Back to the roots

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WackyWorld

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Er kam heim. Der Nachbar machte wieder die Tür auf. Langsam. Ängstlich. Feige! Er hatte es satt. Immer dieses Beobachten. Er war Thai Boxer. Auch betrunken schnell. Der Türspalt reichte. Der Ellbogen traf. Es knackte. Der Schrei war kurz. Der Nachbar fiel.

Sein Hals war trocken. Staubig wie eine Schlange nach dem Winterschlaf. Er ging über ihn drüber. Der Kühlschrank war das Ziel. Bier war da. Immer. Er trank.


Zigaretten gab's nicht. Nur loser Tabak. Nutzlos. Also raus. Richtung Kneipe. Der Wirt sagte, sie hätten zu. Er bot ihm die Wahl: Tür auf oder Lowkick.
Er bekam seine Ernte23. Besser als nichts. Er rauchte drei. Schnell. Die Nase war voll, der Kopf leer.


Dann kam es wieder. Dieses Gefühl. Er hörte „Thy Art is Murder". Die Tränen liefen. Ganz ohne Grund. Irgendwas stimmte nicht. Aber das war schon öfter so. Seit seiner Geburt eigentlich.


Als er am nächsten Morgen aufwachte, war es noch immer da. Dieses nervige Gefühl. Er griff sich in die Hose, aber der Haken war schlaff. Das war es nicht. Das ging tiefer.


Er ging zum Training. Dreimal die Woche. Der einzige Rhythmus in seinem Leben.


Beim Umziehen das Handy. Eine Werbung. „PerfectYou". Eine Dating-App. Versprach alles. Wissenschaftlich sogar. Der perfekte Partner.


Partner? Vielleicht war das die Schwäche. Vielleicht war er alt geworden. Große Liebe gabs nicht, zumindest nicht für ihn. Und Romantik war was für weichgespülte Metroaffen. Nur eins war sicher: Beim Bumsen zog er nie die Socken aus. Das war was für weichgespülte Metroaffen.

Klaus, sein Trainingspartner, war schon weg. Gut so. Der durfte das nicht sehen.


Er fiel drauf rein. Natürlich. Auch wenn er nicht dran glaubte. Die große Liebe? Quatsch. Eine, die den ganzen Tag nackt kocht? Unrealistisch.

Oder eine, die mit ihm ein Ding dreht? Noch unwahrscheinlicher. Dann tippte er auf: „Testen".

Warum? Keine Ahnung. Warum hatte er damals den Grundschulrektor mit der Kaffeemaschine verhauen, als er zum dritten Mal sitzenblieb? Vielleicht, weil er glaubte, es passiert ihm nichts. Keine Konsequenzen.


Der Test kam. Er machte ihn. Ehrlich. Zu ehrlich. Er soff. Abschluss? Sonderschule. Aber A-Kurs in Karate. Er klaute. Regelmäßig. Seine Wohnung war ein Drecksloch.

Aber er mochte Tiere. Und er hatte auch welche. Nein, nicht die Sackläuse, die hatte er schon lange nicht mehr, er hatte nen Mastino, der mal nem Luden aus Berlin gehörte und der hin und wieder Autoreifen anknabberte.

Er klickte auf „Akzeptieren". Ihn akzeptierte ohnehin nie einer, also erwartete er nichts.

Dann, es war ein Mittwoch, das wusste er noch. Eine Annabelle hatte sich gemeldet. Klang schon nach Ärger. Er hat erst mal gegoogelt, ob das 'ne Bullin war. Man weiß ja nie. Er hatte noch Stoff da. Genug, dass man damit nen Mittelklassewagen finanzieren konnte. Aber die Alte war anscheinend sauber. Kein LinkedIn, kein Shitstorm, kein Richterpapa. Nur ein Insta mit Katzen, Tattoos und Sprüchen wie „Du kannst mich mal – aber nur, wenn ich will."

Er dachte sich: Na gut. Warum nicht.

