Ein Sonntagabend, grau, verregnet und die tristesse d'amour trug nicht gerade zur Stimmungsaufhellung bei. Sonntagsblues mit MontagMorgenverweigerungsgedanken.
Zögerlich hielt ich den kleinen Apparat in den Händen. "Mindwing" war in blauer Schrift in das metallische Gehäuse eingraviert. Sollte ich, sollte ich nicht? Könnte es gefährlich werden, süchtig machen?
Das Gerät war Teil eines Sets, Mindwing, Laserscanner und ein paar Kabel, die man mit kleinen runden Plättchen auf der Stirn befestigen kann, wenn's dann los geht. Ein Freund von mir brachte es vor kurzem vorbei. Zugegebenermaßen ein abgefahrner Typ. Groß, schlaksig, die blonden, schulterlangen Haare lässig zum Pferdeschwanz gebunden. Sein ganzes Leben besteht, so wie's oft scheint nur aus bits und bytes. Er lebt alleine mit seinen 3 PC's und einem schwarzen, trägen Kater. Doch manchmal, so wie an diesem letzten Donnerstag hat er wohl noch Sehnsucht nach menschlichem Kontakt. Er stand plötzlich vor der Tür, bepackt mit einer Flasche Rotwein und einem Paket. Es war von schwarzem Geschenkpapier umhüllt und mit einer echten roten Rose verziert. Dornenfrei. Wir umarmten uns zur Begrüßung und legten eine CD mit gregorianische Gesängen auf, zündeten mehrere Kerzen an, die den Raum in wonniges Wohlfühllicht tauchten,tranken Rotwein und unterhielten uns über dieses und jenes, verfingen uns in kurzen philosophischen Abhandlungen über das Leben und die Leidenschaft an sich und im Allgemeinen. Die Kerze war fast abgebrannt, der Rotwein fast ausgetrunken, als er mir das Geschenk überreichte. Neugierig nahm ich es entgegen, fuhr über den dornenlosen Stiel der Rose, sog ihren Duft in mich auf.
"Für den megasurf deines Lebens. Hab' das Teil auf einer Underground-Messe in London erstanden. Ein russischer Informatiker hat's mir unter der Hand verkauft. Probier's einfach mal aus. Zuerst werden deine Gehirnströme durch den mindwing in die erforderliche Frequenz gebracht, dann lässt du dich einscannen, optische Anpassungssoftware ist auch dabei, befestigst die Kabel auf der Stirn .....und los geht's. Absolut geiles feeling. Du erscheinst auf dem Bildschirm als dreidimensionaler Avatar und das absolut heiße an der Sache ist, dass du wirklich drin bist. Mit allem, was dir dein Gehirn zu bieten hat- Gedanken, Gefühle, Erleben. Du schließt die Augen und die Show beginnt".
So stand ich nun an besagtem Abend vor dem Gerät und war unschlüssig. Zögerlich legte ich mich auf meine rote Ledercouch, steckte die kleinen Kopfhörer ins Ohr und lauschte gespannt. Sanfte Klaviermusik, so schön, wie noch nie gehört, gepaart mit metallischen Klängen im Hintergrund. Ich entspannte mich, schloß die Augen, merkte, wie der Blues aus den Gedanken verbannt wurde. Nach den letzten Klängen erklärte mir eine männliche Stimme mit russischem Akzent die weitere Vorgehensweise. Wie in Trance stand ich auf, setzte mich vor den PC , schaltete den Scanner ein und befestigte die Kabel auf der Stirn. Innerhalb von 2 Sekunden erschien ich dreidimensional auf der Bildfläche. Optische Anpassungssoftware war der erste Gedanke. Dann noch schnell den Button "optimales Outfit" gedrückt. Wow, eine Wahnsinnsfrau dort auf dem Bildschirm. Ich schloß vorsichtig die Augen. Die Wahnsinnsfrau war immer noch da. "Welcome to the Avatarcommunity". Schon tummelte ich mich mit mehreren Avataren in einem gigantischen Chatroom. An der in Neolicht getauchten Bar war jede Menge los. Frankieboy drang aus den Lautsprechern......New York, New York "Zum ersten Mal hier?" "Yep" Ein netter Typ mit stechend blauen Augen stand neben mir. "Hallo, ich bin Tom und kann dich bei deinen ersten Schritten in der Welt der Avatare begleiten". Ich reichte ihm die Hand. "Barb, ohne ie oder arella" . Er blickte plötzlich ernst, fast abweisend und meinte, wir sollten uns langsam auf den Weg machen, da wir nur ein begrenztes Zeitlimit hätten. Vor der Tür standen mehrere rotlackierte Fahrräder. Ein Schild auf der gegenüberliegenden Straßenseite leuchtete uns neonrot entgegen "Dreißig Speichen treffen die Naabe. Die Leere in der Mitte macht das Rad - Laotse" Wir traten in die Pedale hinaus in die Nacht. Es war ein lauer Sonnensommerabend, die Sterne hell am Himmel, die Dunkelheit um uns. Die Straße wurde immer steiler und schon etwas außer Atem gelangten wir an eine Kreuzung. "Such dir was aus" "Last Exit Brooklyn" "Der Himmel über Berlin" "Transsylvania" "Tao te king" stand in roter Schrift auf den schwarz hinterlegten Wegweisern.
