BLIMP Teil 1 von 3

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Michael Kempa

Mitglied
Die Halle war voll. Hannah hatte einen Platz im vorderen Drittel gefunden, reckte den Hals und schaute, wer in den vorderen Reihen saß. Die Clans waren wie immer bunt gemischt. Die blauen Uniformen mischten sich locker mit den grünen Outfits der Logistiker, ein paar rote Militärs sprengten sich unter die Cluster der weißen Mediziner. Jeder Clan hatte seine Farbe, jeder Clan hatte seinen Namen, obwohl die offizielle Bezeichnung nur eine Gruppeneinteilung war. Hannah war das egal, sie nahm einfach die bunte Mischung der Farben wahr und versuchte ein Muster in dieser Mischung zu erkennen.

Seit dem Bestehen von Zitadelle 11 gab es die Einteilung in berufsbezogene Gruppen und sehr bald wurden daraus einfach Clans. Am Tag X war das einfach Fakt. Vor 200 Jahren bestand die Zitadelle aus Überlebenden, die in der Zitadelle ihre Aufgabe hatten. Da waren Mediziner, Forscher, Verwalter, das Militär und alle Gruppen, die das Überleben ermöglichten. Da gab es auch Historiker, Lehrer, Logistiker und Techniker. Alle hatten ihre Farben und Rangabzeichen, ein geordnetes Chaos. Natürlich wurde niemand in den folgenden Jahrzehnten als Polizist oder Mediziner geboren und erbte so diese Fähigkeiten, doch die Gruppeneinteilung blieb aus praktischen Gründen erhalten und es gab auch eine gewisse, gewollte Affinität zu den Berufen. Die neue Gesellschaft musste eingeteilt werden. Nationen wollte niemand mehr, Kasten brachten in der Vergangenheit mehr Übel als Nutzen. Es sollte eine gleichberechtigte Einteilung sein. Daher kam die Einteilung in berufsbezogene Gruppen. Dieser abstrakte Begriff konnte sich über die Jahre nicht halten und es bürgerte sich der Begriff „Clan“ ein. Seit einigen Jahrzehnten war das offizieller Bestandteil der Geburtseintragung und die Clans verwalteten sich selbstständig, wobei es durchaus vorkommen konnte, dass ein Clanmitglied der Mediziner den beruflichen Weg in die Technik fand, oder eher im Service glücklich wurde. Die Clanzugehörigkeit blieb, so wie die Hautfarbe oder das Geschlecht. Hannah gehörte deshalb zu den Administratoren und es war ihr auch herzlich egal, zu welchem Clan sie gehörte. Sie gehörte einfach dazu, trug bei festlichen Anlässen die schwarze Uniform der Administratoren und zweifelte diese Zugehörigkeit auch nie an, weil es dazu auch nie einen Anlass gegeben hat. Das mit den Clans war eine theoretische Sache, Kinder wuchsen in den Clans auf, hatten Gruppen, in denen die Clans gemischt waren, es gab da keine Konflikte. Die Eltern konnten aus anderen Clans stammen, doch das war eher unbedeutend, der Kontakt zu den Eltern war eher locker, im besten Fall freundschaftlich. Wichtig war die eigene Gruppe und die eigene Entwicklung. Wichtig war die Zugehörigkeit zur Zitadelle 11. Die Zitadelle war organisiert wie eine Stadt, dazu gebaut, das Überleben nach dem nuklearen Angriff zu sichern. Tausende ausgewählte Spezialisten wurden in die Zitadelle evakuiert, lebten dort und starben dort und hatten Nachfahren, die den Begriff Zitadelle nicht mochten und den Ort lieber das „Dorf“ nannten. Hannah war ein Kind des Dorfs und der Clans und konnte sich ein anderes Leben nicht vorstellen. Zum Anlass der jährlichen Versammlung trug sie ihre Clan-Uniform und reihte sich in die Zuhörerschaft der großen Halle.
Manchmal gab es ein paar besetzte Plätze in einer Farbe, doch ein wirkliches Muster konnte sie nicht erkennen.
Heute war die Decke der Halle in ein sanftes Grün getaucht. Die Wände des Raums waren ebenfalls grün angestrahlt und die Szene erinnerte sie an einen Dschungel, in dem die bunten Tiere artig auf ihren Plätzen saßen und warteten, was nun geschehen sollte. Vor einem Jahr war die Szene anders: Blau. Die Zuhörer bildeten Schwärme von Fischen, die einen Ozean bevölkerten. Dieses Jahr war es also der Dschungel.
Hannah selbst hatte die schwarzen Farben der Administratoren angelegt, so wie sie es immer tat, wenn es etwas zu feiern gab oder wenn es, wie heute, irgendwie offiziell wurde. Sie dachte über die Bedeutung der Farbe nicht weiter nach und Administrator war eigentlich auch keine Bezeichnung ihrer Tätigkeit, es war einfach ihre Zugehörigkeit.
Der Platz neben ihr war noch frei und sie hoffte, dass jemand kam, den sie kannte, mit dem sie sich unterhalten konnte, doch dann setzte sich eine Rote neben sie und begann die Situation ebenfalls zu untersuchen. Die Rote gehörte zum Clan der Militärs, sie trug ihr purpurnes Jackett mit dem roten Pulli, einen breiten schwarzen Gürtel mit goldglänzender Schnalle und den obligatorischen derben Halbhosen, die gewienerten Stiefel mit umgeschlagenen Schaft. Ziemlich konservatives Outfit, nur die übergroße Halskette und die Megaohrringe brachen den herkömmlichen Dresscode.
Es war eigentlich wie in den Jahren zuvor. Bunte Leute und eine bunte Halle, gefüllt mit den Geräuschen, die Leute verursachen, die ihren Platz suchen.
Das Licht des Dschungels wurde gedimmt, das Raunen der Zuhörer ebbte langsam ab.

