Dark Eyes - Teil 2

Der Denker

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Eigentlich wollte er sofort losrennen, aber es war sinnlos. Aus den Schatten zwischen den Bäumen lösten sich tatsächlich furchteinflößende Schattengestalten, die immer wieder schmerzhaft hohe Kreischtöne von sich gaben und mit einem Mal hörte er auch wieder das Flüstern. Und war da nicht das Lachen einer Frau? Es klang durch und durch boshaft, nur eigenartig verzerrt und als ob es viele Stimmen waren, die jedoch alle den selben Ursprung hatten. Es schmerzte in den Ohren und allein ihr Klang ließ ihn erschauern, genauer gesagt, er war fast gelähmt vor Angst, und das Gefühl beobachtet zu werden wuchs immer mehr an, bis auf dem Höhepunkt des Gefühls schließlich überall vermummte Gestalten aus dem Dunkel des Dickichts traten, das den Platz umgab. Die einen waren lediglich in dunkle, braune oder schwarze Kutten gekleidet: Priester, wie er vermutete. Während die anderen in schwarzen Panzern daher klapperten, wie der Krieger, der ihm vorher auf dem Pfad begegnet war. Es war inzwischen eine beachtliche Anzahl an Personen auf dem Platz versammelt, die ihm alle Wege versperrten, dazwischen schlängelten sich noch immer die Schattengeister. Zumindest für einen einzelnen Menschen, waren es ZU viele, vor allem, wenn man bedachte, dass er ohne jegliche Waffe oder Rüstung war. Der Eingekreiste wendete sich der ihm näheren Seite zu, aus der er eben erst gestürzt war. Völlig ohne Anzeichen einer Gefühlsregung standen die dunklen Schergen schweigend um ihn her und starrten ihn an. Inzwischen hatte das Schreien der offenbar wahnsinnig Gewordenen einem Wimmern und Schluchzen Platz gemacht und er war fast dankbar, dass es nun etwas ruhiger wurde.

Da kam Bewegung in die dunkle Meute. Direkt vor ihm teilte sie sich und öffnete jemandem, der hinter ihr stand, den Weg. Zunächst traten zehn Fackelträger in Zweierreihen auf den Platz, die in einer Hand einen langen Stab trugen, dessen oberes Ende in einer brennenden Menschenschädelform schloss. Sie kamen zielstrebig auf ihn zu, teilten die Reihen direkt vor ihm und bildeten eine Art Gang. Schließlich trat aus dem Schatten des Waldes ein großer Mann in das flackernde Licht der Schädelfackeln. Auch er war in eine schwarze Robe gekleidet, die an einem schwarzen Schulterpanzer hing, auf dessen Brust ein gezackter Ring befestigt war. Der Panzer war oben leicht angeschrägt, sodass die verlängerten Platten von seinen Schultern abstanden, was Ähnlichkeiten mit einem Raubvogel hervorrief, welche durch seine schnabelartige Hakennase noch verstärkt wurde. Buschige graue Brauen zogen sich über den dunkel und kühl starrenden, tiefliegenden Augen zusammen und an seinem Kinn wuchs ihm ein ebenso grauer Spitzbart, wohingegen sein Haupt völlig kahl war. Auf seiner Stirn glaubte er die Tättowierung des selben gezackten Rings zu erkennen, wie er auf der Brust eingelassen war. Seinem Gesicht nach zu urteilen, war er sicherlich älter, als das für Menschen allgemein möglich war, aber er wirkte dennoch keines Wegs gebrechlich. An dem Panzer war ein schwerer roter Umhang befestigt, der beim Laufen fast auf dem Boden schleifte. In der rechten Hand hielt er einen ähnlichen Schädelstab, wie die Fackelträger, allerdings handelte es sich diesmal um den Kopf eines Stieres. Hinter ihm blieb eine alte Frau halb im Schatten zurück, deren Haupt ein dorniges, schwarzes Diadem zierte. Langsam und würdevoll schritt er durch den Gang der Fackelträger auf ihn zu. Um seinen Hals hing eine Kette, an dessen Ende wieder das Symbol des gezackten Rings befestigt war und nun erkannte er es als Sonnenfinsternis wieder, Zeichen des Ordens der ewigen Finsternis. Seine schlimmsten Befürchtungen wurden mit einem Schlag grausame Wirklichkeit.

