Dichter Erdling
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Nur zu Weihnachten gibt es das Engelsgeläut.
Neben ihrem Christbaumschmuck hat Oma auch die zerfledderte Schachtel verstaut, die sie punktgenau am Vierundzwanzigsten auf den Tisch stellt.
Vorweihnachten ist mir am liebsten, das wusste ich immer schon. Die Zeit vor dem eigentlichen Fest, sie ist die bessere. Der Heilige Abend selbst, an dem sich die Erwartungen hochschrauben und doch immer wieder peinlich zusammenfallen, kann dagegen einpacken.
In Omas winziger Dachgeschosswohnung schmücken wir den Christbaum, der so klein ist, dass man ihn auf ein Tischchen stellen muss, damit er zur Geltung kommt. Zuhause bei den Eltern kümmert sich derweil das Christkind um den Baum, da darf ich nicht stören. Ich hoffe nur, es wird dort drüben nicht allzu viel herumgeschrien, während das Christkind zugange ist. Bestimmt hat es empfindliche Ohren und ist sowas gar nicht gewöhnt.
Omas Dachgeschosswohnung ist meine rettende Höhle. Höhle auch deshalb, weil ich noch zu klein bin, um die hochliegenden Dachfenster zu erreichen. Die Welt da draußen gibt es hier drinnen nicht, das ist gut. Da draußen ist auf irgendeine Weise Krieg. Immer. Hier drin ist nur wärmende Ruhe.
Ich darf sogar mit dem zerbrechlichen Baumschmuck hantieren. Mit Sorgfalt achte ich darauf, dass jede Kugel mit einem goldenen Haken versehen wird und reiche Stück für Stück meiner Oma. Omas Kugeln sieht man es an, dass sie schon viele Weihnachten mitfeiern durften. Das macht sie ja grad so wertvoll.
Ich weiß, das Christkind kommt nur dorthin, wo Kinder wohnen. Zu den Omas kommt es nicht mehr. Die müssen zuschauen, wie sie ihren Baum selber geschmückt kriegen und können von Glück reden, wenn sie Enkel haben, die ihnen dabei helfen.
Während Oma in der Küche zu tun hat, kümmere ich mich schließlich ums Engelsgeläut.
Oma vertraut mir auch hier. Sie weiß, dass ich es schaffe, auch wenn der Aufbau gar nicht so leicht ist.
Behutsam nehme ich die Teile aus der Verpackung, als wären sie aus echtem Gold.
Das dünne Blech darf man nicht verbiegen, sonst funktioniert das Ganze nicht mehr.
Unten das runde Kerzenteller. Die Kerzenhalterung ist die gleiche wie bei den Kerzenhaltern am Christbaum. Man kann die goldenen Zäpfchen enger biegen, bis vier Kerzen festgehalten werden.
Beim Mittelteil muss man die Bildanleitung exakt befolgen. Wie ein Kronleuchter schaut das Ganze bald aus, bloß dass die Kerzen unten sind.
Das Wichtigste sind die goldenen Engel. Es sind vier inklusive dem Engel an der Spitze. Allesamt halten sie sich eine Trompete vor den Mund.
Drei Engelchen haben entlang der Flügel einen Schlitz, sodass man sie oberhalb der Glocken einhängen kann. Die dünnen Schlegel, die am Bauch der Engel befestigt werden, sollte man ihnen zuvor schon angehängt haben.
Über den Engelsköpfen wird das Windrad eingesetzt und ganz obenauf kommt der vierte Engel. Mit einem seiner Füße wird er an der Spitze verankert, sodass er aufrecht steht und in den Himmel hinauf trompetet.
Omas Engel schauen schon ähnlich ramponiert aus wie ihre Christbaumkugeln. An manchen Stellen ist das Gold nicht mehr glänzend. Wenn aber erst die Kerzen angezündet sind und die heiße Luft aufsteigt, klingen die Engel wie eh und je. Die dünnen Blechfiguren fliegen im Kreis und erzeugen feine Laute jedes Mal, wenn das Metallstäbchen die Glocken berührt.
Man hört es nur, solange es ringsum still und leise ist, so wie in Omas sicherer Höhle.
