Das Teufelsauge

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Herbsthund

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Das Teufelsauge





Der Montagmorgen fing bescheiden an.
Ich fühlte mich schläfrig und erschöpft, obwohl ich sechs Stunden geschlafen hatte. Ich hatte irgendeinen Blödsinn geträumt – von Spionen und einem alten Modem, das sich partout nicht einschalten wollte.
Zur Abwechslung funktionierte im Büro das Internet nicht – irgendjemand hatte den Splitter geklaut, der mehrere Computer ans Netz anschloss. Der Techniker, der für sowas zuständig war, war wie vom Erdboden verschluckt. Also blieb uns nichts anderes übrig, als draußen zu rauchen und auf die Rückkehr dieses Rentnertechnikers zu warten wie auf die Wiederkunft Jesu.

Das mobile Internet funktionierte immerhin – ich konnte eine wichtige Arbeitsmail abschicken. Ob’s was gebracht hat? Natürlich nicht – niemand antwortete.
Alle schlichen nach den Ostertagen wie Zombies durch die Gänge und berichteten in kurzen Worten von ihren Urlauben.

Meine Arbeitsmotivation lag irgendwo bei 2 von 10 Punkten.
Seltsam, dass ich hier schon fast vier Jahre arbeitete. Der Job war weder besonders stressig noch besonders fordernd, aber es wirkte so, als kämen alle hier nur noch aus Gewohnheit – in der Gewissheit, dass es heute garantiert nicht besser wird als gestern.

Mein Handy summte mit einer fröhlichen Disco-Melodie. Endlich war jemand in der Zentralbibliothek aufgewacht!

Ich freute mich zu früh...

DAS AUGE DES TEUFELS KEHRT ZURÜCK! DU HAST NOCH 17 STUNDEN VORBEREITUNGSZEIT! FÜR NUR 450 € BEKOMMST DU 13 BAAL-MÜNZEN!!!
DAS ANGEBOT GILT NUR BIS ZUR ANKUNFT DES TEUFELSAUGES!!! DEINE WELT IST EIN SCHLAMMBALL DER RANGSTUFE F!
80 % DIESER WELTLOOSER WÜRDEN NICHT MAL 3 STUNDEN ÜBERLEBEN, WENN DIE INFERNALE INTEGRATION BEGINNT!!! ZÖGERE NICHT!!!

Von allen seltsamen Spam-Mails, die mir jemals versucht hatten, unnötigen Kram zu verkaufen, war das die bizarrste.
Wahrscheinlich eine besonders kreative Variante von „Kauf doch einfach nen Ziegelstein“.

Die Stunden zogen sich ewig. Ich lief herum, rauchte, aß Salat...
Der Techniker fand schließlich den Splitter. Das Internet funktionierte für eine ganze Stunde wunderbar – und verschwand dann im ganzen Gebäude.
Die Flüche meiner Kollegen übertönten fast den Streit betrunkener Bauarbeiter.
Alle drehten durch.
Der Techniker brüllte, das seien Probleme mit dem Netzwerk der ganzen Stadt, die anderen schrien, er sei ein Idiot und dass man stattdessen lieber eine Katze für seinen Job einstellen sollte – das würde die Effizienz sicher noch steigern.
Ich hatte keine Kraft mehr für diesen Zirkus, schnappte mir meinen Rucksack und machte mich langsam auf den Heimweg.


Irgendwas lief hier verdammt schief...
Die Sonne wärmte angenehm, die Blätter der Bäume raschelten im Wind.
Vielleicht hätte ich wirklich etwas ändern sollen.
Raus aus der Stadt, an einem See im Wald sitzen, vielleicht sogar einen Hund oder eine Katze adoptieren?

Auf dem Heimweg starrte ich immer wieder aufs Handy.
Die Flut an Nachrichten riss nicht ab.
Alle paar Minuten kamen neue Angebote zu „Systemen“, „Karmasammlung“, „Dimensionstore öffnen“, „Waffen der Schicksalsmeister“.

Die Leute auf der Straße wirkten... seltsam.
Manche standen einfach da und starrten wie hypnotisiert auf ihre Handys.
Eine Frau, noch relativ jung, stand auf dem Gehweg und fuchtelte mit den Armen in der Luft herum – als würde sie versuchen, etwas Unsichtbares zu greifen.
Ein älterer Mann am Kiosk redete wirr mit sich selbst:

— Ich nehme die Klasse Krieger an! Ich nehme Feuermagie an!

Als ich an ihm vorbeiging, spürte ich eine seltsame Hitzewelle – als wäre die Luft um ihn herum erhitzt.
Aus der Ferne drang ein Heulen zu mir, aber es war keine Polizeisirene, auch kein Krankenwagen – es klang... wie das dumpfe Dröhnen eines antiken Holz-Horns, bedrohlich und leer.

Plötzlich wurde mir klar, dass all das, was ich bisher für Unsinn gehalten hatte, langsam in die Realität drang.
Mein erster Gedanke war:
„Ich hätte diese Teufelsmünzen kaufen sollen...“

Der zweite:
„Ich muss hier raus, aus der Stadt, solange es noch geht.“

Mein Handy vibrierte wieder – 13 neue Angebote:
Münzen, Zauberstäbe, Äxte, Schwerter, Rapiere, Rüstungen, Bögen... Sogar Skills: Psionik, Magie, Wunder, Schamanismus.
Dazu körperliche Fähigkeiten: Kneipenschläger, Türsteher, Akrobat.

Ich setzte mich besorgt auf eine Parkbank.
Ganz ruhig, Alter, das ist irgendeine bekloppte RPG-Werbung.
Ingame-Gegenstände kaufen. That’s it.
Da ist nix Mystisches.
Würde dir das jemand am Hauptbahnhof erzählen, würdest du nur den Kopf schütteln und weitergehen...

Beruhigt ging ich nach Hause.
Die Welt dreht durch: Brexit, Corona, Kriege – Dinge, die es eigentlich nie hätte geben sollen. Seltsam: Als ich etwa zwölf war, erzählte ein schrulliger, redseliger Alter meiner Mutter und mir von einer Frau, die prophezeit hätte, dass Russland untergeht und Millionen sterben würden. Wahrscheinlich fuhren wir gerade nach Palanga...


Leckeres Eis, Sonne, Wind, Fotos mit einem rosafarbenen Plüschflusspferd. Das war so lange her.
Wir haben diese kleinen, schönen Momente nie wertgeschätzt.
Wir hatten es gut – und wussten es nicht.

In der Nacht schlief ich unruhig.
Ich träumte, der Himmel über der Stadt sei wie eine Eierschale aufgebrochen, und daraus fielen lange, schwarze Seile herab, die bis zum Boden hingen.
Ich wachte mehrmals schweißgebadet auf, aber mein Verstand flüsterte:

— Unsinn, Alter. Du hast einfach zu viel Salat gegessen.

Am Morgen stand ich auf, kochte mir Kaffee.
Im Flur stolperte ich über die Post – irgendeine Zeitung, obwohl ich seit einem halben Jahr keine mehr abonniert hatte.

Auf der Titelseite stand in knallroten Buchstaben:

„INFERNALE INTEGRATION: STUFE 1 AKTIVIERT. BEREITMACHEN.“

Ich starrte die Zeitung an, und spürte, wie sich wieder dieses seltsame, saure Unbehagen in mir ausbreitete.
Wo eigentlich die Wettervorhersage sein sollte, waren keine Sonnen- oder Regensymbole – stattdessen Flammen, Totenschädel, Blitze.

Ich blickte aus dem Fenster.
Die Straße sah fast normal aus – nur... gingen die Leute seltsam.
Einige trugen Rüstungen, andere seltsame Hüte oder Umhänge.
Ein Mädchen trug einen glitzernden Stab, von dem blaues Licht ausging.
Die Passanten sahen einander an, manche begrüßten sich mit seltsamen Handgesten – wie Mitglieder einer alten Bruderschaft.

Und dort, am Ende der Straße, stand etwas Unfassbares:
Ein Wesen, so groß wie vier Menschen, mit einem Hirschschädel als Kopf.
In seinen Händen hing eine riesige Axt, von der dunkle Flüssigkeit auf den Boden tropfte.

Ich erstarrte.
Meine Finger umklammerten die Kaffeetasse so fest, dass sie mir aus der Hand glitt und auf dem Boden zerbrach.

Ich schrie innerlich:

„Ich brauche einen Hund. Ich brauche heute einen Hund.“

Die Welt war endgültig verrückt geworden.
Und ich, Dominik – ein Mensch, über den einst in der Schulakte stand, dass er „hervorragendes philosophisches Denken“ besäße – stand da wie ein Idiot und dachte, ich bräuchte einen Hund.

Als könnte so ein pelziges Vierbein irgendetwas ändern, wenn auf den Straßen hirschköpfige Riesen herumlaufen und Zeitungen Höllen-Level statt Wetter anzeigen.

