Bitte nicht wegen der Kinder Teil 4

laluni

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Oktober

Wie zur dem Zeitpunkt eigentlich immer ging ich eines Morgens mit großer Angst zum Briefkasten. Angst davor, dass wieder eine Überraschung auf mich wartete...Und da war sie, die Überraschung. Post vom Autohaus. Das Auto war noch nicht bezahlt, welches wir im Juni gekauft hatten. Ja wie jetzt? Wieso war das noch nicht bezahlt?

Und wie immer kam Jens mit irgendwelchen fadenscheinigen Erklärungen. Er hätte es vergessen. Er würde sich sofort drum kümmern. Dann erklärte er mir plötzlich, dass durch seine Privatinsolvenz das Konto auf seinen Vater läuft. Wenn Jens also irgendwas überweisen wollte, oder Geld haben wollte, lief das alles über seinen Vater.

Ja ich habe ja schon erwähnt, dass ich ziemlich naiv war und ihm das halt glaubte...Jedoch fragte ich ihn mal wieder ob es dieses Konto wirklich gab, von dem er mir erzählt hat. Schließlich habe ich noch nie irgendwas darüber gesehen. Keine Unterlagen gar nichts. Er sagte er habe viele Unterlagen in der alten Wohnung vergessen. Anscheinend war der gute Mann ziemlich vergesslich. Naja in dem Alter... mit 32...kann das schon passieren.

Also machten wir einfach weiter...Die Stimmung sank immer tiefer. Aber wir versuchten beide, das Beste daraus zu machen. Schließlich liebte ich ihn. Schließlich haben wir vor gerade mal 3 Monaten geheiratet. Ich sag das mal gar nicht ein, jetzt so einfach aufzugeben, dachte ich mir.

Dennoch merkte auch Jens, dass nichts mehr so war wie am Anfang. Die ganzen Lügen, die ganzen Heimlichkeiten...das hat mich sehr verändert. Bzw. sehr verhalten gemacht. Ich wartete förmlich auf den nächsten großen Schlag.

November

Nun und so kam Anfang November und die Berufungsverhandlung stand an. Ich hatte irgendwie das Gefühl, Jens selbst nach Koblenz zum Gericht zu fahren. Als müsse ich sicher sein, dass er auch wirklich dort erschien. Ich fragte Mama, ob sie die Kinder nehmen könnte „Klar Nina, schaut ihr mal, dass das alles gut abläuft dort“

Also fuhren wir zusammen nach Koblenz. Eine schöne Stadt. Dass ich sie durch solche Umstände das erste Mal betrachten durfte, machte mich wirklich traurig.

„Ich komme da heil raus, das versprech ich dir“ Er umarmte mich und ging zum Gericht. Ich wartete in einem Café in der Nähe. Ich wartete Ewigkeiten und schrieb die ganze Zeit mit Dani. Die Zeit ging einfach nicht vorbei und mein gutes Gefühl – dass die Sache gut ausging – schwand von Minute zu Minute mehr...

In der Zeit des Wartens machte ich mir sehr viele Gedanken. Was war, wenn er ins Gefängnis muss? Für mich stand fest, wenn er wirklich verurteilt würde, würde ich mich trennen. Ich könnte nicht mit einem Mann zusammen sein, der im Gefängnis sitzt. Dani fragte mich einmal "Warum denn nicht?" "Dani weil das einfach nicht geht. Was sag ich denn den Kindern wo er war?" "Nina, wenn du mit Timo zusammengeblieben wärst, was hättest du da den Kindern erzählt, wenn er zum Auslandseinsatz muss...für mehrere Monate?" "Ja dass er halt beruflich weg war" "Ja und genau das gleiche könntest du den Kindern in dem Fall ja auch sagen“

Es klang logisch, was sie mir da sagte. Trotzdem gab es für mich keine Alternative. Wenn Jens ins Gefängnis müsste, würde ich mich trennen.

Aber was war wenn er freigesprochen wird? Würden dann alle Lügen endlich ein Ende haben? Könnte ich ihm wirklich soweit vertrauen? Würde dann endlich alles gut werden?

