Hallo Walther,
dein Gedicht ist mir durch das Wort „Frisbee“ aufgefallen.
Ich denke mir: nanu, was hat dieses Wort in einem Gedicht zu suchen?
Ich lese das Gedicht einmal durch. Ich verstehe nichts. Ich lese es ein zweites Mal durch. Die Reime bleiben mir ein Rätsel.
Na gut, denke ich mir, heute ist Samstag. Ich lege einmal einen Rätsel-Nachmittag ein.
Ich nehme mir vor, das Gedicht nun Wort für Wort durchzugehen.
Zuerst die Überschrift:
Das Wort – am Anfang war das Wort > Schöpfung.
Frisbee: natürlich kennt man diese flache Plastikscheibe, die Kinder sich zuwerfen und dann aufzufangen versuchen. Nur was ist die korrekte Wortbezeichnung für Frisbee? > Wikipedia sagt: Flugscheibe, Freizeitgerät, Kreiselbewegung > Kreisel? Hmm.
Truhe > Schatz.
Nun zu den Reimen:
Ich traf am Rand des schmalen Horizontes
Ein Wort, das fest gebannt am Abgrund stand.
Das lasse ich erst einmal so stehen. Fest gebannt, ein Wort? Erinnert mich an das Gedicht von Ernst Stadler: Mensch werde wesentlich. Mal weiterlesen.
Die Erde war kreisrund mit einem Rand,
Ein Frisbee, wenn auch ein schön hell besonntes.
Aha. Die alte Vorstellung von der Erde als Scheibe. Dann kam Kepler, oder war es Kopernikus? Galilei. Dazu rufe ich einen interessanter Artikel von Wikipedia zum Thema: Flache Erde auf. So flach haben die Menschen sich die Erde über die Jahrhunderte gar nicht vorgestellt. Tztz, was die uns in der Schule doch Unvollkommenes erzählt haben. Aber ich lasse das Gelesene erst einmal so stehen.
Ein Gott hat es in seine Bahn geworfen.
Da kreist es nun und quert die stillen Sphären,
Die furchtbar gern allein gelassen wären,
Und wellt sie auf. In zwölftonhaft amorphen
Hier kommt es: die Erde ist das Frisbee. Sie ist furchtbar allein gelassen – das sehe ich anders ...
Moment, die anderen Planeten wollten gern allein gelassen werden. Das sehe ich auch anders. Die Signatur der Sphären: die wollen doch alle miteinander im Konzert klingen, oder? Naja.
zwöftonhaft: Zwölftonmuik? Wie hieß der Musiker noch?
>Wiki: Arnold Schöneberg, um 1920. Diesen Namen habe ich nie gehört. Dann kommt jede Menge Musiktheorie, die ich nicht verstehe. … Stockhausen, das ist der Name. Weiter lese ich : Zahlentheorie, Zeitgeist, naturwissenschaftliches Denken.
Ich mache eine Denkpause. Das Wort – die Erde als Scheibe – naturwissenschaftliches Denken; es beginnt bei mir zu dämmern. Ich lese weiter:
Und schrillen Tönen knistert so ein Zischen,
Als ob vier Hände über Saiten wischen,
Durch dieses Weltalls wunderbare Ruhe.
Saiten. Stringtheorie. Naturwissenschaften – Erkenntnis?
Das Wort verbog sich in die blaue Weite
Und schaute auf die abgewandte Seite:
Dort stand geöffnet eine leere Truhe.
Schaute auf die abgewandte Seite. Flammarion. Holzstich, ein Mensch schaut über den Weltenrand. Hier kommt wieder der Begriff Horizont auf. Der Rand des schmalen Horizonts im ersten Vers.
Die Truhe. Ein Schatz. Der Schatz der Erkenntnis. Der Mensch erkennt die Schöpfung. Gotcha.
Das Wort, das Frisbee und die Truhe – ich lese ein Gedicht über die Erkenntnis der Schöpfung.
Vielen Dank und liebe Grüße von einer neugierigen Rhondaly.