"Zurück! Wagt es nicht, näher zu kommen! Kriecht zurück in das Dreckloch aus dem ihr gekommen seid, elende Brut dieses verfluchten Miststücks, das ihr eure Göttin nennt!"

Der offensichtliche Anführer der Bande schien wenig beeindruckt, was womöglich auch daran liegen mochte, dass der Umzingelte die Worte in einer derart jammernden Weise hinausgekreischt hatte, dass man ihn kaum ernst nehmen konnte. Deshalb ließ sich der Alte auch nicht abhalten und setzte seinen Weg bis zu dem ängstlich umherblickenden Mann fort.

"Ich...", setzte er da zu einer Entschuldigung an, als ihm klar wurde, was er da eben gesagt hatte.

Doch die Worte blieben ihm im Halse stecken, als der alte Mann ihm seine Hand ruckartig entgegenstreckte. Ohne dass er ihn auch nur berührt hatte, wurde er von einer gewaltigen Welle aus purer dunkler Energie von den Beinen gerissen und meterweit über den Boden geworfen, bevor er wieder auf dem Stein landete und noch einige Meter weiterschlitterte.

"Du magst über die Diener der dunklen Göttin reden, wie es dir gefällt, aber wage es nicht auch nur ein einziges Wort gegen die Nächtliche selbst zu äußern oder es wird dir leid tun", keifte der Alte. Dann machte er eine Handbewegung, woraufhin sich zwei Schattenwesen näherten, um den Niedergeworfenen wieder in die Höhe zu zerren. Ihre Berührung war frostig und ließ ihn erzittern. Als er wieder stand, wichen sie jedoch nicht von seiner Seite. Dann fuhr er fort: "Ich bin Ladmus, der Zeremonienmeister der dunklen Göttin. Meine Herrin hat dich auserwählt. Dir wird das Glück zuteil, bei einer Zeremonie zu ihren Ehren mitzuwirken." Bei diesen Worten erschien ein teuflisches Grinsen auf seinem Gesicht und die beiden Schatten ergriffen die Arme des Mannes. Flehend und Entschuldigungen stammelnd, brach er in Tränen aus. Doch die zwei vor Freude kreischenden Schatten ließen sich nicht erweichen. Erbarmungslos zerrten sie ihn zu dem hysterischen Haufen, die ihn jedoch scheinbar nicht wahrnahmen. "Nun ist die Zeit der Prüfung gekommen."

Es erklangen wieder die Einhörner und ein Gong wurde geschlagen. Dann traten die in braune Kutten Gekleideten vor und bildeten einen Ring um die Gruppe in der Mitte des Platzes. Jeder zweite von ihnen hielt einen Menschenschädel in der Hand, dessen Decke abgesägt war, und mit schwarzer Farbe verziert. In der Öffnung schwabte eine rote Flüssigkeit hin und her. Diejenigen, welche die Schädel hielten, knieten nieder und blickten zum Himmel empor. Während die Stehenden die Hände erhoben und immer wieder die selben unverständlichen Worte murmelten, fassten die Knienden mit der freien Hand in den Schädel und tauchten sie ein. Dann besprenkelten sie die Gruppe und den Platz mit der roten Flüssigkeit.

Da brachen urplötzlich rings um die Gruppe und die Kuttenträger Flammen aus dem Boden und schlossen sie ein. Erst jetzt erkannte der Mann, dass er in einem riesigen Pentagramm stand. Er hatte das Gefühl, dass es immer dunkler wurde, obwohl das kaum sein konnte. Es war Nacht und der Mond war nicht zu sehen. Das einzige Licht, dass von den Fackeln kam, wurde immer mehr von der Dunkelheit verdrängt. Die Knienden erhoben sich und schritten mit den anderen einfach durch die Flammenwände, als seinen sie nicht vorhanden. Keiner fing Feuer. Keine einzige Verbrennung war auf ihrer Haut zu sehen.