Gegen 12 Uhr mittags rief er mich plötzlich an „Es ist gerade Unterbrechung. Sie entscheiden jetzt. Nina ich muss dich was fragen“ ich war etwas verdutzt. „Liebst du mich? Stehst du mit mir das alles durch?" "Was soll die Frage?" "Nina ich frag dich nochmal. Stehst du mir das alles durch?" Ich hatte ein ganz komisches Gefühl. „Weil wenn nicht, werde ich mich verurteilen lassen und ins Gefängnis gehen." Er wusste, dass ich mich trennen würde, wenn er wirklich in den Knast muss. Aber was sollte der Scheiß jetzt? Will er mich hier erpressen oder was? „Hast du sie noch alle? Natürlich steh ich das mit dir durch. Ich liebe dich!" "Ok gut. Das wollte ich nur wissen“ Er legte auf. Meine Frage, ob er sie noch alle hat, bezog sich allerdings eher auf den Erpressungsversuch und meine Liebesbekundungen dienten nur dazu, mich nicht schuldig zu fühlen, weil er sich sonst hätte verurteilen lassen.

Ich war stinksauer!

Sofort schrieb ich Dani an und erzählte ihr davon. Sie hat total rumgetobt, ob er ein bisschen spinnt. Was denn in den gefahren war. Hier einen auf Erpresser machen oder wie? Und ich sah das genauso.

Und plötzlich kam er angelaufen. Mit Tränen in den Augen. So gutaussehend, in seinem Anzug und der Aktentasche in der Hand. Ich fragte mich eigentlich schon die ganze Zeit, wozu er so eine große Aktentasche dabei hatte. Ich stand vor ihm, er stürmte auf mich zu und umarmte mich. „Es ist alles gut ausgegangen. Die Haftstrafe wurde zur Bewährung ausgesetzt“ heulte er mir ins Ohr.

Nur warum freute ich mich nicht?

Nina was war los mit dir? Wir haben jetzt die Möglichkeit endlich von vorne anzufangen und ich freute mich nicht darüber? Was sollte das? Was war nur los mit mir?

Hatte ich wirklich gehofft, dass er verurteilt wird und sich somit die „Angelegenheit“, unsere ganze Problematik, mein Chaos im Kopf, die Sorgen, die Angst, von selbst erledigt? Meine Verwirrung im Kopf wurde immer größer und ich war zutiefst unglücklich. Und wieder kamen die Gedanken zurück „Nina du bist gerade mal 3 Monate mit ihm verheiratet, du kannst doch jetzt nicht alles über Bord schmeißen, gerade jetzt, wo alles gut auszugehen scheint“ Meine Gedanken schrien mich förmlich an. Wollte ich denn, dass jetzt endlich alles gut wird?

Hätte ich doch nur gesagt, dass ich das alles nicht mehr kann. Hätte er sich doch nur verurteilen lassen.

Nach der Verhandlung schlenderten wir noch durch die Stadt. Ich versuchte die gemeinsame Zeit mit meinem Ehemann zu genießen. Aber irgendwie wollte es mir nicht so recht gelingen.

Ob ich geahnt habe, dass das noch nicht alles war?

Ich war gerade mit Dani unterwegs als ich eine SMS vom Jens bekomme habe „Wir müssen heute das Auto abgeben“ „Ja wie? Das Auto abgeben? Heute? Wie soll das denn bitte gehen? Und vor allem warum? Ich denk du hat sich darum gekümmert?“ Sofort war ich mal wieder auf 180. Wusste gar nicht wie ich meine Gedanken sortieren soll. Das Auto abgeben? Heute? Und dann? Wie komm ich zur Arbeit? Wie sollen wir uns eins neues leisten? Warum hat er es nicht bezahlt? Was war hier los? Ich bin bald verrückt geworden. Und vor allem diese Frechheit, mir das mal so nebenbei per SMS mitzuteilen. Als ich ihn zu Hause angetroffen habe, hab ich ihn zur Rede gestellt. Seit dem Moment war unsere Küche unser Streitraum. Tür zu und ab ging die Post. Er an der einen Küchenzeile gelehnt und ich wild fuchtelnd an der gegenüber liegenden Küchenzeile. Hat er noch alle Tassen im Schrank? Und wie immer kam er mit irgendwelchen Ausreden. Sein Vater wollte die Überweisung nicht veranlassen. „Ich habe schon so oft mit ihm geredet. Er sieht es nicht einsehen, dass wir uns das Auto gekauft haben“...Das alles kam mir ziemlich spanisch vor. "Kümmer dich darum!" Das war das einzige was ich dazu sagen konnte.

