Brief an die Bayern-Oma (samt Übersetzung)

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Brief an die Bayern-Oma

Oma, des is a Schreiben fia di.
I woaß, i muaß a so mit dir redn, weil wenn i dir mit so a‘m gschraubtn Schmus kammad, tatst ma vor lauter Lachn no runterfoin von deiner Wolkn im Himmi.
Du hast ja alleweil gsagt, dass gar koan Himmi gibt und dass dann einfach aus is am End, aber vielleicht is des so a Satz, der dir scho load tuat inzwischen.
Wos sui i dir eazähln?
Neili war im wieder amoi an deim Grab und habs schee gmocht, obwohl des vielleicht gar nimma wichtig is.
Du woaßt ja bestimmt eh ois und schaust uns zua von do obn.
Passt dir des, wos aus mir woan is und wia‘s heit so ausschaut auf derer Wäid?
Is nix besser woan, seit du nimma bist, und des is jetzt scho lang her.
De Großkopferten san derweil nur no großkopferter gwordn, alle miteinand. Wasserkopfgroß sans scho, aber nix drin im Schädel wia hoaße Luft. An di und mi denken de nimmamehr und wenn doch, dann muass ma si fiachtn.
I denk oft no an di, des ist dir hoffentlich net z‘weng.
Du hosd ja gglaubt, es wird wos aus mir, weil i ja doch die Gstudierte in der Familie bin, aber a Großkopferte wollt i dann a net sei.
De Leit sogn, i moch nix Gscheits, weil d‘Schreiberei koa Gejd einbringt, aber wos i moch, moch i mitm Herzen, des woaßt du. Auf des, wos de Leit sagn, host du ja nia was gebn.
Von do oben schaut sicher no moi ois anders aus.
Schaut net guat aus, d‘Wäid, des sieh'st ja.
Schlechter mach ich’s gwiss net, wia'sd sieh’st. Da bin i wia du.
Besser mochn probier i alleweil, aber ja mei, bringt ned so vui.
I schau mir d‘Wäid an und denk an di.
Wenn‘s so weitergeht, kimm i boid zu dir. Mia olle. Dann wird’s eng im Himmi und leer auf der Erd.
„Kimmst auf 8 Tag!“ hast oft g‘sagt in de großen Ferien und mir habn uns aufeinander gfreit, woaßt as no?
„8 Tag“ host du gsagt, weil uns a normale Wochn net glangt hat.
So war des mit uns.
Oma, i kunnt dir no so vui schreiben, aber du woaßt as ja eh ois.
Also, pfiat di und bis boid.

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Brief an die Bayern-Oma, Übersetzung

Oma, dieses Schreiben ist an dich adressiert.
Ich weiß, ich muss auf diese Weise mit dir reden, denn wenn ich dir mit so einem hochgestochenen Geschwätz käme, würdest du vor Lachen noch runterfallen von deiner Wolke im Himmel.
Du hast ja immer gesagt, dass es gar keinen Himmel gibt und dass es dann einfach aus ist am Ende, aber vielleicht ist das so ein Satz, den du inzwischen schon bereust.
Was soll ich dir erzählen?
Neulich war ich wieder mal an deinem Grab und habe es schön hergerichtet, obwohl das vielleicht gar nicht mehr wichtig ist.
Ohnehin weißt du bestimmt alles und schaust uns von oben zu.
Bist du einverstanden mit dem, was aus mir geworden ist und damit, wie es heute so ausschaut auf dieser Welt?
Ist nichts besser geworden, seit du nicht mehr (da) bist, und das ist jetzt schon lange her.
Die Großkopferten sind allesamt nur noch abgehobener geworden. Wasserkopfgroß sind sie schon, aber im Schädel ist nichts als heiße Luft. An dich und mich denken die nicht mehr und wenn doch, dann muss man sich fürchten.
Ich denke oft noch an dich, das ist dir hoffentlich nicht zu wenig.
Du hast ja auch geglaubt, es würde was aus mir werden, weil ich ja doch als einzige studiert habe in der Familie, aber eine Großkopferte wollte ich dann auch nicht sein.
Die Leute sagen, ich mache nichts Gescheites, weil die Schreiberei kein Geld einbringt, aber was ich mache, mache ich mit dem Herzen, das weißt du. Auf das, was die Leute sagen, hast du ja nie etwas gegeben.
Von dort oben schaut gewiss nochmal alles anders aus.
Schaut nicht gut aus, die Welt, das siehst du ja.
Schlechter mache ich sie sicherlich nicht, wie du siehst. Da bin ich wie du.
Die Welt besser zu machen, das versuche ich unentwegt, aber ja, es hilft nicht viel.
Ich schaue mir die Welt an und denke an dich.
Wenn es so weitergeht, komme ich bald zu dir. Wir alle. Dann wird es eng im Himmel und leer auf der Erde.
„Kommst du für 8 Tage!“ hast du in den großen Ferien oft gesagt und wir haben uns aufeinander gefreut, erinnerst du dich? „8 Tage“ hast du gesagt, weil uns eine normale Woche nicht genug war.
So war das mit uns.
Oma, ich könnte dir noch so viel schreiben, aber du weißt das ja ohnehin alles.
Also, mach’s gut und bis bald.
 