So gut ich konnte, sammelte ich mich, lief in den Flur, zog meine Schuhe an. Mein genialer Plan: Gehen, bis ich irgendwo einen normalen Menschen finde.


Den Hund würde ich mir später zulegen – falls es dann noch ein Gesicht gäbe, das sich zu lecken lohnt.

Draußen roch die Luft nach heißem Metall.
Die Blätter der Bäume raschelten, obwohl kein Wind ging.
Manchmal blitzten auf dem Bürgersteig seltsame Zeichen auf – wie Schatten oder Hologramme, die ich nicht vollständig erfassen konnte: Türen ins Nichts, rote Kreise, die irgendetwas markierten...

Einige Passanten waren bereits vollständig verwandelt:
Ein Typ in Lederrüstung, barfuß und mit zwei Hauerzähnen, schrie etwas über ein „Donner- Amulett“ und wollte es gegen ein Sandwich eintauschen.
Eine Frau hatte Katzenaugen und trug einen grünen, zusammengefalteten Bogen.

Ich versuchte, auf den Boden zu schauen.
Wenn man den Wahnsinn nicht sieht, dann... Wenn du den Wahnsinn nicht siehst, wird er dich vielleicht auch nicht sehen.

Doch irgendwo um die Ecke holte mich eine vertraute Stimme ein: — Dominykas, lauf!

Ich drehte mich um.
Es war Monika – einst Kollegin in der Buchhaltung, immer eingezwängt in graue Blazer.
Jetzt trug sie eine Rüstung wie eine Ritterin, ein riesiges Schwert auf dem Rücken und leuchtende Zeichen auf der Stirn.

— Was zum Teufel ist hier los?! — rief ich.
— Das Spiel hat begonnen, Dominykas! Die Höllenintegration ist gestartet! Wer ein Level hat, überlebt. Wer keins hat, wird zur Beute.
— Ich hab ja nicht mal ein Level! — wimmerte ich, als hörte ich zum hundertsten Mal von Korruption und steigenden Strompreisen.
— Darum musst du es dir schnell holen.

Sie trat vor, zog einen kleinen schwarzen Kugel hervor, die innen geheimnisvoll glühte. — Halt den. Wähle jetzt eine Profession.

Verwirrt nahm ich die Kugel. Sie war so warm, als käme sie direkt aus dem Leib eines lebendigen Wesens. Langsam formten sich in ihrem Inneren die Worte:

WÄHLE EIN Beruf: Hexenmeister Zauberer Klassenschläger Wanderer Straßenmagier



Wir eilten mit schnellen Schritten aus der Stadt. Der Gedanke an den Wald war nicht schlecht, aber der nächste lag siebzig Kilometer entfernt. Das Häuschen meines Großvaters war viel näher – nur sechs Kilometer von der Stadt entfernt. Die Welt hatte sich nicht verbessert, es regnete Blut und Kröten. Ich wollte glauben, ich träume, ich kniff mir sogar in die Wange, um aufzuwachen, doch nichts änderte sich: Die Menschen kämpften gegen grotesk mutierte Versionen ihrer Freunde und Kollegen. Ich rannte los, zum Glück hääten manche Mutanten Angs vor Monikas Schwert.In Rekordzeit erreichten wir die Hütte. Dort sollten ein paar Birken wachsen, und die Wiese war angelegt, aber es sah aus, als kämen wir in einen jahrhundertealten Wald. Das Gras reichte bis zu den Knien. Alles wuchs...

Meine Kleidung klebte am Körper vor Blut. Fluchend riss ich Hemd und Jeans ab. Monikas Rüstung blieb sauber, aber Haare und Gesicht sahen grauenvoll aus. Murrend ging ich unter die Dusche, wusch zwanzig Minuten lang das eingetrocknete Blut ab. Das kalte Wasser verbesserte meine Stimmung nicht. Der Boiler war seit einem halben Jahr kaputt, es schien sinnlos, einen neuen zu kaufen. Ich verbrachte in der Hütte ohnehin nur drei Wochenenden im Jahr. Meine Kollegen verstanden nicht, warum ich dafür Strom zahle in dieser moosbewachsenen Bude. Ich weiß nicht – schwer, eine Ruine am Stadtrand zu verkaufen – und doch war dieses Häuschen wie ein Faden in die Vergangenheit. Sentimentalitäten hatten in der neuen Welt ihren Wert verloren.

Auf dem Sofa sitzend schaltete ich den Fernseher ein. Natürlich rief eine Journalistin, bewaffnet mit Pfeil und Dolch, das aus, was ohnehin klar war: Die Welt hat sich auf den Kopf gestellt. Manche Menschen waren vergessen und zu dämonischen Kreaturen geworden, andere hatten Münzen und Levels erhalten. Diese „Glücklichen“ kämpften auf den Straßen oder flohen aus der Stadt... Monika wusch ihre Haare, und ich wusste nicht, was ich sagen oder denken sollte. Im Wald konnten wilde Bestien lauern; in einem Bericht waren Haustiere zu muskulösen, stacheligen Monstern mutiert. Die Flucht aus der Stadt war nur eine vorübergehende Lösung. Euronews und CNN bestätigten, was ich ohnehin schon ahnte: Diese „Integration“ fand weltweit statt.

In diesem Gemetzel brauchte man schnelle, entschlossene Entscheidungen, Menschen, die handelten und nicht in Panik verfielen. Zugegeben, wenn das Internet funktionierte nicht mehr, das war mir schon zu viel. Weltuntergang – nicht mein Ding. Ich wollte einfach in Ruhe Bücher lesen, Serien und Filme schauen, ab und zu die Xbox anschmeißen und ein harmloses Spiel zocken. Vor dem ganzen Wahnsinn hatte ich keine Illusionen, eine einzige globale Krise zu lösen. Die Leute redeten viel über Klimawandel und Zukunft. Aber waren sie dabei erfolgreicher als ich?

„Dominik, warum bist du vor einem halben Jahr nicht zu meiner Party gekommen? Erinnerst du dich an die Einweihungsfeier in meiner neuen Wohnung?“
„Keine Ahnung, ich wollte einfach die Serienpremiere auf Paramount anschauen. Was macht das jetzt für einen Unterschied?“

„Alle anderen waren da, und du warst nur in zwei Anlässen auf fast vier Jahre verteilt...“

Monika überraschte mich: Sie interessierte sich dafür, warum ich nicht zur Einweihung einer Dreizimmerwohnung gekommen war, während die Welt von den Schienen gesprungen war und Blut in Strömen floss.
„Monika, wolltest du wirklich, dass ich komme? Entschuldige, falls das beleidigend klang, aber verdammt – wir treffen uns doch am Kaffeautomat in der Küche, du erzählst mir von deinen Setzlingen. Ich schaue halt Filme und Serien am Wochenende. Ich hätte nie gedacht, dass du merkst, dass ich nicht da war.“
„Reagiere nicht so empfindlich“, sagte sie. „Es wäre einfach schön gewesen, wenn du mit allen zusammen über Martins betrunkenen Geschichten gelacht hättest.“
Wenn ich darüber nachdenke, kannte ich doch keinen einzigen Kollegen wirklich, mit dem ich acht Stunden am Tag verbrachte. Ja, ich wusste, wer Setzlinge züchtet, wer Gras raucht, ich wusste, dass Martins sich bei jeder sich bietenden Gelegenheit bis zum Umfallen besäuft... Ich scrollte Herzen unter ihre Urlaubsfotos. Ich wusste von Dariush’ Scheidung und davon, dass Meg sich ein neues Haus am Stadtrand gekauft hatte. Ich wusste nur Oberflächlichkeiten, sie über mich noch weniger. Meine Urlaube verbrachte ich zu Hause: mal in der Bude, mal auf Wanderungen. Die Zahl meiner Bilder in den sozialen Medien war gering... Ich war ein seltsamer 34-Jähriger, der nicht mehr in Bars und Clubs ging. Mit 20 habe ich meistens allein gesoffen. Ich dachte immer: Ab morgen wird alles anders.