Das ganze Wochenende lag mir das Thema wie ein Stein im Magen. Und ich hielt es nicht mehr aus. Montags fasste ich mir ein Herz und rief meinen Schwiegervater an. Jens war auf Arbeit und ich verbrachte 2 Stunden damit, mir die richtigen Worte zu Recht zu legen „Ich muss dich was fragen. Es geht um das Konto...“

Was ich als Antwort bekam, änderte alles:

„Nina es tut mir leid, aber von diesem Konto habe ich noch nie etwas gehört

Und ab dem Zeitpunkt war das Thema Ehe, das Thema Beziehung mit diesem Mann für mich erledigt. Wie lange soll ich mich noch anlügen lassen. Was war da noch alles, was er mir verheimlichte, was er mir einfach so vorlog, was eigentlich gar nicht existierte...Wie dumm war ich, dass ich ihm die ganze Zeit geglaubt habe. Als Jens mittags von der Arbeit kam, sagte ich ihm „Du sollst Deinen Vater anrufen“ „Hast du mit ihm telefoniert? Warum soll ich ihn anrufen?“ „Tu es einfach!“ Dann verschwand er mit dem Telefon im Schlafzimmer. Keine 2 Minuten später kam er raus, mit einem Rucksack und seiner Jacke und verschwand ohne ein Wort. Ok das wars dann also. Wie feige. Nicht mal was dazu zu sagen hat er. Traurig. Ich rief gleich Dani an. „Er ist weg“ Sie war fassungslos. So was Feiges. Sie konnte es genauso wenig verstehen wie ich. Dann kam eine SMS von ihm „Das wars dann wohl. Ich werde meine Sachen holen, dann bin ich weg“ Ich antwortete nicht. Mir war das alles zu blöd. Das gibt doch gar nicht. Wie kann man nur so sein?

Eine Stunde später stand er plötzlich wieder da. Mein Gott wie mich das genervt hat. Jetzt hab ich mich damit arrangiert, dass er weg war, jetzt stand er plötzlich wieder da...Und jetzt? Wie sollte es jetzt weiter gehen?

Als erstes mussten wir schauen wie wir das Auto heute noch zum Autohaus bekommen. Also bat ich Dani auf die Kids aufzupassen. Es war schließlich ein ganzes Stück vom Autohaus zum Bahnhof. Und das mit 2 Kindern und 2 Autositzen...Ne das war nichts. So fuhren wir zu zweit zum Autohaus. Wir schwiegen. Hin und wieder rannten mir Tränen über die Wangen.

Als wir das Auto abgegeben haben war ich wie unter Schock. Ich konnte nichts sagen. Am liebsten hätte ich Jens angeschrien und wäre gleichzeitig im Boden versunken. Mir war noch nie etwas so peinlich, wie im Autohaus zu stehen, in dem wir noch vor kurzem so getan hatten, als könnte uns nichts das Wasser reichen und plötzlich unser Auto wieder abgeben mussten.

Aber nicht einmal das ging. Stattdessen haben wir sogar noch ein Paar Schuhe für mich gekauft und sind Händchen haltend zum Bahnhof gelaufen. Jedoch absolut gefühllos. Es war einfach wie eine Gewohnheit.

Doch Zuhause angekommen drehte sich die Stimmung wieder recht schnell. Ich hatte mich also getrennt. Endgültig. Ich konnte nicht mehr. Das war einfach eine Lüge zu viel.

Er sollte sich eine Wohnung suchen. So schnell wie möglich. Er hatte jetzt eine tolle Arbeit, verdiente viel Geld, das dürfte ja kein Problem darstellen eine Wohnung – schnell – zu finden.

Dezember

Aber Jens bat mich ihn doch den Dezember noch hier wohnen lassen zu dürfen. Er versprach mir, dass er am 1. Januar dann weg war. Das würde so alles nicht gehen, jetzt so schnell ne Wohnung zu finden. Ach je ich bin ja kein Unmensch und willigte ein. Aber ich ging ihm weitestgehend aus dem Weg. War viel weg. Auch mittags...alleine. Das war mir zu dem Zeitpunkt einfach egal. Ich konnte und wollte ihn nicht mehr sehen. Auf gut Deutsch: Sein Anblick widerte mich nur noch an. Wer war dieser Mann? Ich kannte ihn doch gar nicht. Mein Traum war zerplatzt. Mein Traummann stellte sich als absoluter Fake heraus und ich war stinksauer. Auch auf mich selbst. Dass ich so darauf reingefallen bin.

Aber hättest du anders reagiert? Hättest du von Anfang an alles angezweifelt? Dann brauch man auch gar keine Beziehung mehr eingehen oder? Ein gewisser Grad an Vertrauen muss ja eigentlich da sein oder? Man kann ja nicht gleich alles in Frage stellen...

