Auf der Zielgeraden

rubber sole

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Das Ende naht. Das weiß der alte Mann. Seit geraumer Zeit. Vermögender Kunstsammler. Nun der Abschied. Und alle kommen sie. Familie. Engste Freunde. Sein letzter Wunsch: Mit einem Lächeln auf dem Gesicht zu sterben. So kennen sie ihn. Lebensbejahend. Positiv denkend. Bis zum Schluss. Selten verschlossen.

Trauer auf den Gesichtern. Auch Rührung. Dann der Moment. Des Sterbenden letzte Züge. Sie wirken entspannt. Er lächelt. Zum Ende hin. Wie erhofft. Zurück bleibt angefasste Betroffenheit. Sie hatten ihn bewundert. Manche ihn vergöttert. Den stets großzügigen Menschen. Mäzen. Förderer. Sponsor. Bonvivant. Und nun das Finale.

Finale Worte der Ansprache. Sein letzter Wille: Keiner von ihnen soll erben. Alle sind materiell gut gestellt. Entsetzen macht sich breit. Verdrängt die Trauer. Das haben sie nicht verdient. So die einhellige Meinung. So kannten sie ihn nicht. Sie wollen es nicht wahrhaben. Aber ist da nicht ein Testament? Absichtserklärungen? Kinder. Enkel. Frau und Ex-Frauen. Für alle eine schallende Ohrfeige. Vom Sterbelager. Der hat sie nicht mehr alle. So ihr einhelliger Kommentar. Fast synchron. Na Klar. Nach seiner letzten Reise. Nach Israel. In einen Kibbuz. Ausgerechnet. Gesundheitlich schon angeschlagen. Aber nicht aufzuhalten. Und dann noch alleine. Auf solch eine Reise. Er, der sonst so Gesellige. Der Familienmensch.

Dann die Testamentseröffnung. Verlesen der beeidigten Testatfähigkeit. Letzte Verfügung: Übereignung des Gesamtvermögens. An eine israelische Stiftung. Bereits vollzogen. Diese erstreitet Ansprüche. Für enteignete jüdische Familien. Im Dritten Reich. Nun der Notar: Fakten juristisch abgesichert. Vollumfänglich. Notariell testiert. Anfechtung aussichtslos.

Ein abschließendes Postulat. Motiv für Entscheidung: Das Wissen um die Herkunft des riesigen Vermögens. Kontaminierter Besitz. Arisiertes Eigentum. Beutekunst. Vom Vater erworben. Unrechtmäßig. In Nazi-Deutschland. Nun endlich Befreiung. Von lebenslangem Schuldgefühl. Vom moralischen Druck. Dies musste ein Ende haben. Später Entschluss. Auf der Zielgeraden. Zu spät für ein geläutertes Ich?
 

Nika

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Mir gefällt gerade die Sachlichkeit .
Manchmal ist mir die Kürze der Sätze etwas viel.
Als Stilmittel finde ich es toll, würde aber an manchen Stellen variieren.
LG
 

Sammis

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Hallo!

Guter, eindringlicher Text!
Würde jedoch ebenfalls etwas vom zwanghaften Stakkato abrücken.
Zudem kann mMn einiges weg. Viele Dopplungen und unnötige Erklärungen.


Ein Vorschlag:

Das Ende naht, das weiß der alte Mann. Geraume Zeit schon.
Nun der Abschied, alle sind gekommen. Familie, Freunde.
Sein letzter Wunsch: Mit einem Lächeln sterben.
So kennen sie ihn. Lebensbejahend, positiv denkend bis zum Schluss.

Trauer auf den Gesichtern. Auch Rührung.
Dann der Moment, des Sterbenden letzte Züge. Er wirkt entspannt, lächelt. Wie erhofft.
Zurück bleibt angefasste Betroffenheit. Sie hatten ihn bewundert, manche vergöttert.
Den stets großzügigen Menschen. Mäzen, Förderer, Sponsor und Bonvivant.

Finale Worte, sein letzter Wille: Keiner soll erben.
Entsetzen macht sich breit! Verdrängt die Trauer.
Das habe man nicht verdient! So kannten sie ihn nicht, wollen es nicht wahrhaben.
Kinder. Enkel. Frau und Ex-Frauen. Für alle eine Ohrfeige! Vom Sterbelager.

Aber klar, seine letzte Reise. Israel. Ein Kibbuz, ausgerechnet.
Gesundheitlich angeschlagen, aber nicht aufzuhalten.
Und dann noch alleine. Er, der Gesellige. Der Familienmensch.

Verlesen der beeidigten Testatfähigkeit: Übereignung des Gesamtvermögens an eine israelische Stiftung. Bereits vollzogen.
Sie erstreitet Ansprüche enteigneter jüdische Familien.
Der Notar: Fakten juristisch abgesichert. Vollumfänglich!

Ein abschließendes Postulat: Das Wissen um die Herkunft des Vermögens.
Kontaminierter Besitz. Beutekunst. Vom Vater unrechtmäßig erworben.
Das muss ein Ende haben.
Später Entschluss. Auf der Zielgeraden.

Gruß,
Sammis
 

rubber sole

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Hallo Nika,

danke für deinen zustimmenden Kommentar. Das Stilmittel Staccato soll hier Weitschweifigkeit vermeiden und eine stärkere Prägnanz bewirken. So etwas mag Grenzen haben.

Gruß von rubber sole
 

rubber sole

Mitglied
Hallo Sammis,

Dein Vorschlag, diese Geschichte durch Verse gekonnt aufs Wesentliche zu reduzieren, gefällt mir gut. Bei der Gelegenheit kann man den Text dann auch weiter nivellieren, indem man u. a. Dopplungen vermeidet. Danke für deinen Beitrag.

Gruß von rubber sole
 



 
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