Bence wird zu der Gruppe zurückgerufen, wendet sich bedauernd von dem Neuen ab, von dem wohl sowieso nicht mehr viel Konversation zu erwarten ist, und hängt sich an den Pfleger, schon wieder zu einer neuen Welle von Gerede ansetzend. „Ja, ja, ich bin ja schon da! Keine Sorge, Sie werden mich kaum mitschleifen müssen, ich platze fast vor Vorfreude auf den Ausflug! Was meinen Sie, wird Kat heute ein Eis schaffen?“ Ein rascher Blick zu einem dürren Mädchen, das sich am Rand der Gruppe herumdrückt, „Wissen Sie was? Ich nehme Wetten an!“
Ein dünnes Lächeln schleicht sich für Sekunden über die Züge des Pflegers, ehe er sich wieder hinter seiner wahrscheinlich vertraglich verpflichteten ernsten Miene verzieht. Bence weiß trotzdem, dass er amüsiert ist. Dass er ihn mag. Wie alle anderen um ihn herum, außer Kat vielleicht, die ihn mit zusammengepressten Lippen mustert.
Er stürzt sich auf sie, wie immer, schließlich liebt er die Herausforderung. Dieses Mädchen, das nur Haut und Knochen und große, blaue Augen ist und das erst seit einigen Wochen dazugehört, sie ist tatsächlich die Einzige, die nicht an seinen Lippen hängt. Aber das wird sich schon ändern.
„Verzeihung, Mademoiselle, das war wirklich nicht persönlich gemeint. Aber ich würde mich freuen, Sie auf ein Eis einladen zu dürfen, und ich kann mir nichts Appetitlicheres vorstellen als ein Eis in der Hand einer graziösen jungen Dame wie Ihnen!“ Es ist größtenteils Übermut, der Wunsch, seine gute Laune in allen Ecken der Welt zu verstreuen, er hat ja genug davon! Für gewöhnlich siezt er seine Leidensgenossen auch nicht, aber beim Flirten hilft es manchmal, den Kavalier zu spielen, also, warum nicht?
Da ist so viel Energie, und worin soll er sie auch sonst investieren, wenn nicht in seine klinikinternen Beziehungen?
„Ist schon okay.“ Selbst ihre Stimme klingt bleich. Wobei sie tatsächlich über eine seltsame, gewöhnungsbedürftige Anmut verfügt, mehr wie ein Reh als wie eine Katze, aber durchaus nicht unschön anzusehen.
„Keine gute Laune heute? Mach dir nichts draus, du bist damit seit eben nicht mehr allein, der große Blonde mit Burnout eben in der Eingangshalle wird dir sicherlich mit großem Vergnügen beim Trübsal – oder anderen Dingen – Blasen Gesellschaft leisten!“ Vergnügt plaudernd und jetzt wieder beim Du, legt Bence Kat einen Arm um die Schulter und registriert zufrieden das kurze Auflachen, das ihr Gesicht einen Moment lang aufhellt.
Der Ausflug dann ist wirklich ein voller Erfolg. Wie auch anders? Die Sonne lacht, die Vöglein zwitschern und fast glaubt Bence, die Bienen surren und die Blumen singen zu hören. Als er es laut ausspricht, sind die Lacher auf seiner Seite. Natürlich. Auch wenn es einer gewissen bitteren Ironie nicht entbehren kann. Ein Patient, der Stimmen hört. Aber das geht Bence vollkommen ab. Zumindest im Moment. Könnte er doch die ganze Welt umarmen, wenn sie denn nicht so verdammt groß wäre.
Das Eis scheint heut besonders lecker, der Wind in seinem Haar noch angenehmer. Selbst dass Kat nur eine halbe Kugel schafft, den Rest und die Waffel ein paar Spatzen überlässt, kann seine Stimmung nicht trüben. Die Hälfte ist schon mehr als Nichts. Wesentlich mehr. Und auch diese Feststellung seinerseits wird prompt hinausposaunt und charmant honoriert, bis die ansonsten so bleichen Wangen der Jüngeren in einem fast schon gesunden Rot erstrahlen.
Selbst als es zurück zur Klinik geht, kann nichts und niemand Bences guter Laune einen Abbruch tun. Wahrscheinlich würde das noch nicht mal die Apokalypse schaffen.
Als die Gruppe sich auflöst, entweder in ihren Zimmer entschwindend oder zu einer spät angesetzten Therapiestunde, entdeckt Bence fast sofort die hochgewachsene Gestalt des Burnout Falls, welcher anscheinend gerade mit seiner Einführung zu Ende ist. Macht doch der behandelnde Arzt der Station, der an seiner Seite steht, alle Anstalten, sich zu verabschieden.
