cha cha cha

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mondnein

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cha cha cha


am liebsten spiel ich klavier
einen ton einen zweiten und stille
und stürze am weiten glissando
entlang in der perlenden cola

die fischlein glänzen und schweigen
die schnippisch verbogenen mäuler
mit hochgeschwungenen lippen
sie kennen den blechernen abfall

und schlucken und spucken mich aus und
wir spotten durch flöte und cello
und ziehn mit dem bogen die bögen
der weitgeschleuderten phrasen

die dort uns versagen versiegend
im dreifachen punkt im staccato
der flieszenden lied-melodien
tourette-syndromatischer dichter


 
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zurabal

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Hallo mondnein,

ich bin für „dal segno al coda“, weil „cola“ schon irgendwie zu progressiv - selbst für einen Cha Cha - in diesem ganz klassischen Gedicht rüberkommen würde, sage ich mal aus dem Bauch raus. Ich lese Dein Gedicht nämlich als eine Art Partitur. Der Groove macht hier die Musik.

Aber es ist natürlich Geschmackssache, was dann dabei rauskäme.

Viele Grüße zurabal
 

wirena

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...ich bin für cola - ist zwar mit viiieel Zucker und gar nicht gesund - aber hin und wieder einfach passend, lecker und etwas Freude ist erlaubt - oder etwa nicht - ich gönne sie mir trotzdem - smile
 

mondnein

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Herzlichen Dank Euch beiden, zurabal und wirena,

in der Tat stand und stehe ich so ausgewogen zwischen beiden Möglichkeiten, daß ich am liebsten ein richtiges Teekesselchen oder sonst ein Wortspiel hätte, daß beide Wörter in sich hat.

Für "cola" hatte ich mich entschieden, weil das "perlen" der Flüssigkeit die nächste Strophe vorbereitet, mit einem leichten, weichen Übergang in das Element der Sprach-Fische; das "perlen" hat schon die gewünschte Ambivalenz, paßt aufs Klavierspiel wie auch auf das Getränk.

Andererseits sollte man immer das seltenere Wort wählen, wenn man zwei Möglichkeiten hat, wenn es um die "gewählte" Sprache der Dichtung geht (also "coda"), und dem entgegen punktet die popartige Trivialität mit moderner Direktheit (also "cola"), mit unverblümter Blumigkeit.

Das Argument mit dem weichen Übergang in die Metapher der folgenden Strophe scheint mir zur Zeit entscheidend.
Aber "coda" ist besonderer, fast schon so hochnäsig wie die Hausmusik-Kultiviertheit, die das "am liebsten spiel ich klavier" schon mit dem ersten Vers hereinplatzen läßt und mit anderen elitären Künsten des Lyris, etwa "flöte und cello" vergleicht.
Das bricht schon in dem Gepimper der "zwei Töne" ins trivial Absurde um, und die Frage ist, ob man das "glissando" als Wiedereinstieg in die stolze Etüdendiszipliniertheit nimmt, die in den weiteren Strophen wiederum mehrfach gebrochen wird, bis hin zur Selbstdiffamierung der Dichtung als "tourettsyndromatisch" ... (da sind sie, die drei Punkte).
Nicht zu vergessen, daß es sich um Metaphern für das Dichten handelt.
(Zufälligerweise höre ich gleichzeitig mit dem Schreiben des Wortes "Dichten" eben das Wort "Dichtung" im Deutschlandfunk, denn heute ist Jandls 100. Geburtstag.)

grusz, hansz
 
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zurabal

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Jaha, lese ich auch so, weil sich der Klavierspieler ab der zweiten Strophe , scheinbar nicht mehr aktiv Klavier spielt, übt, klimpert, oder was weiß ich was, kümmert, sondern mehr oder weniger begeistert irgendwelchen Klängen lauscht.

Aber was „Coda“ ( das ist der Fachbegriff für das Ende eines Musikstücks, eine schriftliche Handlungsanweisung, die sich an den Musiker richtet.) und „perlend“ mit „schnippisch, blechern, spucken, spottend, etc.“ zu tun hat, erschließt sich mir nicht aus Deinem Gedicht. Ich lese es jedenfalls nicht wirklich als „perlend“, sondern eher wie ein Heavy-metal-Concert, - Flöte und Cello hin oder her -, bei dem der Wunsch nach dem „Coda“ durchaus auch unterschwellig vorhanden ist, da die verwendeten Begriffe die ambivalente Bedeutung, Semantik, inklusive der widersprüchlichen Emotionalität, ausdrücken.

Man könnte es der Einfachheit halber auch so ausdrücken: In diesem Cha Cha perlen Kanonenkugeln.

Viele Grüße zurabal
 
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mondnein

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wie ein Heavy-metal-Concert
wenn man es so lesen müßte, wäre es mißglückt; ich lese es etwas "glücklicher" als eine leichtfüßige Improvisation, in allen Strophen, vom lustig reduzierten Zweitöne-Stück bis zum staccato, dem "flieszende lied-melodien" untergelogen werden, wahrscheinlich mit der Absichtslosigkeit eines Tourette-Syndromatikers, der in den drei Punkten verlegener Outfading-Phrasen verloren gegangen ist.

Ich lesen jedenfalls keine Kanonenkugeln. Aber das steht jedem Leser frei. Warum auch nicht. Nach dem Zweitönestück die Dreischuß-Salve des ...

grusz, hansz
 



 
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