An Nikolaus war die Patentante meines Sohns – sie war mal meine beste Freundin – mit ihrem Freund bei uns. Als sie zur Tür herein kamen sah sie mich fragend an „wo ist denn euer Auto“ „weg“ „Wie weg?“ „Naja weg. Wir mussten es zurück geben, weil Jens es nicht bezahlt hat“ Ich ging wortlos ins Wohnzimmer und ließ Tina mit der Antwort stehen. „Tom will sein Auto verkaufen. Du kannst es haben wenn du willst“ „was soll das denn kosten? Den werde ich mir niemals leisten können“ „frag ihn einfach“ Also fragte ich Tinas Freund und er sagte wie aus der Pistole geschossen „hm 750 €“ Ich blickte ihn sprachlos an „Tom, das Auto ist mindestens 3000 wert“ „Das ist egal. Ich hab das Geld für das neue Auto zusammen. Das ist schon ok“

Also hatte ich innerhalb einer halben Stunde ein neues Auto. Meine Eltern streckten es mir vor und so fuhren wir noch am Nikolausabend zu Tina und Tom nach Hause um mein „neues“ Auto abzuholen. Immerhin hatte in schnell wieder einen fahrbaren Untersatz und das Auto stand wirklich super da. Glaube, das war nach dem Zafira, das beste Auto was ich jemals hatte.

Ok und außerdem war ich wieder Single...Und wie sollte es auch anders sein...als hätte er es gerochen...Timo war wieder präsent...Und ich wollte ihn sehen. Jens bekam das natürlich mal wieder mit und unterstellte mir, dass ich Timo noch lieben würde und das ich das die ganze Zeit getan hätte...Hatte er vielleicht sogar Recht? Und was machte er? Schrieb Timo an und sagt ihm das. Dass er um mich kämpfen soll usw. Hallo? geht’s noch? Mein Ehemann schrieb meinen Exfreund an und sagt ihm, dass er um mich kämpfen soll? Hmm sehr strange das Ganze. Aber gut. Dass Jens nicht mehr alle Tassen im Schrank hatte, hatte er mir die letzten Monate ja deutlich gezeigt.

Ich hatte mich ein paar Mal mit Timo getroffen. Bei sich zuhause. Er fragte mich ganz offen, ob das stimmt was Jens ihm gesagt hat. Und ich bejahte dies. „Warum?“ ich schaute ihn an „Weil du mich einfach nur restlos glücklich gemacht hast. Und du der einzige Mann warst, der immer ehrlich zu mir war. Du warst meine große Liebe“ Er schwieg.

Er machte mir ganz unmissverständlich klar, dass er sich auch Gedanken darüber machte, dass Jens ihn förmlich dazu treiben würde, wieder was mit mir anfangen zu wollen. Mit Timos Küken lief es nicht so gut und ich war eigentlich fest davon über-zeugt, dass er sie verlassen würde und wir glücklich bis an unser Lebensende sein würden.

Naja das typische Mädchenwunschdenken eben.

Währenddessen brach der Winter herein. Vor meinem Balkon war alles in tiefes Weiß getaucht. Es war einfach wunderschön. Jens hatte zum Glück Nachtschicht, so konnte ich zu Hause meine Ruhe genießen. Ich zog mich an und ging auf dem Balkon, um eine zu rauchen. Es war alles mit dicken Schneeflocken bedeckt. Da es noch nicht lange, aber dafür sehr heftig schneite, schien die Welt völlig unberührt. Es war traumhaft. Aber was war hier los? Ein paar Fußspuren. Von der Straße bis zu meinem Balkon. Direkt an meinem Balkon entlang, runter zur anderen Straße. Da lief ein Mann, der ziemlich merkwürdig zu mir hoch blickte. Es war Jens. 100 %. Ich rannte raus, wollte ihm hinterher rennen. Was ich machen wollte, weiß ich nicht. Ihn zur Rede stellen, ihm eine reinhauen? Keine Ahnung. Aber er bog ziemlich schnell ums Eck und ich sah ihn nicht mehr.

Ich ging zurück in meine Wohnung und rief sofort Dani an. Ich war fix und fertig und hatte einen Puls, mit dem ich wohl meine Wohnung für 1 Jahr mit Strom hätte versorgen können.

Als ich Dani erzählte was ich entdeckt hab, wurde sie sofort nervös. Ich glaube, wir telefonierten 2 Stunden. Dazwischen schrieb ich Jens an und machte ihn zur Sau. „Was das soll mich so zu erschrecken“. Dass er das lassen soll. „Was willst du eigentlich, ich bin auf Arbeit“ „Komm erzähl mir nichts, da war ein Mann an meinem Balkon und der Mann warst Du!“ Er mutierte ja förmlich zum Stalker. Na so etwas brauch ich ja mal wirklich nicht. Ich hatte wirklich Angst und um 1 Uhr nachts beschloss Dani zu mir zu kommen. Sie machte sich echt Sorgen und wollte mich nicht alleine lassen.