Die Wolken verdichteten sich über dem Platz. Blitze zuckten. Die Schatten flossen in Scharen zum brennenden Pentagramm.

"Die Nächtliche wird euer Opfer annehmen", rief der Zeremonienmeister begeistert.

Das Kreischen und Flüstern wurde immer lauter, wie Millionen und Abermillionen arme, verlorene Seelen, die ihre Chance ergriffen, endlich ihre Stimmen wieder benutzen zu können. Ein Sturm erhob sich und die Wolken wirbelten wild im Kreis. Blitze zuckten. Zuerst nur vereinzelt, aber bald häuften sie sich. Als der Mann zum Himmel blickte erkannte er, dass die Wolken sich zu dem Gesicht einer Frau formten. Da war es wieder, dieses markerschütternde Lachen. Er versuchte die abgrundtief bösartige Freude über das, was kommen würde, die ihr geradezu ins Gesicht geschrieben stand, zu ignorieren. Es begann in Strömen zu regnen und er war zu sehr beschäftigt, um zu bemerken, dass er von diesem "Regen" nicht saubergewaschen wurde, denn es goss in gewaltigen Strömen Blut vom Himmel. Jedoch nur innerhalb des Pentagramms.

Mit aufgerissenem Mund stürzte das Wolkengesicht auf die Erde herab. Die Wolken wurden hinterhergezogen und bildeten nun einen Trichter, dessen Ende in das Pentagramm hing. Voller Panik erkannten die dem Tode geweihten, dass die Wolken aus den unheimlichen Dienern der Göttin bestanden. Als sie die Körper ihrer Opfer durchdrangen, schrien diese plötzlich unter schrecklicher Pein auf. Es begann harmlos mit dem Gefühl, als würde man innerlich verbrennen und es bedeutete noch nicht das Ende.

Dies waren nur die Vorboten der Nächtlichen und trotz der unbeschreiblichen Qualen, die er in diesem Moment erlitt, fragte sich der gepeinigte Mann entsetzt, was wohl erst geschehen würde, wenn sie selbst in Erscheinung trat.
 
W

willow

Gast
hi dede!!!

...einfach toll. Du schreibst richtig gut, vor allem die Bilder sind toll. Ich habe mich sofort eindenken können und fand die story super. Gute Idee und dein Protagonist wirkt lebendig.

Ich finde es besser, dass du eine "Fortsetzungsgeschichte" daraus gemacht hast, dadurch verliert man nicht den Überblick (bei diesem langen Text konnte das ja durchaus passieren :))

Ich freue mich schon auf die Fortsetzung...Spannung...kommt doch sicher, oder?
Auch wenn ich normalerweise keine SciFi lese, deine war es wert.

Lieber Gruß,

Willow
 

Der Denker

Mitglied
*schnüff*

Hallöchen Willow!

Danke. Danke vielmals, Willow. Danke, danke, danke.
So viel Lob auf einem Haufen hat mich fast vom Stuhl geworfen. Und dabei noch Lob über Dinge, die mir daran am wichtigsten waren. Ich hatte schon Angst, es wäre wirklich sooo schlecht, weil keine Antwort kam.
Aber deine Kritik gibt mir neuen Mut.
Solange ich mindestens einen Leser habe, werde ich natürlich weiterschreiben. :)


Ganz Liebe Grüße
dede alias Marcel Reich-Ranicki (aber pst!)
 
W

willow

Gast
..da ist doch noch soooo viel...

Hallo Marcel,


ein Leser ist dir gewiss, die anderen gilt es zu überzeugen. Aber mit deinen Geschichten sollte dir das eigentlich leicht fallen.

LG,

Willow, alias Dana Scully (aber auch pst!)
 



 
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