Georg Mansfeld betrat die Bühne, getaucht in angenehm, helles, bernsteinfarbenes Licht. Leichter Beifall. Zielstrebig ging er auf sein Rednerpult zu, stellte sich dahinter und begann das Mikrofon einzustellen. Fast unbemerkt gesellte sich Simone Ford dazu, nahm ihren Platz ein und nickte Georg knapp zu. Es kam dann Simon Rosen, direkt neben Georg Mansfeld. Der Applaus nahm zu und ebbte schnell wieder ab. Das Triple war perfekt. Bernsteinfarbenes Licht, grüne Umgebung und fast 4000 Zuhörer.
Hannah war beeindruckt. Noch kein einziges Wort war gesprochen, doch der Auftritt war wie jedes Jahr perfekt.
Mansfeld bedeutete der Menge ruhig zu sein und begann mit klarer Stimme: „Ich begrüße euch zu einem besonderen Treffen! Wir feiern heute 200 Jahre in Zitadelle 11! Über 200 Jahre!“
Sofort bremste er jede Reaktion.
„Wir haben etwas zu erfüllen und wir haben deshalb etwas beschlossen!“
Simone Ford übernahm das Wort.
„Mit Ablauf von 200 Jahren wird sich unsere Strategie ändern, die Zeit des Abwartens ist nun vorbei, wir werden in einer anderen Art aktiv werden und wie das nun aussehen wird, erklärt uns der Leiter der Forschungsabteilung: Simon Rosen.“
Rosen richtete sich auf.
„Wir haben lange genug gewartet. Wir mussten uns unter der Erde verstecken, so wurde Zitadelle 11 unsere Heimat. Es gibt niemanden mehr, der den Tag X erlebt hat, wir sind alle Nachfahren der Überlebenden und wir änderten den Namen von Zitadelle 11: Wir nennen es heute einfach „Dorf“. Unser Dorf liegt unter der Erde und bietet uns Schutz. Wir haben Energie, wir haben saubere Luft, Nahrung und alles was wir brauchen! Es ist bequem in unserem Dorf, wir alle wissen das. Jeder hier weiß, dass wir genug Platz für 10.000 Leute haben - doch unsere Zahl ist im Lauf der Zeit gesunken und in diesen Tagen sind wir erstmals weniger als 5000 Menschen! Aus diesem Grund - und unsere Vorfahren haben das geahnt - ist es heute an der Zeit zu reagieren. Wir werden das Dorf als Basis verwenden und wir werden die Außenwelt bewohnbar machen!“
Rosen stand nun vor seinem Pult und stemmte die Arme in die Hüften. „Die Technik ist nicht unser Problem, das Problem ist die Außenwelt! Es gibt leider nur wenige Gebiete, die wir erforschen können, weite Gebiete sind verstrahlt, biologisch belastet oder immer noch chemisch unbegehbar. Wir wissen das. Aber wir müssen uns bewegen, sonst werden wir immer weniger Menschen werden und irgendwann verschwinden. Noch sind wir stark genug, deshalb haben wir beschlossen zehn Prozent unserer Anstrengungen in die Außenwelt zu stecken. Die Zeit drängt! Im letzten Jahr ist der Kontakt zur einzigen Basis, die mit unserer vergleichbar ist, abgebrochen. Aus Russland kommen keine Signale mehr. Wir sind isoliert. Da müssen wir raus! Langsam, und vor allem, sicher! Deshalb gibt es die Blimps. Wir haben bisher 4 Stück davon im Einsatz. Ihr kennt die „Boston“, die „Cairo“, „London“ und „New York“, seit heute ist die „Caracas“ dazu gekommen. Es sind nun also fünf Blimps im Einsatz. Alleine im nächsten Jahr werden wir unsere Anstrengungen ausweiten: Es kommen fünf weitere Blimps dazu und natürlich brauchen wir dann auch Piloten und Besatzung und alles was dazu gehört! Ein umfangreiches Programm!“
Simone Ford übernahm nahtlos das Wort.
Ford war eine rätselhafte Erscheinung, gleichermaßen gefürchtet und verachtet, ein Relikt einer vergangenen Zeit. Die Zitadelle war ursprünglich eine rein militärische Einrichtung und schwer bewaffnet. Das Militär hatte das Sagen. Dann war der Konflikt beendet, übrig blieben die Trümmer und eine verbrannte Welt. Feinde gab es nicht mehr - der Kampf war vorbei, das Militär hatte keine Aufgabe mehr. Nur einige ähnliche Einrichtungen wie die Zitadelle hatten überlebt und niemand hatte die Kraft und auch nicht den Willen zu kämpfen. Es blieb die Aufgabe, die Waffen stillzulegen, Soldaten in das neue Kollektiv zu integrieren, das Überleben zu organisieren und für die innere Sicherheit zu sorgen. So übernahm das Militär sicherheitsrelevante Aufgaben, neben der kontrollierten Polizei. Eine kleine Gruppe sollte die Verteidigungsfähigkeit konservieren - für alle Fälle - und so entwickelte sich das Militär zu einer Geheimorganisation, von der niemand so recht wusste, was diese Organisation eigentlich tat. Das Mitspracherecht blieb erhalten, das Militär war auch im Standbybetrieb unverzichtbar, hatte Zugang zu zentralen Systemen und verwaltete sich selbst. Seit Jahrzehnten war Ford der Kopf dieser Einrichtung und es war nie etwas von ihr zu hören, außer auf den jährlichen Events. Nur auf diesen Events war Simone Ford zu sehen, oder wenn es gravierende Ereignisse gab und das war in den letzten Jahre nicht der Fall. Deshalb umgab sie ein gewisser Schleier des Rätselhaften, der Unbestimmtheit. Dennoch war sie eine der drei tragenden Säulen der Zitadelle, zusammen mit Simon Rosen und Georg Mansfeld. Ein Teil des Triples. Das spiegelte sich auch in ihrer Erscheinung. Natürlich trug sie das Rot der Militärs, hatte aber auf den Schultern die vier grünen Sterne, die sie als General kennzeichneten, wie immer trug sie sehr kurze Haare, die von Blond oder Grau kaum zu unterscheiden waren und sie war schlank. Kein Gramm zu viel. Der Stand immer gerade, mit beiden Beinen fest auf dem Boden. Jeder sah es ihr an, dass sie viel Sport trieb und ihre Bewegungen waren immer sicher gezielt, keine Verspieltheit, keine erkennbare Schwäche. Disziplin pur.
„Es ist alles vorbereitet, in der alten Tradition, unsere Blimps nach Städten vor Tag X zu benennen, haben wir heute die „Caracas“ auf den Weg geschickt, doch es fehlen noch Piloten. Jeder Clan muss hier seinen Beitrag leisten, so wie zuletzt die Historiker... Natürlich werden auch andere Projekte etwas kürzer gehalten. Die Historiker verzichteten zuletzt auf die Erprobung einer Idee in der Finanzhistorik, wir danken für diesen Beitrag und wir wissen wohl, dass andere Clans auch ihren Beitrag leisten werden.“
Simone war heute wohl eher für die unangenehmeren Themen zuständig.
Obwohl sie zum ersten Mal das Wort „Clan“ offiziell benutzte, war der Beifall eher dünn zu nennen.
Mansfeld übernahm das Wort. „Das sind die aktuellen Entwicklungen, alles weitere ist in den Einzelheiten in unserem „Dorf“ ja schnell verbreitet. Es geht in der Angelegenheit „Blimp“ allerdings rasch voran. In den nächsten Tagen werden wir einige von euch ansprechen und es wird neue Piloten geben!“
Das war allerdings eine kleine Sensation, zuerst folgte ein Moment der Stille, dann gab es doch einen Beifall, der das Übliche sprengte.
Wer würde nun Pilot werden? Wie war das gemeint? Wen und welchen Clan betrifft es als nächstes?
Gesprächsstoff - etwas, was in einer kleinen Gemeinde hoch geschätzt wurde.
Die weiteren Ausführungen zur positiven Energiebilanz und dem Zustand der Ausrüstung, Umquartierungen und geringer Organisationsänderungen verblassten im Lauf des Abends neben der eigentlichen Sensation.
Die Redner räumten nacheinander die Bühne und das eigentliche jährliche Fest konnte beginnen.

Hannah genoss den Abend in den aufgebauten Bars und zog gerade durch den dritten Club, in dem angesagte Songs der Charts gespielt wurden.
Die große Halle war aufgeteilt in verschiedene Bereiche, doch das Dschungelthema wurde überall in irgendeiner Weise aufgegriffen. Nachdem sie mit ihrer Clique den „Roma“ getanzt hatte, ließ sie sich gerade von Michels, dem Medical, einen Drink holen. Alaska schob sich durch die Menge und tauchte neben Hannah auf. „Wo kommst du denn her?“, lachte Hannah ihre Freundin an.
„Zirkus. Ich war im Zirkus. Die Logistiker haben sich dieses Jahr wirklich etwas Tolles einfallen lassen. Du hast etwas verpasst!“
Michels tauchte mit zwei Drinks auf. Ohne zu zögern nahm Alaska den einen Drink und Hannah schnappte sich den zweiten. Michels zog wieder ab und die zwei Freundinnen hatten wieder ein paar Minuten für sich. Der Medical war kein Spielverderber und so wurde es nicht langweilig auf diesem Fest.
Irgendwann am frühen Morgen fummelte Hannah am Türschloss und versuchte vergeblich in ihr Apartment zu kommen, Alaska kicherte und winkte einfach lässig mit ihrem Arm am Schloss vorbei, das mit einem leisen Klick öffnete. Also Alaskas Apartment...
Hannah war nicht oft betrunken, doch heute hatte es offenbar gereicht. Ein Absacker, eine weiche Couch und das war es auch, woran Hannah sich noch erinnern konnte.
Zum Glück war es Sonntag. Hannah sortierte sich, ging die wenigen Meter zu ihrem eigenen Apartment und verschlief den Rest des Tages.
Der Montag begann so, wie viele andere Montage auch: Der Wecker schnarrte, Hannah ging in ihr Bad und nahm eine heiße Dusche. Im Morgenmantel saß sie dann noch eine Weile am Tisch, hörte die aktuellen Nachrichten und ließ ihre Lieblingsmusik laufen. Es gab ein paar wenige Mails zu lesen und im Kalender gab es heute nur noch einen Termin beim Arzt, die jährliche Routineuntersuchung. Kauend stapelte sie die Müslischale in die Spülmaschine und zog Jeans und ein einfaches T-Shirt an. Alles lief so wie immer, der Weg zur Mall war nicht weit, zwei Rolltreppen runter und den Hauptstollen lang, bis zum Eingang der Mall.
Die Mall lag fast im Eingangsbereich und der Duft von frischem Brot, Kaffee und Zimtstangen wehte ihr entgegen. Heute roch sie besonders die Zimtstangen. Die gab es nicht immer. Zimtstangen waren eine Besonderheit zum Jahreswechsel.
Denise war schon da, bediente die Kunden und lächelte Hannah an. „Hi, wie geht es? Gibt es was Neues?“
Hannah zog sich die Schürze über und lächelte zurück. „Nichts Besonderes, nur dass ich heute um zwei einen Termin habe.“
„Um zwei?“ Denise zog die Augenbrauen hoch. „He! Um zwei, das geht nicht Schätzchen! Du weißt, dass ich um eins Schluss habe. Du weißt, dass ich immer am Montag Training habe – seit Monaten! Schääääätzchen!“ Denise baute sich vor Hannah auf, die Hände in die Hüften gestemmt. „Schääääätzchen!“, wiederholte sie, in diesem unglaublich langgezogenen Tonfall, den nur Denise so hinbekam.
Hannah packte ein Brot in eine Tüte und bediente ihren ersten Kunden. Hilflos lächelte sie wieder Denise an. „Was soll ich tun? Den Termin verschieben? Schon wieder? Da bekomme ich Ärger, das wäre dann schon das zweite mal, dass ich den Termin verschiebe...“
Denise fragte knapp: „Wichtig?“
„Na ja, ein Arztbesuch halt.“, antwortete Hannah. „Ich muss da irgendwann hin, so wie du auch. Es ist die Jahresuntersuchung.“
„So und ich will zu meinem Training.“ Denise sah wirklich etwas ärgerlich aus. „Wie machen wir da weiter?“, fragte sie.
Hannah hatte eine Idee. „Lassen wir den Entscheider ran. Soll doch der unser Problem lösen.“
Denise war perplex: „Der Entscheider? Bekommen wir das nicht selber hin?“
„Warum sollen wir es uns kompliziert machen, wenn es auch einfach geht? Alaska hat mir erzählt, dass der Entscheider eine wirkungsvolle Maschine ist und einiges lösen kann, wovon ich mir keine Vorstellung machen kann. Du kennst doch Alaska, meine Freundin, oder?“
„Also, hopp?“
„Hopp!“ Denise wirkte nun etwas neugierig, der Ärger schien verflogen. „Aber du meldest dich an!“
„OK.“
Hannah verschwand kurz im Pausenraum und gab die Eckdaten an den Entscheider weiter. Das Problem wurde vom Programm aufgenommen und Hannah bekam nichts weiter als eine Bearbeitungsnummer.
Die weitere Zeit verging wie immer im Flug. Denise und Hannah waren ein eingespieltes Team, die Waren gingen über den Tisch, der Ofen war voll im Betrieb, mal war Hannah am Tresen, dann wechselte sie zum Ofen und warf die Bestellungen von Denise auf die Bleche. Es war Brötchen backen. Business as usual.
Irgendwann kam Denise auf Hannah zu. „Ich habe da eine News.“
„News?“
„Der Entscheid!“
„Lass sehen!“, Hannah setzte das heiße Backblech ab.
Entscheid: Hannah Susandottir geht um 14:00 Uhr zur Jahresuntersuchung. Die Priorität steht über den Belangen von Denise Chan. Denise Chan hat um 13:00 Uhr Dienstende. Es wird keine Überstunde angeordnet. Der Betrieb wird ab 13:30 Uhr abgelöst. Frau Susandottir wird die Aushilfskraft einweisen. Entscheid: 0042/0112/201aX.
Denise und Hannah schauten sich überrascht an. Denise fand zuerst einen passenden Kommentar.
„Donner!“
Pünktlich um 13:30 Uhr kam die Ablösung.
„Hi ich soll mich bei dir melden, ich bin Diane. Diane Dreyer vom Shop der Nord-Mall. Du bist Hannah?“
Hannah kannte Diane kaum, sie hatte nicht gewusst, dass Diane auch in einer Mall arbeitete und schon gar nicht, dass sie auch in einer Bakery arbeitete. Schnell war das Nötigste erklärt, nur den Ummeldecode bekam Hannah nicht geändert. Sämtliche Umsätze wurden nun auf Dianes Konto gebucht. „Das ist nicht weiter schlimm, denke ich.“, sagte Diane. „Das können wir morgen in Ordnung bringen. Mein Chef weiß ja, dass ich hier bin, ich mache einfach so weiter wie ich es kenne. Ach, ihr habt auch Zimtstangen?“ Diane werkelte schon am Backofen.
„Na, dann kann ich ja losgehen.“ Hannah legte die Schürze über den Pausenstuhl und machte sich auf den Weg zum Medicalcenter.
Der Dienstag war für Hannah etwas härter. Sie öffnete den Shop und wartete auf die Verstärkung von Denise. Denise kam wie immer etwas knapp, schwungvoll zog sie ihre Schürze an und fragte: „Na, wie ist es gestern gelaufen, alles OK?“
„Alles OK.“
„OK?“
„OK.“
„Hey! Ich weiß, wann was OK ist und wann nicht. Es war nicht OK, das sehe ich dir doch an.“ Denise hatte es wieder voll erfasst.
„Na ja, ich denke, dass ich die Sache mit dem Entscheider vielleicht besser gelassen hätte“, begann Hannah.
„Wieso? Das war doch in Ordnung für uns beide, oder nicht?“, Denise begutachtete ein Brötchen von allen Seiten.
„Es war in Ordnung.“
„Aber?“
„Ich war erst spät am Abend wieder zu Hause...“
„Ach?“
„Die haben mich durchgemangelt.“
„Was wollten die denn?“, Denise bediente einen Kunden.
„Erst das Übliche, Blutdruck, Gewicht, Laborkontrolle, du kennst das ja.“
„Und dann?“
„Frauenarzt.“
„Hä? Bei einer Jahresuntersuchung?“, Denise ließ den nächsten Kunden einfach warten. „Das ist aber nicht normal. Wer hat dich untersucht?“
„Dr. Kay, sie ist auch deine Frauenärztin, glaube ich...“
„Ja.“, sagte Denise. „Und weiter?“
„Die haben viel Blut abgenommen, ich glaube, fünf Röhrchen, es können auch mehr gewesen sein, ich habe ja weggeschaut.“
„Du magst das nicht. Denke ich mir. Fünf Röhrchen?“
„Mindestens.“
„Shit!“
„Ja. Danach ging es weiter. Ein neurologischer Test, sagten sie.“
Jetzt lass dir nicht alles aus der Nase ziehen, was ist los? Bist du krank?“, fragte Denise sichtlich besorgt.
„Nein, alles in Ordnung. Aber dann kam noch mehr. Ich musste einen Fragebogen ausfüllen, zum Glück nur zum Ankreuzen. Dann musste ich Bälle fangen. Dann ließen die mich bestimmt zehn Minuten in Unterhose einfach stehen und fragten ob ich friere! Es war mehr als sonst!“
„Lass uns wieder an die Arbeit gehen.“ Denise schob eine Ladung Brote zum Aufbacken in den Ofen.
Kunden kamen, Kunden gingen. Eine Stunde verging und auch die nächste Stunde.

