Kafkarules
Mitglied
Der Abtrünnige
Als der Hahn krähte, saßen die beiden Männer neben meinem Bett und fuhren mir mit den Fingern durchs Haar. Durch einen Schleier noch nicht abgeschlossener Träume und schweren Schlaf in den Augen sah ich sie ihre Laternen schwenken. Dann sammelten sie meine Kleider vom Boden auf und hielten mir stumm Hose und Jacke entgegen, so dass ich bequem hineinschlüpfen konnte. Schließlich setzten sie mir den Hut auf den Kopf, klopften mir auf die Schulter und beförderten den Körper in eine bequeme Liegeposition, um mich an den Beinen zu packen und über den Flur auf die Straße zu tragen.
Draußen stach mir kalte Morgenluft ins Gesicht. Über Nacht hatte es wieder geschneit, so dass die Schneefelder erneut größer geworden waren und es nun nicht mehr erkennbar war, wo der Schnee aufhörte und der Berg begann und ob es überhaupt jemals einen Berg gegeben hatte.
Ich spuckte in den Schnee und wollte schon wieder geradewegs zurück, als mich der kleinere der beiden Männer festhielt und so oft ich mich auch wand, zerrte und riss und die ganze Kraft meines Körpers in die Bewegung legte, so kam ich doch keinen Zentimeter von der Stelle. Bei den seltenen, eher in ungewöhnlichen Abständen stattfindenden Atemzügen des Mannes, für die er seinen Mund zu öffnen pflegte, drang mir zwischen seinen zusammengepressten Zähnen ein schwer identifizierbarer Geruch entgegen. Der größere von beiden hatte mir unterdessen den Weg zur Haustür versperrt und sah mich an wie ein Tier, das durch die vielen eigenen Bewegungen elend geworden ist und nun seiner Hilfe bedarf, um die Kraft zum Sterben zu finden. Er trat einen Schritt auf mich zu und schlug mir plötzlich mit seinen herabhängenden Händen kameradschaftlich auf die Schulter, wobei alle Verachtung aus seinem Gesicht gewichen schien und mir so war, als solle dieser Schlag, der mit aller Rohheit, zu der fähig war, ausgeführt wurde, auch seine ganze Zärtlichkeit und Verbundenheit mit mir ausdrücken, so dass mir nicht nur vor Schmerz, sondern auch für einen kurzen Moment vor Rührung Tränen in die Augen traten.
Endlich war die Zeit des Aufbruchs gekommen. Die Luft war hell und klar und ich konnte beim Gehen ruhig ein- und ausatmen und bemühte mich in den großen Spuren meiner Begleiter zu gehen.
Wir gingen einen der westlich der Ebene verlaufenden Wege, der so kurvenlos war, dass man meinen konnte, er würde schnurgerade ins Nichts führen und das Ende sei, selbst wenn man ein Leben lang laufen würde, ebensowenig zu erkennen wie jener Ausgangspunkt des eigenen Gehens, den man so vermessen war als Anfang zu bestimmen. Parallel zu unserem Weg waren wohl dutzende andere Wege großflächig über die Ebene verstreut. Auf vielen Wegen waren einzelne Menschen unterwegs, manchmal auch zwei oder drei Personen, sehr selten sah ich eine größere Menge von Menschen.
Wer uns sah, legte sich sofort flach auf den Boden, bis wir aus dem Blickfeld verschwunden waren oder schlug sich, wie um stummen Ermahnungen zuvorkommen, mit herumliegenden Steinen auf den Kopf. Andere wiederum begleiteten unseren Weg mit wie durch den Wind zufällig hervorgebrachten hohen Zischlauten.
Wir liefen wie befreit von der Welt über den trotz des Neuschnees bemerkenswert glatten Untergrund – meine Begleiter mit langem Stechschritt voran, manchmal gingen sie in die Hocke und sprangen mit angezogenen Beinen. Dann wieder drehten sie sich um und gingen so lange rückwärts, bis sie mir Handzeichen machten, dass sie mein Gesicht nicht mehr sehen wollten. Dann wieder stapften sie breitbeinig oder blieben einen Moment stehen, damit der eine dem anderen auf die Schultern springen konnte, wo er sich in den Haaren verkrallte. Ihr Gesicht blieb währenddessen wie das Gesicht von Trauernden über einem Grab, das sich geschlossen hat, ohne dass Abschied genommen werden kann.
