Mich hat das für das Sonett ungewöhnliche Reimschema auch erst glauben lassen, du hättest ein reimloses Gedicht geschrieben, lieber
Erdling!
Und auch nach dem gleich darauf folgenden Entdecken des Kreuzreims wollte sich das Ganze nicht so wirklich gereimt anfühlen. Das finde ich so irritierend wie spannend zugleich als Phänomen und kann's - wie du siehst - nicht ganz für mich einordnen. Technisch einwandfrei gemacht - und trotzdem sperrig irgendwie. Und das übertönt das "einwandfrei gemacht" interessanterweise ziemlich laut.
Ich hab es mal umgestellt auf AABB, was semantisch einwandfrei funktioniert (denn auch das Licht durch die Wellen hindurch malt im Tango-Schritt ein Mosaik auf die Brüste, wie ich finde).
Es fließt, es schwankt, es regt sich gut. Die Gischt leckt an der Küste.
Es malt das Licht ein Mosaik auf Meerjungfrauenbrüste
Im Tango-Schritt von Ebbe, Flut. Es schäumt wie Seifenlauge.
Wo Wellen sich verschlucken, ist: Ein Lustspiel für das Auge.
Hier liegt der Ursprung allen Seins und auch des Lebens Quelle.
Auf Dunkelsamt: Türkis. Saphir. Bewegte Aquarelle.
Der See blinkt rein und hell und klar. Juwel der Erdenkrone.
Erst Flüsse teilen, Adern gleich, das Land in Lebenszone.
Das Sonett im Titel als Formangabe hat in mir ebendiese Erwartungshaltung aufgebaut und die könntest du also leicht bedienen. Musst aber natürlich nicht - schon klar. Ich sehe nur den Gewinn des abweichenden Reimschemas nicht, wenn ich ehrlich bin bzw. kann die Idee dahinter nicht erkennen. Am Inhalt jedenfalls kann ich sie nicht festmachen. Aber ich bin mir sicher, du hast das nicht zufällig so gewählt und bin daher gespannt, was dahintersteckt! Kann ja auch an mir liegen, dass ich es nicht sehe.
Tatsächlich stolpere auch ich an dieser Stelle:
würde ich bei "Haben mein Aug liebkost " noch mal nachfeilen.
denn die weicht metrisch ab. Ich schreib mal die betonten Silben fett:
Ist
blaues
Staunen
tiefer
Trost.
Stets H2O-Objekte
Haben mein
Aug lieb
kost, ge
führt. Wo
Gischt an
Küste
leckte,
Z1 ist einwandfrei im xX xX xX xX bis zum Punkt. Danach folgen eigentlich lauter betonte Silben, wenn ich nicht sehr gezwungen gegen die natürlich Betonung "leiern" müssen will...und dann beginnt die nächste Zeile zusätzlich noch mit einer betonten anstelle einer unbetonten Silbe und holt das Ganze nicht mehr ins xX xX ...Schema zurück bis zum nächsten Punkt.
Da steht also:
x Xx Xx Xx X
X XXX xXx
Xx x X xX xX x X x Xx Xx
Da "prallt" also so Einiges, das definitiv runder geht.
Stets H2O-Objekte haben mein Aug liebkost, geführt.
...ist jetzt auch, ich sag es ganz offen, in meiner Wahrnehmung kein schöner Satz. Das H2O ist auch mir zu technisch oder "sprechfremd" und insgesamt wirkt dieser Satz einfach im Gegensatz zum runden Rest des Gedichts seeeehr konstruiert - wie ich vermute, mit dem Ziel die entsprechende Aussage UND Reimendung zu liefern. Da bin ich nicht so ganz begeistert.
Eine Möglichkeit, dies zu beheben, wäre - nur als Beispiel - etwas wie:
Nicht Hab und Tand noch Wuselei hat derlei Wohleffekte.
Im Wasser liegt die große Kraft! So sind dies die Aspekte,
wo Himmel einen Spiegel schafft. Wenn unsre Blicke weilen,
Ist blaues Staunen tiefer Trost. Wo Wasser ich entdeckte,
da ward' mein Aug liebkost, geführt. Wo Gischt an Küste leckte,
Wo Neptun seinen Dreizack rührt, versinken diese Zeilen.
Die Wuselei als Wort da drin mag ich übrigens sehr...die erzeugt so einen kleinen Kontrast zu "Hab und Tand" - auch sprachlich.
Schön eingefangen, was die Wahrnehmung von Wasserflächen mit uns macht. Ich glaube ja, wir kommen da auf einer uns gar nicht fassbaren, tieferen Ebene auch mit unseren Ursprüngen in Berührung (ähnlich wie beim Waldbesuch...da passiert ja auch mehr als wir mit unserer Ratio greifen können). Und das hat etwas Heilsames.
Sehr gerne gelesen und besenft!
LG,
fee