Die Jahre vergingen, Freunde zerstreuten sich nach England, Skandinavien. Kollegen und flüchtige Bekannte schienen zumindest zu glauben, sie lebten interessant.
„Monika, ich habe ein sehr langweiliges Leben geführt. Selbst wenn ich zu der Einweihung gekommen wäre, hätte sich nichts verändert...“

„Vielleicht... vielleicht hast du recht. Aber weißt du, wir alle versuchen uns anzupassen an etwas, das uns normal erscheint, auch wenn es nicht unser wahres Leben ist. Alle um uns herum leben aktiv, erreichen etwas, mischen mit in der Welt, aber vielleicht merken sie selbst nicht, dass sie auch etwas Größeres suchen. Und du musst dich nicht schlecht fühlen, weil du nicht ‚interessant‘ gelebt hast. Wir alle haben unseren eigenen Weg und unseren eigenen Rhythmus. Manche haben keine Zeit, die einfachen Augenblicke zu schätzen, weil sie zu sehr vom Trubel der Welt vereinnahmt sind.“

„Klingt banal, aber man kann nicht erwarten, dass wahre Tiefsinnigkeit aus labberigen Phrasen entsteht... Positive Wahrheiten sind abgedroschen. Du profitierst nur so viel davon, wie du selbst daran glaubst.“
„Ich weiß... Was uns über das Leben erzählt wird, sind oft nur Worte ohne wirkliche Bedeutung, weil das Leben nicht aufzuhalten und nicht in Schablonen zu pressen ist. Vielleicht ist es das Einzige, nichts von dem zu erwarten, was ‚gut‘ sein sollte, wie es ist, um nicht unter all dem zu zerbrechen.“

„Aber vielleicht reicht es, einfach anzunehmen, was ist, und sich hinzugeben. Denn es scheint keinen anderen Weg zu geben. Wenn alle Versuche, etwas zu ändern, aufhören, entsteht Platz für das Wahre. Niemand von uns sollte gezwungen werden, etwas zu glauben, das ihm banal erscheint. Oder sich selbst zu belügen“, – ihre Stimme war ruhig, ohne Klagelaut oder erfundene Antworten.

„Ich glaube, du willst nichts glauben, vielleicht nicht mal an dich selbst... Aber das ist gut. Denn wenn ein Mensch aufhört, an alles zu glauben, an was er immer glaubte, fängt er vielleicht an, nach dem zu suchen, was wirklich zählt.“

Das war eine Wahrheit, für die Monika bereit war. Vielleicht nicht immer gut ausgedrückt, aber klar war: Sie schätzte nur das, was bleibt, wenn alle Masken und Lügen abfallen. Ich öffnete den Kühlschrank, nahm zwei Dosen Bier heraus, öffnete eine, goss das Gerstengetränk in einen Tontopf. Monika folgte meinem Beispiel. Nicht der schlechteste Weg, auf das Ende der Welt zu warten – ich


schaltete den Fernseher aus und Youtube Synthwave-Musik ein. Ich fragte mich, wie lange wir noch Internet und Strom haben würden.

Monika trug immer graue Kostüme und erdfarbene Blusen, ihr Haar war zu einem stählernen Dutt hochgesteckt – sie sah jeden Tag aus wie eine Geographie-Lehrerin in einer schlechten Komödie. Jetzt, mit offenen Haaren, in grüner Bluse und Jeans, sah sie ganz hübsch aus. Plötzlich wurde mir klar, dass sie wahrscheinlich ein bisschen jünger war als ich. Dieses Outfit ließ sie um ein Jahrzehnt altern.

„Monika, wie alt bist du?“
„33, und?“
„Nichts, wusste nur nicht, wie alt du bist.“

Wir tranken Bier, und ich weiß nicht, wann wir eingeschlafen sind. Eine Stimme des Systems durchbrach die Stille. Sobald wir die Ankündigung hörten, sprangen wir erschrocken vom Sofa auf, ohne nachzudenken. Die Becher mit dem letzten Schluck Bier klirrten auf den Boden, unser Herzschlag hämmerte in der Brust wie ein Vorschlaghammer.

„ZWEIKAMPF“... „Waldkönig“...

Der Name klang absurd – wie aus einem Kindermärchen – doch sofort wussten wir: Das hier wird weder niedlich noch lustig. Monika griff instinktiv nach ihrem Schwert, das an der Tür lehnte. Ich ergriff die alte Jagtaxt in der Ecke, die ich eher aus Sentimentalität als aus praktischer Überlegung aufbewahrt hatte.

Draußen im Garten – inzwischen ein dschungelartiges Dickicht aus dichtem Grün – zeichnete sich langsam eine Silhouette ab: ein riesiges, mit Ästen und Rinde behangenes Geschöpf, dessen Körper aus alten Wurzeln, Moos, Baumstämmen und einer lebendigen Masse zu bestehen schien. Seine Augen waren so dunkel wie die Mitternachtsnacht und starrten direkt auf unsere Hütte.

Der Systemtext leuchtete vor unseren Augen:

✦ Zweikampf aktiviert.
✦ Regeln: Flucht verboten.
✦ Sieg belohnt mit Levelaufstieg + seltene Fähigkeit. ✦ Niederlage: Eliminierung.

Monika sah mich einen Moment lang an. Die Augen, die ich sonst nur hinter Brillengläsern und ordentlicher Frisur sah, brannten jetzt mit einer wilden Entschlossenheit.
„Wir müssen kämpfen“, sagte sie, und ihre Stimme war erstaunlich ruhig.

Ich nickte.
Es gab keinen Ausweg.
Keine Zeit für Klagen.
Nur wir zwei... gegen den „Waldkönig“.

Der Waldkönig machte den ersten Schritt – die Erde bebte, als sein massiver Fuß (wie ein Baumstamm) aufschlug. Sein Körper knackte, splitterte, und aus seiner Brust drang heißer Dampf, als wäre eine alte Sauna in Betrieb. Monika stellte sich leicht links von mir auf und hielt ihr Schwert mit beiden Händen. Ich umklammerte die Axt, mein Atem ging schwer, Schweiß rann kalt meinen Rücken hinab.
Ohne wirklich zu wissen, was ich tat, stürmte ich wie ein wütender Eber vor, hieb ihm in das Knie. Monika stieß mit dem Schwert zu. Der grüne Koloss war groß und stark wie drei Ochsen, aber er war zu langsam. Monika zögerte nicht, stieß ihr Schwert immer wieder – grünes Blut spritzte überall. Ich hackte an seinen Beinen mit der Axt; seine Schläge prallten an Monikas Rüstung ab. Ich war zu schnell, er berührte mich nicht. Das Ungeheuer taumelte und verstummte für immer, seine Beine lagen abgetrennt daneben, Fäulnis trat aus den Wunden – so muss sich ein verwesender Elch nach einem harten Arbeitstag fühlen. Wir hatten auf wundersame Weise gewonnen. Ohne Monika wäre ich gestern wohl schon tot oder, schlimmer noch, selbst zu solchen Monstern geworden – wie der arme Clemens, unser immer mürrischer IT-Techniker...

Ich setzte mich auf eine Bank. Erst jetzt wurde mir klar, dass es in der ganzen Stadt, vielleicht sogar im ganzen Land, keinen einzigen Clemens, Alfons oder Jeronimo mehr gab... Ich könnte der letzte Dominik auf dem Planeten sein. Mit zitternden Händen zündete ich mir eine Zigarette an. Was sollte ich tun? Die Hütte war nicht sicherer als die Stadt. Das System verlangte nach Zweikämpfen – , neue Waldkönige würden kommen oder etwas Schlimmeres.

Plötzlich sprang vor mir ein holografisches Display auf:

Dominykas Žvirblis
KlassenSchläger
Level 2
Fähigkeiten: Akrobat, Barfriedenskämpfer Baal-Münzen: 2

Auszeichnungen: Betrunkener Meister oder 100 Exp

„Betrunkener Meister“ klang großartig und passte zum Akrobaten und Schläger. Nach einem weiteren Signal erschien ein zweites Fenster:

Wähle einen zusätzlichen Bonus, Dominykas Žvirblis:

Betrunkener Meister

Alkohol ist nicht deine Schwäche, sondern dein Vorteil. Wenn du getrunken hast, erhältst du +2 auf Angriff und Verteidigung im Nahkampf, aber –1 auf geistige Aktionen.
(Voraussetzung: Mindestens eine Bierportion pro Kampf)

Schneller Schlag

Einmal pro Kampf kannst du als freie Aktion einen zweiten Angriff ausführen, beide Angriffe jedoch mit –2.

Überlebenswille

Einmal am Tag, wenn deine Lebenspunkte auf 0 fallen, kannst du noch eine Runde lang handeln, als wäre nichts geschehen.

In deiner Tasche – 2 Baal-Münzen
Einlösbar für: Seltenen Gegenstand aus dem Schwarzmarkt Einmalige Hilfsanforderung (Drohne, Heilung oder sogar Bombe) Klassentausch


Monika beobachtete still meine Reaktion, das lange Schwert immer noch in der Hand, die Arme noch leicht zitternd. Es schien, als hätte auch sie ein Angebot erhalten, doch noch nicht gewählt.

Fähigkeit: Betrunkener Meister

+2 im Nahkampf (Angriff und Verteidigung), wenn du getrunken hast. –1 auf geistige Aktionen.
Voraussetzung: Mindestens ein alkoholisches Getränk pro Kampf.

Schwarzmarkt – seltener Gegenstand (1 Baal-Münze):

Gürtel des Säufers

Mit integriertem Flaschenhalter und 3 „Bierflüssigkeits“-Kapseln.
Jede Kapsel kann als kostenlose Aktion getrunken werden (eine pro Runde).
Trinken: Aktiviert automatisch den Effekt „Betrunkener Meister“ für eine Runde.
Täglich nur über spezielle „Bierhähne“ nachfüllbar (meist in Bars oder verlassenen Schenken).