Als sie da war, zeigte ich ihr die Spuren im Schnee...Wie klug ja überhaupt, solche Beobachtungstouren im Schnee zu machen...Noch nicht gewusst, dass das Abdrücke hinterlässt? Meine Güte wie dumm. Plötzlich kamen Dani und ich auf die wahnsinns Idee hier voll einen auf Detektive zu machen. Miss Marpel und Sherlock Holmes beschlossen also rauszugehen und die Spuren abzulaufen. Und es war wirklich gruselig.

Das komplette Gelände war gezeichnet von seinen Spuren. In jeder Ecke konnte man deutlich erkennen, wie Person X sich in Richtung meines Balkons stellte um zu beobachten. Als erstes blickte Person X ums Eck, um zu schauen ob ich auf dem Balkon stand. Dann ging er ans andere Eck, dann bewegte er sich auf meinen Bal-kon zu. Person X bewegte sich zu meinem Balkon. Blieb stehen. Lief weiter. Direkt an die rechte Seite meines Balkons. Unmittelbar davor blieb er wohl stehen und trippelte auf der Stelle. Dann lief er weiter. An meinem Balkon entlang und lief die Wiese hinunter in Richtung Straße.

Es war einfach nur unfassbar. Ich habe mich in meiner Wohnung noch nie so unwohl gefühlt. Aber Jens beteuerte immer noch, dass er auf Arbeit sei. Ich könne seinen Meister anrufen. Ja das tat ich. Nur blöd, dass ich niemanden erreichte. Ja witzig. Wahnsinns Beweis. Es interessierte meinen Noch-Ehemann nicht im Geringsten, dass ich wirklich Angst hatte. Wenn er es nicht gewesen sein soll, würde das ja bedeuten, dass eine fremde Person vor meinem Balkon herumlungerte und mich offensichtlich beobachtete...Aber das war ihm absolut egal. Schön zu wissen.

Die Trennung wurde für mich somit immer selbstverständlicher und logischer. Jens interessierte sich nicht für mich und ich mich nicht für ihn. Wir lebten nebeneinander her. Er lernte ein Mädchen kennen. Michele. „Sie ist ja so verliebt in mich“, erzählte er mir. Warum erzählte er mir das. Wollte er mich eifersüchtig machen. Ach egal. dachte ich mir. Mach doch was du willst.

Ich traf mich weiter mit Timo und donnerstags – 2 Wochen nach der Trennung von meinem Ehemann – passierte es. Ich war bei Timo zu Hause und wir gammelten auf dem Sofa. Er machte mir mal wieder klar, dass er schon gern mehr machen würde, als nur Kaffee trinken, aber nie im Leben den ersten Schritt gehen würde. Feigling dachte ich mir nur. Naja ich brauch ja gar keine großen Reden schwingen. Ich traute mich ja genauso wenig.

Als uns dann der Gesprächsstoff aus ging und ich eigentlich vorhatte, heim zu fahren, weil nur dumm rumsitzen und schweigen brachte ja auch nichts, fasste ich mir ein Herz und küsste ihn. Eins führte zum anderen und wie sollte es auch anders sein...wir hatten Sex. Schön war es. Und völlig beflügelt fuhr ich danach nach Hause und war fest davon überzeugt, dass Timo sein Küken jetzt tatsächlich verlassen würde. Sein Küken über das er eh nur am Schimpfen war und er eigentlich nicht der Typ Mann war, der seine Freundin betrügt. Er würde mit offenen Karten spielen, sich von ihr trennen, vor meiner Tür stehen und sagen „Nina ich liebe dich, lass es uns noch mal versuchen“

Mir ging es gut und ich war glücklich. Die Trennung von meinem Ehemann war das Beste was ich machen konnte. Mir war egal, was er mit seiner neuen Flamme Michele trieb...so lange er es nicht in meinem Bett trieb.

Der Dezember war ziemlich anstrengend. Jens war ziemlich krass drauf. Bombardierte mich immer noch mit SMS. Abends teilweise bis zu 60 Nachrichten, er kam mit Unterstellungen an, loggte sich in mein Profil ein und bekam so natürlich mit, dass ich mit Timo geschlafen hatte. Er stellte mich zur Rede, was ich jedoch nicht verstand, schließlich hat er ja angeblich mit seiner Michele auch was gehabt. Und das noch dazu in MEINER Wohnung.