Der Mittwoch verging und auch der Donnerstag. Am Freitag kam dann der Brief. Hannah fand ihn im Postfach der Bakery. Eine Einbestellung zu medizinischen Untersuchungen. Jetzt war sie besorgt. Irgendwas war nicht in Ordnung. Denise wusste auch keinen Rat.
„Geh erst mal hin und schaue was dann passiert.“, das war ihr einziger Kommentar.
Der Montag war der Tag der medizinischen Untersuchungen.
Am Dienstag wartete Denise auf den Bericht von Hannah. „Was war los? Haben die was gesagt?“
„Sport, Reaktionstest, das war so das Programm. Ich war auf dem Laufband, musste gehen, laufen und rennen. Dann war ich in der Sauna, sollte erst raus, wenn es nicht mehr geht.“
„Wie lange?“, fragte Denise.
„23 Minuten bei 95°.“
„Stramm!“
„Dann kam eine Simulation, Höhenangst. Klettern und auf einem Seil laufen.“
„Ungewöhnlich.“
„Hörtest. Schreien musste ich. Armkraft getestet, Beinkraft getestet. Liegestütze.“
„Das habe ich noch nie machen müssen, obwohl ich bei den Basketballerinnen bin!“, gab Denise zu.
„Nach meinem Lieblingssport haben die auch gefragt.“
„Und?“
„Nächste Woche erfahre ich mehr.“

Die nächste Woche war von einer Sensation erfüllt. In den Nachrichten lief nichts anderes und das ganze Dorf sprach darüber. Die „New York“ war verunglückt. Der Kontakt zum Blimp war abgerissen. Die ganze Woche war erfüllt von Spekulationen. Wer war auf der „New York“? Was war geschehen?
Bei dem ganzen Trubel ging es völlig unter, dass Hannah eine Einladung bekam. Eine Trainingswoche. Vertreten würde sie Diane, die schon einmal für die Mall eingesprungen war. Die Nord-Mall sollte enger mit der West-Mall zusammenarbeiten. Es ging um Erfahrungsaustausch und um Synergien. Denise bekam auch eine Einladung und sollte einen Tag in der Nord-Mall verbringen. Denise war völlig aus dem Häuschen, hatte sie doch eigentlich seit Jahren nur in „ihrer Bakery“ gearbeitet.
Denise und Diane wurden ein gutes Team, da kam sich Hannah schon ein wenig überflüssig vor, doch sie hatte sich getäuscht. Nach der Trainingswoche war Denise gespannt und wartete auf einen Bericht von Hannah.
Die Zeit dazwischen war nicht weniger spannend. Die „New York“ wurde gefunden, irgendwo 150 Kilometer südlich vom Dorf abgestürzt. Es gab eine Rettungsaktion, die noch immer nicht abgeschlossen war.
„Hannah, wie war die Trainingswoche? Erzähl, wie war es?“, begrüßte sie Denise.
„Spannend! Wir waren fünf Leute und es ging viel um Sport. Hast du gewusst, dass es vor dem Dorf einen Pfad gibt?“
„Du warst draußen?“, Denise war sichtlich beeindruckt.
„Ja, es gibt dort einen Rundweg, ausgeschildert und etwa fünf Kilometer lang. Das war ein Teil der Woche und ein paar Blimps habe ich auch gesehen - Riesendinger! - , das glaubst du kaum! Ich glaube, ich weiß nun, worum es geht. Die suchen doch noch Leute für das Programm, die Sache mit den Blimps, du weißt doch... Davon hat doch Mansfeld gesprochen, in der Versammlung.“
„Ja, die suchen noch jemanden für die Bakery, schon klar!“, feixte Denise. „Wenn es schon um die Blimps geht, hast du mitbekommen, was da los war?“
„Du meinst das mit der „New York“?“, fragte Hannah.
„Klar.“
„Die „New York“ ist gefunden worden.“, sagte Hannah.
„Simon Dorison war der Pilot“, gab Denise zurück.
„Ja?“
„Simon gehört zu meinem Clan!“
„Ich wusste nicht, dass du zu den Historikern gehörst...“
„Ja, mein Clan!“ Denise deutete auf die grüne Schleife an ihrer Brust. „Die trage ich so lange, bis Simon gefunden ist.“
„Das tut mir leid, ich habe natürlich von der Sache gehört, die Historiker machen ja auch einen Riesenwirbel darum. So, wie ich es gehört habe, ist noch nicht klar, was eigentlich los ist. Den Blimp haben sie gefunden, von den Leuten die damit unterwegs waren habe ich nichts gehört. Nur, dass Simon Dorison der Pilot war. Jetzt verstehe ich! Die grünen Schleifen. Das sind alles Historiker?“
„Historiker, so wie ich eine bin.“, Denise straffte ihre Schürze. „Chan, wenn ich bitten darf!“

Ursprünglich gab es im Dorf unterschiedliche Berufsgruppen, das wusste auch Hannah, sie selbst gehörte ja zu den Administratoren, die in schwarzen Uniformen auftraten. Doch die Bedeutung war seit dem Tag „X“ geschwunden. Deshalb sprach auch niemand mehr von den Gruppen, es waren eher Clans zu denen jeder irgendwie gehörte. Chan zählte sich also zu den Historikern und trug auf ihrem Oberteil nun die Grüne Schleife.
Das kam allerdings eher selten vor, dass der Clan irgendeine Bedeutung hatte. Mit der Tätigkeit, mit irgendwelchen Fähigkeiten, hatte das einfach nichts zu tun. Hannah Susandottir gehörte zum Clan der Administratoren, das war ihr Clan.
Es gab da geringe Berührungspunkte.
Als Kind spielte sie mit ihren Clangenossen ein paar Spiele, die sie daran erinnern sollten, dass sie auch verwalten konnte, dass Listen ganz wichtig waren, dass es das Geheimnis der Inventur gab und dass sie Herren über das Inventar waren. Ihre Eltern gehörten zum gleichen Clan, das wurde vererbt, obwohl Susandottir eigentlich nur wusste, dass sie Tochter von Susan war und zum Clan der Administratoren gehörte und ihre Lieblingsfarbe Schwarz sein sollte.
So war das auch mit Denise, eine Chan von den Historikern, mit der Lieblingsfarbe Grün. So einfach war das.