Aber bald schon ist es finster draußen und ich werde abgeholt.
Neben ihrem Christbaumschmuck hat Oma auch die zerfledderte Schachtel verstaut, die sie punktgenau am Vierundzwanzigsten auf den Tisch stellt.
Vorweihnachten ist mir am liebsten, das wusste ich immer schon. Die Zeit vor dem eigentlichen Fest, sie ist die bessere. Der Heilige Abend selbst, an dem sich die Erwartungen hochschrauben und doch immer wieder peinlich zusammenfallen, kann dagegen einpacken.
In Omas winziger Dachgeschosswohnung schmücken wir den Christbaum, der so klein ist, dass man ihn auf ein Tischchen stellen muss, damit er zur Geltung kommt. Zuhause bei den Eltern kümmert sich derweil das Christkind um den Baum, da darf ich nicht stören. Ich hoffe nur, es wird dort drüben nicht allzu viel herumgeschrien, während das Christkind zugange ist. Bestimmt hat es empfindliche Ohren und ist sowas gar nicht gewöhnt.
Omas Dachgeschosswohnung ist meine rettende Höhle. Höhle auch deshalb, weil ich noch zu klein bin, um die hochliegenden Dachfenster zu erreichen. Die Welt da draußen gibt es hier drinnen nicht, das ist gut. Da draußen ist auf irgendeine Weise Krieg. Immer. Hier drin ist nur wärmende Ruhe.
Ich darf sogar mit dem zerbrechlichen Baumschmuck hantieren. Mit Sorgfalt achte ich darauf, dass jede Kugel mit einem goldenen Haken versehen wird und reiche Stück für Stück meiner Oma. Omas Kugeln sieht man es an, dass sie schon viele Weihnachten mitfeiern durften. Das macht sie ja grad so wertvoll.
Ich weiß, das Christkind kommt nur dorthin, wo Kinder wohnen. Zu den Omas kommt es nicht mehr. Die müssen zuschauen, wie sie ihren Baum selber geschmückt kriegen und können von Glück reden, wenn sie Enkel haben, die ihnen dabei helfen.
Während Oma in der Küche zu tun hat, kümmere ich mich schließlich ums Engelsgeläut.
Oma vertraut mir auch hier. Sie weiß, dass ich es schaffe, auch wenn der Aufbau gar nicht so leicht ist.
Behutsam nehme ich die Teile aus der Verpackung, als wären sie aus echtem Gold.
Das dünne Blech darf man nicht verbiegen, sonst funktioniert das Ganze nicht mehr.
Unten das runde Kerzenteller. Die Kerzenhalterung ist die gleiche wie bei den Kerzenhaltern am Christbaum. Man kann die goldenen Zäpfchen enger biegen, bis vier Kerzen festgehalten werden.
Beim Mittelteil muss man die Bildanleitung exakt befolgen. Wie ein Kronleuchter schaut das Ganze bald aus, bloß dass die Kerzen unten sind.
Das Wichtigste sind die goldenen Engel. Es sind vier inklusive dem Engel an der Spitze. Allesamt halten sie sich eine Trompete vor den Mund.
Drei Engelchen haben entlang der Flügel einen Schlitz, sodass man sie oberhalb der Glocken einhängen kann. Die dünnen Schlegel, die am Bauch der Engel befestigt werden, sollte man ihnen zuvor schon angehängt haben.
Über den Engelsköpfen wird das Windrad eingesetzt und ganz obenauf kommt der vierte Engel. Mit einem seiner Füße wird er an der Spitze verankert, sodass er aufrecht steht und in den Himmel hinauf trompetet.
Omas Engel schauen schon ähnlich ramponiert aus wie ihre Christbaumkugeln. An manchen Stellen ist das Gold nicht mehr glänzend. Wenn aber erst die Kerzen angezündet sind und die heiße Luft aufsteigt, klingen die Engel wie eh und je. Die dünnen Blechfiguren fliegen im Kreis und erzeugen feine Laute jedes Mal, wenn das Metallstäbchen die Glocken berührt.
Man hört es nur, solange es ringsum still und leise ist, so wie in Omas sicherer Höhle.
Aber bald schon ist es finster draußen und ich werde abgeholt.