Irgendwann wurde ich von Alexander, einem Bekannten vom Jens aus seiner alten Heimat im Internet angeschrieben. Wie es mir so ginge. Ich erzählte ihm, dass ich mich vom Jens getrennt hatte. Er fragte nach dem Grund und ich machte lediglich kurze Infos. Alexander schien etwas überrascht zu sein „Ach wie du wusstest das gar nicht dass Jens ein Blender ist? Alle hier wissen das“ Ja schön, ich war wohl die einzige die das nicht wusste. Prima. Hätte mich nicht mal jemand aufklären können, bevor ich diesen Fremden heiratete? Wir unterhielten uns eine ganze Weile über die Machenschaften von Jens und ich war schockiert darüber, dass das wohl seine Masche zu sein schien. Laut Alexander hat er diese „Show“ wohl schon mit einigen Mädels abgezogen. Natürlich ohne jedes Mal zu heiraten. Übertreiben wollen wir es ja nicht.

Dann erfuhr ich, dass Alexander noch Kontakt zur Exfrau von Jens hat und er erzählte mir von dem Verhältnis zwischen der Tochter und Jens. Das war irgendwie eine ganz andere Geschichte als die, die Jens mir bei unserem Kennenlernen erzählte...Ich war verwirrt „Und das obwohl das arme Mädchen krank ist“ „ja wie krank?“ „Sie hat Autismus. Wusstest du das nicht?“ „Nein das wusste nicht!“ Wieso auch, ich bin ja nur die Ehefrau. Anscheinend war es nicht wichtig, so eine Information mitzuteilen.

Und wieder eine Lüge mehr, die ans Licht gekommen war. Jens hatte seine Tochter nicht im Februar das letzte Mal gesehen, sondern vor 4 Jahren. Sie haben seitdem nicht mehr telefoniert oder sonst irgendwas getan. Es war wie ein Schlag ins Gesicht.

Ich stellte mir die Frage, wie viel Lügen im Laufe der Zeit noch ans Licht kommen würden.

Und es sollten noch so einige sein…

Jens hat mein Tagebuch gelesen, hat mir hinterher spioniert, Nachrichten zwischen mir und meiner Freundin – in denen es um Timo ging – ausgedruckt usw. Das Alles – sein ganzes Verhalten – artete langsam wirklich aus. Unser Kriegsgebiet – die Küche – kam immer öfter in Gebrauch. Wir schrieen uns fast täglich an. Ich versuchte ihm täglich zu erklären, dass er mich doch einfach mal in Ruhe lassen soll. Mit seinen Fragen, was ich für Timo empfand, ob wir nun zusammen waren oder nicht. Warum sollte ich mit ihm darüber reden „Das tun doch Freunde“ sagte er. Ja Freunde tun das, aber nicht wenn man sich 3 Wochen vorher getrennt hat.

Timo meldete sich nach unserem einmaligen Spaß plötzlich nicht mehr und meine Laune wanderte immer weiter in den Keller. Meine Hoffnungen schwanden und Jens ging mir nur noch mehr auf die Nerven. Ich war heilfroh, wenn endlich der 1. Januar sein würde und er meine Wohnung endlich komplett verlässt. Diese ganzen Fragen, diese Erklärungen...immer das gleiche. Immer die gleichen Gespräche. Ich begann ihn, irgendwann nur noch zu beschimpfen oder ignorierte ihn komplett. Mir war alles andere zu blöd mittlerweile.

Das Thema Kinder kam auch immer öfter ins Gespräch. Immer die Fragen bzgl. der Kinder. Ich war bereit, dass er und die Kinder dann weiter Kontakt haben dürften. Sie liebten ihn, er war einfach ihr Papa und sie brauchten ihn. Auch wenn wir uns nicht mehr verstanden, hatte ich nie ein Problem damit, dass er Zeit mit ihnen verbringen durfte. Auch nach dem Auszug sollte er sie ohne Probleme regelmäßig sehen dürfen. Und das hat sich auch bis zum Schluss nicht geändert...

bis zu jener Woche...aber da komm ich noch hin.

Ich konzentrierte mich nun intensiv auf meine Arbeitssuche und hatte ein tolles An-gebot, in einem tollen Restaurant bei uns im Ort anzufangen. Wenigstens ein Licht-blick dachte ich. Ich war zwei oder dreimal zum Probearbeiten dort und wir beschlossen dann, mich zum Januar dort anzumelden. Da war ein tolles und beruhigendes Gefühl zugleich.

