Hey Tula,
solche Widmungen sind ja in der postmodernen Lyrik seit, keine Ahnung, so Ende der 90er (?), ziemlich häufig zu finden (es nimmt heutzutags nach meinem Gefühl wieder etwas ab, wird also langsam zu einer nostalgisch anmutenden "Altmode"). Ich finde sowas einerseits nützlich (deshalb wende ich das Mittel ja ab & zu an), weil man einem Gedicht damit eine zusätzliche Bedeutungszwiebelschicht verpassen kann, die derjenige, dem das nix sagt, ja relativ easy ignorieren kann (natürlich muss ein Gedicht unter vollständiger Ausklammerung der Widmung immer noch funktionieren) - andererseits ist mir klar, dass sowas eine gewisse Lesehürde darstellt; wer Ilse Aichinger nicht kennt, verliert schonmal leicht gleich die Lust am Weiterlesen (was nicht in meinem Sinn sein kann) und wer sie zwar kennt, aber keinen Zusammenhang herstellen kann, ist u. U. auch ein wenig frustiert.
Ich hatte es auch erstmal ohne die Widmung geschrieben (aber Aichinger dabei die ganze Zeit im Kopf) und am Ende erschien es mir so, dass ich mich hier schon aus Respekt vor meiner Inspirationsquelle verbeugen muss.
Wer's jetzt genau wissen will: Aichinger bezieht sich in ihrem Gedicht "Ausgedacht" auf Bayonne. Auf planetlyrik wird kurz auf dieses Gedicht eingegangen, leider ohne es zu zitieren. Hier gilt es natürlich auch urheberrechtliche Belange zu beachten.
In meinem Bayonne-Gedicht geht es jedenfalls, womöglich fast spiegelbildlich zum Aichingergedicht, nicht um den Rückzug aus der Welt in einen Folterkammer-artigen Ort wie bei "Ausgedacht", sondern vielleicht eher um den Einbruch der Welt und ihrer Grundregel, der Sterblichkeit, in das, was das Individuum zum Individuum macht, das kleine, private Glück: Der epikureische Garten.
LG!
S.