Dark Eyes - Teil 3

Der Denker

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Jylassme war noch immer mit ihrem bereits Stunden andauernden Gebet beschäftigt, als die alte Hohepriesterin schweigend eintrat. Sie war in solch tiefer Trance, dass sie die schwarz gekleidete Frau hinter sich überhaupt nicht wahrnahm.
"Smorra wejeck... smorra ...osmadur ... nurrwan...posmat...", hörte die weise Priesterin Jylassme kaum hörbar murmeln. Ihre Stimme klang seltsam fremd, als gehöre sie nicht zu ihr. Sie hatte sich El'ava Shee, der Nächtlichen, geöffnet und die Göttin war über ihr Kind gekommen. Was Jylassme da sprach, waren Worte in einer Sprache, die selbst der Hohepriesterin unbekannt waren und sie bezweifelte nicht, dass Jylassme sie genauso wenig verstanden hätte, würde sie diese Laute jetzt hören. Doch in der Verschmelzung mit den Göttern war alles unglaublich klar. Selbst uralte, längst vergessene Sprachen, die einzig und allein die Götter beherrschten, waren dann völlig eindeutig verständlich.
Jylassme kniete auf dem kalten Steinboden des Tempels. Ihr langes rotes Gewand und ihr schwarzer Umhang breitete sich unter ihr aus, als säße sie inmitten eines Teiches aus rotem Blut und schwarzem Tod. Ihr Kopf war zum Himmel erhoben und ihre Arme, die sich unter den zurückgerutschten Ärmeln schneeweiß offenbarten, waren ausgebreitet, wie zum Zeichen für die dunkle Göttin, dass sie bereit war, sie zu empfangen. In ihrer Hand hielt sie einen schwarzen, gekrümmten Dolch, von dem rote Flüssigkeit tropfte: das Blut ihres Opfertieres. Da hielt sie plötzlich inne, die Worte verhallten. Ihr glasiger Blick rückte wieder zurück in die Welt der Sterblichen. Sie senkte die Arme und blieb noch eine Weile mit hängendem Kopf sitzen.
"Du hast mit der Göttin gesprochen, mein Kind", fragte die alte Priesterin und trat näher. Als sie unter die kreisrunde Öffnung des Daches trat, leuchtete das schwarze Diadem auf dem durch eine eng anliegende schwarze Kapuze bedeckten Haupt der Hohepriesterin im Schein des Vollmondes auf. Die langen, spitzen, dornenartige Gebilde, die daraus herauszuwachsen schienen, ragten bedrohlich in die Luft. Auf ihrer bleichen Stirn prangte das Sonnenfinsternissymbol. Jylassme blickte nachdenklich auf und erhob sich. Ihr Gesicht wirkte sehr müde und sie wankte leicht, als sie stand. "Ja, ehrwürdige Mutter." Ihre Stimme klang nun wieder wie die einer jungen Frau, auch wenn sie etwas belegt wirkte. Selbst im Tempel war es inzwischen so kalt, dass sich weiße Schwaden bildeten, wenn sie sprachen.
Die Hohepriesterin ging noch einige Schritte näher und setzte sich auf einen großen hölzernen Thron, aus dessen Rückenlehne unheimliche Gestalten ragten, El'ava Shees düstere Gehilfen: Gehörnte Dämonen, geflügelte Boten des Todes, abscheuliche Wesen des Jenseits, Kreaturen der Schattenwelt. Sie legte ihre Hände auf die Köpfe der zwei Drachen, die die Armlehnen bildeten. Ihre Robe und ihr Umhang schienen wie ein kleines schwarzes Bächlein unter ihr zu Boden zu fließen und dort eine Lache zu bilden. Eine stumme Dienerin kam herein und brachte die goldene Opferschale hinaus, in dem Jylassmes Opfer noch immer in seinem Blut zuckte.
"Tritt näher." Jylassme gehorchte und trat vor die alte Priesterin. "Erzähle mir, was dir die Göttin in ihrer unendlichen Weisheit geraten hat."
Die Jüngere hob den Kopf. Ihr Haar war unter der Kapuze des Umhangs vollständig verborgen, und ein Schleier, der ihr Gesicht vor der beißenden Kälte schützen sollte, verbarg ihr Gesicht fast vollständig. Nur ihre dunklen, feurigen Augen funkelten wie zwei Sterne in der Dunkelheit unter der Kapuze.
"El'ava Shee gebot mir, die Ursache meiner Visionen zu suchen. Das Aufsuchen des Urhebers sei nicht nur für mich von allergrößter Bedeutung. Das Schicksal Eles' könne davon abhängen", brachte sie schließlich hervor und aus dem Klang ihrer Stimme konnte die Hohepriesterin Zweifel und Ängste hören.
"Was bedrückt dich?"
Jylassme blickte die alte Frau verwirrt an. "Ehrwürdige Mutter, das Schicksal Eles' soll von mir abhängen?"
Die Angesprochene blickte ihr eine Weile tief in die Augen, als wolle sie Jylassmes Geist erfassen. "Die Göttin hat dich unter ihren Priesterinnen auserwählt. Es gibt keinen Priester, keine Priesterin, die der Sache gewachsen wäre, außer dir. Die Göttin weiß."
Jylassme schüttelte den Kopf, als wolle sie die Worte abschütteln. "Aber Herrin, das kann nicht sein. Ich kann nicht dafür bestimmt sein."
Die Hohepriesterin nickte ungeduldig. "Doch mein Kind. Du bist es. Finde dich damit ab. Die Göttin wird sich nicht nach jemand anderem umsehen, nur weil es dein Wille ist. Wenn du es nicht freiwillig tust, wird sie einen Weg finden, dich zu zwingen." Jylassme senkte den Kopf, als sie die Bedeutung der Worte zu erfassen glaubte. "Morgen Abend wirst du losreiten. Alleine. Du wirst niemanden mitnehmen können. Du wirst auf dich alleine gestellt sein. Nun geh und ruhe dich aus! Du hast einen langen schweren Weg vor dir."
Jylassme hob flehend die Hände. "Aber wohin? Ich weiß doch gar nicht, wonach ich suchen soll."
Die Hohepriesterin winkte ab und deutete zu der Runden Öffnung, durch die die Sterne blinkten. "Morgen. Morgen Abend. Sobald die Sonne hinter den Bergen versunken ist, wirst du es wissen."
 