Der Weg schien kein Ende zu nehmen. Gerade erst hatte ich mein Haus verlassen, das sich immer noch hinter einer gut sichtbaren Baumgruppe befinden musste, aber schon ein paar Mal hatten sich Licht und Dämmerung abgewechselt. Durch die Dunkelheit waren wir gegangen, als wäre noch der erste Tag und die Dunkelheit eine andere Form der Helligkeit, vollkommener und friedlicher als es die Helle des Tages jemals sein könnte, wobei alle, die sie, halb schlafend, halb wachend, durchschritten, mit einer Sicherheit belohnt werden würden, einer Zutat zur gewöhnlichen Sicherheit, die man nur erlangen konnte, wenn man zwei kahlköpfigen Männern folgen durfte, die ohne Not vorangingen und die sich selbst einen unleugbaren Anschein von Gleichgültigkeit und Strenge verliehen, deren Blicke wie Peitschenhiebe waren, die einem die Haut in Striemen von den Knochen ziehen konnten, aber meist Gnade vor Recht ergehen ließen und im sicheren Wissen um das richtige Verhalten handelten.
Langsam kamen wir den Bergen, die ich mir nun als das eigentliche Ziel unseres Weges vorstellte, näher. Wie zur Bestätigung waren meine Begleiter manchmal schon so weit entfernt, dass nur noch ihr kahles Haupt zu erkennen war und ihre Arme und Beine ebenso von der Landschaft verschluckt schienen wie die Schneefelder die Berge überdeckt hatten. Oft genug ging ich dann weiter, als würde ich nicht vom Fleck kommen, bis ich merkte, dass ich den beiden nur noch mit den Augen folgte, endlich innehielt in meiner scheinbaren Bewegung und dann vorzog zu warten, Stunden, vielleicht Tage ausharrte.
„So geht doch“, schrie ich ihnen hinterher, „seid ihr doch diejenigen, die euch an meiner Statt folgen“, doch je länger ich wartete, desto mehr gewann ich die Gewissheit, dass die Entfernung zwischen uns nun geringer geworden war, als wäre ihr Gehen mit meinem Gehen verbunden und sie würden in Wirklichkeit direkt neben und vor mir gehen, obgleich ich sie doch weit weg wähnte, so dass ich es zuletzt vorzog, mit einem überhasteten Spurt und kurzen Sprüngen wieder in ihre Nähe zu gelangen, um auf diese Weise wenigstens eine Distanz herzustellen, die ich auch als solche begreifen konnte.
Inzwischen hatte sich der Himmel so verdunkelt, als würde unsere Reise nicht mehr durch einen scheinbaren Wechsel von Licht und Dunkelheit in eine vermeintliche Abfolge von Tagen unterteilt. Meine Begleiter entzündeten zum ersten Mal seit sie mich geweckt hatten wieder ihre Laternen und gingen mir in der inzwischen wirklichen Dunkelheit als schwankende Lichter voraus. Der Berg musste sich nun in unmittelbarer Nähe befinden. Instinktiv zog ich den Kopf ein und tatsächlich standen wir einen Moment später unterhalb eines Felsens. Angespannt und fröhlich zugleich, dass wir unser Ziel endlich erreicht hatten, betrachtete ich meine Begleiter, die an der Seite des Felsens jeweils eine Fackel entzündet hatten und wie Tempelwächter ihre Arme in die Hüften gestemmt hatten. Als sie mich entdeckten, wiesen sie mit den Händen auf den Weg, der weiterzuführen schien, weiter ins Innere des Berges. Sie tänzelten ein paar Meter weiter, zeigten dabei immer wieder auf mich, umfassten ihre Taille und wackelten mit dem Oberkörper hin und her. Ich tat wie befohlen, buckelte und ging ein paar Schritte, bis mich ein widerhallendes Krächzen der Konsonantensprache meiner Begleiter aufhorchen ließ. Es waren nur wenige Silben, doch wirkten diese wie der wunderbare Wortschwall einer Sprache, die gleichwohl sie unverständlich ist, doch so sehr Teil der eigenen Sprache geworden ist, dass man bei jedem Versuch, sie zu verstehen, doch nur auf die immer mitschwingenden Ober- und Untertöne der eigenen Sprache stoßen würde. Die vertrauten Laute noch im Ohr, drehte ich mich um, konnte in den Gesichtern der beiden Männer jedoch kein Zeichen entdecken, dass sie etwas gesagt hatten. Stattdessen waren zwei großkalibrige Revolver auf mich gerichtet.