Monika blickte mich an:
„Na, Schläger, jetzt bist du der wahre Barfriedenskämpfer der Apokalypse...“, lächelte sie unerwartet warm. „Mir scheint, das System spricht mit dir auf eigene Weise.“

Diese seltsame Frau – Monika konzentrierte sich auf Kleinigkeiten, die nichts veränderten, ein positiver Denkansatz, um sich selbst einzureden, dass nicht alles so schlimm sei. Wir mussten vorerst in der Hütte bleiben, während draußen in den Straßen des Stadtrands das Grauen mit Hirschgeweihen umherschlich. Mit diesem Sieg erkauften wir uns etwas Zeit. Was ist das Ziel des Systems? Uns alle auslöschen? Warum dann diese Spielelemente, Fertigkeiten? Einfach Mutanten auf die Zivilisten loslassen, und alles wäre in Stunden beendet. Irgendetwas hatte ich nicht begriffen: Wozu all das? Ein Spielziel ist es, zu gewinnen – aber damit jemand gewinnt, müssen andere verlieren. Und damit es spannend bleibt und nicht nur einseitige Massaker sind, erhielt man Fähigkeiten? All das wirkte dumm. Um ein System zu schaffen und die halbe Menschheit in Mutanten zu verwandeln, braucht es technologische oder magische Ressourcen?

– „System, was ist das Ziel dieses Spiels?“
– „Gewinnen: Menschen gegen meine erschaffenen Mutanten. Ja, dieses Spiel kostet immense finanzielle, technologische und magische Ressourcen.“
– „Ein Spiel benötigt Ressourcen. Aber das Reich der Hölle hat im Überfluss. Ausgaben? Unsinn. Unterhaltung lohnt sich mehr – Millionen Baal-Münzen wechseln innerhalb einer Woche den Besitzer. Durchschnittsmenschen können mit einer guten Wette reich werden. Das Imperium liebte dieses Spiel, als deine Vorfahren Biber für ihr Frühstück jagten!“

Mir war zum Weinen zumute: Wir waren Reality-Show-Teilnehmer, nur dass wir statt dummer Aufgaben und Anrufen am Ende um unser Leben kämpften. Offensichtlich eine mächtige Zivilisation, der Menschenleben ein paar Münzen wert sind.

– „Wenn die Menschen gewinnen? Was passiert dann?“
– „Diese Spielphase endet. Die zweite Phase beginnt in 27 Tagen. Bisher diskutieren Spielmeister und Aristokraten über den Ablauf der nächsten Phase.“

Es blieben keine Fragen mehr. Wenn ich bis zur zweiten Phase überlebe, geht das Grauen weiter. Die Spielmacher können eine dritte Phase ansetzen. Wir sind Spielzeuge, und unsere einzige Hoffnung ist, dass die Neuen bald langweilig werden. Oder der Nervenkitzel steigt, die Einsätze wachsen, bis nur noch Ruinen und Leichen die Erdoberfläche bedecken. Wenn es Überlebende gibt, erhalten sie vielleicht einen Preis. Doch mit diesem miesen Preis müssen sie auf einem Planeten ohne Infrastruktur leben. Mit einem miesen Preis auf einem Planeten ohne Infrastruktur und Zukunft zwischen Trümmern. Werden wir ins Steinzeitalter zurückkatapultiert? Gewinner? Vielleicht? Aber diese Gewinner werden Ratten essen und in Ruinen schlafen. Wir werden nicht ins Steinzeitalter zurückkehren – wir werden die Gespenster des Steinzeitalters sein.
Plötzlich begann Monika zu weinen. Nicht einmal sie konnte leugnen, dass wir in der Falle saßen .Niemand würde uns retten oder verschonen. Es blieb nur zu spielen?

Ich riss ein altes Brett aus der Wand – den Unterschlupf, in dem ich fünf Jahre lang Johnny Walker Black aufgehoben hatte. Ich hatte immer gedacht: Vielleicht, wenn es eine Beförderung gibt, einen neuen Job, die Liebe... Vielleicht, wenn sich die Freunde endlich in der Hütte versammeln, nicht nur leere Versprechen. Aber diese fünf Jahre waren dahin. Das Glück hat nie in meinem Hof gehalten. Jetzt bin ich nur noch ein weiteres Objekt in der Wettbüro-Liste. Ein Hund auf Hasenjagd.

Warum habe ich nie einen Hund angeschafft? Ich hatte Zeit. Stattdessen – Bier, Serien, Forza Horizon auf der Xbox. Nie habe ich Monika eingeladen. Auch Martins nicht. Ich goss alles in alte Gläser mit komischen Blattmustern – vielleicht für Saft, vielleicht für billigen Schaumwein. Aber was ändert das?

Das hier ist keine Feier. Das hier sind Beerdigungsriten.
 
Zuletzt bearbeitet von einem Moderator:

marcm200

Mitglied
Eine dystopische Geschichte, im Großen und Ganzen flüssig geschrieben und mit einem sehr guten Lektorat.

Am Ende beschreibst du den Kampf gegen das grüne Monster recht ausführlich. Das gefällt mir. So etwas hätte ich mir beim Lesen auch gewünscht, als der Protagonist zur Waldhütte ging, also nicht nur "ein Mädchen trug einen Zauberstab", und dann die nächste Sache kurz beschreiben.

Ich hatte beim Lesen den Verdacht, dass es sich nur um einen Traum handelt, aber dem scheint ja nicht so zu sein. Das ist auch besser so, so bleibt die Story reale Handlung.

Ich kenne mich mit Rollenspielen nicht aus, aber du sprichst gegen Ende von "Zweikampf", dann aber kämpfen Monika und Dominik zusammen gegen das Monster. Entspricht das den Regeln?

Ein paarmal ist die Rede von "Dominykas" - ich vermute, das ist der ihm gegebene In-Game-Spielername, oder? Das war mir jetzt beim Lesen nicht sofort klar.

Den Fokus auf Alkohol und später den Titel "betrunkener Meister" finde ich eher albern. War deine Absicht, einen absurden/komischen Kontrast zur Ausweglosigkeit der generellen Lage zu bringen?

Generell konzentriert sich die Story ja sehr auf das Innenleben des Protagonisten. Die Welt selbst kommt mir daher gar nicht so bedrohlich vor, es wird ja nur öfters von Monstern gesprochen, und eine lebensbedrohliche Situation entsteht erst zum Schluss. Um das klarer zu machen, könnte man beim Weg zur Hütte vielleicht etwas Dramatisches einbauen.

Planst du, diese Geschichte auszubauen, um so eine ganze Welt zu erzählen, d.h. diese Story hier auszuschmücken?



Stilistische Dinge:

- Satzlose Kurzaufzählungen "Leckeres Eis, Sonne, Wind..." finde ich persönlich unschön. Das klingt sehr abgehackt, zumal es nicht nur einmal vorkommt.

- Die Aufzählung der zusätzlichen Fähigkeiten beim Levelaufstieg ist mir zu lang. Da dies hier keine Rolle spielt, würde ich es eher stark kürzen, zumal Monika einen Teil ja auch direkt danach erneut anspricht.

- "damit es spannend bleibt ... erhielt man Fähigkeiten". Den Zeitenwechsel würde ich nicht machen, aber das ist vielleicht einfach Geschmackssache.

- "WäHLE EIN Beruf:" - war dies Absicht? Sprachlich müsste man ja "einen Beruf" schreiben. Ich denke aber, als Seitenhieb(?) auf automatische Übersetzungen (es wird im Text ja öfters von unzuverlässigem Internetzugang gesprochen), die nicht selten komisches Zeugs hervorbringen, passt es aber gut rein. Oder interpretiere ich da zuviel?

- Aus welchem Grund verwendest du verschiedene Symbole für direkte Rede?
'— Was zum Teufel ist hier los?! — rief ich.'
'„Monika, wolltest du wirklich, dass ich komme..."
 

jon

Mitglied
Lieber marcm200,

"und mit einem sehr guten Lektorat." – das ist doch ein Schreibfehler oder eine schiefgegangene Auto-Ergänzung, oder?
 

marcm200

Mitglied
Hallo jon,

nein, den Satz wollte ich schon so schreiben. Was stört dich daran? Das "mit"? Klar, "nach" ginge auch. In meiner eher umgangssprachlich formulierten Rezension waren beide für mich an dieser Stelle aber sinngleich. Und "mit" kam beim Schreiben eben zuerst aus meinem Kopf raus :)
 

Herbsthund

Mitglied
Teufelsauge 2

Der Fernseher schaltete sich von selbst ein. Ein Panasonic von 2014 sollte solche Späße nicht treiben. Der Bildschirm flackerte kurz, bis schließlich die angenehme Musik einer abendlichen Talkshow ertönte. Zunächst wirkte alles noch halbwegs normal – ein großes rotes Sofa, eine Band mit Bläsern und Gitarren. Doch bald darauf veränderte die Moderatorin alles. Ihre Haut war saphirblau, ihr Anzug wirkte wie Reptilienleder, und anstelle von Schuhen trug sie vergoldete Hufe. So brach die Teufelin in den Abendprogrammsalon ein. Sie lächelte und entblößte ein Maul voller scharfer Fangzähne. Ihre Finger glichen den Krallen eines Luchses, in knallpink lackiert. Die Hörner auf ihrer Stirn waren klein, fast dekorativ, mit filigranen Goldverzierungen. Die Studiotüren öffneten sich, und ein Mann betrat den Raum – in violettem Hemd, grauer Hose, seine dichte Matte aus grauem Haar verbarg teilweise Hörner. Aus seinem Ohr, das unter den Haaren hervorlugte, schälte sich eine Form wie die eines Fledermausohres. Er versteckte jedoch seine Hufe in knöchelhohen Stiefeln aus Schlangenleder. Die Moderatorin und er umarmten sich, als seien sie alte Freunde, die sich völlig zufällig wiedertreffen.

Erst jetzt fiel mir auf, dass die Bandmitglieder glasige Augen hatten – sie wogten hin und her und murmelten etwas vor sich hin. Die Moderatorin griff sich das Mikrofon vom Tisch und rief:
„ Liebe Zuschauer, endlich ist die neue Staffel der Infernalischen Integration da! Der Statistikabteilung liegen bereits erste Zahlen und Prognosen zu den Todesopfern vor, und sie enttäuschen nicht“.“ Aber fangen wir von vorne an. Was ist das für ein Planet mit Rang F, den ihr Erde nennt? Ich selbst war hier Ende des 14. Jahrhunderts in einer Stadt namens Wien. Die Ferien waren angenehm – die Einheimischen interessierten sich für Okkultismus und Verehrung des Teufels. Doch heute wirkt solche Verehrung der Infernalischen Imperium fast verfallen. Herr Professor, Sie erforschen diesen Planeten schon lange. Was könnten Sie den Zuschauern erzählen, die mit der Geschichte und Kultur dieses Planeten noch nicht vertraut sind?“

Der Professor räusperte sich und antwortete:
„ Der Mensch ist eine interessante Spezies, ich untersuche ihn seit jenen Zeiten, als Wien noch Vindobona hieß und eher einem Militärlager als einer Stadt glich. Unter bestimmten Umständen können sich Menschen vereinen und sehr schwierige Situationen überleben. Andererseits plagen ihre Gesellschaft Angst, Verschwörungstheorien und Misstrauen gegenüber den Herrschenden. Zentralisierte Regionen blicken oft mit Verachtung auf kleinere Siedlungen – und umgekehrt. Die infernalische Verehrung nennen sie hier Satanismus – an ihrer Entstehung war ich beteiligt, ebenso ein paar andere Mitglieder der Akademie. Sie erlebte ihren Höhepunkt im 14. bis 18. Jahrhundert und eine gewisse Renaissance in den 70er und 80er Jahren des 20. Jahrhunderts. Aber man muss zugeben: Glaubensrichtungen wachsen und schwinden erstaunlich schnell. Das Christentum, eine der größten Religionen, erleidet ebenfalls einen Rückgang – Skandale, Korruption und veraltete Weltanschauungen verringern die Zahl der Gläubigen. Ein interessantes Phänomen sind die „Weihnachtschristen“: Menschen, die die wichtigsten religiösen Feiertage feiern, während ihre heiligen Bücher im Bücherregal verstauben. Sie haben nur ein sehr oberflächliches Verständnis der Religion, die sie zu vertreten vorgeben.“

Die Moderatorin hakte nach:
„ Ist Religion auf diesem primitiven Planeten eher ein vereinigender oder spaltender Faktor?“

Der Professor antwortete:
"Teils vereinigend. Die Menschen suchen Hoffnung, Trost, Götter, die ihnen vergeben – aber zugleich strafen. Das Christentum ist nicht die einzige Religion auf diesem Planeten, daher entstehen Spaltungen zwischen den Glaubensgemeinschaften. Das führt zu Misstrauen und Argwohn. Aufgrund religiöser Unterschiede gab es schon zahlreiche Kriege und andere gewaltsame Konflikte.“

Die Moderatorin meinte:
„ Die Erdbewohner wirken im Vergleich zu den Teilnehmenden der letzten Staffel ziemlich schwach.“

Er nickte:
„ Das mag auf den ersten Blick so erscheinen. Doch viele Menschen hatten mit bestimmten Katastrophen gerechnet – meist dem Einsatz atomarer oder biologischer Waffen und den imperialistischen Ambitionen mächtiger Staaten. Sie bereiteten sich auf den „Tag X“ vor – sie besitzen gewisse Überlebensfähigkeiten und Ausrüstung, um in Wäldern und Einödhöfen zu leben. Die Reichen kauften sich Bunker oder Häuser weit außerhalb der Großstädte.“

Die Moderatorin fügte spöttisch hinzu:
„ Doch das System wird ihre Verstecke aufspüren. Diese Taktik ist also nicht optimal. Erstaunlich ist der ziemlich hohe Prozentsatz an Morden und die Ineffizienz der großen Armeen.“

Der Professor nickte nachdenklich:
„ Die Gesellschaft der Menschen ist krank. Misstrauen und Angst verwandeln sich schließlich in Panik und Paranoia. Die Armeen mächtiger Staaten sind ohne moderne Waffen nicht sonderlich stark. Gemäß den Regeln dieser Staffel haben Pulver und Benzin ihre brennbaren Eigenschaften verloren. Fällt der Strom aus, bricht zentrale Steuerung und Kommunikation völlig zusammen.“

Die Moderatorin zog die Zuschauer in ihren Bann:
„ Wenn ein Gebiet nicht stark von Technologie abhängig ist, haben die Spieler bessere Überlebenschancen.“

Er ergänzte:
„Ja- es eröffnen sich Möglichkeiten, zu alten Traditionen zurückzukehren. Länder wie die Mongolei oder Aserbaidschan haben Jahrhunderte ohne Elektrizität und moderne Annehmlichkeiten überdauert. Andererseits sind moderne Staaten wie Japan oder Südkorea durch Pflichtgefühl und ein starkes Gemeinschaftsdenken gekennzeichnet. Die nordischen Länder – etwa Finnland oder Schweden – haben ebenfalls ihre Vorzüge, aber Isolation und herausfordernde Anbaubedingungen können ihnen genauso schaden wie die Mutanten.“

Die Moderatorin lächelte düster:
„ Es scheint, als stehe uns eine weitere höllisch interessante Staffel bevor. Ein kleiner Tipp für die Spieler: Wenn ihr Level 2–3 erreicht habt, habt ihr eine körperliche Verfassung erlangt, für die ihr euer ganzes Leben hättet trainieren müssen.“ Überlegt euch, was ihr bei Level 25 erreichen könntet! „Tötet. Überlebt. Kämpft. Nur durch Leid und Blut werdet ihr aus der Asche emporsteigen. Es lebe Baal! Es lebe das Infernalische Imperium!“

Ich erstarrte, das Whiskeyglas noch in der Hand. Es stellte sich heraus, dass hier nicht nur Wetten, Talkshows und statistische Auswertungen liefen – es ging um eine Industrie, die Planeten seit Jahrhunderten erforscht und dabei subtil das Konzept von Hölle und Teufel in den Köpfen der Bewohner verankerte. Der Professor wirkte vorsichtig optimistisch und schien selbst Teil der Wetten zu sein.

Unterschlüpfe, Hütten, Bunker – all das hatte keinerlei Wert mehr. Meine Fähigkeiten, im Wald zu überleben, ein Feuer zu entfachen und ein Zelt aufzubauen, würden kaum helfen. Lebensmittelvorräte? Zuhause standen vielleicht fünf Dosen Rindfleisch-Nudeln, zwei Pizzen und sechs Flaschen Wasser – das war alles, was übrigblieb. Ich musste vorwärtskommen oder mich den Duellen stellen, bis sie uns töteten. Stadt oder Wald? Im Wald würden mich wohl mehr Kreaturen erwarten, wie der Waldkönig; in der Stadt vielleicht wieder dieses Monster mit dem Hirschschädel? Ich brauchte Informationen – die Show hatte keine geliefert. Was oder wer ist Baal wirklich? Eine Gottheit? Ein Imperator? Ein Aristokrat? Oder bloß eine Figur, die extra für diese Staffel erfunden wurde?

Ich griff meinen Rucksack, packte schnell Kleidung, Limonade und eine Flasche Whiskey ein. Feuerzeug, Streichhölzer, Taschenmesser, Kompass. Die Axt steckte ich in den Gürtel – sie hatte mir bisher besser gedient, als ich gedacht hätte. Monika füllte in eine alte Einkaufstüte aus dem Einkaufszentrum ein paar alte Hemden und… aus irgendeinem Grund Omas Spielkarten sowie ein Fotoalbum. Sie wollte die Relikte der alten Welt nicht loslassen. Ich konnte ihr keinen Vorwurf machen – gestern waren wir noch Angestellte derselben Firma in einer Kleinstadt, heute mussten wir mit einem System überleben, das möglicherweise irgendwelchen Regeln folgte oder uns einfach nur hinters Licht führte.

Wir gingen etwa dreitausend Schritte. Auf dem Weg stand eine Kreatur mitten auf der Straße, die wie ein Reptil auf zwei Beinen aussah, ihre Fingernägel erinnerten eher an Waschbärenkrallen. Ich zog die Axt gerade noch rechtzeitig – der Mutant stürzte heran, aber meine Akrobatenreflexe griffen schneller als mein Verstand. Trotzdem kleideten Schlitze meine Hemden und ich spürte einen Stich an der Schulter. Monika schlug mit ihrer stachligen, gepanzerten Hand direkt gegen seine Schläfe, grünes Blut spritzte. Ich warf die Axt, rief aus Leibeskräften, sie bohrte sich tief in seinen Rücken. Das Monster fiel kreischend, sein Schrei hallte in meinen Ohren. Minutenlang standen wir sprachlos vor der seltsamen Kreatur, einem merkwürdigen Mischwesen aus Reptil und Säugetier.

Das System vermeldete:
„Dominik hat den Waldleguan getötet. EXP 50 Punkte. Dominik hat drei Gefechte überlebt. 45 EXP Punkte.“

Die Wunde blutete, sah aber nicht tief aus. Ich rannte weiter – keine Zeit zu verlieren. Noch vor ein paar Wochen wäre es eine unangenehme Übung gewesen, in den fünften Stock zu steigen, doch jetzt fühlte ich mich, als hätte ich mein ganzes Leben Marathonläufe absolviert. Aus den Aschen aufsteigen – Illusion oder Chance? Was nützt körperliche Stärke, wenn der Strom ausfällt? Wenn im Winter die Heizung streikt? Woher bekommen wir Nahrung? Was wissen Leute aus Bürojobs über Landwirtschaft? Gärten liegen meist in den Händen von Rentnern, doch die sind wahrscheinlich die ersten Opfer der Biester geworden. Große Bauernbetriebe haben vielleicht mehr Glück gehabt?

Ich zog das Telefon hervor – zum Glück funktionierte es noch. Mein Onke lHartmut hatte irgendwo eine Hütte mit kleinem Gemüsegarten. Er besaß wenigstens ein Gewächshaus mit Tomaten.
„ Onkel, ich lebe noch, aber die Stadt und das Umland wimmeln nur so vor Monstern“!
„ Domi, hör auf zu japsen, du musst einen kühlen Kopf bewahren“. „Wenn du in Panik verfällst, bist du verloren“. „Genau das wollen diese Teufel: dass wir uns fürchten und einander die Kehlen durchbeißen“.“ Mir ist nichts passiert, aber den Nachbarn hat es leider erwischt…“ Zwischen uns liegen etwa 45 Kilometer. „Lauf zu mir, versuche Kämpfen zu vermeiden, wenn es möglich ist…“
"Alles klar, ich gebe mein Bestes. Pass auf dich auf, Onkel“

45 Kilometer sind nicht viel, wenn man ein Auto hat oder wenigstens ein Busticket. Also rannte ich noch schneller. Die Straßen waren voller Blutlachen, Menschen und Mutanten gleichermaßen lagen da. Meine Hausflurtür sah aus, als wäre sie aufgestoßen und angeknabbert. Ich rannte in drei Minuten in den fünften Stock, packte Konservendosen und Wasser ein, band das zusammengelegte Zelt an den Rucksack. Beim letzten Schritt durch die Tür warf ich einen Blick auf meine Wohnung – der bequeme Fernsehsessel, ungenutzt, schon immer ohne Gäste geblieben, die kuscheligen Teppiche, die schöne dunkle Holzeinrichtung, mein neuer Fernseher und der Kühlschrank – all das würde es nicht mehr geben… Es bliebe nur ein Albtraum, von morgens bis abends.



Die Reise zum Garten dauerte fast vier Stunden. Monika wurde zu einem gepanzerten Schild – einer beweglichen Mauer zwischen mir und einer Welt voller Wunden. Die Mutanten waren nicht völlig dumm: Einige versteckten sich in Büschen oder hinter Bäumen und stürzten mit Blitzesschnelligkeit hervor. Doch Monikas Schwert war noch schneller – ihre Hiebe zerschneiden die Luft mit metallischem Pfeifen und hinterlassen nur dampfende Blutspuren. Nur dank Monika bin ich am Leben, und ich werde niemals vergessen, wofür ich dieser Freundschaft verdanke.

Auch ich saß nicht untätig herum – ich hieb zwei Hybride nieder, halb Reptil, halb Säugetier. Sie zischten, bäumten sich auf und sanken dann zusammen – wie leere Säcke.

Die Sonne ging unter. Aber nicht wie früher – Ihr Rand flimmerte grünlich, als schaute sie durch verrauchten Glas. Selbst der Sonnenuntergang wirkte abnormal. Ich hoffte, dass dies nur eine Kulisse der Apokalypse sei. Doch das System meldete:

„Die Sonne hat sich tatsächlich verändert. Das ist keine Illusion. Auch der Mond wird beeindruckend sein. Tipp: Meidet während des Vollmonds Spaziergänge.“

Das System klang nicht feindselig. Es lieferte manchmal Informationen – aber nur, wenn man selbst nahe an der Wahrheit war. Und ohne jegliche Nachrichtenquellen war das kaum möglich.

Onkel Hartmut’ Garten hatte sich in den letzten drei Jahren stark verändert. Statt einer in die Erde gestochenen Bretterhütte stand ein Blockhaus. Statt eines verfallenen Gewächshauses ragte nun eine gläserne Kuppel empor. Die vorherigen Flickenteppiche aus Folie, gestützt von willkürlichen Glasscheiben, waren einer präzise errichteten Konstruktion gewichen.

In der Küche hing ein scharfer Kräuterduft in der Luft. Auf dem Tisch stand ein ledergebundenes Buch mit goldenem Titel: „Gartenbau und Naturmagie“.

Onkel Hartmut pflegte zu sagen, die Erde sei lebendig und belohne diejenigen, die sie lieben. Vor drei Jahren klang das noch wie poetischer Unsinn. Jetzt wirkte es wie eine der wenigen Regeln, die galten, seit die Welt verrückt geworden war.

Harmut sprang aus dem Wohnzimmer, die Sichel fest umklammert.

„ Dominik, du hast es geschafft! – rief er. – Ich dachte schon, diese mit Knochen und Schilf behangenen Biester würden wieder eindringen... Sie haben meine Nachbarn getötet.“

„Onkel, du hast dich allein verteidigt?“

„Wenn man weiß, dass niemand kommt, bleibt einem nur, sich selbst und der Schärfe der Sichel zu vertrauen.

Monika reichte ihm Fotoalben und die Karten. Ich sank in den Sessel. Hartmut goss Spiritus auf die Wunde und legte gelblich-tabakfarbene Blätter darüber. Ich nahm einen Schluck von dem scharfen Kräutertee und biss abwechselnd in Käse und geräucherte Wurst. Onkels Musikanlage lief: Das Radio pries das Infernalische Imperium und bot den Kauf von Waffen an. Auf dem Konto hatte ich nur noch eine Münze.

Ich schaltete den holografischen Bildschirm an:

Dominik
Level: 3
Beruf: Klassen- Schläger
Fähigkeiten: Betrunkener Meister, Akrobatik, Bar-Befrieder
Gegenstände: Jagdaxt, Blechgürtel (3 Bierkapseln)

Verbündete:

Monika
– Level 4
– Profession: Ritterin
– Fähigkeiten: Verstärkter Hieb, Eiserne Verteidigung, Innere Ruhe
– Gegenstände: Schwert, Ritterrüstung

Hartmut
– Level 4
– Beruf: Vorstadt Gärtner
– Fähigkeiten: Onkel Weiß Bescheid, Gartenbau, Naturmagie
– Gegenstände: Sichel, Heilsalben

Plötzlich wurde Hartmut aufmerksam.

„ Hss... da ist etwas am Kuppeldach“.

Monika griff nach ihrer Waffe. Ich nach der Axt. Kęstas deutete, wir sollten stehenbleiben, und schlich leise auf die Veranda.

Wir hörten kein Zischen oder Knurren, sondern... Gesang. Langsam, traurig, ohne Worte.

Hartmut kehrte zurück, bleich im Gesicht.

„ Ein Kind. Vielleicht vier Jahre alt. Zerkratzt, aber unverletzt. Er singt ein Wiegenlied – „Grünes Kleeblatt“. Aber seine Augen...

„ Haben sie geleuchtet? – flüsterte Monika.

„ Nein. Aber sie waren... leer. Wie Glasperlen.“

Ich öffnete das System:

"Warnung: Anomalie erkannt.

Eine kindliche Gestalt steht möglicherweise im Zusammenhang mit Besessenheit.

Risiko: unbekannt."

Tipp: "Vor Kontakt geistige Barriere vorbereiten oder Naturartefakte verwenden."


Neuer Skill verfügbar: Innerer Kompass (erkennt das nächstgelegene magisch aktive Objekt).

"Onkel, – fragte ich. – Kann deine Naturmagie etwas dazu sagen? Gibt es einen Ort, an dem wir mehr erfahren können?"

Hartmut nickte:

„ Es gibt einen Ort. Den Wächterstein. Man sagt, die Erde spreche dort. Die Einheimischen haben ihn immer gemieden – auch vor all dem hier. Ich habe mich nie getraut, dorthin zu gehen. Aber jetzt... jetzt denke ich, wir müssen.“

Neue Mission erhalten: „Der Ruf des Wächters“

Ziel: Reise zum heiligen Ort – Wächterstein – und kläre die Natur der Anomalie.

Belohnung: Gewählter Skill – „Stimme der Natur“, „Geistiger Schutz“, „Zähmung“

Hartmut griff nach der Taschenlampe. Eilig stiegen wir in den Keller hinab, von dort rannten wir durch den Hof in den Wald. Der Mond leuchtete zu hell – groß, bläulich, wie mit einem Kindermarker gemalt.

Der Wald schien von Göttern vergessen. Er sah aus, als wäre er seit Jahrhunderten nicht mehr betreten worden. In der Ferne heulten Wölfe. Ohne Hartmuts’ neuen Inneren Kompass wären wir nach zehn Minuten verloren gewesen.

Der Wächterstein wirkte unscheinbar – ein großer Findling, bedeckt von Moos, mit kaum lesbaren Inschriften: „Wächter Kavaliauskas“.

Hartmut blieb stehen und sah auf das System.

„Das System befiehlt, dem Stein eine geistige Herausforderung zu stellen, – murmelte er. „ Mein Wille gegen den seinen.“

Dann schloss er die Augen und verharrte. Monika näherte sich ihm.

Der Wald schien von Göttern vergessen. Er sah aus, als wäre er seit Jahrhunderten nicht mehr betreten worden. In der Ferne heulten Wölfe. Ohne Kęstas’ neuen Inneren Kompass wären wir nach zehn Minuten verloren gewesen.

Der Wächterstein wirkte unscheinbar – ein großer Findling, bedeckt von Moos, mit kaum lesbaren Inschriften: „Wächter Kavaliauskas“.

Dann schloss er die Augen und verharrte. Monika näherte sich ihm.

„ Er sollte nicht so reglos stehen – da stimmt etwas nicht.“

Prozess läuft:“ Hartmut stellt dem Stein eine geistige Herausforderung.

„Wenn er verliert – wird er übernommen. Wenn er gewinnt – öffnet sich ein Geheimnis.“

Der Stein hüllte sich in ein grünliches Leuchten. Unter ihm sprossen Wurzeln hervor – lebendig, sich windend, kriechend über den Boden. Sie umschlangen Harmuts’ Beine, doch er blieb ruhig stehen – als wäre er selbst ein Baum.

Ein fast unhörbares Vibrieren ertönte – als atme der Wald selbst. Es schien, als nähere sich etwas aus der Dunkelheit der Bäume. Immer dichter umschlossen Fäden aus Wurzeln den Stein, als lebendige Adern, die über den moosigen Boden krochen. Die Wurzeln hielten Kęstas fest, doch er stand still, als sei er zu Holz geworden.

Man hörte ein Geräusch, das eher wie brechende Wurzeln klang. Der Wald atmete. Die Blätter bebten nicht vom Wind, sondern als nähere sich etwas aus allen Richtungen zugleich. Dann – gleißendes Licht. Aus dem Stein ergoss sich bleiches, grünes Leuchten. Kęstas richtete sich auf, als hätte man frisches Leben in ihn gepflanzt. Er sah verändert aus – gereinigt, als hätte man alle Schwächen aus ihm verbrannt. Plötzlich erstrahlte ein seltsames, leuchtendes Symbol aus dem Stein und haftete an Harmuts’ Hand. Die Wurzeln zogen sich zurück, das Leuchten schwächte ab, sogar der Wind verstummte. Das Symbol wirkte nun wie eine schlichte, grüne Baumtattoo.

Doch diese Ruhe übertönte ein Rascheln im Gebüsch. Monika sprang blitzschnell vor mich. Aus den Schatten traten zwei Wildschweine – gewaltig, mit Stoßzähnen, die in grünlichem Gift schimmerten. Auf ihrem Rücken standen borstige Grannen, die wie Messer aussahen.

Das erste Wildschwein stürzte auf mich zu. Der Blechgürtel klang wie eine Glocke, als ich auf den Boden aufschlug.

Monika hielt das zweite Schwein mit ihrer „Eisernen Verteidigung“ auf. Das Schwert blitzte im Mondlicht und durchtrennte dessen Flanke.

„Monika! Decke mich! – rief ich. – Ich setze „Betrunkener Meister“ ein!“

Vortäuschend fiel ich zu Boden und ließ dann einen unerwarteten Schlag mit der Axt von unten folgen. Die hintere Keule des Schweins löste sich. Es brüllte auf.

Der erste Gegner stürzte erneut auf mich. Monika lenkte ab, indem sie „Innere Ruhe“ einsetzte. Dann hieb sie ihm mit voller Wucht ins Kinn. Das Schwein sank zu Boden.

Das zweite versuchte noch zu fliehen. Doch Kęstas hob die Hand. Unter den Hufen des Tieres öffnete sich der Boden, Ranken schossen hervor und umschlangen das Biest. Ich vollendete es mit einem leichten Hieb über den Nacken.

„ Der Stein hat mich angenommen, – sagte Kęstas. – Er hat mir eine Botschaft geschenkt. Dieses Kind ist ein Inkarn. Ein magisches Geschöpf, geboren aus dem Leid der Welt. Und es ist nicht allein.“

Das System reagierte sofort:

ission aktualisiert:

„Der Ruf des Wächters“ ➤ Ziel: Zurück zum Garten und Vorbereitung auf eine mögliche Inkarn-Flut.



Belohnungen:

• Hartmut erhielt „Innerer Kompass II“ – spürt kommende Magie auf.

• Neuer Skill: „Rankenbund“ – Ranken fangen Gegner selbst durch Stein- oder Kiesböden.

• Gewählter Skill: „Stimme der Natur“ – einmal täglich kann er einen Naturgeist zur Erkenntnis rufen.



• Monika erhielt „Reflektierter Konter“ – nach einer erfolgreichen Verteidigung erfolgt ein kostenloser Konterschwung.



• Dominykas stieg auf Level 4 auf.

Neuer Skill: Instinktives Ausweichen – +2 Verteidigung gegen den ersten Treffer in jedem Gefecht.

Auf dem Rückweg leuchtete der Mond immer noch verzerrt, doch diesmal wirkte er nicht bedrohlich, sondern wie ein stummer Zeuge. Ich stapfte schwer auf den Waldpfaden, die Seite brannte wie Feuer – vielleicht waren ein oder zwei Rippen gebrochen. In dieser neuen Welt scheint es mein Schicksal zu sein, wie ein Boxsack durchgeschüttelt zu werden. Alle paar Stunden werde ich verprügelt. Welche Kreaturen werden aus den Tiefen des Waldes noch auftauchen? Noch vor einer Woche überlegte ich, welche Serie ich als Nächstes schauen sollte... Jetzt kämpfe ich einfach ums Überleben.

Im Garten erwartete uns niemand. Das Kind – spurlos verschwunden. Onkel verband meine Wunden mit Kräutern, goss scharfen Tee auf. Ich goss mir Whiskey ein. Ich wünschte mir eine Rüstung. Oder wenigstens eine ruhige Ecke, in der mich niemand alle paar Stunden zu töten versuchte.

Monika war im Sessel eingeschlafen. Ich starrte auf den verspielten Zaun – so schwach, dass ihn ein Wildschwein oder ein starker Wind niederreißen würde.

Hartmut hat Pizzen aufgewärmt . Wir aßen sie, als wäre es unser letztes Abendmahl. Mittelmäßig im Geschmack, billig, aber so... menschlich.

Im Schlaf träumte ich von Wölfen. Und Wildschweinen. Und… Klopfen. Nein, nicht nur im Traum. Ein echter Klang. Monika sprang mit dem Schwert auf.

„Es klopft? – murmelte ich. – Monster klopfen doch nicht...!

Onkel blickte zum Fenster.

„Ein Mensch. Aber ein jämmerlicher Anblick. Klein, verschrumpelt... er hat draußen geschlafen.

Ich öffnete die Tür – und erstarrte.

Martins- Betrunkener Kollege aus alten Zeiten. Genau derjenige, von dem man annehmen sollte, dass er am ersten Tag der Apokalypse stirbt. Doch da stand er – lebendig.

„Wie hast du uns gefunden?“

" Du hast es mir erzählt. Auf der Weihnachtsfeier. Als wir diesen starken deutschen Bockbier und Schnaps tranken".

Ich erinnerte mich an die Feier. Nicht an das Gespräch. Den Tisch hatte ich tatsächlich umgeworfen. Ich hatte Clemens einen sowjetischen Krebs genannt. Aber vom Garten hatte ich doch nicht so viel erzählt? Vielleicht doch?

Martins trat ein. Seine Augen spiegelten Erschöpfung und Erwartung. Und vielleicht… den nahenden Ansturm. Er flüsterte:

„ Wir müssen uns auf den Kampf vorbereiten. Der Kalvarienberg ist gefallen. Von dreihundert Menschen sind nur noch ein Dutzend am Leben. Diese Kreaturen stürzten aus der Luft herab, sahen aus wie riesige, gehörnte Fledermäuse. Domi, ich weiß nicht wie, aber wir müssen uns vorbereiten oder fliehen. Sonst zerreißen sie uns...
 

jon

Mitglied
Hallo jon,

nein, den Satz wollte ich schon so schreiben. Was stört dich daran? Das "mit"? Klar, "nach" ginge auch. In meiner eher umgangssprachlich formulierten Rezension waren beide für mich an dieser Stelle aber sinngleich. Und "mit" kam beim Schreiben eben zuerst aus meinem Kopf raus :)
Es ist nicht die Formulierung, die mich irritiert, sondern die Aussage. Woher weißt du, dass es ein sehr gutes Lektorat war? Dem Text selbst kann man das nicht entnehmen. Man könnte das übrigens auch nicht, wenn der Text deutlich fehlerärmer wäre.
 

jon

Mitglied
Hallo Herbsthund,
bitte beschäftige dich doch noch mal mit den Regeln der Leselupe - Fortsetzungen gehören nicht in den Kommentarfaden.
 

marcm200

Mitglied
@jon:

Beim Hören des ersten Teils sind mir kaum Schreibfehler aufgefallen. Das macht für mich ein gutes Lektorat aus. Etwas anderes sollte mein Post nicht ausdrücken.


@Herbsthund:

Alien-TV, das Imperium verändert die Welt. Wozu? Welchen Sinn hat es, eine fortgeschrittene Welt in Barbarei zu stürzen? Reine Unterhaltung? Und für wen war die Fernsehsendung bestimmt?

Die Status-Auflistungen finde ich nervig, da ich im Gegensatz zu einem Computerspiel, bei dem ich mit einem Blick das Relevante sehe, da ich weiß, wo es steht, hier in Fließtext immer alles lesen müsste.

Ist die Geschichte aus einem Computerspiel entstanden? Oder wird aus der Geschichte ein Spiel programmiert werden?

Es ist handlungstiefer (man geht nicht einfach an einem Monster vorbei) als der erste Teil, mir aber zu düster. Noch wirken die nun drei Protagonisten überfordert, was wohl an ihrem niedrigen Level liegt.

Unglücklich ist der mehrfache Namensfehler "Harmut".
 

jon

Mitglied
@marcm200: Verstehe. So ein Vorleseprogramm ist offenbar sehr gnädig. Wie sollte es aber auch unsinnige Absätze und Leerzeilen erkennen oder über inhaltliche und stilistische Fragwürdigkeiten stolpern (es versteht ja nicht, was es da hörbar macht). Übrigens: Für Schreibfehler ist der Korrektor zuständig, der Lektor streicht zwar meist auch welche an, puhlt aber nicht gezielt (nur) die Schreibfehler raus.

@Herbsthund: Mal kurz ein paar Beispiele, die ein gutes Lektorat angemerkt hätte.

Der Montagmorgen fing bescheiden an. Überflüssiger Absatz-Umbruch
Ich fühlte mich schläfrig und erschöpft, obwohl ich sechs Stunden geschlafen hatte. Ich hatte irgendeinen Blödsinn geträumt – von Spionen und einem alten Modem, das sich partout nicht einschalten wollte.
Zur Abwechslung funktionierte im Büro das Internet nicht – irgendjemand hatte den Splitter geklaut, der mehrere Computer ans Netz anschloss. Der Techniker, der für sowas zuständig war, war wie vom Erdboden verschluckt. Also blieb uns nichts anderes übrig, als draußen zu rauchen und auf die Rückkehr dieses Rentnertechnikers zu warten wie auf die Wiederkunft Jesu.
Unsinnige Leerzeile
Das mobile Internet funktionierte immerhin – ich konnte eine wichtige Arbeitsmail abschicken. Ob’s was gebracht hat? Natürlich nicht – niemand antwortete.
Alle schlichen nach den Ostertagen wie Zombies durch die Gänge und berichteten in kurzen Worten von ihren Urlauben.
Unsinnige Leerzeile
  • Zur Abwechslung wozu? Zum Erschöpftfühlen?
  • Es fehlt also nur ein Splitter und mehrere Computer sind offline. Was ist mit den anderen Rechnern? Sind die alle aus Solidarität nicht im Netzt?
  • Die Frage ist in dieser Formulierung komplett fehl am Platz. Das wäre nur sinnvoll, wenn das Ganze ein mündlicher Bericht wäre und (einer) der Zuhörer fragt: „Hat es was gebracht?“, und der Erzähler die Frage aufnimmt und beantwortet.
  • Der letzte Satz hier hätte vor das mit dem WLAN hingehört. Wobei: Wenn nichts als zu rauchen übrig blieb, warum taten „alle“ dann was anderes?


Meine Arbeitsmotivation lag irgendwo bei 2 von 10 Punkten.
Seltsam, dass ich hier schon fast vier Jahre arbeitete. Der Job war weder besonders stressig noch besonders fordernd, aber es wirkte so, als kämen alle hier nur noch aus Gewohnheit – in der Gewissheit, dass es heute garantiert nicht besser wird als gestern.
Unsinnige Leerzeile
Mein Handy summte mit einer fröhlichen Disco-Melodie. Endlich war jemand in der Zentralbibliothek aufgewacht!
Unsinnige Leerzeile
  • Wenn es auch Punkte wie 1,8 oder 2,3 gibt, dann sollte der Ich-Erzähler wissen, welcher Wert passt. Wenn es die nicht gibt, ist „irgendwo bei“ logisch falsch.
  • Der zweite Absatz in diesem Teil ist unlogisch. Warum war das seltsam? Warum steht dort ein „aber“? Was meinst du damit, dass alle hier kamen? Ist das etwas ein Sexclub? Wozu dann die Computer und warum das Problem mit dem fehlenden Internetzugang?
  • Zeitfehler
  • Was für eine Zentralbibliothek?

Ich freute mich zu früh...
Unsinnige Leerzeile
  • Leerzeichen nach „früh“ fehlt
  • Falsches Zeichen. Das Auslassungszeichen ist ein (in Ziffern: 1) Zeichen, nicht dreimal das Zeichen „Punkt“.

DAS AUGE DES TEUFELS KEHRT ZURÜCK! DU HAST NOCH 17 STUNDEN VORBEREITUNGSZEIT! FÜR NUR 450 € BEKOMMST DU 13 BAAL-MÜNZEN!!!
DAS ANGEBOT GILT NUR BIS ZUR ANKUNFT DES TEUFELSAUGES!!! DEINE WELT IST EIN SCHLAMMBALL DER RANGSTUFE F!
80 % DIESER WELTLOOSER WÜRDEN NICHT MAL 3 STUNDEN ÜBERLEBEN, WENN DIE INFERNALE INTEGRATION BEGINNT!!! ZÖGERE NICHT!!!
Unsinnige Leerzeile
Von allen seltsamen Spam-Mails, die mir jemals versucht hatten, unnötigen Kram zu verkaufen, war das die bizarrste. Unsinniger Absatz-Umbruch
Wahrscheinlich eine besonders kreative Variante von „Kauf doch einfach nen Ziegelstein“.
Unglücklicher Sprung, die Überleitung (was macht der Ich-Erzähler bezüglich der Mail?) fehlt
Die Stunden zogen sich ewig. Ich lief herum, rauchte, aß Salat...
Der Techniker fand schließlich den Splitter. Das Internet funktionierte für eine ganze Stunde wunderbar – und verschwand dann im ganzen Gebäude. Unguter Absatz-Umbruch
Die Flüche meiner Kollegen übertönten fast den Streit betrunkener Bauarbeiter. Falscher Absatz-Umbruch
Alle drehten durch. Falscher Absatz-Umbruch
Der Techniker brüllte, das seien Probleme mit dem Netzwerk der ganzen Stadt, die anderen schrien, er sei ein Idiot und dass man stattdessen lieber eine Katze für seinen Job einstellen sollte – das würde die Effizienz sicher noch steigern.
Ich hatte keine Kraft mehr für diesen Zirkus, schnappte mir meinen Rucksack und machte mich langsam auf den Heimweg.
  • Semantikfehler. Eine korrekte Version: „Die Stunden zogen sich“, wäre umgangssprachlich passend.
  • Gleiche Zeichenfehler wie oben: Fehlendes Leerzeichen und falsche Punkte
  • Von Bauarbeitern oder einer Baustelle war bislang nicht die Rede.
 



 
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