Es kam Weihnachten. Den Kindern zuliebe verbrachten wir die ersten Stunden zusammen. Als Familie. Es war erdrückend. Wir ließen das Christkind kommen und machten ein allerletztes Familienfoto unter dem Tannenbaum. Gute Miene zum bösen Spiel. Ich war froh, als endlich die Zeit gekommen war, ich meine Kinder ein-sammeln konnte und zu meinen Eltern fuhr. Die Kinder haben bei meinen Eltern geschlafen und ich bin dann mit Dani noch schön lumpen gegangen. Es wurde dann noch zu einem wirklich tollen Abend.

Weihnachten war somit auch überstanden.

Wie im Sommer mit Hilde abgemacht, fuhren wir an diesem Tag in die alte Heimat von Jens, um in dem Tanzlokal zu arbeiten. Ich hatte die ganzen Tage zuvor lange hin und her überlegt, ob ich tatsächlich mit ihm dorthin fahren sollte. Er hatte sich seit der Trennung sehr verändert und ich wusste ihn nicht mehr wirklich einzuschätzen. Schließlich kannte ich ihn ja eigentlich gar nicht mehr. Meine Mama war absolut dagegen, dass ich mit ihm in einem Auto dahin fahren wollte. Sie hatte riesen Angst um mich, dass wir uns auf der Fahrt streiten und er vor lauter Zorn ins Lenkrad greift oder so etwas. Schließlich dauerte die Fahrt knapp 2 Stunden. Da hätte alles passieren können. Auch Dani machte sich große Sorgen. Aber ich dachte mir „Nina das Geld nimmst du noch mit. Das kannst du gut gebrauchen. Es wird schon nichts passieren“

So fuhren wir donnerstags gegen Mittag gemeinsam 180 km in seine Heimat, um - wie abgemacht - abends im 'Flair' zu arbeiten. Dort wusste niemand, dass wir getrennt waren und Jens bat mich, sie auch in dem Glauben zu lassen. Warum er das wollte war mir reichlich egal. Ich hatte ja sowieso nichts mit ihm zu tun an dem Abend. Er stand an seinem Mischpult und ich hinter der Theke und befasste mich mit den ganzen Besoffenen davor.

Der Abend zog sich wie Kaugummi. Ich hatte schon nach 4 Stunden die Nase voll. Konnte nach 4-mal 'Einen Stern' und gefühlten 25-mal 'Abenteuerland' diesen Scheiß nicht mehr hören, diese ganzen Besoffenen mit ihren blöden Anmachen gingen mir nur noch auf n Keks und ich wollte eigentlich nur noch heim. Der einzige Trost war das Geld und ich dachte mir „Komm schon, nur noch diesen Abend überstehen, dann musst du die ganzen Freaks nie wieder sehen“ und so zog sich der Abend in die Länge. Nach ca. 100-mal 'Waaaahnsinn, warum schickst du mich in die Hööllleee' und ca. 200-mal 'Verdammt, ich lieb dich' war die Meute so dicht, dass alle das gröhlen begannen und ich die Gäste eigentlich nur noch anmotzte. Aber das war mir wurscht. Irgendwann sah ich Jens, wie er sich unter die Menge mischte und mit so einer kleinen braungelockten Kuh tanzte. Er schaute sie an...wie mich immer. Und es tat weh. „Nina, spinnst du, warum tut dir das weh? Er hat dich so belogen“ dachte ich mir. Aber ja, Ich war zutiefst eifersüchtig. Ich hätte dieser blöden Kuh am liebsten die Augen ausgekratzt. Aber Frau wie ich bin, ließ ich mir das natürlich nicht anmerken. Wieso auch? Ich wollte ihm ja keine Hoffnungen machen. Dennoch suchte ich, seitdem ich diese Tussi bei ihm rumschlendern sah, ständig seine Nähe. Hab ihm Trinken gebracht, ging mal zum Rauchen zu ihm, einfach mal kurz um mit ihm zu reden, um mich mal kurz setzen zu können. Er sagte, sie wisse dass ich seine Frau bin, aber das tröstete mich in dem Moment nicht wirklich.

Und ich hasste mich dafür. Warum konnte es mir nicht einfach egal sein?