Transsylvania klingt abgefahren und so bogen wir rechts ab. Ein castle wie im Bilderbuch. Gibt's doch gar nicht. Wir stellten die Räder im Innenhof ab. Tom führte mich in den Garten, der hinter dem castle lag. Efeu und Kletterrosen säumten die Pallisaden. Wir setzten uns auf eine steinerne, rote Parkbank, blickten in den Nachthimmel und auf die Rückseite des castles, das sich majestätisch und unheimlich vor uns erhob. Meine Gedanken schweiften zu Bram Stoker's "Dracula", dessen unterschwellige Erotik mich noch nach dreimaligem Wiederholungssehen nicht losgelassen hat. Ob es hier auch möglich wäre, mich dort einzuklinken? Den heißen Atem über das Gesicht fahren lassen, der lustvolle Biß und dann...."Meinst du, es gibt den Grafen wirklich?", fragte ich Tom "Wer weiß?" Er lächelte mich mit einem Ausdruck an, den ich nicht zu deuten wußte. Laß uns aufbrechen. Wir stiegen auf unsere Räder und wollten zurück zur Kreuzung. Ich spürte plötzlich ein leichtes Vibrieren, öffnete die Augen. 0:30. Im Zimmer war's stockdunkel. Müde trug ich die schwarze Kaffeetasse in die Küche, legte mich ins Bett und lauschte dem Regen und den vorbeifahrenden Zügen.
Zögerlich hielt ich den kleinen Apparat in den Händen. "Mindwing" war in blauer Schrift in das metallische Gehäuse eingraviert. Sollte ich, sollte ich nicht? Könnte es gefährlich werden, süchtig machen?
Das Gerät war Teil eines Sets, Mindwing, Laserscanner und ein paar Kabel, die man mit kleinen runden Plättchen auf der Stirn befestigen kann, wenn's dann los geht. Ein Freund von mir brachte es vor kurzem vorbei. Zugegebenermaßen ein abgefahrner Typ. Groß, schlaksig, die blonden, schulterlangen Haare lässig zum Pferdeschwanz gebunden. Sein ganzes Leben besteht, so wie's oft scheint nur aus bits und bytes. Er lebt alleine mit seinen 3 PC's und einem schwarzen, trägen Kater. Doch manchmal, so wie an diesem letzten Donnerstag hat er wohl noch Sehnsucht nach menschlichem Kontakt. Er stand plötzlich vor der Tür, bepackt mit einer Flasche Rotwein und einem Paket. Es war von schwarzem Geschenkpapier umhüllt und mit einer echten roten Rose verziert. Dornenfrei. Wir umarmten uns zur Begrüßung und legten eine CD mit gregorianische Gesängen auf, zündeten mehrere Kerzen an, die den Raum in wonniges Wohlfühllicht tauchten,tranken Rotwein und unterhielten uns über dieses und jenes, verfingen uns in kurzen philosophischen Abhandlungen über das Leben und die Leidenschaft an sich und im Allgemeinen. Die Kerze war fast abgebrannt, der Rotwein fast ausgetrunken, als er mir das Geschenk überreichte. Neugierig nahm ich es entgegen, fuhr über den dornenlosen Stiel der Rose, sog ihren Duft in mich auf.
