Rügenrabe
Mitglied
Denen der Himmel nicht hilft.
Es war September, als ich auf der Rügeninsel Urlaub machte und dort beim wandern entlang der langen Strände, sowie vereinsamten Waldwege,
die Ruhe suchte. Der Zufall wollte es, dass ich hierbei einen an einer Kirche angrenzenden kleinen Friedhof entdecke. Beim Durchschlendern jener Stätte,
fielen mir im Sonnenlicht die gusseisernen Buchstaben eines drei Gräber zierenden Grabsteines ins Auge. Sie waren auf ihm fest verankert und ergaben
den Wortlaut:“ Denen der Himmel nicht hilft“. In den Stein selbst, hatte man ein Kreuz eingraffiert, an dem sich drei Rosen windend hoch rankten und über dessen Querbalken tief nach unten hingen. Dann abermals aus gusseisernen Buchstaben, stand unterhalb der Gravur für jede Rose noch ein Name.
Blacho, Carmen und Cindy. Das war alles. Gedankenlos, weil melancholisch angehaucht, verweilte ich wohl zulange vor deren Gräbern. Denn ein altes Mütterchen, die unweit von mir auf einer Bank saß, fragte mich vorsichtig: “Entschuldigen Sie mein Herr, sie stehen so in sich gekehrt vor dieser schlichten Grabstätte, kennen sie die Personen die dort beerdigt liegen“? Ich verneinte ihre Frage. Gab aber der betagten, wohl gut neunzig Jahre alten Greisin
zu verstehen, das jene, doch eigentlich Namenlose Gräber, auf mich stark Geächtet wirken. Ja, das ist so gewollt erwiderte sie. Ein jüdischer Arzt hat es gesponsert und so herrichten lassen. Falls ihnen etwas daran liegt, zu erfahren warum, setzen sie sich zu mir, ich erzähle es ihnen.
Nun, zu hören was diese alte Dame wohl zu berichten weiß, war für mich eine Abwechslung, welche ich nicht missen wollte.
Denn Zeit war genug und die von ihr spirituelle Ausstrahlung, schürte meine Neugierde. Noch nach Jahren dieser Begegnung, kreiste mir ihre Geschichte
im Kopf herum.
Die so - begann:
Der Sommer war längst vorbei und der kalte nächtliche Herbstregen, machte die Strassen in Binz, einem Badeort im Herzen Rügens, menschenleer.
Wie so oft schon, stand Carmen verträumt, in Schlafsachen auf ihren Mann wartend, fröstelnd am Fenster. Sie starrte auf den feuchten Asphalt, welcher im Zwielicht der Laternen silbrig schimmerte und wo sich langen Schatten wie ein müstisch bedrohliches Zeichen nieder ließen. In dieser von Bäumen
und Häuserecken geschaffene Schwarzmalerei, versuchte Carmen hin und wieder ihr Schicksal raus zu lesen. Wohl wissend................
MITTE
Mit Eleganz, welche durch ihr weinrotes Maxikleid und den hohen Pumps noch hervorgehoben wurde, verließ sie die Bar um erneut aufzutreten. Trotz Warnung des Luden, stand der Wille sich dabei Blacho zu nähern, an erster Stelle. Obwohl die Luft brannte, und Täggi den Blick ihres Zuhälters im Nacken spürte,
setzte sie sich, bei Blacho angekommen, seitlich auf dessen Tisch. Gekonnt, warf dieses schöne Weib, mit der anymalischen Ausstrahlung einer Edelhure, das Netz der Leidenschaft über ihn. Der schwermütige Liebessong auf ihren Lippen, ihr freizügiges Dekoltee, sowie ihr langes blondes Haar, das sie immer wieder durch eine Kopfbewegung nach hinten warf, untermauerten jene Masche noch. Dann, beim Schlußakord des Songs, nahm Täggi Blacho das Konjakglas
aus der Hand, trank einen Schluck und beugte sich provozierend dicht, bis auf Augenhöhe zu ihm herunter. Als ihr Mund nur noch einen fingerbreit von seinem entfernt war, fragte sie ihn leise. Sag Fremder, jeder zweite hier im Saal ist ein Drogendieler, Zigarettenschmuckler,Vieh oder Autodieb, zu welcher
Sorte gehörst du? Die Augen zusammenkneifend, zögerte Blacho mit der Antwort. Sagte aber anschließend, lerne mich kennen und finde es heraus.
Wortlos dazu nickend, zog Täggi an ihrer Zigarettenspitze und blies ihm lang ausatmend, den inhalierten Rauch ins Gesicht. Wie eine dominante Schöne an der die Herzen zerbrechen, konterte sie dann dem Geglotze einiger Männer, bis diese den Blick senkten.
ENDE 1
Tödlich verletzt, schleppte er sich durch die Dünen bis an den Mukraner Strand. Dort brach er zusammen. Seit dieser Tragödie zog Carmen sich gänzlich vom öffentlichem Leben zurück. Mit nichts und niemanden wollte sie Kontakt haben und verfiel wieder dem Alkohol. Aber egal welches Wetter
auch gerade herrschte, sie ging jeden Tag, zweimal auf den Friedhof an das Grab von Blacho. So etwa nach einem halben Jahr, fand man sie dann tot
in ihrer Wohnung. Seitlich zusammengekauert auf ihrem Sessel sitzend, hielt sie in ihren verkrampften Händen sein Bild und ein paar Briefe von ihm......
Horst Husner
Zuletzt bearbeitet: