Das Paddel

lietzensee

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Das Paddel

Zeit verlief hier anders. Nachher und Vorhin hatten sich mit dem Jetzt verknotet. Er blickte auf das Wasser. Die grauen Wellen hoben und senkten sein Kanu und der Wind blies Tropfen in sein Gesicht. Hier war sein Boot. Da war sein Paddel. Sie trennten vielleicht fünf Meter. Er beobachtete, wie Wind und Wellen diesen Abstand langsam vergrößerten.

Beim Paddeln spürte er den Druck in der Schulter, wenn er das Holz gegen die Wellen stemmte. Der Horizont schien sich weiter und weiter zu spannen. Zu Marie hatte er mal gesagt: „Ich paddel immer zurück zu dir.“ Doch wer konnte hier draußen schon Kurs halten.

Das Paddel war fast am Horizont verschwunden, nur noch ein Schatten, der in den Wellentälern schaukelte.

Das Paddel war zum Greifen nahe. Er beugte sich über den Rand, vorsichtig, vorsichtig, jetzt nur nicht das Gleichgewicht verlieren. Tropfen perlten von seinem Gesicht. Die Zeit verlief anders hier.

Er paddelte und paddelte. Aber dabei schien er nirgendwo mehr hin zu paddeln. Die grauen Wellen hoben und senkten sein Kanu und hinter dem Horizont kam immer nur neuer Horizont zum Vorschein. In plötzlicher Wut schrie er auf. Dann schleuderte er das Paddel in die Wellen hinein.

Schließlich musste er etwas tun und er tat etwas. Sein Körpergewicht auf dem Kanurand reichte, um ihn ins Wasser zu befördern. Er schwamm und prustete, bis er das Paddel erreichte. Er umklammerte das Holz. Dann stemmte er seinen Kopf noch einmal aus dem Wasser. Der Wind blies tropfen in sein Gesicht. Er fror. Zwischen den Wellen war das Kanu verschwunden.
 
Zuletzt bearbeitet:

steyrer

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Hallo lietzensee,
die Stellen: "Beim Paddeln spürte er den Druck in der Schulter" und "Er paddelte und paddelte" verlangen eine andere Zeitform, das Paddel ist zu diesem Zeitpunkt ja schon weg.

Schöne Grüße
steyrer
 

lietzensee

Mitglied
Hallo steyrer,
vielen Dank für Deine Nachricht und das genaue Lesen. Den Text hatte ich so gedacht, dass die Zeit zwischen den verschiedenen Absätzen hin und her springt.
Das ist mit dem Einstieg gemeint: " Zeit verlief hier anders. " Vielleicht könnte ich das noch deutlicher machen, indem ich zwischen Absätzen noch Leerzeilen mache. Aber das ist hier auf der Leselupe ja nicht gern gesehen.

Vielleicht kann ich auch den ersten Satz noch deutlicher machen: "Zeit verlief hier anders. Nachher und Vorhin begannen sich mit dem Jetzt zu verknoten."
Sowas in der Art. Was meinst du?

Viele Grüße
lietzensee
 
G

Gelöschtes Mitglied 14616

Gast
Hallo lietzensee,

mir gefällt dein Text, aber auch ich hatte beim Lesen dieselben Probleme und Fragen wie steyrer. Wenn es aber deine Absicht ist, zwischen den Zeiten zu springen, wären Leerzeilen vielleicht wirklich nicht schlecht. Was heißt In der Leselupe nicht gern gesehen? Wenn es für den Text, das Verständnis oder auch nur für deinen Stil notwendig oder zweckmäßig ist, dann ist es ja wohl dein gutes Recht als Autor, Leerzeilen einzubauen. Das wäre ja noch schöner ... aber das bezieht sich doch wohl eher auf unnötige oder nachlässige Leerzeilen etc.
 

lietzensee

Mitglied
Hallo Cellist,
vielen Dank für deine Antwort. Manchmal kann ich schwer abschätzen, was für andere Leute noch verständlich ist. Um das rauszubekommen, ist die Leselupe wirklich klasse.
Ich habe den Text jetzt noch mal überarbeitet. Die Leerzeilen habe ich auch reingesetzt. Ich bin mir aber noch nicht sicher, ob ich sie selber mag. Da werd ich noch mal drüber schlafen.

Was meint ihr?

Viele Grüße
lietzensee
 

steyrer

Mitglied
@lietzensee

Den Text hatte ich so gedacht, dass die Zeit zwischen den verschiedenen Absätzen hin und her springt.
Besser ist es ja jetzt, aber: Für so ein Durcheinander eignet sich eher ein Innerer Monolog oder Bewusstseinsstrom. Dann brauchst du auch nichts erklären.

steyrer
 



 
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