Das Institut

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Klaus K.

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Das Institut

Er hatte es geschafft! Er hatte den Job! Er war fest angestellt! In dem neuen Institut, diesem absoluten Novum auf dem Gebiet der Forschung, dem "Institut zur Erforschung des Allgemeinwohls". Gründer war der aktuelle Leiter, Vorname "Scio", Nachname "Ut Nescio", also letzterer als Doppelname mit Trennung, aber ohne Bindestrich. "Ich weiß, daß ich nichts weiß", mehr bedeutete das nicht, und das war schon selten, ein derartiger Name, der letztlich nur exakt ein klassisches Zitat widerspiegelte.

Die Bewerbung war einfach gewesen. Der Chef legte anscheinend Wert auf nicht so vorlaute Überflieger, Trantüten wurden angeblich auch gerne mal als Mitarbeiter bevorzugt, da man von der Forschungsseite her hauptsächlich für die Regierung arbeitete. Nur Männer wurden eingestellt. Das war keine Diskriminierung gegenüber den Frauen, eher war es ein Kompliment. Der IQ von der weiblichen Bevölkerung war zwar im statistischen Mittel weit mehr als ein Jota besser als derjenige der Männer, aber die Gründungsväter hatten das so festgelegt. Es war ja auch nur ein "Institut", und keine klassische Universität. Also intern eher ein "Männerverein zur Erforschung des Zusammenspiels maskuliner Synapsen". Schauen wir also mal hinein.....

Es war eins von den unzähligen neuen "Instituten", die kein Mensch braucht. Und bei denen nur ein Depp nicht merkte, daß wenn zwei das Gleiche machen und dann zwei völlig konträre Ergebnisse dabei herauskamen, diese präsentierten Ergebnisse nur Humbug sein konnten. Hauptsache, die angeblichen Erkenntnisse wurden schnell und mit Nachdruck verbreitet, die Irritationen der Bevölkerung spielten dabei keine Rolle. Denn die Massen lechzten nach Information, die Verbreiter selbst prüften nicht nach, Hauptsache Sensationen unters Volk, der Wahrheitsgehalt war eher sekundär. Und nach ein paar Tagen fragte eh kein Mensch mehr danach, da lag längst Nachrichten-Frischfleisch auf dem Tisch, raus damit, bevor das Verfallsdatum erreicht war. Neue Schlagzeilen brauchte das Land, "eine headline, sei sie auch noch so unbedeutend und klein, sie muß in die Köpfe rein!" .-

Der neueste Forschungsauftrag lautete jetzt das soeben von der Regierung ins Leben gerufene "Karnevals-Ministerium" auf seine Nützlichkeit hin zu überprüfen, also ob es bei der Bevölkerung gut ankam. Das war nötig geworden, nachdem mal wieder nach der letzten Katastrophe sowohl die Regierung als auch alle nachgeschalteten Behörden kläglich versagt hatten. Der Atomunfall im Nachbarland hatte sich als dramatisch erwiesen und traf deshalb auch hier auf ein darauf völlig unvorbereitetes Terrain. "Damit konnte niemand rechnen", so die Polit-Profis. Die saßen jetzt erneut in ihren Sesseln, denn während des radioaktiven Fallouts waren sie ja in die für sie gebauten Bunker evakuiert worden.
Aber jetzt war wieder halbwegs Normalität im Land eingekehrt. Und dann wurde beschlossen, dieses "Karnevals-Ministerium" zu gründen.
Karneval vom 1. Januar an für alle, immer durchgängig bis zum 31. Dezember. Ein Novum speziell auch für die Bundesländer, die mit diesem vermeintlichen Vergnügen bislang noch nie etwas zu tun gehabt hatten. Blasmusik und Umzüge, dazu dümmliche Büttenreden, immer am Wochenende.

Er war auch dafür eingestellt worden, den Forschungsauftrag zur Akzeptanz dieses Vorhabens durchzuführen. Man hatte ihm noch einige Mitarbeiter zur Unterstützung unterstellt, und jetzt erhielt er die letzten Instruktionen direkt vom Chef.
"Also, Sie machen das! Ich will jede Woche einen Zwischenbericht von Ihnen, immer montags um acht auf meinem Schreibtisch. Das Projekt ist auf drei Monate angelegt, dann will die Regierung den Abschlußbericht sehen. Und, damit wir uns richtig verstehen, was Sie jetzt hören, haben Sie nie gehört, verstanden? Dieser Teil unseres Gespräches hat nie stattgefunden, verstanden? Klartext, die Regierung will eine Erfolgsmeldung, verstanden? Eine donnernde Erfolgsmeldung, daß unsere Bevölkerung den ganzjährigen Karneval großartig findet und davon restlos begeistert ist. Nichts anderes will ich sehen oder hören! Sobald Ihre ersten Zwischenmeldungen vorliegen, werde ich dann Ihren Kollegen instruieren, der für die Einschaltung der Medien verantwortlich ist. Und die blasen dann ins gleiche Horn, und wir haben eine konzertierte Aktion! Sie machen also vorher die Umfragen, quer durchs Land, Interviews, Reportagen,Bilder! Noch Fragen?"
"Gibt es ein Budget? Oder noch weitere Vorgaben?
"Das Budget spielt keine Rolle, und vergessen Sie die Frauen nicht, die sind natürlich wichtig! Das sind erst die Meinungsmacherinnen und dann die Multiplikatoren! Also, alles klar? Frisch ans Werk, und denken Sie daran, Sie sind noch in der Probezeit!"
"Gibt es einen Projektnamen, den Sie wünschen oder bevorzugen?"
"Projektname intern ist erst einmal "Karneval", das ist klar. Und vergessen Sie niemals, der zweite Teil unseres Gespräches hat nie stattgefunden! Die Übersetzung meines Nachnamens sagt es ja deutlich: Ich weiß von nichts! Und jetzt viel Erfolg!"

Also, Projekt Karneval. Er rief seine Mitarbeiter zusammen, entwickelte einen Aktionsplan "Wer macht was?", integrierte eine Zeitschiene "Welche Schritte sind bis wann zu erledigen?", verteilte die personelle Zuordnung, verteilte die finanziellen Mittel auf die einzelnen Aufgabenbereiche und motivierte seine männlichen Kollegen hinsichtlich des korrekten Umgangs mit den zu befragenden weiblichen Personen. Kurz, er machte genau das, worauf Millionen von Bürgern seit Jahrzehnten von ihrer jeweiligen Regierung warteten. Er managte. Volle Transparenz für jeden und jederzeit, vorher abgestimmte Aufgaben, eine Weichspülung der Ergebnisse durch die einschlägigen Medien war durch die simple termingebundene und nur interne Offenlegung der Fakten vorher unmöglich. Dazu kam die absolute Nachrichtensperre nach außen.

Ob man nun ein Land regierte oder ein Projekt durchführte, das Prinzip blieb gleich. Die Pfeifen und Versager an den höchsten Schalthebeln der Politik waren allerdings dazu nicht fähig. Das war hinlänglich bekannt. Ein Projekt "Aktions- und Ablaufplan der Regierung" gab es nicht. Ja, da müsste halt exemplarisch jeder Physiker, jeder Oberförster und jeder Studienabbrecher auch dazulernen. Damit wären im Prinzip also fast alle gewählten Abgeordneten betroffen. Wie managt man ein Land? Sicher schwierig, wenn man sich vorher z.B. nur mit der "Thomsonschen Schwingungsformel" befasst hatte und dann "Politik" machen durfte. Oder mit der Didaktik zur Vermittlung vom kleinen Einmaleins, und dann machen wir jetzt halt mal was ganz anderes, was ganz Tolles für Millionen. In der Politik heißt das "Ein Überhang-Mandat zur rechten Zeit, das schafft Freude und auch Heiterkeit!". Ganz gleich, wie doof man eigentlich war, Hauptsache Club-Mitglied, und der Goldesel nannte sich dann "Staat", oder "Brüssel" oder "ist egal".

Das Projekt startete also völlig gezielt mit einer sauberen und durchdachten Konzeption und der dazugehörigen Planung. Die ersten Ergebnisse waren jedoch niederschmetternd. Die Befragungen ergaben, daß die Bürger den lächerlichen Blödsinn von Beginn an durchschaut hatten. Ganzjährig Karneval? Die Interviewer waren bereits nach wenigen Tagen völlig desillusioniert.
Jeder Wochenbericht wurde zu einem Fiasko, der Chef Ut Nescio tobte.
"Was können wir da machen? Das nimmt uns die Regierung so nie ab! Das war dann unser letzter Regierungsauftrag, verstehen Sie? Wir können dichtmachen!"
"Selbstverständlich. Und das gilt es jetzt zu vermeiden. Was halten Sie davon, wir drehen den Spieß einfach um!"
"Wie meinen Sie das?"
"Na, wir deklarieren unsere Ergebnisse als genau das, was die Regierung erreichen wollte. Diese - unsere - Bevölkerung ist trotz des gerade überstandenen Desasters topfit, hellwach und in keiner Weise manipulierbar. Unsere diesbezüglichen Ergebnisse weisen das zu 99,8% glasklar aus. Die Ergebnisse des Versuchs, von mir aus auch des Tests, waren extrem erfolgeich. Die plumpe Täuschung mit einem Versprechen, für eine alternative ganzjährige Zerstreuung - selbstverständlich mit soziologisch-psychologischem Experten-Hintergrund zur Verarbeitung der Katastrophe - zu sorgen, das ist als gesellschaftliches Experiment gescheitert. Unser Land hat das Tal der Tränen durchschritten, die Bürger haben bewiesen, daß sie Herr der Lage sind. Na, wie klingt das? Was halten Sie davon?"
"Sie sind gut! Verdammt gut!"
"Danke. Aber Sie, Sie müssen das jetzt noch so der Regierung übermitteln! Das sollte aber an und für sich kein Problem sein, die werden sich freuen! Denn erstens können die die Kostenstelle "Karneval" jetzt schließen, zweitens können sie eine positive Botschaft unters Volk bringen und verkünden lassen. Sozusagen win-win für alle Beteiligten, nicht wahr?"
"Sie kommen dabei aber mit, Sie präsentieren das, zusammen mit mir!"

Eine Woche später klingelte bei Ut Nescio das Telefon. Sein Sekretär sagte nur "Chef, da ist das Kanzleramt dran..."
"Hier Ut Nescio, was können wir für Sie tun?"
"Herr Ut Nescio, sagen Sie, wie war noch mal der Name von Ihrem neuen Mitarbeiter?"
 
Zuletzt bearbeitet:

Hagen

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Hallo Klaus,
wieder mal ein bemerkenswerter Beitrag, den ich mit außerordentlichem Vergnügen gelesen habe.
Aber sollte man in diesem Fall nicht klein anfangen?
Ich denke da an ein 'Ministerium zu Pflege des Amtsdeutsch'.

Nun denn, in diesem Sinne, wir sehen uns in der ScheinBAR!
Zudem lesen wir uns weiterhin!
... und bleib' schön fröhlich, gesund und munter!
Herzlichst
Yours Hagen

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Falls Gott die Welt geschaffen hat,
war seine Hauptsorge sicher nicht,
sie so zu machen,
dass wir sie verstehen können.

Albert Einstein
 



 
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