In meinem Kopf setzte ein schrilles metallisches Hämmern ein. Mit offenem Mund starrte ich auf die Finger, die den Abzug der Waffen umklammert hielten. Die glatten Kindergesichter der beiden Killer vor Augen, warf ich mich vorwärts, stieß mit dem Kopf gegen den Felsen, taumelte, schrie, wuchtete mit den Armen, kroch auf allen Vieren in die vor mir liegende Dunkelheit, stand wieder auf, rannte, kroch, stolperte vorwärts. Als ich schon glaubte, mich weiter von meinen beiden Begleitern entfernt zu haben, war nur ein Luftzug neben mir und mehrere Kugeln unterhalb des Beckens drangen in meinen Körper ein.
Ich spürte für einen Moment einen lähmenden Schmerz.
Aber da, in einiger Entfernung war ein Licht zwischen den Felsen. Ich hastete, lief, rutschte über steinigen Untergrund und mit letzter Kraft erreichte ich die Felsöffnung. Ich drängte mich hindurch, das Licht blendete mich und dann zwängte ich mich aus der Öffnung auf eine offenbar vor kurzem neu angelegte Rasenfläche. In einiger Entfernung war das Haus zu sehen, in dem ich wohnte. In den Fenstern lagen die Nachbarn mit um meinetwillen aufgehellten Gesichtern. Sie schwenkten weiße Taschentücher zur Begrüßung, lächelnde Züge hatten ihre Gesichter verzerrt. Ihre Wangen glänzten rosig vor Aufregung, als hätten sie mein Abenteuer verfolgt und alles beobachtet.
Grußlos näherte ich mich der Eingangstür und schloss mit festem Griff und im Bewusstsein, genau das Richtige zu tun, um die Gunst der Stunde zu wissen, das Engagement derjenigen, die um mein Wohl besorgt waren, zu achten, die Haustür auf. Nebelgleich stand die Luft im Flur, es war kühl und kalt wie am ersten Tag, mechanischen Schrittes ging ich die Treppen hinauf und betrat meine Wohnung.
Als ich aus dem Fenster sah, erkannte ich in unmittelbarer Nähe meine beiden Mörder. Sie schauten aus dem linken und dem rechten Fenster der Wohnungen, die direkt neben mir lagen. Ihre glatten Kindergesichter hellten sich nur für einen Augenblick auf, als wollten sie mir noch einmal ihr übertriebenes Pflichtbewusstsein demonstrieren und wären wie die anderen froh darüber, dass auch ich nun endlich zu ihnen gehörte.
Als der Hahn krähte, saßen die beiden Männer neben meinem Bett und fuhren mir mit den Fingern durchs Haar. Durch einen Schleier noch nicht abgeschlossener Träume und schweren Schlaf in den Augen sah ich sie ihre Laternen schwenken. Dann sammelten sie meine Kleider vom Boden auf und hielten mir stumm Hose und Jacke entgegen, so dass ich bequem hineinschlüpfen konnte. Schließlich setzten sie mir den Hut auf den Kopf, klopften mir auf die Schulter und beförderten den Körper in eine bequeme Liegeposition, um mich an den Beinen zu packen und über den Flur auf die Straße zu tragen.
Draußen stach mir kalte Morgenluft ins Gesicht. Über Nacht hatte es wieder geschneit, so dass die Schneefelder erneut größer geworden waren und es nun nicht mehr erkennbar war, wo der Schnee aufhörte und der Berg begann und ob es überhaupt jemals einen Berg gegeben hatte.
Ich spuckte in den Schnee und wollte schon wieder geradewegs zurück, als mich der kleinere der beiden Männer festhielt und so oft ich mich auch wand, zerrte und riss und die ganze Kraft meines Körpers in die Bewegung legte, so kam ich doch keinen Zentimeter von der Stelle. Bei den seltenen, eher in ungewöhnlichen Abständen stattfindenden Atemzügen des Mannes, für die er seinen Mund zu öffnen pflegte, drang mir zwischen seinen zusammengepressten Zähnen ein schwer identifizierbarer Geruch entgegen. Der größere von beiden hatte mir unterdessen den Weg zur Haustür versperrt und sah mich an wie ein Tier, das durch die vielen eigenen Bewegungen elend geworden ist und nun seiner Hilfe bedarf, um die Kraft zum Sterben zu finden. Er trat einen Schritt auf mich zu und schlug mir plötzlich mit seinen herabhängenden Händen kameradschaftlich auf die Schulter, wobei alle Verachtung aus seinem Gesicht gewichen schien und mir so war, als solle dieser Schlag, der mit aller Rohheit, zu der fähig war, ausgeführt wurde, auch seine ganze Zärtlichkeit und Verbundenheit mit mir ausdrücken, so dass mir nicht nur vor Schmerz, sondern auch für einen kurzen Moment vor Rührung Tränen in die Augen traten.
