Das Auge des Krieges

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Isengardt

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Ich wurde in einer Zeit geboren in der allerorten viel Tumult herrschte. Ich war ein schönes Kind. Mit einer fein gemaserten Haut, leichten Macken hier und da, jedoch alles in allem ein perfekt ausbalancierter Körper. Mit einem Dickschädel, der es vermochte Wände zu durchbrechen oder gar Stahlplatten zum zerbersten zu bringen. Immer mit dem Kopf durch die…na, ihr wisst schon.

Zum Geburtstag bekam ich damals ein kleines Federkleid geschenkt, welches ich in der Folgezeit, wann immer ich konnte, trug. Auch mein Geburtsmal, eine kleine Mulde am unteren Teil meines Körpers trug ich mit Stolz und Ehrfurcht. Nicht wissend das diese kleine Einbuchtung einmal mein Schicksal bestimmen würde.
Ich war in meiner Zeit viel unterwegs und ritt mit meinem Vater und meinen Geschwistern oft durch die Lande und habe so vieles gesehen. Sowohl Freud als auch Leid kreuzten unsere Wege, jedoch habe ich nie verstanden, was wohl meine Bestimmung in diesem Leben sein sollte. Ich fragte oft meinen Vater ob er denn ein bestimmtes Ziel für mich hätte. Jedoch grummelte dieser oft nur in seinen Bart. Irgendetwas von Kriegen und wie sie dieses schöne Land zerstören würden.

Ich selbst war Zeuge dieser Kriege. Vor allem welches Elend sie verursachten. Wir zogen durch zerstörte Dörfer oder gar ganze Städte, die dem Erdboden gleich gemacht wurden. Es roch dort überall nach verbrannter Erde und totem Fleisch. Überhaupt schien der Geruch von Krieg mich eher anzuwidern als alles andere, das ich auf meinen Reisen erlebte. Mein Vater schien dies nicht sonderlich zu kümmern. Er meinte wohl vor uns Geschwistern als der starke Mann, der er ja auch war, bestehen zu müssen. Und als ob dies nicht genügte, schickte er auch einige meiner Geschwister vor in den Krieg, um sich zu behaupten. Ich hörte nie wieder etwas von ihnen. Ihre Spuren verloren sich im Wind.
Ich fing so langsam an zu begreifen, dass es wohl auch meine Bestimmung war, wenn es denn an der Zeit sein sollte, dass auch ich in den Krieg ziehen musste. Davor war mir schlichtweg Angst und Bange. Ich wollte das nicht. Ich glaube das wollte keiner von uns. Nur unser Vater wollte davon nichts wissen. Ein Kind nach dem Anderen verlor sich in den Weiten der Steppen die wir bereisten.

Als dann der große Tag gekommen war, war ich nicht darauf vorbereitet. Ich versteckte mich noch. Jedoch bekam mich mein Vater zu fassen. Er holte mich auf sein Ross, und ritt mit mir in die Schlacht. Dabei war ich doch noch so jung und hatte gefühlt erst noch vor kurzem auf seinem Schoß gesessen während er mir den Körper entlangstrich und beruhigend auf mich einredete, dass ich einmal ein guter Junge werden würde und er eines Tages stolz auf mich sein kann. Wie konnte ich denn ein guter Junge werden, wenn ich nichtmal den Unterschied zwischen Gut und Böse in diesem Krieg unterscheiden konnte?

Doch in diesem Moment schien Vater das alles egal zu sein. Mit einem wilden Schrei galoppierte er vornan, hunderte Krieger stimmten in das Geschrei mit ein. Er holte seinen Bogen von der Schulter, griff nach hinten und zog mich aus seinem Köcher. Setzte mich an der Mulde, welche ich durch mein Federkleid immer schön verdecken konnte auf die Sehne und spannte mit geballter Manneskraft den Bogen.
Die Sehne schien eine unendlich große Spannung auf meinen unteren Körper zu übertragen. Mir lief es kalt den Rücken runter und gleichzeitig war mir so unendlich heiß. Vater gab einen noch wilderen Schrei von sich und ließ die Finger von der Sehne gleiten. Ich beschleunigte auf eine unglaubliche Geschwindigkeit, mir war speiübel und ich konnte nicht erkennen was da auf mich zukam. Mir wurde urplötzlich schwarz vor Augen und ich schoss in hohem Bogen gen Himmel. Immer weiter und weiter. Ich merkte wie die Fluggeschwindigkeit etwas abebbte und kam wieder zu Sinnen. Da sah ich ihn zum ersten Mal mit eigenen Augen. Den Krieg. Direkt vor mir. Es war kein schöner Anblick. Ich schaute ihm direkt in seine entstellte Fratze und flog mit wieder ansteigender Geschwindigkeit direkt in seinen Schlund.

Ich wollte das nicht, konnte mich aber nicht dagegen wehren. Und so durchschlug ich mit meinem wohlgeformten Schädel die Kopfbedeckung eines Fremden. Durch den Augapfel, vorbei am Sehnerv drang ich tief in seinen Schädel ein. Er gab nur ein kurzes gurgelndes Geräusch von sich und brach dann in einem Sekundenbruchteil zusammen.
Als er auf dem Boden aufschlug knickte er auch mir meinen Körper entzwei und ich spürte, wie der Hauch des Lebens aus meinen Maserungen wich.
Ob mein Vater stolz auf mich war, habe ich nie erfahren…
 



 
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