Eine Woche verging. Hannah bekam einen Brief, in dem stand, dass sie einen Termin bei der Mallverwaltung hat. Es ginge um ein Gespräch zur Personalentwicklung.
Das Gespräch lief in eine Richtung, die Hannah nicht erwartet hatte. Mit am Tisch saß eine Mitarbeiterin der Forschungsabteilung.
„Guten Morgen Hannah!“, begann Margarete Knappik das Gespräch. „Ich darf dir Simone Thomson vorstellen, sie ist von der Forschungsabteilung und dort für die Personalangelegenheiten zuständig. Frau Thomson wird dir gleich sagen, worum es geht.“
Thomson war freundlich und kam ohne Umschweife zur Sache. „Wir brauchen Leute für unser Blimp-Programm. Wir gehen alle Personalakten durch und filtern nach den Voraussetzungen, die ein Mitarbeiter im Blimp-Programm braucht. Wie du sicher gemerkt hast, war dein letzter Check etwas ausführlicher. Du erfüllst die körperlichen Voraussetzungen für unser Programm. Deine Arbeit hier in der Mall hat auf den ersten Blick natürlich nichts mit der Fliegerei zu tun.“
Knappik lächelte dünn. „Du hast dich nicht für das Blimp-Programm beworben?“
„Nein“, antwortete Hannah.
„Wir haben von der Forschungsabteilung die Anfrage bekommen, dich für das Blimp-Programm freizustellen. Das wäre zunächst für zwei Jahre. Danach können wir sehen, wie es weitergeht. Wir von der Mall machen das nicht gerne, wir haben dich ausgebildet und wir kennen uns nun schon ein paar Jahre. Der Job in der Bakery läuft gut und bisher wolltest du keine Versetzung.“
„Ich arbeite gerne in der Bakery und mit Denise“, sagte Hannah. „Es geht mir da gut und nach meiner Ausbildung wollte ich sicher noch eine Weile dort bleiben. Mit Technik hatte ich noch nie zu tun , das war auch nicht mein Lieblingsfach in der Schule“, gab Hannah zu.
„Es gibt da einiges in unserem Bereich, das wenig mit Technik zu tun hat“, meinte Thomson. „Wir wollen, dass du dir das anschaust und es gibt Aufgaben die du gut erfüllen kannst. Wir brauchen auch Leute am Boden und Begleitung in den Blimps und was zu essen brauchen wir auch“, schmunzelte Simone.
„Du musst nicht zustimmen“, gab Knappik zu bedenken.
„Allerdings solltest du ein Gleichgewicht schaffen.
Ein Gleichgewicht zwischen deinen persönlichen Rechten und den gesellschaftlichen Pflichten“, sagte Simone nun etwas ernster.
Margarete Knappik lehnte sich zurück und runzelte kurz die Stirn. Sie war nun mal die Leiterin der Mall und wollte keinen Mitarbeiter verlieren und mit einer Mitarbeiterin des Militärs wollte sie es sich auch nicht verscherzen.
„Man kann das durchaus als eine Art Dienst verstehen, es ist nicht einfach nur ein Job. Mit diesem Dienst kannst du etwas zurückgeben, was bisher die Gesellschaft für dich getan hat“, sagte Thomson. „Deine Wohnung bleibt und sozial bist du weiter bei der Mall. Zunächst sind auch keine langen Außeneinsätze geplant. Dienstort wäre beim Hangar Ebene 01 und auf dem Vorplatz. Ich habe mir deinen Dienstplan hier bei der Mall angeschaut, da gibt es allerdings einen Unterschied: Im Winter können wir kaum fliegen, im Sommer nutzen wir den Tag gerne aus. Unterm Strich gleicht sich das über das Jahr gesehen aus.“
Thomson schaute Hannah abwartend an.
„Wann soll das starten?“, wollte Hannah wissen.
„Am ersten März startet das Einsteigerseminar, also sollten wir deine Zusage in einer Woche haben, du kannst alles hier in der Mall regeln und mir einfach Bescheid sagen, wenn du kommst. Ich gehe fest davon aus, dass wir uns sehen werden.“
Mit diesen Worten stand Thomson auf und reichte Hannah die Hand. Sie nickte Knappik kurz zu und verließ das Büro.
„Eine interessante Entwicklung“, murmelte Margarete Knappik. „Was wirst Du tun?“, fragte sie lauter. Hannah war zu verdutzt um antworten zu können. Einen klaren Gedanken konnte sie noch nicht fassen.
„Lass dir Zeit“, sagte Knappik. „Wir sehen uns, ich komme morgen in die Bakery, da können wir nochmal über alles reden.“
Hannah nickte nur und ging, in Gedanken versunken, zurück zur Bakery. Stumm zog sie sich die Schürze an und war froh, dass viel im Geschäft los war. Sie konnte auch noch nichts sagen. Es war fast ein kleiner Schock, den sie verarbeiten musste und Denise musste nun halt noch ihre Neugier bremsen.

Am Abend telefonierte Hannah mit Alaska. Es dauerte keine Minute bis Alaska das Gespräch unterbrach und sich auf den Weg zu Hannahs Wohnung machte. Es dauerte nicht lange bis sie an der Tür klopfte. „Hey, was ist los? Was wollen die mit dir machen?“
„Ein neuer Job, raus aus der Bakery. Was völlig Neues“, begann Hannah zu erklären.
Alaska hörte zu und ließ sich alles erklären.
„Du willst das doch nicht wirklich tun?“ Eine unbestimmte Angst schwang in ihrer Stimme. Alaska wusste, dass Hannah nicht wirklich gut „Nein“ sagen konnte.
Selten überlegte ihre Freundin genau ihre Schritte im Voraus. Da gab es manche gefährliche Situation in die sich Hannah schon gebracht hatte.
„Du kannst nicht abschätzen, was dich erwartet, da sind ganz neue Gefahren. Es geht raus aus dem Dorf, es geht raus an die Oberfläche. Da ist dann niemand mehr, der auf dich aufpassen kann. Erinnerst du dich an unseren letzten Kletter-Trail? Du hast vergessen die Sicherung einzuklinken! Wäre ich nicht dabei gewesen, wärst du ohne Sicherung in die Wand gestiegen! Dann war da noch das Feuer: Du hattest einfach vergessen, dass Kerzen auf dem Tisch waren und hast die Zeitung abgefackelt! Weißt du noch, wie du in der Sauna einfach umgekippt bist? Du hattest den ganzen Tag nichts getrunken und bist mit mir in die Sauna gegangen, hast die Augen verdreht und warst einfach weg... Dann die Sache mit der Outdoor-Wanderung: Geeignete Schuhe waren verlangt und du bist mit Slippern gekommen. Den kompletten Hang bist du runtergerutscht, da hätte wirklich was passieren können! Wir haben darüber geredet und du hast zugegeben, dass du manches nicht richtig einschätzen kannst.“ Alaska redete weiter auf Hannah ein. Sie hatte Angst um ihre Freundin und erinnerte daran, dass alle froh waren, dass sie endlich den sicheren Job in der Bakery hatte und keine Prüfungen mehr kamen, kein Schulunterricht und das Leben endlich in sicheren und ruhigen Bahnen lief.
Alaska war froh, dass sie ihre Freundin im Blick hatte, dass die Bakery eine Insel der Stabilität war, ein Ort, auf den Verlass war. Prüfungen, Schule, Ausbildung und fremde Menschen hatten Hannah immer in Schwierigkeiten gebracht und immer wieder war es Alaska, die für Sicherheit sorgte, die schließlich einen sicheren Ankerplatz für Hannah gefunden hatte.
„Du glaubst nicht, dass ich das schaffe?“, fragte Hannah einfach.
„Es ist gefährlich und ich kann nicht nach dir schauen. Ich habe keine Kontakte zu den Luftfahrern, ich kenne dort niemanden.“
„Thomson hat nicht gesagt, dass das gefährlich ist...“
„Mensch! Hannah!“, fuhr es aus Alaska heraus. Das war wieder so typisch für ihre Freundin. Stundenlang konnte jemand auf sie einreden, Argumente vortragen, Abwägen und die Lage einschätzen. Dann war da das befriedigende Gefühl, alles getan, alles versucht zu haben und alles im Griff zu haben und dann kam dieses einfache Mädchen einfach daher und ignorierte die Bemühungen. Einfach so. Ohne weitere Erklärung, ohne Nachfragen, so, als gäbe es keinen Rat. Manchmal wäre es besser an die Wand zu reden, dachte Alaska und schluckte die frustrierende Antwort mit einem Kopfschütteln.
Alaska hatte das Gegenteil von dem erreicht, was sie wollte. Hannah ging zu den Luftfahrern.

Der erste Tag war eine Sensation.
Hannah stand mit den fünf anderen Teilnehmern des Einstiegskurses auf dem Vorplatz von Zitadelle 11.
Der Wind war eiskalt und wirbelte den Schnee in kleinen Spiralen über den Platz. Der Blick war dennoch frei. Es gab keine Grenze, es gab keine Wand. Es gab keine Decke und es gab keine Projektoren, die irgendwas auf irgendetwas spiegelten. Der Blick war real, echt. So stand sie da und wartete was passieren würde. Hannah fühlte sich gut. Der Mantel war warm, die Stiefel waren dicht. Sehr vorsichtig setzte Hannah einen Fuß vor. Der Schnee knirschte unter den groben Stiefeln. Sie ging einen Schritt zurück. Wieder knirschte der Schnee. Die Hände waren warm, in den dicken Handschuhen konnte sie den Wind zwar nicht spüren, doch sie sah, wie Eiskristalle auf ihren Händen liegen blieben. Erst waren es wenige, dann immer mehr. Erst änderte sich die Farbe der Handschuhe, von dem mildem Braun zu einem unbestimmten Grau. Dann kamen immer mehr Eiskristalle dazu. Das Grau wurde allmählich zu einem schwachen Weiß. Das waren nur die Handschuhe. Hannahs Blick wanderte wieder runter zu den Stiefeln, die nicht mehr scharf zu sehen waren. Eiskristalle häuften sich über ihre Füße. Das Grau übernahm ihre weitere Gestalt, die Knie wurden grau, der Bauch. Alles was sie sehen konnte, wandelte die Farbe. Erst war es warm und braun, dann grau und schließlich ein Weiß, das sich mit der ebenfalls weißen Umgebung mischte und einen einzigen Farbton erzeugte. Weiß in Weiß.
Es blieb warm. Die dicke Kleidung schützte. Einzig das Kinn meldete Kühle. Hannahs Augen waren geschützt, die Sonnenbrille war fast entfärbt, doch schützte vor den Eiskristallen. Die Kapuze lag tief in der Stirn, bedeckte auch die Ohren, der Hals war vom Mantel geschützt.
Dann hörte sie die Motoren. Ein tiefes Brummen mischte sich in ihre Wahrnehmung. Es hatte etwas beruhigendes an sich, doch im gleichen Moment waren die Sinne geschärft. Das Brummen kam von vorne und es kam von oben. Lange blieb dieses ungewisse Geräusch gleich, es änderte sich nicht. Das Brummen blieb wo es war. So ging es eine Weile. Hannah stand im Schnee, fühlte sich warm, versuchte die Weißtöne aufzunehmen und hörte das ungewisse Brummen. Es war wie ein verrückter Traum, nicht real. Nichts ähnliches hatte sie je erlebt, nichts womit sie vergleichen könnte. Etwas völlig Neues. Vorsichtig senkte sie den Blick, schaute nach rechts und sah weitere Stiefel im Schnee. Sie schaute nach links und sah die anderen Stiefel. Dieses Gefühl, nicht alleine zu sein und doch im eigenen Universum zu stecken, konnte sie nicht mit Worten beschreiben.
Das Brummen wurde lauter, es nahm an Aufdringlichkeit zu. Es bewegte sich und schien nun direkt vor ihr zu sein. Irgendwo vor ihr und irgendwo über ihr. Zu sehen war nichts außer Schnee. Dann änderte sich etwas, blitzartig änderte sich die Farbe der Umgebung. Blitzartig war die Farbe wieder weg. Ein unnatürlicher, roter Anstrich des Hintergrundes. Vom reinen Weiß zu einem grellen Rot, Zack! Dann wieder weg und Zack! Unwillkürlich zuckte Hannahs Körper bei jedem Blitz. Der Blitz tauchte das gesamte Blickfeld in grelles Rot, für den Bruchteil einer Sekunde. Zack! Wieder das Rot. Und Zack! Die Blitze wurden regelmäßig und Hannah konnte das fremde Licht fast hören, sie wartete auf die nächsten Blitze und sie kamen, immer regelmäßiger.
Das Brummen wurde lauter, bestimmter. Ein Instinkt meldete sich. Weglaufen! Doch man hatte ihr gesagt, dass sie stehen bleiben soll, egal was passiert. So blinzelte Hannah in das unendliche Weiß, ertrug die roten Blitze und registrierte das lauter werdende Brummen. Dann kam der Wind und mit dem Wind kam schlagartig klare Sicht. Der Wind kam senkrecht von oben, blies die Eiskristalle weg und erlaubte auf einen Schlag klare Sicht auf ihre Umgebung. Den roten Blitz konnte sie nun erkennen, er war ein Punkt geworden, der weit über ihrem Kopf aufblitzte und mit dem Brummen etwas an Gestalt annahm - riesig - weit über ihrem Wahrnehmungskreis hinaus. Etwas riesiges schwebte über ihrem Kopf, blitzte rot und brummte bis in den Bauch. Der Blimp!
Jemand zupfte an Hannahs Ärmel und bedeutete ihr, die Treppe hinaufzusteigen, Hannah gehorchte mechanisch.
Im Blimp war alles anders. Es war irgendwie wie in ihrem Wohnzimmer. Ein Raum, ein klar begrenzter Raum. Durch die großen Fenster war wieder das Weiß zu erkennen und rhythmisch die roten Blitze, die sich im Schnee spiegelten. Wie die Teilnehmer vor ihr zog Hannah die Schutzkleidung aus, in Strümpfen und mit einem T-Shirt saß sie dann direkt an einer großen Scheibe und starrte in das rot blitzende Weiß. Die Türe vom Blimp wurde geschlossen, das Brummen wurde leiser, war aber noch hörbar. Eine wohlige Wärme durchfloss ihren Körper. Hannah entspannte.
Leonard Talbot war der Pilot des Blimps. Talbot hieß zunächst alle an Bord willkommen und erklärte, dass nun ein kleiner Rundflug folgen würde. Das Wetter war noch nicht gut genug für weite Strecken, doch für eine kleine Runde würde es wohl reichen.
Sie waren an Bord der „Kiew“, einem neuen Blimp, der dieses Jahr seinen Dienst aufgenommen hatte.
Zehn Tonnen Traglast, genug für 20 Passagiere und genug für eine Menge Transportgut. Ein wahrer Lastesel, erklärte Talbot. Das Luftschiff war das erste Modell mit Aerodynamik, die Form erlaubte eine gewisse Art von Fliegen. Mit maximal 300 km/h konnte sich das Schiff durch die Atmosphäre pflügen, die Reisegeschwindigkeit lag aber vernünftigerweise bei nur 150 km/h. An Bord waren alle Annehmlichkeiten, die man sich vorstellen konnte: Eine Küche und auch ein WC. Telekommunikation vom feinsten und für jeden Passagier eine eigene Kommunikationseinheit.
Telefonieren - kein Problem. TV - kein Problem. Musik, für den, der das wollte.
Die Reisedauer konnte bis zu zehn Stunden reichen, da sei nun auch ein gewisser Bordservice nötig. Die „Kiew“ sollte die Süd-Route bedienen, sie würde zwischen Zitadelle 11 und dem südlichsten Außenpunkt pendeln.
„Die „Kiew“ wird Menschen und Güter zuverlässig transportieren. Die „Kiew“ hat zwei Piloten und mindestens zwei weitere Begleiter plus Passagiere.“
Leonard war sichtlich stolz auf sein Schiff, er hätte natürlich in seinem Pilotensessel bleiben können, doch er schritt durch die Gangway auf und ab. Zu jedem der Neuen setzte er sich hin, sagte etwas und schritt weiter, wie jemand, der zu einer besonderen Party einlud.

Die Monitore waren üblicherweise auf den Grund gerichtet, doch konnten leistungsstarke Kameras auch den Himmel über der „Kiew“ beobachten. Die „Kiew“ konnte in der Luft stehen und das sehr genau und sehr lange. Damit konnten die ausgefallenen Satelliten zum Teil ersetzt werden und Astronomie war wieder möglich. Die „Kiew“ war das Schiff der zweiten Generation und weitere Schiffe dieser Art würden folgen.
Talbot beendete seinen Auftritt, er nahm wieder Platz am Steuerpult. Die Motoren wurden lauter, das Weiß am Fenster wurde unscharf und das Blitzlicht wurde schwächer. Dann brach die Sonne herein. Gleißend wie aus einer anderen Welt. Die Scheiben der „Kiew“ dunkelten ab und die Brille von Hannah lief schwarz an. Die „Kiew“ hatte die Wolken durchbrochen.
Vor Hannah breitete sich unendliches Blau aus, das zum Himmel fast in unbegreifliches Schwarz wechselte. Unter dem Blimp lag das unendliche Weiß, so strahlend, dass es in den Augen schmerzte. Die Wolken bildeten Täler und Türme, Spiralen, die sich in den schwarzen Himmel bohrten. Mulden, in denen sich die Schatten der Sonne nicht wieder fanden. Es war so unglaublich schön, dass eine Träne über Hannahs Wange lief, die sie verschämt mit dem Handrücken wegwischte. Hannahs Stirn klebte an der Scheibe, keinen einzigen Augenblick wollte sie verpassen, alle Bilder in sich aufsaugen, von der Schönheit überwältigt.
Leonard Talbot verließ wieder das Steuerpult, der Copilot übernahm das Steuer.
Talbot schaute über die Köpfe der Teilnehmer hinaus in die weiße Landschaft und sagte so, dass es jeder hören konnte: „ Würdigt die Wahrheit, würdigt die Schönheit und die Liebe. Strebt nach Harmonie mit dem Unendlichen!“
Zusammen mit dem Brummen der Motoren, ergab das etwas wie Musik.
Wahrheit?
Hannah fasste ihr Handgelenk an und drückte zu, sie spürte sich und sah die Bilder, sie hörte das Brummen der Motoren und fühlte das sanfte Schaukeln des Blimps, der zur Landung ansetzte.
Die Schönheit der Landschaft brannte sich in ihre Erinnerung und eine Ahnung von Liebe keimte in Hannah auf. Das war perfekte Harmonie für sie, der Blick in die Weite, das Dahingleiten in eine Unendlichkeit, die sie so bisher nie erlebt hatte.
Der Flug ging zu Ende, Talbot regelte die Schieber über seinem Kopf und arbeitete am Cockpit. Das Schauspiel wiederholte sich rückwärts, nur dass die Landschaft nun sichtbar war. Bestimmt 10 Minuten standen sie über dem Vorfeld von Zitadelle 11, dem Dorf, sahen die anderen Blimps am Boden und sahen die Bodenmannschaften an den Seilen. Die „Kiew“ wurde eingeholt und gesichert. Hannah zog die Schutzausrüstung wieder an und stand mit den anderen in der Gangway und sie hätte schwören können, dass die anderen Gesichter auch feucht glänzten.
Talbot stand auf der Treppe und verabschiedete die Teilnehmer, er erklärte jedem ein kleines Geheimnis: Warum nun ein Blimp „Blimp“ heißt.

Hannah streckte sich ganz weit über die Treppe, ihre Hand glitt über die Außenhaut des Luftschiffs und wenn sie fest drückte, hatte sie das Gefühl, die Haut eindrücken zu können. Nur ein ganz kleines Stück, das Schiff war viel zu riesig und ihre Hand viel zu schwach, um etwas eindrücken zu können, doch so, wie Talbot es gesagt hatte, spannte sie den Daumen in der Hand und ließ ihn gegen die Schiffshülle schnalzen.
„Blimp“, das war die Antwort des Giganten an Hannah. „Blimp“, das war der Ton der riesigen Außenhaut, die Antwort auf Hannahs schüchterne Frage. Das war der Moment, in dem sich Hannah verliebte.
Die Nacht wurde kurz und wenn Hannah träumte, dann waren es Träume von Wolken, Schnee oder von Licht.
Die Tage vergingen immer schneller und Hannah kam den Blimps näher. Sie zog an den Landeseilen, kletterte auf den Fixpoint und lernte die Knoten, die nötig waren, einen Blimp zu sichern. Sie war jeden Tag auf dem Vorplatz und im Dorf war sie nur in der Nacht, zum Schlafen.
Die Nächte waren kurz in dieser Zeit und Schlaf eher ein Luxus. Am Tag war Hannah auf dem Landeplatz und vertäute die Blimps. Sie lernte einen Blimp mit ihrem Körpergewicht zu steuern und sie lernte zu zählen - die Sekunden, in der sie über dem Boden schwebend, an einem Blimp hängen musste, um ihn in Position zu bringen.
Hannah vergaß die Zeit und ihre Freunde. Die Welt der Bakery wurde eine ferne Welt, eine Welt, an die sie nicht mehr dachte. Manchmal stand sie vor dem Telefon und wollte auf den Anrufbeantworter sprechen, doch dann ging die Sonne auf und es war Zeit für die Blimps.

Dann stand Alaska vor ihrem Bett. Hannah fror entsetzlich und unwillkürlich schlugen ihre Zähne aufeinander.
„Hannah, wie siehst du denn aus?“, fuhr es aus Alaska.
„Hrmmm?“, schnatterte ihre Freundin, nicht in der Lage, ein Wort zu formen.
Alaska strich zärtlich mit der Hand über Hannahs Gesicht, dabei ließ sie sorgsam die Wasserbeulen aus, die schräg über den Augenbrauen ihrer Freundin hingen.
Dr. Snyder betrat das Zimmer.
„Hannah, du hast noch mal Glück gehabt, die Strahlen haben nur dein Gesicht und die Arme belastet, die Verbrennungen - so möchte ich das jetzt mal bezeichnen - sind nicht über den zweiten Grad hinaus gegangen, bis auf die zwei Stellen mit den Blasen.
Das wird abheilen. Die Haut wird sich an manchen Stellen schälen. Deine Körpertemperatur ist noch erhöht, ich rechne aber damit, dass du morgen wieder nach Hause kannst. Du bist doch damit einverstanden, dass Frau Carmendottir hier ist und von mir informiert wird? Auf Deinem Medi-Chip war die Adresse, ich habe Frau Carmendottir deshalb gerufen.“
Alaska stand auf und fragte welche Strahlen das waren, was da draußen denn los war.
„Ultraviolette Strahlen“, sagte Snyder. „Ich habe mit Talbot gesprochen, es gibt eine Salbe zur Vorbeugung dieser Verbrennungen, er hat mir versprochen die Schutzausrüstungen damit zu ergänzen. Außerdem ist passende Kleidung ein guter Schutz.“
Snyder ließ die zitternde Patientin aufstehen und schaute auf den Rücken und die Beine von Hannah.
„Welche Strahlen sind das? Wo kommt das her?“, fragte Alaska misstrauisch.
„Sonne“, sagte Snyder knapp. „Wir kennen das kaum noch und keiner von uns ist mehr daran gewöhnt. Früher war das normal und kam oft vor. Wir leben zwar weit im Norden, doch besonders im Frühling ist die Sonne besonders intensiv, gerade an klaren Tagen, die wir zuletzt hatten. Wer im Freien ist, muss sich schützen. Ehrlich gesagt, musste ich das auch nachlesen und Sonnenbrand habe ich noch nie gesehen. Hannah sollte sich diese Nacht hier ausruhen, sie bekommt gleich noch etwas zum Kühlen - und bitte, wieder hinlegen, Hannah - “, beendete Snyder die Untersuchung.
Hannah saß kurz auf der Bettkante, sie stützte sich ab und die starken Muskeln der Arme waren deutlich zu sehen, sie zog mühelos die Knie an ihr Kinn und klappte langsam zurück in das Kissen.
„Unheimlich“, murmelte Alaska und sah Snyder nach, der das Zimmer verließ.
„Carmendottir“, murmelte Hannah und lächelte. Im nächsten Moment drehte sie sich auf die Seite und schlief ein.

Am nächsten Morgen brachte Alaska ihre Freundin zum Apartment, die Blasen waren fast verschwunden und nur die Unterarme waren noch rot. Hannah zog mit der Hand locker über das Schloss und beide waren nun in Hannahs Reich.
„Snyder hat mir gesagt, ich soll dich damit einreiben...“, lächelte Alaska und hob die Cremetube hoch. „Na, dann leg dich einfach hin.“ Alaska begann mit einer ausführlichen, vorsichtigen Einreibung.
Am Abend waren beide Freundinnen energiegeladen und hungrig. Mit Denise und Marcel gingen sie zum Italiener.
„Ich will mich bedanken“, begann Hannah. „Ich habe in der letzten Zeit keine Kredits aufbrauchen können und bevor die verfallen, lade ich euch lieber ein.“
Hannah hatte wie jeder ein Punktekonto, mit dem sie ihre Luxusausgaben bezahlen konnte. Kino, Fitness, Schwimmbad, alles was unter die Rubrik Freizeitgestaltung fiel, kostete eine Anzahl Punkte, die allgemein „Kredits“ genannt wurden. Sie hatte in den letzten Wochen keine Kredits verbraucht und daher war das Konto gut gefüllt. Es reichte für den Italiener, für Alaska und für Marcel.
„Über Punkte freue ich mich immer“, lockerte Marcel das Gespräch.
„Punkte?“, hakte Denise nach. „Was ist mit denen?“
Marcel war ein Genießer und immer knapp mit Punkten aber er erklärte gerne seine Sicht der Dinge:
„Ich bin kein Finanzexperte aber du weißt doch, dass das Punktesystem in eine Währung verwandelt werden soll. Alle sprechen doch schon vom Historiker-Dollar. Irgendwie wollen die es schaffen, das Punktesystem abzulösen. Ich fände das gut, wer will, der soll doch stundenlang in das Solarium gehen, ohne dass das System offiziell Punkte abzieht. Etwas wie Geld, mit dem ich tun und lassen kann, was ich will.Früher nannte man das auch Kleingeld. Ganz kleine Beträge.“
Marcel wischte demonstrativ mit dem Arm über die Tischmitte, das Bezahldisplay leuchtete auf und offenbarte, dass Marcel nicht genügend Kredits hatte um den Abend zu bestreiten. Hannah wischte auch über den Punkt und das Display war grün.
„Alles klar?“, fragte Hannah.
„Das war es nicht, was ich meinte.“
„Du meinst Geld, Marcel“, sagte Alaska. „Da ist einer von der Historiker-Gilde, der sich Gedanken um eine Krypto-Währung gemacht hat, den haben sie aber ausgebremst, da läuft nicht mehr viel. Soweit ich weiß, ist er jetzt auch für das Luftschiffprojekt unterwegs. Marcel, ich fürchte, du musst noch eine Weile mit deinen Punkten auskommen.“
Alaska wischte auch über das Display und war kurz über ihren Punktestand erstaunt.
Denise machte das Spiel mit und abwechselnd wischten sie wie in einem simulierten Fechtkampf über die Tischplatte und lachten über das Farbenspiel.
Nebenbei fragte Marcel nach der grünen Schleife von Denise. Die trug sie nicht mehr.