"Für den megasurf deines Lebens. Hab' das Teil auf einer Underground-Messe in London erstanden. Ein russischer Informatiker hat's mir unter der Hand verkauft. Probier's einfach mal aus. Zuerst werden deine Gehirnströme durch den mindwing in die erforderliche Frequenz gebracht, dann lässt du dich einscannen, optische Anpassungssoftware ist auch dabei, befestigst die Kabel auf der Stirn .....und los geht's. Absolut geiles feeling. Du erscheinst auf dem Bildschirm als dreidimensionaler Avatar und das absolut heiße an der Sache ist, dass du wirklich drin bist. Mit allem, was dir dein Gehirn zu bieten hat- Gedanken, Gefühle, Erleben. Du schließt die Augen und die Show beginnt".
So stand ich nun an besagtem Abend vor dem Gerät und war unschlüssig. Zögerlich legte ich mich auf meine rote Ledercouch, steckte die kleinen Kopfhörer ins Ohr und lauschte gespannt. Sanfte Klaviermusik, so schön, wie noch nie gehört, gepaart mit metallischen Klängen im Hintergrund. Ich entspannte mich, schloß die Augen, merkte, wie der Blues aus den Gedanken verbannt wurde. Nach den letzten Klängen erklärte mir eine männliche Stimme mit russischem Akzent die weitere Vorgehensweise. Wie in Trance stand ich auf, setzte mich vor den PC , schaltete den Scanner ein und befestigte die Kabel auf der Stirn. Innerhalb von 2 Sekunden erschien ich dreidimensional auf der Bildfläche. Optische Anpassungssoftware war der erste Gedanke. Dann noch schnell den Button "optimales Outfit" gedrückt. Wow, eine Wahnsinnsfrau dort auf dem Bildschirm. Ich schloß vorsichtig die Augen. Die Wahnsinnsfrau war immer noch da. "Welcome to the Avatarcommunity". Schon tummelte ich mich mit mehreren Avataren in einem gigantischen Chatroom. An der in Neolicht getauchten Bar war jede Menge los. Frankieboy drang aus den Lautsprechern......New York, New York "Zum ersten Mal hier?" "Yep" Ein netter Typ mit stechend blauen Augen stand neben mir. "Hallo, ich bin Tom und kann dich bei deinen ersten Schritten in der Welt der Avatare begleiten". Ich reichte ihm die Hand. "Barb, ohne ie oder arella" . Er blickte plötzlich ernst, fast abweisend und meinte, wir sollten uns langsam auf den Weg machen, da wir nur ein begrenztes Zeitlimit hätten. Vor der Tür standen mehrere rotlackierte Fahrräder. Ein Schild auf der gegenüberliegenden Straßenseite leuchtete uns neonrot entgegen "Dreißig Speichen treffen die Naabe. Die Leere in der Mitte macht das Rad - Laotse" Wir traten in die Pedale hinaus in die Nacht. Es war ein lauer Sonnensommerabend, die Sterne hell am Himmel, die Dunkelheit um uns. Die Straße wurde immer steiler und schon etwas außer Atem gelangten wir an eine Kreuzung. "Such dir was aus" "Last Exit Brooklyn" "Der Himmel über Berlin" "Transsylvania" "Tao te king" stand in roter Schrift auf den schwarz hinterlegten Wegweisern.
Transsylvania klingt abgefahren und so bogen wir rechts ab. Ein castle wie im Bilderbuch. Gibt's doch gar nicht. Wir stellten die Räder im Innenhof ab. Tom führte mich in den Garten, der hinter dem castle lag. Efeu und Kletterrosen säumten die Pallisaden. Wir setzten uns auf eine steinerne, rote Parkbank, blickten in den Nachthimmel und auf die Rückseite des castles, das sich majestätisch und unheimlich vor uns erhob. Meine Gedanken schweiften zu Bram Stoker's "Dracula", dessen unterschwellige Erotik mich noch nach dreimaligem Wiederholungssehen nicht losgelassen hat. Ob es hier auch möglich wäre, mich dort einzuklinken? Den heißen Atem über das Gesicht fahren lassen, der lustvolle Biß und dann...."Meinst du, es gibt den Grafen wirklich?", fragte ich Tom "Wer weiß?" Er lächelte mich mit einem Ausdruck an, den ich nicht zu deuten wußte. Laß uns aufbrechen. Wir stiegen auf unsere Räder und wollten zurück zur Kreuzung. Ich spürte plötzlich ein leichtes Vibrieren, öffnete die Augen. 0:30. Im Zimmer war's stockdunkel. Müde trug ich die schwarze Kaffeetasse in die Küche, legte mich ins Bett und lauschte dem Regen und den vorbeifahrenden Zügen.