W

willow

Gast
Juppi!!!

Hallo lieber Dede,

spannend, spannend, spannend ---wie mag es weitergehen?

Ich kann morgen abend kaum erwarten *g*

Bitte, bitte weiterschreiben, wenn ich nicht weiss, wie es mit Jylassme weitergeht, dann kann ich auch nicht ruhig schlafen!

Also lieber Marcel, freue mich auf die Fortsetzung.

LG,

Willow
 

Der Denker

Mitglied
*lach*

Liebe Willow,

es freut mich, dass ich meine feste Fangemeinde von einer Person habe glücklich machen können. ;)
Und wie gesagt, solange ich mindestens diesen einen Leser habe, wird Jylassme weiterhin auf dem dunklen Pfad El'ava Shees wandeln. :)

Hoffentlich sitzt du jetzt nicht bis zum nächsten Teil nachts wach und überlegst fieberhaft, wie es unserer finsteren Jylassme Abendstern ergehen mag. :D

Eigentlich hab ich schon ein größeres Stück mehr fertig, als ich hier veröffentliche, aber ich will euch ja auch genug Zeit lassen und euch nicht mit den Ereignissen überfluten, wie ich es bei meinem ersten Postversuch gemacht habe.

Danke Willow!


Liebe Grüße
dede
 
W

willow

Gast
*völlig übermüdet*

Hallo Dede,

vorweg mal eines: zu danken habe ich, denn ich werde hier königlich unterhalten!!!

Klar habe ich nicht schlafen können und muss unbedingt wissen wie es weitergeht.

Was deine Fangemeinde angeht - ich glaube nicht, dass sie aus nur einer Person besteht, ich denke, dass auch andere deine Story lesen - und wenn sie´s nicht tun, so sind sie wohl selber schuld - lassen sich da wirklich was entgehen!
Ich werde sie mal als Pflichtlektüre für die Jahrgangsstufen 5 - 13 beim Kultusministerium vorschlagen! (hihihi)

Schreib schnell weiter, denn lange kann ich nicht mehr warten.

LG,


WIllow
 

Der Denker

Mitglied
Holla!

Huhu Willow,

als ich mir das eben durchgelesen hab, was du mir da so herzallerliebst übermittelt hast, dachte ich mir:
was würde ich nur ohne sie tun?

Ich kann zwar auch darauf tippen, dass die paar Aufrufer die Geschichte wirklich lesen und eventuell gar mögen, aber außer dir teilt mir das keiner mit....
deshalb habe ich dir auf jeden Fall zu danken, weil ich wenigstens durch deine Antworten den Hauch der Hoffnung habe, es könnte vielleicht den ein oder anderen unterhalten. ;)

Was die Fortsetzung betrifft, ich denke, da die Anzahl der Aufrufer durch 10 Wochen *leicht übertreib* warten offenbar nicht unbedingt gewaltig angewachsen ist, werde ich in Zukunft etwas schneller posten, wenn euch das nicht zu viel ist...
Schneller posten als schreiben kann ich allerdings nicht. ;)


*wink* und liebe Grüße
dede
 



 
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