„Simon Dorison ist gefunden worden“, erklärte Denise. „Die „New York“ hat eine Notlandung hingelegt, Dorison und die Besatzung waren verletzt, hatten sich aber retten können. Das ist jetzt schon Tage her.“
Denise war auf ihre Art etwas konservativ. Selbst an diesem Abend verzichtete sie nicht auf die Kleidung ihres Clans. Das Kleid war knallgrün und irgendwie glänzte das Grün eher auffällig, denn schmeichelnd. Denise war es wichtig zu den Historikern zu gehören, es war ein Teil ihrer Identität und die Farbe des Kleids war deutlich wichtiger wie der Schnitt. Das Kleid unterstrich jedenfalls die Tatsache, dass Denise mollig war. Eigentlich fand Denise es schade, dass sie nun nicht mehr eine grüne Schleife, zur Betonung ihrer Clanzugehörigkeit, tragen konnte. Dorison lebte ja. Immerhin hatte Dorison für einige Tage für Gesprächsstoff gesorgt – und er war vom gleichen Clan wie Denise! Grün und der Clan der Historiker waren angesagt! Denise wusste das zu schätzen und irgendwie zu lieben.
„Hannah, kannst du uns etwas von Simon Dorison erzählen? Etwas was er gemacht hat, etwas was ihm wichtig war?“
„Nein, davon habe ich nichts mitbekommen, ich war viel draußen und habe mich wenig unterhalten.“
Alaska sah ihre Freundin von der Seite an und runzelte die Stirn.
Denise wollte von Hannah wissen, wann sie wieder in der Bakery sein würde und Marcel erzählte von seinen Problemen, das Fitness-Studio mit Punkten zu versorgen.
Der Abend war gelungen, nur Alaska hatte zum Schluss schlechte Laune. Unbekümmert wie immer erzählte Hannah von ihrer Arbeit auf dem Vorfeld und erwähnte, dass sie zunächst bestimmt dort bleiben wird. Dass Alaska missmutig den Teller zur Seite schob und sich in den Sessel sinken ließ, registrierte sie nicht.

Hannah war wieder am Seilen mit den Blimps. Sie trug ein langärmeliges Shirt und eine Kappe mit Schild, die neue Ausrüstung für die Bodenleute bei warmen Wetter.
Nach der Pause lernte sie kurz Annadottir kennen, die Pilotin des Mechaniker-Clans war. Zum Programm gehörte es, dass jeder Clan zusätzlich einen Piloten ausbilden ließ oder auf eine andere, besondere Weise das Programm unterstützte.
Annadottir wollte nicht so an den Fixpoint wie Hannah das kannte. Kurz vor dem Einrasten in den Point brummten die Triebwerke auf und der entscheidende Zentimeter zum Einrasten fehlte. So zog sich das hin, der Blimp tanzte auf der Stelle, verpasste die Befestigung und hob die Nase schließlich um einige Meter. Die Befehle, die Hannah in ihr Micro rief, blieben ohne Antwort oder um Sekunden zu spät. Dann rief sie weitere Grounder zu Hilfe; rechts, links und am Heck des Blimps wurde gezogen und das Gerät zu Boden gezwungen, wie in einem Sturm. Es war windstill, nur die Motoren liefen unterschiedlich schnell. Annadottir versuchte tatsächlich den Blimp selbst an den Fixpoint zu steuern, sie steuerte mit den Motoren und ließ die Ruder in alle Richtungen ausschlagen. Offensichtlich vertraute sie den Groundern nicht und versuchte es auf eigene Faust. Dann setzte der Blimp unsanft auf und wurde von der Motorwinde gewaltsam an den Fixpoint gezogen. Hannah kletterte unzufrieden vom Fixpoint runter und rannte zur Kabine des Blimps, dort stand die Pilotin und beschwerte sich lauthals über die Grounder.
Ohne einen Blick stapfte sie über das Vorfeld zum Hangar. Die Grounder liefen zusammen und einer klopfte Hannah auf die Schulter. „Kannst nichts dafür, Prisca hat wohl einfach einen schlechten Tag und ist noch nicht lange dabei, von Teamarbeit ist sie wohl noch ein Stück entfernt...“
Eine Stunde später war Hannah im Büro von Talbot.
„Du musst noch lernen, mit besonderen Situationen klar zu kommen“, begann er. „Du bist hier nicht in deiner Bakery! Der Blimp ist nur mit knapper Mühe an den Fixpoint gekommen, was war denn los?“
„Ruhiges Wetter“, stammelte Hannah.
„Ja, ruhiges Wetter! Das scheint dir nicht zu bekommen. Erst bringst du uns mit deinem Sonnenbrand in Schwierigkeiten, die neuen Schildkappen nennen schon manche Hannahhäubchen! Dann müssen sich die Leute wegen dir einschmieren! Ich möchte dir nicht verraten, wie die Creme heimlich genannt wird... Dann legst du dich mit Prisca Annadotir an. Bist du noch zu retten? Willst du zurück in deine Mall? Bitte, das kannst du haben! Du musst nur was sagen. Willst du zurück?“, brüllte Talbot.
Hannah stockte das Herz. Sie konnte die Tränen nicht zurückhalten, zog die Kappe in die Stirn und presste ein knappes „Nein!“ aus ihrem Mund.
„Hannah, ich sage es dir ganz ehrlich, du musst noch was lernen, wir können uns die Leute nicht aussuchen. Ganz besonders die Piloten nicht. Mit denen musst du arbeiten, nicht mit dem Blimp, nicht mit dem Wetter und wenn du auch das Gefühl für den Blimp im Arsch hast, es reicht nicht! Selbst wenn der rückwärts geflogen kommt, musst du das an den Fix bekommen! Und ich schwöre dir, das wirst du lernen! Selbst wenn eine Annadotir kommt und von nichts eine Ahnung hat, selbst dann musst du den Blimp in den Griff bekommen. Morgen wird die „Riad“ eingeflogen. Da sind ein paar neue Sachen drin, deshalb mache ich das persönlich. Damit ich dich besser im Blick habe, bist du morgen dabei. Morgen früh, um sieben Uhr sehen wir uns – an Bord der „Riad“!“
Hannah konnte nichts mehr sagen, sie rannte aus dem Büro, raus auf das Vorfeld, konnte vor Tränen nicht scharf sehen und lief los. Sie lief los, den Weg den sie schon mal gelaufen war, den ausgetrampelten Pfad, der rund um den Vorplatz führte, vorbei an den Birken, vorbei an den Aufbauten und der Düne auf halbem Weg. Vor ihr lag die Steppe, nun ohne Schnee und sie hatte die Wahl einfach geradeaus zu laufen und sie hatte die Wahl zurück zu gehen, zurück zur Mall.
Roger, einer der Grounder, hatte sie eingeholt. Heftig nach Atem ringend stand er da, gebeugt, die Hände an den Knien. Wortlos richtete er sich auf und schaute in die Weite. „Lass uns umkehren“, keuchte er.
Für Hannah wurde es eine schlaflose Nacht. Irgendwann vor Mitternacht hatte sie das Gefühl mit Alaska reden zu müssen, sie rief an und hörte nur das Freizeichen. Es war nur noch wenig Zeit zu schlafen und ändern konnte Hannah nichts. Die „Riad“ war nun der nächste Punkt zu dem sie sich hangeln konnte. Weiter nichts.

