Chaos

darkness

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Sie saß vor dem soundsovielten Glas irgendwas-alkoholisches an der Theke. Sie seufzte tief und nahm den nächsten Schluck.
Sie war eigentlich schön, selbst in diesem Zustand noch. Sie hatte langes, braunes Haar und eine wundervolle Figur. Nur schien alles an ihr irgendwie unordentlich. Man konnte nicht sagen, was! Nicht, dass sie ungepflegt wäre, das nicht. Sie saß völlig ruhig auf ihrem Hocker. Und dennoch wirkte sie, wie ständig in Bewegung, oder als wollte sie jeden Moment aufstehen. Das knappe Kleid saß perfekt an ihr und machte gleichzeitig den Eindruck, als sei es ein paar Nummern zu klein – oder doch zu groß? Als wäre es falsch zugeknöpft, obwohl es keine Knöpfe hatte...
Die Schlägerei hinter ihr, die zunehmende Verwüstung, das Klirren zerspringender Gläser, das scheußliche Knirschen brechender Knochen, das Krachen der Tische – all das nahm sie nicht einmal wahr... es schien, als wäre es ein alltäglicher Vorgang, der zu ihr gehörte wie ein Körperteil.
Angewidert sah sie in ihr Glas und trank den Rest der klaren Flüssigkeit in einem Zug. Noch im Absetzen bestellte sie das nächste.
Der Barmann, eigentlich besorgt um sein Lokal, schenkte ihr nach und wunderte sich über sich selbst. Eine solche Schlägerei und er bediente weiter. Irgend etwas hielt ihn ab, panisch dazwischenzuspringen oder die Polizei zu rufen.
Sie trank ein Glas nach dem anderen. Und mit jedem Glas schien sich die Schlägerei zu verlangsamen, zu torkeln... als würde sich ihr eigener Zustand auf die Kämpfenden, die fliegenden Gegenstände, auf die Kneipe selbst auswirken...
Als die ganze Szene sich einem Stillstand zu nähern schien, fummelte sie ein paar zerknüllte Scheine aus ihrer Handtasche, legte sie auf die Theke und – fiel vom Stuhl!
Auf dem Boden liegend stieß sie nur einen genervten Seufzer aus und rappelte sich hoch.
Sie verließ die Bar und begann durch die Stadt zu laufen... wo immer sie lang ging krachten Autos ineinander oder Passanten, verloren Frauen den Absatz oder ging sonst etwas zu Bruch.
Sie registrierte es kaum.
Sie war in ihre eigenen, schwermütigen Gedanken versunken...
Es war schwer, heutzutage eine Göttin zu sein!
Sie wirkte ständig vor sich hin, hielt die Welt in Atem und alles, was sie dafür bekam, war immer nur das Schimpfen und Fluchen der Leute...
Das Chaos wurde wütend und setzte einen schnelleren Schritt, während fast gleichzeitig ein schwerer LKW samt Gemüseladung einen Kiosk rammte und umkippte.
Was glaubten die Menschen eigentlich, was sie ohne sie tun würden? Diese ewig nörgelnde Bande! Eingehen würden diese Bastarde vor Langeweile! Phantasieloses Pack!!
Ja, sterben würden sie wie die Fliegen... ein Symphonie des Suizid würde jede große Stadt und jedes noch so kleine Dorf überfluten.
Sie brütete vor sich hin.
Was wäre denn, wenn ihr armen Idioten, die ihr jeden Morgen, jeden Tag, jede Stunde denselben Ritualen, Verpflichtungen, Aufgaben und was weiß ich nachgeht, nicht ab und zu meine Hilfe hättet? Dass euer kleiner, elektronischer Weck-Tyrann ausfällt, der Bus zu spät kommt, der Kopierer wichtige Unterlagen frißt, die Freundin mit dem besten Freund abhaut, ausgerechnet am Wochenende der Hund krank wird... euer Leben wäre so einfach! ...und so erbärmlich langweilig!
Ich habe Menschen, die mich geärgert haben allein gelassen, habe sie „in Ruhe“ gelassen! Geht sie doch mal besuchen... Auf den Friedhöfen, in den Irrenhäusern...
Wenn ich nicht da bin, macht ihr euch selbst die Probleme und ihr macht das gründlich! So gründlich, dass ihr euch selber nicht mehr da rausholen könnt!
Und während sie all diese Gedanken wälzte, versank die Stadt um sie herum in Zerstörung und...
CHAOS
 



 
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