Ohne viel nachzudenken, wozu grübeln wenn man handeln kann, gesellt sich Bence zu dem Blonden, grinst ihn freudestrahlend an.
„Der Burnout-Patient, hallo! Lange nicht mehr gesehen. Schon gut eingelebt? Wie heißen Sie? Oder darf ich du sagen? Wir duzen uns hier alle untereinander, schließlich sind wir Leidensgenossen.“
Das demonstrative, genervte Stöhnen überhört Bence gekonnt. Diesen hier wird er auch noch in seinen Bann ziehen. Wenn nicht heute, dann morgen oder am Tag danach. Immerhin haben sie hier Zeit.
„Ja, ich hab mir schon Sorgen gemacht, richtig vermisst hab ich dich. Klar, ein großer Unterschied zum Keller meiner Eltern ist es nicht. Stuhl, Bett, Tisch, da braucht man nicht lange, um sich daran zu gewöhnen. Luc. Sag ruhig du.“ Die mechanische Art und Weise, seine Fragen der Reihe nach zu beantworten, bringt Bence zum Lachen. Ebenso wie der trockene Humor, der hinter den Antworten steckt, egal, wie bissig sie sind. Bence ist sicher, diesen Patienten auch noch zum Entertainer zu machen. Irgendwann.
„Bence mein Name. Nenn mich bloß nicht Ben! Und… sag bloß! Haben deine Eltern dich im Keller gehalten?“
„Nein.“
„So sahen sie aber aus. Als würden sie sich für dich schämen.“
Würde der Blonde nicht schon seit Anfang ihrer munteren Unterhaltung (Bence) oder auch erzwungenen Konversation (Luc) stocksteif dastehen, Bence würde sagen, Luc versteinert bei diesem Satz.
Aber so muss es irgendetwas anderes sein, das Bence kurz zweifeln lässt, ob er nicht ein bisschen zu weit gegangen ist. Vielleicht die Privatsphäre hätte berücksichtigen sollen. Vorsichtig herantasten und all der Quatsch, von dem er nie viel gehalten hat. Vielleicht ist es der dünne Strich, zu dem der Mund des Blonden auf einmal zusammengepresst wird. Oder die Art, ihn zu mustern, von unten nach oben, richtiggehend hasserfüllt.
Für einen Moment verunsichert es ihn zutiefst. Das Gelb der Tapete im Gemeinschaftsraum, was ihm sonst so gut gefällt, wirkt auf einmal viel zu grell. Die Wände scheinen ihn zu erdrücken. Bence weiß, dass diese veränderten Wahrnehmungen nur leise Vorboten sind. Nichts im Vergleich zu den Empfindungen, die ihn übermannen, wenn er einen wirklichen Down hat.
Trotzdem zittert seine Hand leicht, als er sich durch die Haare fährt, verlegen lächelt. Allein der Gedanke, dass er schon wieder von einer depressiven Phase erfasst werden könnte, lässt sein Herz schneller rasen, bereitet ihm schier unendliche Ängste. Und lässt ihn noch mehr reden, in einem viel zu hohem Tempo.
„Du musst entschuldigen wenn ich zu weit gegangen bin, ich bin nicht gerade taktvoll, ich weiß, ich vergesse schnell, auch auf andere Menschen zu achten, während ich mit ihnen rede, sagt der Arzt, nimm’s dir nicht so zu Herzen – hey, sag mal, wann hast du eigentlich Therapie, wir könnten uns morgen zum Essen treffen!“
Die Antwort braucht viel zu lang. Nach Bences Geschmack. Doch er sagt sich immer wieder, dass er seinen Maßstab nicht bei anderen anlegen darf. Auch so ein Punkt, bei dem er in der Therapie noch nicht wirklich weiter gekommen ist.
Als die Lippen des Größeren sich dann endlich öffnen, erschrickt Bence beinah. Luc klingt so müde, so unendlich resigniert. Nichts erinnert an die Schlagfertigkeit von eben. Diese Abgestumpftheit ist selbst für Burnout extrem ungewöhnlich. Bence kennt es in einem ganz anderen Zusammenhang.
Und auch wenn er Luc erst seit gut drei Minuten netto kennt, schwört er sich, auf diesen Acht zu geben. Weshalb auch immer. Vielleicht, weil er eine Beschäftigung braucht. Vielleicht aber auch, weil er es nicht noch einmal so weit kommen lassen will. Egal, ob bei sich oder einem anderen. Doch das ist auch so eine Sache bei Bence. Gefühlsergründung. Etwas, das nicht unbedingt zu seinen Stärken gehört.