Sie wollte telefonieren. Telefonieren! Wer macht das heute noch? Aber gut, er nahm an. War gerade eh auf'm Klo. Sie hatte 'ne Stimme wie brennende Butter. Warm, aber irgendwie gefährlich. Er war wortkarg. Fragte geradeaus: „Du hast nen Uni-Abschluss. Du bist voll in dieser Welt angekommen, warum ich?"

Und sie? Sagte nur: „Du doch auch. Hier steht Harvard." Harvard? Er hatte mal nem Harald die Zähne rausgehauen, aber Harvard? Harvard. Klar. Warum nicht.

Er sagte: „Ja, genau. Harvard." Klang komisch aus seinem Mund.

„Business, richtig?" fragte sie.

„Korrekt." Er wusste nicht mal, was man da studierte. Er tippte seine KI an: „Harald-Abschlüsse?"

KI: „Harald Juhnke?"

Er korrigierte „Harvard."
KI: „MBA-Business, MSc. Computer Science, ...".
Er sagte „MBA-Business."


Sie erzählte von ihrer Galerie. Von Kunsthistorik. Von Vernissagen.
Er nickte stumm ins Telefon.


„Treffen wir uns?" fragte sie. „Vielleicht im ‚Le Petit'? Das neue französische Restaurant in der Innenstadt?"
„Klar," sagte er. Wusste nicht mal, wo das war. Aber er würde es finden.
„Morgen um acht?"
„Perfekt."

Danach suchte er seinen einen Anzug. Von der Beerdigung seiner Oma. Zehn Jahre her. Passte nicht mehr. Zu eng. Egal. Er war doch kein Schauspieler. Was sollte der Scheiß? Aber irgendwas an ihrer Stimme. Da war was. Etwas, das er haben wollte.

Am nächsten Abend stand er vor dem Restaurant. Zu früh. Hatte vorher noch einen Kurzen gekippt in der Kneipe nebenan. Für die Nerven. Der Türsteher guckte skeptisch. „Haben Sie reserviert, werter Herr?" Werter Herr? Was für eine Scheiße. Er kannte Werters Echte. Aber, wenn es um ne echte Lady ging, da wuchs er über sich hinaus. Der Typ checkte seine Liste. „Ah, der Tisch von Fräulein Wilms. Bitte folgen Sie mir."

Das Restaurant war wie ein fremder Planet. Kerzen. Weiße Tischdecken. Anzugträger, die etwas flüsterten, was witzig sein sollte. Irgendwas stimmte nicht.

Und dann kam sie rein.

Sie war... zuckersüß, aber trotzdem komplett falsch. Hochgesteckte Haare. Perlen. Ein Kleid, das aussah wie geleckt. Diese Frau war keine Annabelle. Am Arm war ein Tattoo zu sehen. Sie war darauf bedacht, dass es keiner sehen sollte. Aber er erkannte jedes Tattoo, im Knast ist das überlebenswichtig.

Sie kam zum Tisch. Lächelte perfekt. Zu perfekt.

„Annabelle. Freut mich sehr."

Er nahm ihre Hand. Klein. Weich. Manikürt. Wie die einer Puppe.

Sie setzte sich. Der Kellner kam. Sie bestellte in fließendem Französisch. Er nickte nur, als der Typ ihn ansprach.

„Das Gleiche," war alles, was er rausbrachte.
„Das Gleiche wie die Madame? Der Hummer Thermidor?"
„Ja." Was auch immer das war.
Sie begann zu reden. Über Kunst. Über Geld. Über ihre Reise nach... wie hieß der Ort? Egal.
Dann passierte es. Sie griff nach ihrem Weinglas. Ihr Ärmel rutschte hoch. Nur ein bisschen. Genug, um etwas zu sehen, das sie sorgfältig versteckt hatte.
Nicht nur das Tattoo kam zum Vorschein, sondern auch noch nen Butterflymesser. Er starrte darauf. Sie bemerkte seinen Blick. Zog den Ärmel schnell wieder runter.
Für einen Moment – einen winzigen Moment nur – veränderte sich ihr Blick. Das Lächeln verschwand. Etwas Echtes blitzte durch.
Dann war es wieder weg. Das Lächeln kehrte zurück. Perfekt. Zu perfekt.
„Einen interessanten Anzug hast du da," sagte sie leise. „Die Sakkotasche ist angebrannt."
Er lachte. Konnte nicht anders. „Meine Oma im Krematorium. War zu nah dran."
Jetzt verdunkelte sich ihr Blick. Aber nicht vor Schreck. Etwas anderes. Erkennen.
„Wann bist du von Harvard zurückgekommen?" fragte sie plötzlich. Ihre Stimme anders. Schärfer.
„Letzten Sommer," log er. „Du scheinst viel von Kunst zu verstehen."

