach einem Felsvorsprung, um sich in die Höhe zu ziehen. Wenig später folgten Alarb und Sindor. Sehr langsam, Schritt für Schritt, kletterten die Elben am Turm nach oben. Jeder Tritt musste wohl überlegt sein. Der Wind wurde immer stärker, je höher sie kamen. Er zerrte an ihren Umhängen. Tanako hoffte, das es Anysa gut ging. Er hatte sie extra in ein warmes Fell eingewickelt. Sindor vernahm ein Geräusch, das nicht vom heulen des Windes kam. Er blickte sich um und bemerkte ein paar dunkle Punkte am Horizont, die stetig näher kamen. „Die Murlocks kommen wieder zurück!“, schrie er seinen Kameraden zu. Alle drehten sich um und konnten die Murlocks bereits erkennen. „Beeilt euch. Wir haben noch ein ganzes Stück vor uns.“, trieb er die Gruppe an und kletterte schneller am Rentvo hinauf.

Der kleine Drache konnte bereits seine Beute sehen. Am Felsen klebten sie wie ein paar Fliegen und warteten nur darauf, gefressen zu werden. Er verdoppelte seine Anstrengungen und flog schnell voraus. Die Murlocks waren träger und langsamer als er. Wenn die Elben am Felsen hingen, könnten sie ihn nicht mit ihren Dolchen verletzen. So konnte er sie einfach hinunterschupsen. Schon konnte er den Elben mit dem leckeren Baby ausmachen und stürzte sich schreiend auf ihn.

Tanako sah aus den Augenwinkeln, das etwas auf ihn zugeflogen kam. Er hörte einen Schrei und konnte gerade noch seinen Arm hochreißen, um den Jungdrachen abzuwehren. Mit der anderen Hand hielt er sich am Felsen fest, hatte aber große Probleme, nicht das Gleichgewicht zu verlieren. Immer wieder stürzte sich der Drache auf ihn, versuchte an das Kind zu kommen. „Verschwinde!“, schrie er das kleine Monster an. Filsondre sah die Gefahr, in der das Kind schwebt und zog einen Dolch. Elegant kletterte er wieder hinunter, beugte sich nach unten und versuchte, den Jungdrachen mit dem Dolch zu treffen. Dieser wich den Hieben aus und versuchte dabei, mit den Krallen an das Baby zu kommen. Anysa weinte und strampelte auf Tanakos Rücken mit den Beinen. Dieser konnte sich nun mit einer Hand nicht mehr halten, geriet aus dem Gleichgewicht und stürzte ein wenig nach unten. Mit letzter Kraft konnte er sich an einem anderen Felsvorsprung festhalten. Dabei streifte er mit seinen Beinen den unter ihm stehenden Dorram, der ebenfalls ein Stück noch unten sackte. Der kleine Drache nutzte dies sogleich aus und startete einen neunen Angriff. Zwischendurch schaute er nach den Murlocks, die aber in ihrer Trägheit erst langsam näher kamen.
Die kalte Luft zerrte an Tanakos Umhang, als wolle er ihn nach unten in die Tiefe ziehen. „Haltet durch, Tanako. Ich komme.“, rief ihm Filsondre zu und kletterte weiter zu ihm herab. Während dessen hatte der Jungdrache seine Angriffe eingestellt. Er konnte durch den Felsen nicht nah genug an das Kind heran. Er flog deshalb direkt an den Turm und krallt sich daran fest. Mit kleinen Schritten näherte er sich Tanako. Dieser war abgelenkt, da er verzweifelt versuchte, sich mit einer Hand am Felsvorsprung festzuhalten. Filsondre war soweit zu ihm herunter geklettert, das er ihm die Hand reichen konnte. Tanako versuchte mit der freien Linken, die helfende Hand zu greifen, doch schaffte er es nicht. Während dessen kam der kleine Drache langsam näher. Filsondre streckte sich noch ein wenig und konnte endlich die Hand Tanakos greifen. In dem Moment war der Drache heran und stürzte sich schreiend auf das Kind. „Passt auf, Tanako!“, rief Filsondre noch. Da war der Drache bereits auf Tanakos Rücken und schaute in Anysas Augen. Lecker Fressen, dachte sich der Drache und griff nach Anysa. In dem Moment ging von dem Baby ein gleißendes Licht aus und schoss wie ein Blitz in alle Himmelsrichtungen. Der Drache schrie gepeinigt auf, verlor das Gleichgewicht und stürzte in die Tiefe. Auch die Elben mussten die Augen abwenden, um nicht geblendet zu werden. Als die magische Reaktion Anysas vorbei war, herrschte Ruhe. Filsondre öffnete die Augen und schaute Tanako an. Das Mädchen musste der Asranyias sein. Da waren sich nun alle einig.
Er reichte Tanako erneut seine Hand und konnte ihn auf einen größeren Felssims ziehen. „Alles in Ordnung?“, fragte der Anführer der Elbengruppe und schaute auf Tanakos Rücken. „Das Kind bewegt sich nicht“, stellte er kühl fest. Tanako nahm es von seinem Rücken und kontrollierte den Herzschlag des Babys. „Es ist alles in Ordnung. Sie schläft nur.“ Filsondre nickte befriedigt und schaute nach den übrigen drei Elben. Diese waren gerade damit beschäftigt, weiter hinauf zu klettern. Filsondre blickte in die Richtung, woher die Murlocks kamen und schaute anschließend nach oben. Es war noch ein ganzes Stückchen bis zum Eingang der Treppe im Rentvo. „Wir müssen uns beeilen“, rief er allen zu und begann erneut mit dem Aufstieg.
Wenige Meter unterhalb des Eingangs erreichten die Murlocks die Elbengruppe. Mit Geschrei stürzten sie sich auf die Beute. Ihre Schwingen verursachten enorme Stürme, so dass die Elben große Schwierigkeiten hatten, sich m Felsen festzuhalten. Die Murlocks versuchten, mit den Krallen an ihre Beute zu kommen, doch behinderten sie ihre eigenen Flügel, da sie nicht dicht genug heran kamen ohne mit den Schwingen den Fels zu streifen. So versuchten sie, mit den Ecken ihrer Flügel, die gefährlichen Krallen hatten, die Elben zu erwischen. Filsondre war neben Tanako und beschützte ihn und Anysa mit einem Dolch. Er wehrte die Angriffe bisher stetig ab. Auch die übrigen Elben versuchten so ihr Glück. Diese Methode funktionierte auch, jedoch konnten sie dies nicht lange durchhalten.