„Ich... egal. Und das lässt sich bestimmt einrichten. Ich werd jetzt erst mal mein Zimmer erkunden.“ Mit diesen Worten und einem flauen Gefühl im Magen, das Bence sich beim besten Willen nicht erklären kann, lässt Luc ihn zurück.
Ein dünnes Lächeln schleicht sich für Sekunden über die Züge des Pflegers, ehe er sich wieder hinter seiner wahrscheinlich vertraglich verpflichteten ernsten Miene verzieht. Bence weiß trotzdem, dass er amüsiert ist. Dass er ihn mag. Wie alle anderen um ihn herum, außer Kat vielleicht, die ihn mit zusammengepressten Lippen mustert.
Er stürzt sich auf sie, wie immer, schließlich liebt er die Herausforderung. Dieses Mädchen, das nur Haut und Knochen und große, blaue Augen ist und das erst seit einigen Wochen dazugehört, sie ist tatsächlich die Einzige, die nicht an seinen Lippen hängt. Aber das wird sich schon ändern.
„Verzeihung, Mademoiselle, das war wirklich nicht persönlich gemeint. Aber ich würde mich freuen, Sie auf ein Eis einladen zu dürfen, und ich kann mir nichts Appetitlicheres vorstellen als ein Eis in der Hand einer graziösen jungen Dame wie Ihnen!“ Es ist größtenteils Übermut, der Wunsch, seine gute Laune in allen Ecken der Welt zu verstreuen, er hat ja genug davon! Für gewöhnlich siezt er seine Leidensgenossen auch nicht, aber beim Flirten hilft es manchmal, den Kavalier zu spielen, also, warum nicht?
Da ist so viel Energie, und worin soll er sie auch sonst investieren, wenn nicht in seine klinikinternen Beziehungen?
„Ist schon okay.“ Selbst ihre Stimme klingt bleich. Wobei sie tatsächlich über eine seltsame, gewöhnungsbedürftige Anmut verfügt, mehr wie ein Reh als wie eine Katze, aber durchaus nicht unschön anzusehen.
„Keine gute Laune heute? Mach dir nichts draus, du bist damit seit eben nicht mehr allein, der große Blonde mit Burnout eben in der Eingangshalle wird dir sicherlich mit großem Vergnügen beim Trübsal – oder anderen Dingen – Blasen Gesellschaft leisten!“ Vergnügt plaudernd und jetzt wieder beim Du, legt Bence Kat einen Arm um die Schulter und registriert zufrieden das kurze Auflachen, das ihr Gesicht einen Moment lang aufhellt.
Der Ausflug dann ist wirklich ein voller Erfolg. Wie auch anders? Die Sonne lacht, die Vöglein zwitschern und fast glaubt Bence, die Bienen surren und die Blumen singen zu hören. Als er es laut ausspricht, sind die Lacher auf seiner Seite. Natürlich. Auch wenn es einer gewissen bitteren Ironie nicht entbehren kann. Ein Patient, der Stimmen hört. Aber das geht Bence vollkommen ab. Zumindest im Moment. Könnte er doch die ganze Welt umarmen, wenn sie denn nicht so verdammt groß wäre.
Das Eis scheint heut besonders lecker, der Wind in seinem Haar noch angenehmer. Selbst dass Kat nur eine halbe Kugel schafft, den Rest und die Waffel ein paar Spatzen überlässt, kann seine Stimmung nicht trüben. Die Hälfte ist schon mehr als Nichts. Wesentlich mehr. Und auch diese Feststellung seinerseits wird prompt hinausposaunt und charmant honoriert, bis die ansonsten so bleichen Wangen der Jüngeren in einem fast schon gesunden Rot erstrahlen.
Selbst als es zurück zur Klinik geht, kann nichts und niemand Bences guter Laune einen Abbruch tun. Wahrscheinlich würde das noch nicht mal die Apokalypse schaffen.
Als die Gruppe sich auflöst, entweder in ihren Zimmer entschwindend oder zu einer spät angesetzten Therapiestunde, entdeckt Bence fast sofort die hochgewachsene Gestalt des Burnout Falls, welcher anscheinend gerade mit seiner Einführung zu Ende ist. Macht doch der behandelnde Arzt der Station, der an seiner Seite steht, alle Anstalten, sich zu verabschieden.
Ohne viel nachzudenken, wozu grübeln wenn man handeln kann, gesellt sich Bence zu dem Blonden, grinst ihn freudestrahlend an.