„Oh ja," sagte sie. „Besonders von Fälschungen."
Ein Moment der Stille. Dann noch einer.
„Du bist nicht von Harvard," flüsterte sie.
„Und du bist keine verdammte Kunstexpertin," antwortete er.

Sie starrten sich an. Eine Sekunde. Zwei. Drei.
Dann lachte sie. Ihr echtes Lachen. Wie Whiskey, der brennt und dann wärmt.
"Tanke an der Prinzenallee," sagte sie. „Wenn's hochkommt."
„Sonderschule," gab er zurück. „Wenn überhaupt."
Der Kellner kam. Brachte den Hummer. Sie schauten sich an. Dann auf das teure Essen.
„Abhauen?" fragte sie.
„Klar," sagte er.

Zehn Minuten später saßen sie in einer Kneipe. Sie hatte die Haare gelöst. Das Kleid gegen eine Lederjacke getauscht, die im Auto lag. Er hatte die Krawatte weggeworfen.
Mandy. So hieß sie eigentlich. Nicht Annabelle.
„Warum das ganze Gelüge?", fragte er.
„KI hat uns geglättet. Wir sind wohl Soziopathen."

Als sie später vögelten, behielt er die Socken an. Sie auch.
 
Zuletzt bearbeitet:
Nicht schlecht, aber sind die vielen Absätze - fast unter jeder Zeile - Absicht? Das stört den Lesefluss ganz erheblich.

Schöne Grüße
SilberneDelfine
 

WackyWorld

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Danke. Habs verbessert. Hoffentlich ;) War gestern leicht unter Alkoholeinfluss. Aber das darf mein Bewährungshelfer nicht wissen ...
 

Tonmaler

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Es lohnt sich doch immer, auch mal nach älteren Geschichten zu schauen ... diese war mir entgangen, als du sie hier eingestellt hast.
Danke. Habs verbessert. Hoffentlich ;) War gestern leicht unter Alkoholeinfluss. Aber das darf mein Bewährungshelfer nicht wissen ...
Fantastische Story! Spannend und außergewöhnlich, ich zieh den Hut. Stilistisch aus einem Guss und auch mal leicht anders als du sonst schreibst. Die Pointe ist super. Die 'brennende Butter' (wie kommst du auf so was?) wird zum Whisky; das hat Bukowski-Niveau; ich bin begeistert! Auch der Sockenschluss ...

Gruß
tm
 

WackyWorld

Mitglied
Es lohnt sich doch immer, auch mal nach älteren Geschichten zu schauen ... diese war mir entgangen, als du sie hier eingestellt hast.


Fantastische Story! Spannend und außergewöhnlich, ich zieh den Hut. Stilistisch aus einem Guss und auch mal leicht anders als du sonst schreibst. Die Pointe ist super. Die 'brennende Butter' (wie kommst du auf so was?) wird zum Whisky; das hat Bukowski-Niveau; ich bin begeistert! Auch der Sockenschluss ...

Gruß
tm
Vielen lieben Dank! Ich schreibe meine Geschichten ähnlich wie Stephen King (zumindest damals), nicht immer in, sagen wir mal, einem Zustand, der mir vor Geistesklarheit beim Zen-Bogenschießen die Erstplatzierung sichert ... ;) Ein oder zwei klitzekleine Gläschen stehen schon gelegentlich neben der Tastatur und die Flüssigkeit dient nur subsidiär der Tastenreinigung...und nein, es ist nicht Absinth ;) Und ja, ich habe noch beide Ohren ;)
 



 
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