Zuletzt bearbeitet:

petrasmiles

Mitglied
Liebe Dichter Erdling,

ich bin ja nun nicht besonder bayern-affin - das geht als Rheinländerin gar nicht (ich glaube, da müssen die Eltern nach der Geburt was fürs Kind unterschreiben :cool:), aber Dein Brief in 'Mundart' hat mir so gut gefallen, dass ich die Übersetzung gar nicht lesen mochte. So ganz bekomme ich den Finger nicht drauf, warum diese 'einfache' Sprache viel treffender ist - und viel mehr und auf bessere Weise aussagt, als 'Schlaudeutsch'.
Ich hoffe, es gab diese Großmutter, die für Bodenhaftung sorgte.

Liebe Grüße
Petra
 
Liebe Petra!

Ja, diese Oma gab es.
Es war die eine Oma, die wir nicht so oft besuchen konnten, weil sie weiter weg im Ausland (Bayern) lebte.
Das Bayrische habe ich als Kind wie eine Fremdsprache aufgenommen. Nach den Ferienbesuchen habe ich meinen Schulfreundinnen dann neue „Vokabel“ mitgebracht, über die wir uns oft amüsiert haben. „Milli“ statt „Milch“ oder „Bixn“ statt „Dose“ usw.

Und ja, im Dialekt klingt alles gleich irgendwie herziger und religiös gefärbtes Gewäsch von jenseitigen Himmelswolken, auf denen die Verstorbene sitzen soll, verzeiht man viel leichter.
Ist irgendwie lebensnaher, weil ja, so hat meine Oma eben geredet.

Danke fürs Reinschauen und ein zünftiges „Servus!“,

Erdling
 
Nachsatz:

Es ist dies mein erster Text in Mundart.
Das will ich jetzt nicht unbedingt ausbauen und war nur mal so ein Versuch ins Blaue, aber es würde mich schon interessieren, ob ich das halbwegs hingekriegt habe?
Wenn also ein fachkundiger Mensch über diese Zeilen stolpert, wäre es toll, wenn er mir Rückmeldung geben könnte.

Ich habe ja reichlich herumgegoogelt, um die Schreibweise der einzelnen Wörter, die man beim Sprechen so selbstverständlich im Mund führt, auszuchecken.
Ist oft nicht so einheitlich geregelt, hatte ich den Eindruck.

Der Dialekt, in dem ich hier schreibe, ist übrigens nicht der Dialekt, den ich in meinem (österreichischen) Alltag spreche, aber schon bin ich im Bayrischen zuhause.
 

Ubertas

Mitglied
Griasde @Dichter Erdling,
aiso i dad scho moana, dassd des gscheid hiebrocht hossd! Des mim Dialekt is hoid so a Sach, do fahrst zwanzg Kilometa und scho schaugts andas aus mit da Sproch. Und de Großkopfadn brauchst glei zwoamoi ned frong, de verstennan eh koa Wort ...
Gfoid ma narrisch guad!
Habe die Ehre ubertas
 

Bo-ehd

Mitglied
Hallo Dichter Erdling,
ich schreibe dir in Hochdeutsch, weil das Hardcore-Oberfränklisch aus meiner Heimat ohne Linguistikstudium weder zu schreiben noch zu lesen ist.
Deine Geschichte ist inhaltlich wie sprachlich brillant. Für mich das Beste, was ich hier in letzter Zeit von dir gelesen habe. Herzenswarm erzählt und mit außerordentlich guter sprachlicher Umsetzung. Chapeau!
Gruß aus Bayern ganz oben.
Bo-ehd
 

Aniella

Mitglied
Hallo @Dichter Erdling,

wie schön, dass das @Bo-ehd nochmal hochgeholt hat. Es gibt hier noch so viele verbrogene Schätze, die man entdecken kann. Dieser "Brief an die Oma" brauchte selbst für mich keine Übersetzung, hier kann man sich es aus dem Zusammenhang prima erschließen. Das größte Problem sind, glaube ich, die speziellen Fachbegriffe, die man sich nicht so einfach erraten kann (z.B. nach Berliner Mundart "Sechser" für fünf Pfennige oder "Heiermann" für ein Fünf-Mark-Stück).
Das Gespräch mit Oma per Brief ist Dir jedenfalls gut gelungen und vermittelte mir keine Traurigkeit, sondern die Leichtigkeit einer schönen Kindheitserinnerung, obwohl die Oma ja nicht mehr greifbar ist.

LG Aniella
 
Bonjour Bo-ehd, Aloha Aniella!

Euer Lob für diesen doch sehr persönlichen Text will ich gerne annehmen.
Ich meine, auch die Bayern-Oma hätte sich darüber gefreut.

Einen wunderschönen Sommersonntag wünscht euch:

Erdling
 



 
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