Blick in die Zukunft

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Blick in die Zukunft

Nachdenklich und erschöpft stand Michael neben seiner Apparatur am Rande von Kasei Vallis, des größten ehemaligen Stroms auf dem Mars. Hier flossen vor Millionen Jahren Wassermassen in die Ebene hinein, und nahezu sicher hatte es hier Leben gegeben. Heute war der Planet leer.

Auch jetzt noch, nach einem halben Jahr Forschung, hielt er die beklemmende Leere kaum aus. Er hatte immer davon geträumt, Leben auf dem Mars zu finden; vergeblich – auf der lebensfeindlichen Oberfläche war alles spurlos vernichtet. Er war überzeugt, dass in der Tiefe noch etwas lebte. Dort gab es Wasser; dort spielten die Sandstürme an der Oberfläche und der nahezu völlige Verlust der Atmosphäre keine Rolle.

Für heute war seine Schicht zu Ende. Er musste zurück. Über Funk schimpfte Manuela mit ihm. Sie war die Ärztin im Team und überwachte seine Körperfunktionen, die bedrohliche Überarbeitung anzeigten. Voller Wut hatte er das Loch für die Stoffwechselsonden so tief in den Marsboden getrieben, dass der Schweiß seinen Schutzanzug beinahe zu fluten schien. Die drei Meter, die er mit Sondenrohr und Hammer schaffen konnte, reichten allerdings bei Weitem nicht aus.

Bevor er sich in die Basisstation zurückschleppte, fiel sein Blick auf die gerade aufgehende Erde. Ob sie dasselbe Schicksal erleiden würde wie der Mars? Schließlich war der Heimatplanet fast 50 Millionen Jahre jünger als der Mars. Er hoffte inständig, dass die Erde das Leben erhalten könnte. Dennoch erschien ihm der Besuch auf dem Mars wie ein Albtraum, schlimmer noch: wie der Blick in die unausweichliche Zukunft.
 
G

Gelöschtes Mitglied 18005

Gast
Das ist toll geschrieben, Lukas.
Ich bin beeindruckt, wie viel hier in so wenigen Worten erzählt wird und obwohl ich kein Science-Fiction Leser bin, gefällt mir das hier. Es ist ja gar nicht so weltentfernt, all das, was dort passiert - es könnte tatsächlich so sein.
Macht Lust auf mehr.

Gruß, Etma
 
Danke dir Etma. Es ist - wieder einmal - eine etwas "verkopfte" Geschichte. Jemand benutzte das Wort neulich völlig zu recht. Im Erzählen von Abenteuern bin ich nicht sehr gut. Hier betrachtet der Wissenschaftler die Dinge aus sehr großer Distanz. Danke für die freundliche Aufnahme.
 
Hallo Lukas,

ich weiß zwar nicht, ob du mit dem Kommentar mich gemeint hast - ich habe das Wort "verkopft" neulich benutzt, aber soweit ich mich erinnere, habe ich damit keine Geschichte von dir kritisiert :) und diese Geschichte hier ist alles andere als verkopft, sie ist super, kurz, flüssig, auf den Punkt gebracht erzählt und dazu noch fantasievoll. Man kann sie verstehen, ohne sie zehnmal hintereinander lesen zu müssen. Und sie ist meiner Meinung nach so, wie Kurzprosa sein sollte. Also: klasse Geschichte.

LG SilberneDelfine
 
Nein, liebe SilberneDelfine,

das warst du nicht; ist aber auch egal. Es stimmt in mehr als nur mancher Hinsicht. Verkopft scheint mir durchaus zu passen; das Wort provoziert Lächeln und gefällt mir daher durchaus. Sehr oft reduziere ich meine zunächst ausufernden Gedanken in etwa auf das mir unbedingt notwendig Erscheinende. Damit werden meine Geschichten ziemlich abstrakt. Fast immer will ich das, manchmal bekomme ich es nicht anders hin. Vielleicht liegt das an meinen wissenschaftlichen Arbeiten. Die müssen so sein; solche Texte sind geradezu ritualisiert knapp.

Mit Dank und herzlichem Gruß.
 



 
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