Frühs um 7 war die ganze Schose endlich vorbei und wir konnten total platt ins Hotel zum Schlafen. Im Hotelzimmer zeigte er mir noch, dass er in seinem Rucksack ein großes Küchenmesser von zu Hause mitgenommen hat. „Zur Sicherheit“ sagte er „Man weiß ja nie, was da für Spinner besoffen rumfallen“ Zum Glück hat er mir das Messer dort erst gezeigt, sonst hätte ich wohl doch ein recht ungutes Gefühl bekommen. Und zum Glück war ich von dem Abend so platt, dass ich keine Zeit mehr hatte, mir Sorgen zu machen, ob er womöglich geplant hatte, mich im Schlaf abzuschlachten, in Stücke zu schneiden und in der Lahn zu verteilen.

Mit einem ziemlich schlechten Gefühl ließ ich die Geschehnisse des Abends nochmal Revue passieren und schlief dann irgendwann völlig platt ein. Nachdem wir ausgeschlafen hatten, sollten wir noch mal zurück ins 'Flair', um unser Geld zu holen um dann wie geplant heim zu fahren.

Als wir so im 'Flair' saßen, fragte Jens die Chefin Hilde, ob sie für heute Abend einen DJ hätte. Und sie sagte nein. Überlegte er ernsthaft dort zu bleiben? Wegen dieser Braungelockten oder was? Ich sah ihn fassungslos an. Ich verstand die Welt nicht mehr. Draußen am Auto gab er mir mein Notebook zurück. „Ich komm morgen heim und hol mein Zeug, dann bin ich weg“ Ich nickte und stieg ins Auto. Noch keine 10 Meter gefahren konnte ich die Tränen nicht mehr zurück halten. Ich weinte die ganze Fahrt nach Hause. Und ich kann immer noch nicht sagen warum. Warum war ich so traurig? Weil der Schlussstrich jetzt tatsächlich kurz bevor stand? Weil ich so eifersüchtig war und dachte er hätte mich schon ausgetauscht, obwohl er mir bis zum Schluss sagte, dass er mich liebt und um mich kämpfen will? Ich weiß es nicht. Ich fühlte mich schrecklich, traurig, leer, alleine, verlassen.

Wie irrsinnig. Schließlich habe ja ich Schluss gemacht.

Als ich zu Hause angekommen war, empfangen mich Dani und Ihr damaliger Freund. Sie hatten die Nacht auf meine Kids aufgepasst. Auf dem Balkon erzählte ich ihr unter Tränen was passiert war und selbst sie verstand mich nicht „Nina warum bist du so traurig? Wo war dein Problem?“ Ich hatte keine Ahnung.

Es folgte das schlimmste Silvester, das man sich überhaupt vorstellen kann. An sich war es eigentlich ganz lustig. Wir hatten Erdbeerlimes selbstgemacht. Das war mittlerweile Danis und mein Hauptnebengetränk wenn wir in unserer Stammkneipe waren. Aber unser Erdbeerlimes übertraf alles.

Man nehme:

Die Hälfte der Zutaten, wie sie im Rezept stehen
und die doppelte Menge an Wodka wie im Rezept steht

Heraus kommt:

Kann man sich denken. Eine neue Sprache, viel Gelächter und ganz schön besoffene Leute. Wir waren total offegoschisch, Dani hatte plötzlich sexuelle Probleme, anstatt 6,5 Promille und andersfüßig waren wir noch dazu. Man, was hatten wir einen Spaß. Beim Bleigießen hat natürlich jeder wieder diese typischen Baseball- oder Golfschläger gegossen und die Fotos waren auch sozusagen 'grande Malheur' wie man so schön sagt.

Doch dann kam Mitternacht. Silvester. Frohes neues Jahr meine Lieben. Ich stand da und hab bittere Tränen geweint, war plötzlich wieder stocknüchtern und hab die ganzen letzten 8 Monate nochmal Revue passieren lassen. Wir standen draußen vor dem Haus und blickten in den Himmel. Überall Feuerwerk. Viele glückliche Gesichert. Jeder viel sich in die Arme. Und ich stand da mit einer Flasche Sekt in der Hand und heulte Rotz und Wasser. Meine allerliebste Dani war so süß, sie nahm mich in den Arm und versuchte mich zu beruhigen. Ich war heil froh, dass sie in dem Moment da war. Irgendwann hatte ich genug vom Feuerwerk-glotzen und wollte wieder rein. Weiter trinken...

Dann kam eine SMS von Jens „Frohes neues Jahr. Ich wünsche dir Viel Glück in der Liebe und im Leben“ Das war zu viel. Wieder fing ich an zu heulen. Das war genau die Art von SMS die ich von ihm jetzt nicht haben wollte. Lieber hätte ich gar nichts von ihm bekommen. Und verbrachte ich den Rest der Silvesternacht, mit Alkohol und rumgemaile.
 



 
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