Endlich war die Zeit des Aufbruchs gekommen. Die Luft war hell und klar und ich konnte beim Gehen ruhig ein- und ausatmen und bemühte mich in den großen Spuren meiner Begleiter zu gehen.
Wir gingen einen der westlich der Ebene verlaufenden Wege, der so kurvenlos war, dass man meinen konnte, er würde schnurgerade ins Nichts führen und das Ende sei, selbst wenn man ein Leben lang laufen würde, ebensowenig zu erkennen wie jener Ausgangspunkt des eigenen Gehens, den man so vermessen war als Anfang zu bestimmen. Parallel zu unserem Weg waren wohl dutzende andere Wege großflächig über die Ebene verstreut. Auf vielen Wegen waren einzelne Menschen unterwegs, manchmal auch zwei oder drei Personen, sehr selten sah ich eine größere Menge von Menschen.
Wer uns sah, legte sich sofort flach auf den Boden, bis wir aus dem Blickfeld verschwunden waren oder schlug sich, wie um stummen Ermahnungen zuvorkommen, mit herumliegenden Steinen auf den Kopf. Andere wiederum begleiteten unseren Weg mit wie durch den Wind zufällig hervorgebrachten hohen Zischlauten.
Wir liefen wie befreit von der Welt über den trotz des Neuschnees bemerkenswert glatten Untergrund – meine Begleiter mit langem Stechschritt voran, manchmal gingen sie in die Hocke und sprangen mit angezogenen Beinen. Dann wieder drehten sie sich um und gingen so lange rückwärts, bis sie mir Handzeichen machten, dass sie mein Gesicht nicht mehr sehen wollten. Dann wieder stapften sie breitbeinig oder blieben einen Moment stehen, damit der eine dem anderen auf die Schultern springen konnte, wo er sich in den Haaren verkrallte. Ihr Gesicht blieb währenddessen wie das Gesicht von Trauernden über einem Grab, das sich geschlossen hat, ohne dass Abschied genommen werden kann.
Der Weg schien kein Ende zu nehmen. Gerade erst hatte ich mein Haus verlassen, das sich immer noch hinter einer gut sichtbaren Baumgruppe befinden musste, aber schon ein paar Mal hatten sich Licht und Dämmerung abgewechselt. Durch die Dunkelheit waren wir gegangen, als wäre noch der erste Tag und die Dunkelheit eine andere Form der Helligkeit, vollkommener und friedlicher als es die Helle des Tages jemals sein könnte, wobei alle, die sie, halb schlafend, halb wachend, durchschritten, mit einer Sicherheit belohnt werden würden, einer Zutat zur gewöhnlichen Sicherheit, die man nur erlangen konnte, wenn man zwei kahlköpfigen Männern folgen durfte, die ohne Not vorangingen und die sich selbst einen unleugbaren Anschein von Gleichgültigkeit und Strenge verliehen, deren Blicke wie Peitschenhiebe waren, die einem die Haut in Striemen von den Knochen ziehen konnten, aber meist Gnade vor Recht ergehen ließen und im sicheren Wissen um das richtige Verhalten handelten.
Langsam kamen wir den Bergen, die ich mir nun als das eigentliche Ziel unseres Weges vorstellte, näher. Wie zur Bestätigung waren meine Begleiter manchmal schon so weit entfernt, dass nur noch ihr kahles Haupt zu erkennen war und ihre Arme und Beine ebenso von der Landschaft verschluckt schienen wie die Schneefelder die Berge überdeckt hatten. Oft genug ging ich dann weiter, als würde ich nicht vom Fleck kommen, bis ich merkte, dass ich den beiden nur noch mit den Augen folgte, endlich innehielt in meiner scheinbaren Bewegung und dann vorzog zu warten, Stunden, vielleicht Tage ausharrte.
„So geht doch“, schrie ich ihnen hinterher, „seid ihr doch diejenigen, die euch an meiner Statt folgen“, doch je länger ich wartete, desto mehr gewann ich die Gewissheit, dass die Entfernung zwischen uns nun geringer geworden war, als wäre ihr Gehen mit meinem Gehen verbunden und sie würden in Wirklichkeit direkt neben und vor mir gehen, obgleich ich sie doch weit weg wähnte, so dass ich es zuletzt vorzog, mit einem überhasteten Spurt und kurzen Sprüngen wieder in ihre Nähe zu gelangen, um auf diese Weise wenigstens eine Distanz herzustellen, die ich auch als solche begreifen konnte.