Die „Riad“ war startklar. Hannah wusste nichts besseres, als an der Gondeltüre zu klopfen. Hinter dem Glas sah sie Leute, die sich in der Kabine bewegten. Die Türe öffnete sich und mit einem beherzten Schritt stand Hannah in der Gangway.
Sie wurde auf ihren Platz gewiesen und im Minutentakt füllte sich der Raum. Hannah kannte wenige der Passagiere, es waren einige Wissenschaftler und ein paar Grounder, die sie vom Vorplatz kannte.
Als letzter kam Talbot in den Blimp, er schob sich zum Cockpit, nahm seinen Platz ein und die Motoren begannen zu arbeiten. Problemlos glitt der Blimp in die Startposition und gewann übergangslos an Höhe.
Am Horizont war der Sonnenaufgang zu erahnen, die Landschaft lag in einem erwartungsvollen Braun- und Goldton. Die Motoren arbeiteten perfekt und bald durchzog ein bestätiges Wallen das Schiff: Sie waren auf der Reise.
Hannah wurde in das Heck des Blimps gewunken, dort wartete ihre Aufgabe: Jedem Fluggast sollte sie ein kleines Frühstück bringen und Getränke verteilen. Damit war sie für die nächste halbe Stunde beschäftigt und sie war froh, etwas zu tun zu haben. Sie eilte zwischen Heck und Cockpit hin und her, balancierte das Tablett über die Köpfe der Passagiere und sammelte die Reste wieder ein, verteilte Getränke und sammelte die Becher wieder ein.
Ricarda nickte Hannah kurz zu und blieb im Heck, bereitete die Snacks vor und nahm die Reste in Empfang. Hannah bewegte sich immer sicherer durch die Gangway und vergaß die Zeit. Dann begann Talbot mit seiner Ansprache.
Er schälte sich aus dem Cockpit und blieb im vorderen Drittel der Gangway stehen, mit einer knappen Handbewegung schickte er Hannah zurück zu Ricarda.
„Ich habe es mir nicht nehmen lassen, die „Riad“ persönlich zum Erstflug zu starten. Dies ist nun die Eröffnung des ersten Linienfluges vom Dorf zum Südstützpunkt! Jeden Tag wird nun die „Riad“ diesen Weg zurücklegen, der Südstützpunkt ist nun mit dem Dorf fest verbunden. Jeden Tag können nun 12 Passagiere plus 10 Tonnen Fracht transportiert werden und das nach Fahrplan! Die „Riad“ ist dabei völlig einfach zu fliegen, die Elektronik übernimmt die gesamte Steuerung. Zusätzlich sind wir absolut sicher und breitbandig mit dem Dorf verbunden, das von jedem Sitzplatz aus! Telefon, Videoverbindung, Media-Anbindung und Zugriff auf den Zentralrechner vom Dorf - alles in Echtzeit und ohne Störungen! Wir haben aber auch den absoluten GAU eingeplant: Sollte es einen kompletten Ausfall der Elektronik geben, kann die „Riad“ komplett manuell gesteuert werden. Der komplette Seilsatz ist erhalten und optimiert. Einzig und alleine die Propeller sind elektrisch angetrieben, weil wir uns seit langer Zeit von Verbrennungsmotoren verabschiedet haben. Die „Riad“ wird im Dorf mit Energie versorgt und eine Ladung reicht für zehn Flüge! Ich kann hier also völlig entspannt reden, mein Co-Pilot kann mir auch konzentriert zuhören. Wir brauchen noch etwas mehr als zwei Stunden zum Stützpunkt und bewegen uns derzeit mit 120 km/h über Grund. Das ist eine entspannte Reisegeschwindigkeit. Wie sie wissen, haben wir alles in das metrische System übertragen und darauf bin ich besonders stolz. Es gibt keine einzige Schraube und keine sonstige Angabe außerhalb des metrischen Systems. Meilen, Inch und Gallonen gehören nun endgültig der Vergangenheit an. Der Südstützpunkt ist 392 km vom Dorf entfernt und unsere Reisehöhe beträgt im Moment exakt 300 Meter. Punkt.
Die Beschriftung der gesamten Komponenten richtet sich nach der Amtssprache des Dorfs, ist also Angloeuropäisch und wird so die Zukunft prägen.
In wenigen Wochen wird die „Milano“ die Nordroute bedienen und absolut baugleich sein. Dann haben wir bald drei feste Stützpunkte auf dieser Welt, den Norden, das Dorf und den Südstützpunkt! Das sind dann fast 800 Kilometer sicheres Gebiet. Wir werden alle davon profitieren und ich bin schon heute stolz auf diese Leistung. Und ich bin froh, dass die Clans sich engagieren und die Patenschaft für die Blimps übernehmen. Dieser Blimp, die „Riad“ steht nun unter der Patenschaft des Clans der Matrosen und dafür wünsche ich alles Glück!“
Talbot öffnete eine Flasche Sekt, ließ den Korken knallen und suchte nach Gläsern, in die er einschenken konnte.
„Das war nicht abgesprochen“, zischte Ricarda und drückte Hannah ein Tablett mit Gläsern in die Hände. Mit Schwung erreichte Hannah den Piloten und Talbot füllte die ersten Gläser. Das sah fast perfekt aus, fast wie einstudiert. In einer flüssigen Bewegung waren alle Gäste versorgt, die zweite Flasche geöffnet und der Auftritt perfekt.

Die Landung lief wie am Schnürchen, die Grounder standen parat, mussten aber nichts tun, die „Riad“ schoss die Landeanker aus und seilte sich selbstständig an den Fixpoint. Der Touch-down war perfekt und die Landetreppe garantierte allen einen sicheren Ausstieg.
Kaum war der letzte Passagier von Bord, brummten die Motoren lauter auf und die „Riad“ ging in eine leichte, gemächliche Kurve und verließ den Südstützpunk in Richtung Dorf.
Hannah musste nicht lange durchzählen, an Bord waren zwei Menschen: Leonard Talbot und sie selbst.
„Keine Angst Hannah“, sagte Leonard. „Die Maschine läuft auf Autopilot, das Dorf ist einprogrammiert, es gibt nichts zu tun, als zu warten und auszusteigen, wenn wir da sind.“
Etwas blass stand Hannah in der Gangway und sie wusste nicht, was zu tun war. Leonard machte es sich im Cockpit bequem, die Beine legte er auf den Sitz des Co-Piloten, Hannah bot er den Sitz in der ersten Reihe an.
„Wir haben nun fast vier Stunden Zeit und nichts zu tun“, begann Leonard. „Was hältst du davon? Wie gefällt dir die „Riad“?“, bohrte er weiter.
Hannah fühlte sich unsicher und versuchte die Situation einzuschätzen.
Leonard Talbot verstand die verfängliche Situation und sortierte sich in das Cockpit zurück.
„Ich bin stolz auf die „Riad“ und ich bin froh, dass unser Programm läuft. Ich will aber auch, dass es unter allen Umständen läuft und auch unter Umständen, die nicht optimal sind. Ich habe gesehen wie du bei den Groundern gearbeitet hast. Du hast ein Gefühl für die Blimps. Manche können diese Geräte fliegen und können dir alles über die Technik sagen aber ich habe noch niemanden gesehen, der sich so in die Seile gehängt hat wie du.“
Leonard schaute Hannah in das Gesicht. Eine Pause entstand und Hannah wusste, dass sie etwas sagen sollte.
„Es macht Spaß.“
„Was?“
„Den Blimp zu spüren.“
„Gut.“
„Willst du mehr?“
„Was?“
„Blimp.“
„Mehr Blimp?“
Leonard stieg sorglos aus dem Cockpit und ging an Hannah vorbei.
„Wir haben noch fast drei Stunden Zeit, jetzt kannst du den Blimp steuern, ich habe den konstruiert, es kann nichts passieren, ich schlage vor, dass ich nun die Automatik ausschalte und wir vollkommen manuell weiterfliegen, den Anflug macht dann wieder der Computer.“
Hannah war perplex und hörte sich „OK“ sagen.

In den nächsten Stunden hing Hannah in den Steuerseilen, sie zog am Leitwerkkabel und ruderte an den Gewichten. Sie zog die „Riad“ in die Höhe und zwang das Schiff in die Tiefe. Sie komprimierte das Treibgas und verschob den Auftrieb und stellte die „Riad“ in unmögliche Positionen, verstellte die Rotoren und ließ den Blimp in die Tiefe sinken, bis die Rotoren Staub aufwirbelten, kehrte den Schub um, füllte die Kammern mit Helium, bis die Aufstiegsrate die Ohren knacken ließ und drehte den Blimp im Kreis. Die Monitore waren aus. Keine Kontrolle. Kein Oben. Kein Unten.
Letztlich hing sie in den Steuerseilen und zwang die „Riad“ zum Boden. Noch 100 Meter bis zum Aufschlag, die „Riad“ würde mit der Spitze die Erde berühren und so konnte das nicht gut enden.
„Schlag das Notfenster ein!“, befahl Leonard. „Da wo „AUTO“ drauf steht!“, schrie er.
„AUTO!“
Hannah schlug zu.
Die Scheibe bröselte in einem seltsam schrägen Bogen zu etwas das Boden sein sollte und die Scherben rutschten zum Bug. Hannah zog an dem Hebel, knackte den Sicherungssplint und machte sich für den Aufschlag bereit. Die Seile rauschten an ihrem Kopf vorbei, wickelten sich auf und schlugen in die Arretierung. Mit einem Knall schoss Helium in die schlaffe Hülle und die Gondel ächzte in der Verankerung. Langsam, ganz langsam, glich sich der Horizont der Gondel an und Oben war wieder da, wo Hannah das erwartet hätte, wie in einem Aufzug näherte sich der Boden und kam immer langsamer näher, die Grasbüschel hätte sie greifen können. Dann stand die „Riad“ über dem Boden. Knapp. Vielleicht zehn Meter, vielleicht fünf, so genau konnte sie es nicht schätzen, dann stieg die „Riad“, ganz sanft.
Es konnten 100 Meter sein, dann stand das Schiff im Wind. Nichts geschah, kein Auf, kein Ab, kein Rechts und Links. Das Schiff war wie in die Luft genagelt und trieb mit dem Wind sanft über die Landschaft.
Talbot wischte sich über das Gesicht und ein roter Streifen zog sich zum Kinn.
„Du blutest“, sagte Hannah.
„Na ja, dann blute ich halt.“
Leonard schaltete die Elektronik wieder ein und die „Riad“ begann den Landeanflug zum Dorf, so als ob nichts gewesen wäre. Ein ganz normaler Landeanflug. Leonard überprüfte die Systeme und schoss die Landekabel auf den Fixpoint.
Er lächelte Hannah an.
„Morgen ist ein weiterer Tag auf der „Riad“ für dich geplant. Wir werden uns wieder sehen – Blimper!“


---Fortsetzung folgt---
 



 
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