Auf dem Rad

Soeren

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Irgendwas schmerzt höllisch in meinem Schritt und lenkt mich vom Brennen meiner Beine ab. Ich stehe für ein paar Minuten auf und der Schmerz geht weg. Nach einiger Zeit im Sitzen ist er aber wieder da und zwingt mich zu einer Pause.
Ich sitze an einem Fischweiher in der Sonne, kühle das Areal zwischen meinen Schenkeln, als mich ihre Nachricht erreicht. Sofort steige ich wieder auf und vergesse den ohnehin deutlich abgeklungenen körperlichen Schmerz.
Irgendwann würde es dunkel werden und ich müsste aufhören zu treten. Bis dahin muss ich einen Weg gefunden haben mit dem zu leben, mit dem ich ohnehin schon die ganze Zeit leben muss und was sowieso unausweichlich war. Die letzte Gewissheit macht hoffentlich etwas mit mir, erstickt vielleicht den letzten Funken Hoffnung, rupft das letzte zarte Pflänzchen, stoppt das Gedankenkarussell. Auch wenn ich die Stelle nicht mag, an der es stoppt: Ich würde aussteigen.
Aber noch dreht sich die Kurbel, treten meine Beine, habe ich Wasser, eine Aufgabe, mein Leben einen Sinn. Die Nachricht dreht in mir die üblichen Schleifen: Gewissheit, Auslegung, Zweifel an der ersten Gewissheit, durch die Kontextanalyse und wieder Gewissheit. Das Kurbeln dämpft die Gedanken, die Bewegung hält die Gefühle nieder. Der Wille zum Überleben lenkt die Aufmerksamkeit auf den Straßenverkehr. Und doch flammt die Angst auf vor dem Moment in dem die Kette stillsteht und der Sattel dem Sofa oder der Matratze weicht. Wie lange man dem wohl ausweichen könnte? Ein paar Stunden, Tage, Wochen gar?
Es kommen Pläne auf, von wochenlangen Touren durch Europa alleine auf meinem Scott. Ein wundgescheuertes Gesäß wird zum Heilsversprechen, schmerzende Hände und Nacken zur Verheißung, 300 km zu meinem täglichen Rosenkranz und jede Umdrehung ein Ave Maria in ihm. Ich würde nachts vor Erschöpfung in den überfülltesten Bettenlagern neben durchgeschwitzten Pilgern so tief schlafen, als läge sie neben mir. Und wenn ich ausgezehrt, sonnengegerbt und mit hunderten ungelesener Nachrichten auf unzähligen Kanälen zurückkäme, wäre es als wäre ich nie weggewesen und die Vollzugsbeamten bringen mich nach meiner Flucht zurück in mein selbstgebautes Gefängnis.
Ich nähere mich. Gleich muss ich aufhören zu treten. Sie kommen.
 



 
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