Eine große Schlucht versperrte Heidur und seinen Kriegern den Weg zum Rentvo. Verzweifelt suchte er einen Weg auf die andere Seite. Irgendwie mussten die anderen doch hinüber gekommen sein. Er konnte in der Ferne sehen, wie die Murlocks jemanden am Turm angriffen. Aufmerksam geworden war er durch ein gleißendes Licht, das plötzlich aufgetaucht war. Wenig später kamen die Murlocks.
Ein kleiner Hase lief ihm über den Weg und gerade Wegs auf die Schlucht zu. Ohne zu zögern überquert er die Kante und rannte über die Schlucht, als ob da eine unsichtbare Brücke wäre. Schnell war Heidur an dieser Stelle und versuchte vorsichtig einen Schritt. Tatsächlich fühlte er Boden unter seinem Schuh und lief weiter. Die übrigen Elben schauten erst und folgten ihm sogleich. So schafften sie es über die Schlucht und rannten so schnell es ging zum Rentvo.

Von allen Seiten wurden die Elben am Rentvo von den Murlocks belagert. Immer wieder versuchten die Monster sie vom Felsen zu stoßen. Sie stachen mit den Krallen ihrer Flügel nach ihnen. Dorram gelang es, einen Murlock am Flügel eine lange Schnittwunde zu versetzen. Sein Dolch jedoch blieb kurz im Flügel stecken, so dass er das Gleichgewicht verlor und drohte abzustürzen. Tanako beugte sich hinunter und griff genau in dem Moment nach Dorrams Hand, als seine Finger die Kraft verlor und er abrutschte. Er hing an der Hand Tanakos, der sich selber nur mit Mühe halten konnte. „Lasst los, Tanako.“, rief ihm Dorram zu. Dieser schüttelte nur den Kopf und versuchte, ihn hochzuziehen. Er war aber in einer ungünstigen Position, da er aufpassen musste, Anysa nicht zu verlieren. Tanako schaffte es nicht, Dorram hochzuziehen. Dieser wiederum versuchte, eine Tritt zu finden. Er rutsche aber immer wieder ab.
„Tanako, lasst ihn los“, schrie ihn Filsondre an. „Unsere Aufgabe ist es, das Kind in Sicherheit zu bringen.“
„Wie könnt Ihr das nur sagen. Ich kann ihn doch nicht sterben lassen“, erwiderte der Elb. Dorram nahm seinen Dolch und hielt ihn an den Handrücken Tanakos. „Was macht Ihr da“, fragte ihn Tanako verwirrt. „Unsere Mission retten“, antwortete Dorram nüchtern und schnitt Tanako tief ins Fleisch. Dieser ließ mit einem Aufschrei die Hand Dorrams los. Mit weit aufgerissenen Augen sah er, wie der Elb in die Tiefe stürzte. Mehrer Murlocks waren sogleich zu Stelle und flogen ihm hinterher. Noch bevor er auf den Boden aufschlagen konnte, hatte einer der Murlocks in eingeholt und schnappte ihn sich mit seinen Krallen.
Tanako konnte es noch gar nicht fassen, was er da sah. Das Blut lief ihm über den Handrücken. Ein Murlock kam auf ihn zugerast und versuchte ihn zu verletzen. Da schrie das Monster plötzlich auf und hatte einen Pfeil im Flügel zu stecken. Filsondre schaute nach unten und sah eine Hand voll Elben stehen. Beim genaueren Hinsehen erkannte er Heidur Ar’ Fonlaris, Heerführer der südadarakanischen Streitmacht. Auch Tanako hatte ihn erkannt. Also hatte König Marek seinen Brief erhalten. Immer mehr Pfeile wurden auf die Murlocks geschossen. Sie konnten diese zwar nicht töten, aber genügend ablenken, sodass Filsondre, Tanako mit Anysa, Alarb und Sindor weiter aufsteigen konnten. Sie erreichten den Eingang zur Wendeltreppe unbehelligt und waren erstenmal in Sicherheit.
Als sie die Tür schlossen wurde es sehr dunkel. Zuerst konnten sie gar nichts erkennen. Dann aber fingen die Wände an zu leuchten und ein sanftes Licht erhellte die Wendeltreppe. „Wer diesen Turm wohl erbaut hat?“, fragte Sindor. „Das weiß keiner“, antwortete ihm Filsondre.
Sie begannen mit dem Aufstieg. Filsondre wieder voran, Tanako gleich hinter ihm. Sindor und Alarb bildeten die Nachhut. Viele Stufen ging es in einer Spirale nach oben. Die Luft war sehr stickig und abgestanden. Die Wände sahen von Innen genauso aus wie von Außen. Es war nichts gemauert, sondern es war ein Durchgang in den Felsen gehauen worden. Die Stufen waren grob gehauen, aber in gleicher Höhe erbaut. Eine Aura der Ruhe und Zufriedenheit lag in der Luft. Selbst die Anstrengung des Aufstiegs war nicht mehr zu spüren. Tanako legte eine Hand an die Wand und spürte ein Pulsieren im Gestein. Die Magie war hier sehr stark.
Die Gruppe lief Stufe für Stufe, bis sie vor einer Tür standen. Filsondre wollte diese öffnen, konnte die Klinke aber nicht hinunter drücken. Er versuchte es mit all seiner Kraft, ohne Erfolg. „Ich kann die Tür nicht öffnen“, sagte er an Tanako gewandt. Dieser trat an ihm vorbei und betätigt die Klinke. Ohne Probleme konnte er sie hinunterdrücken und öffnet die Tür. Filsondre schaute ihn verwundert an und schüttelte den Kopf. „Vielleicht liegt es an dem Kind“, meinte er nur und ließ Tanako den Vortritt. Dieser ging durch die Tür und verließ den Turm. Die anderen folgten ihm. Endlich waren sie oben angekommen und standen auf dem Plateau.
Als alle den Turm verlassen hatten und Alarb als Letzter die Tür hinter sich geschlossen hatte, verschwand der Eingang, als hätte es ihn nie gegeben. Sie standen auf dem Plateau, ein helles Licht blendete sie. Nur langsam konnten sie die Umgebung erkennen.
 



 
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