„Der Burnout-Patient, hallo! Lange nicht mehr gesehen. Schon gut eingelebt? Wie heißen Sie? Oder darf ich du sagen? Wir duzen uns hier alle untereinander, schließlich sind wir Leidensgenossen.“
Das demonstrative, genervte Stöhnen überhört Bence gekonnt. Diesen hier wird er auch noch in seinen Bann ziehen. Wenn nicht heute, dann morgen oder am Tag danach. Immerhin haben sie hier Zeit.
„Ja, ich hab mir schon Sorgen gemacht, richtig vermisst hab ich dich. Klar, ein großer Unterschied zum Keller meiner Eltern ist es nicht. Stuhl, Bett, Tisch, da braucht man nicht lange, um sich daran zu gewöhnen. Luc. Sag ruhig du.“ Die mechanische Art und Weise, seine Fragen der Reihe nach zu beantworten, bringt Bence zum Lachen. Ebenso wie der trockene Humor, der hinter den Antworten steckt, egal, wie bissig sie sind. Bence ist sicher, diesen Patienten auch noch zum Entertainer zu machen. Irgendwann.
„Bence mein Name. Nenn mich bloß nicht Ben! Und… sag bloß! Haben deine Eltern dich im Keller gehalten?“
„Nein.“
„So sahen sie aber aus. Als würden sie sich für dich schämen.“
Würde der Blonde nicht schon seit Anfang ihrer munteren Unterhaltung (Bence) oder auch erzwungenen Konversation (Luc) stocksteif dastehen, Bence würde sagen, Luc versteinert bei diesem Satz.
Aber so muss es irgendetwas anderes sein, das Bence kurz zweifeln lässt, ob er nicht ein bisschen zu weit gegangen ist. Vielleicht die Privatsphäre hätte berücksichtigen sollen. Vorsichtig herantasten und all der Quatsch, von dem er nie viel gehalten hat. Vielleicht ist es der dünne Strich, zu dem der Mund des Blonden auf einmal zusammengepresst wird. Oder die Art, ihn zu mustern, von unten nach oben, richtiggehend hasserfüllt.
Für einen Moment verunsichert es ihn zutiefst. Das Gelb der Tapete im Gemeinschaftsraum, was ihm sonst so gut gefällt, wirkt auf einmal viel zu grell. Die Wände scheinen ihn zu erdrücken. Bence weiß, dass diese veränderten Wahrnehmungen nur leise Vorboten sind. Nichts im Vergleich zu den Empfindungen, die ihn übermannen, wenn er einen wirklichen Down hat.
Trotzdem zittert seine Hand leicht, als er sich durch die Haare fährt, verlegen lächelt. Allein der Gedanke, dass er schon wieder von einer depressiven Phase erfasst werden könnte, lässt sein Herz schneller rasen, bereitet ihm schier unendliche Ängste. Und lässt ihn noch mehr reden, in einem viel zu hohem Tempo.
„Du musst entschuldigen wenn ich zu weit gegangen bin, ich bin nicht gerade taktvoll, ich weiß, ich vergesse schnell, auch auf andere Menschen zu achten, während ich mit ihnen rede, sagt der Arzt, nimm’s dir nicht so zu Herzen – hey, sag mal, wann hast du eigentlich Therapie, wir könnten uns morgen zum Essen treffen!“
Die Antwort braucht viel zu lang. Nach Bences Geschmack. Doch er sagt sich immer wieder, dass er seinen Maßstab nicht bei anderen anlegen darf. Auch so ein Punkt, bei dem er in der Therapie noch nicht wirklich weiter gekommen ist.
Als die Lippen des Größeren sich dann endlich öffnen, erschrickt Bence beinah. Luc klingt so müde, so unendlich resigniert. Nichts erinnert an die Schlagfertigkeit von eben. Diese Abgestumpftheit ist selbst für Burnout extrem ungewöhnlich. Bence kennt es in einem ganz anderen Zusammenhang.
Und auch wenn er Luc erst seit gut drei Minuten netto kennt, schwört er sich, auf diesen Acht zu geben. Weshalb auch immer. Vielleicht, weil er eine Beschäftigung braucht. Vielleicht aber auch, weil er es nicht noch einmal so weit kommen lassen will. Egal, ob bei sich oder einem anderen. Doch das ist auch so eine Sache bei Bence. Gefühlsergründung. Etwas, das nicht unbedingt zu seinen Stärken gehört.
„Ich... egal. Und das lässt sich bestimmt einrichten. Ich werd jetzt erst mal mein Zimmer erkunden.“ Mit diesen Worten und einem flauen Gefühl im Magen, das Bence sich beim besten Willen nicht erklären kann, lässt Luc ihn zurück.