Inzwischen hatte sich der Himmel so verdunkelt, als würde unsere Reise nicht mehr durch einen scheinbaren Wechsel von Licht und Dunkelheit in eine vermeintliche Abfolge von Tagen unterteilt. Meine Begleiter entzündeten zum ersten Mal seit sie mich geweckt hatten wieder ihre Laternen und gingen mir in der inzwischen wirklichen Dunkelheit als schwankende Lichter voraus. Der Berg musste sich nun in unmittelbarer Nähe befinden. Instinktiv zog ich den Kopf ein und tatsächlich standen wir einen Moment später unterhalb eines Felsens. Angespannt und fröhlich zugleich, dass wir unser Ziel endlich erreicht hatten, betrachtete ich meine Begleiter, die an der Seite des Felsens jeweils eine Fackel entzündet hatten und wie Tempelwächter ihre Arme in die Hüften gestemmt hatten. Als sie mich entdeckten, wiesen sie mit den Händen auf den Weg, der weiterzuführen schien, weiter ins Innere des Berges. Sie tänzelten ein paar Meter weiter, zeigten dabei immer wieder auf mich, umfassten ihre Taille und wackelten mit dem Oberkörper hin und her. Ich tat wie befohlen, buckelte und ging ein paar Schritte, bis mich ein widerhallendes Krächzen der Konsonantensprache meiner Begleiter aufhorchen ließ. Es waren nur wenige Silben, doch wirkten diese wie der wunderbare Wortschwall einer Sprache, die gleichwohl sie unverständlich ist, doch so sehr Teil der eigenen Sprache geworden ist, dass man bei jedem Versuch, sie zu verstehen, doch nur auf die immer mitschwingenden Ober- und Untertöne der eigenen Sprache stoßen würde. Die vertrauten Laute noch im Ohr, drehte ich mich um, konnte in den Gesichtern der beiden Männer jedoch kein Zeichen entdecken, dass sie etwas gesagt hatten. Stattdessen waren zwei großkalibrige Revolver auf mich gerichtet.
In meinem Kopf setzte ein schrilles metallisches Hämmern ein. Mit offenem Mund starrte ich auf die Finger, die den Abzug der Waffen umklammert hielten. Die glatten Kindergesichter der beiden Killer vor Augen, warf ich mich vorwärts, stieß mit dem Kopf gegen den Felsen, taumelte, schrie, wuchtete mit den Armen, kroch auf allen Vieren in die vor mir liegende Dunkelheit, stand wieder auf, rannte, kroch, stolperte vorwärts. Als ich schon glaubte, mich weiter von meinen beiden Begleitern entfernt zu haben, war nur ein Luftzug neben mir und mehrere Kugeln unterhalb des Beckens drangen in meinen Körper ein.
Ich spürte für einen Moment einen lähmenden Schmerz.
Aber da, in einiger Entfernung war ein Licht zwischen den Felsen. Ich hastete, lief, rutschte über steinigen Untergrund und mit letzter Kraft erreichte ich die Felsöffnung. Ich drängte mich hindurch, das Licht blendete mich und dann zwängte ich mich aus der Öffnung auf eine offenbar vor kurzem neu angelegte Rasenfläche. In einiger Entfernung war das Haus zu sehen, in dem ich wohnte. In den Fenstern lagen die Nachbarn mit um meinetwillen aufgehellten Gesichtern. Sie schwenkten weiße Taschentücher zur Begrüßung, lächelnde Züge hatten ihre Gesichter verzerrt. Ihre Wangen glänzten rosig vor Aufregung, als hätten sie mein Abenteuer verfolgt und alles beobachtet.
Grußlos näherte ich mich der Eingangstür und schloss mit festem Griff und im Bewusstsein, genau das Richtige zu tun, um die Gunst der Stunde zu wissen, das Engagement derjenigen, die um mein Wohl besorgt waren, zu achten, die Haustür auf. Nebelgleich stand die Luft im Flur, es war kühl und kalt wie am ersten Tag, mechanischen Schrittes ging ich die Treppen hinauf und betrat meine Wohnung.
Als ich aus dem Fenster sah, erkannte ich in unmittelbarer Nähe meine beiden Mörder. Sie schauten aus dem linken und dem rechten Fenster der Wohnungen, die direkt neben mir lagen. Ihre glatten Kindergesichter hellten sich nur für einen Augenblick auf, als wollten sie mir noch einmal ihr übertriebenes Pflichtbewusstsein demonstrieren und wären wie die anderen froh darüber, dass auch ich nun endlich zu ihnen gehörte.