Das Leben geht weiter

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Gamma6662

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Das Radio spielt traurige Musik. Ein Mann in Uniform tritt aus einer Ecke des Raumes. Zerzaust sieht er aus und mitgenommen. Etwas wankend stützt er sich auf einem Stuhl ab. Leise beginnt er etwas zu murmeln. Nach einigem Stocken, beginnt er laut von vorne.

„Ja, Kameraden, es stimmt. Wir haben eine Niederlage erlitten. Wir alle haben Dinge gesehen, die sich niemand vorstellen will. Wir haben diese Schlacht verloren.“

Er lässt den Stuhl los, drückt ihn dabei aber mit einer solchen Wucht von sich, dass er krachend zu Boden fällt.

„Aber so wie ein schlechtes Korn nicht das ganze Brot versaut, macht eine Schlacht noch keinen Krieg. Auch wenn der Feind uns noch so zahlenmäßig überlegen ist, so kämpfen seine Soldaten doch nicht aus eigener Motivation! Während Ihnen die Ideale, die Gründe zum Überleben fehlen, so kennen wir doch die Gründe, warum wir hier sind. Während diese aus Druck oder anderen niederen Beweggründen die Waffen ergriffen, so taten wir es aus freiem Willen, im Wissen, das Richtige zu tun. Ich weiß, jeder von euch hat seine eigenen Gründe, aber lasst mich euch von meinem Ideal erzählen, unserem Prinzen und Oberbefehlshaber Levin Sinnert. Auf ihm ruht mehr Verantwortung als auf jedem sonst in dieser Welt und trotzdem ist er in der Lage, für die gesamte Menschheit ein Licht der Hoffnung in finsteren Zeiten zu sein. Er ist mein Grund, warum ich kämpfen kann. Er ist der Grund, warum ich überleben kann. Und so wie ich hat jeder von euch seinen Grund. Und solange wir einen solchen haben, werden wir weiter kämpfen und weiter leben. Und solange wir weiter leben, können wir nicht verlieren. Dieser Krieg ist mit uns und auch mit mir persönlich verbunden. Solange ich lebe, geht dieser Krieg nicht verloren und solange Levin Sinnert lebt, lebe ich.“

Erschöpft sackt der alte Mann zu Boden. Die Musik hat schon länger aufgehört zu spielen, aus dem Radio ertönt nun eine weibliche Stimme.

„… und die Sonne wird uns noch die ganze Woche beglücken. Und nun zum Kalenderblatt. Heute vor fünfzig Jahren wurde Levin Sinnert zu Grabe getragen, nachdem der Prinz bei der Schlacht um die Stadt Warhet sich beim Sturz vom Pferd das Genick brach. Der große Deutungskrieg endete bereits zwei Monate später mit einer Niederlage der von ihm angeführten Gläubigen Truppen. Neue historische Fundstücke deuten mittlerweile kurioserweise daraufhin, dass Sinnert als Person nie existierte, sondern nur zu Propagandazwecken erfunden und von einem unbekannten Darsteller präsentiert wurde.“
 



 
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