Be my lover

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Be my lover

Fabian kann man höchstens im altmodischen, theatralischen Sinne als meinen Liebhaber bezeichnen. Nämlich als Mann, der um die Gunst einer Frau buhlt. Natürlich glaubt mir mein Ehegatte, Jörg, das nicht, worüber ich ihm eigentlich auch nicht böse sein kann. Es schmeichelt mir, dass mein Mann davon ausgeht, dass ich ihn mit einem Teenager betrüge.

Unsere Ehe ist nicht im eigentlichen Sinne schlecht, jedoch haben wir das Interesse aneinander verloren. Jörg ist ein höheres Tier bei seiner Firma und besessen davon, zu den hohen Tieren aufzusteigen. Daher ist er ständig auf Tagungen und Fortbildungen. An unserem letzten Hochzeitstag ist ihm nicht mal aufgefallen, dass ich eine billige, schwarze Faschingsperücke trug, um eine Reaktion seinerseits zu provozieren.

„Ich trage Trauer um unsere Ehe“, sagte ich ihm, „und du merkst es nicht mal“.

Da sah er nur kurz von seinem Rumpsteak auf und schüttelte den Kopf, seine Augen drückten Missbilligung aus, sein Mund jedoch trug ein gequältes Lächeln zur Schau.

Eines Tages trat Fabian dann in mein Leben, das heißt im Grunde genommen trat ich in einen Teil seines Lebens – nämlich in den Kot seines Hundes. Fabian führte an jenem Tag eine übergewichtige Dogge an meinem Haus vorbei. Ich beobachtete ihn vom Küchenfenster aus. Er trottete dem Vierbeiner desinteressiert hinterher und starte auf sein Handy. Ich wollte diesen Jungen unbedingt näher kennenlernen, der mich so an den Schwarm meiner Jugend, Kurt Cobain, erinnerte. Ich tat als wolle ich den Müll herausbringen und rief:

„So eine Sch...ande!“, als ich mit meinen Stilettos in die selbige getreten war.

Erwartungsgemäß drehte sich Fabian, von dem ich noch nicht wusste, dass er so hieß, zu mir um.

Wenn ich mit ihm zusammen bin, fühle ich mich lebendig und nicht wie eine Maschine, die jeden Tag dasselbe tut: Aufstehen, Frühstücksei für Jörg kochen, Einkäufe erledigen, meine Hausfrauenfreundinnen treffen, Abendessen für Jörg zubereiten und dazwischen immer schön die Küche sauber halten.

Einmal haben Fabian und ich uns nachts in den Garten einer Villa in seiner vornehmen Nachbarschaft geschlichen und sind dort schwimmen gegangen. Fabians Vater ist Leiter der hiesigen Polizeibehörde, das Familienanwesen verfügt aber leider im Gegensatz zu dem des benachbarten Anwalts über keinen Pool. Weil ich eine anständige Frau bin und weil unsere Beziehung, wie schon erwähnt, rein platonischer Natur ist, schwamm ich in Unterwäsche statt nackt.

Ich konnte mir aus reiner Eitelkeit nicht verkneifen, Jörg von meinem „Verhältnis“ zu Fabian zu erzählen.

„Du hast also einen Freund, jung genug um dein Sohn zu sein, der aber nicht dein Lover ist, wie du behauptest“ fasste Jörg die Situation zusammen.

Ich nickte.

„Lade ihn doch mal zu uns nach Hause ein. Das könnte interessant werden.“

Das war das einzige Mal in mehr als 20 Jahren Ehe, dass ich von Jörg überrascht gewesen bin.

An jenem Abend lief alles unerwartet gut, wir fanden schnell ein Gesprächsthema: Fabian hatte von seinem Polleistenvater erfahren, dass die Kriminalität in unserer Stadt stark zurückgegangen war, seit man im vergangenen Jahr damit begonnen hatte, an den U-Bahn-Stationen klassische Musik aus den Lautsprechern klingen zu lassen. Mozart und Co wirkten sich deeskalierend auf die Gemüter der Reisenden aus; es wurden weniger Straftaten registriert. Im krassen Kontrast zu dieser Kriminalstatistik stand die Pistole, die Fabian plötzlich aus seiner Strickjacke zog und auf mich richtete:

„Entweder du verlässt deinen Mann oder du stirbst!“, schrie er.
 



 
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