Das Telefon klingelt. Der Verleger. "Hey, wie geht's? Wie weit sind Sie mit Ihrem neuen Buch? Dieses Mal machen Sie es ja besonders spannend. Bald ist ja schon Abgabetermin und Sie haben noch nichts verraten", ruft er gutgelaunt in den Hörer.
Der Autor atmet tief durch. "Gut geht's voran", sagt er. Und starrt auf den Cursor des geöffneten Textdokuments. Ein leeres Dokument. Der Cursor scheint ihm höhnisch zuzublinzeln. Blink, blink. Blink, blink! Er hört den Verleger reden, hört ihm aber nicht zu. Blink, BLINK!
Als er aufgelegt hat, steht er auf, wandert herum. Was soll er schreiben? Es muss etwas wirklich Großartiges sein. Das erwarten die Leser von ihm.
Sein Blick streift den Cursor. BLINK!
Nicht die albernen Gedanken an seine nutellaverschmierte Tochter, die ihm im Kopf herumgehen. Die Tochter, die seit kurzem bei ihm wohnt.
Er will ja schreiben, nur...
Nur schleicht sich immer wieder dieses kleine Mädchen in seine Gedanken, das er im Grunde kaum kennt. Seine Schuld. Er hat sie nur selten besucht.
Schon wieder schleicht sie sich in seine Gedanken.
Frustriert schlägt er den Laptop zu. Verlässt das Arbeitszimmer - und stolpert über einen Turm Bauklötze. Über Puppen und Haarspangen. An die er sich erst langsam gewöhnt.
Er stapft die Treppe hinunter, tritt ins Wohnzimmer, wo die Kleine hingebungsvoll ihre Puppe … anmalt?! Überall liegen Stifte verteilt, Farbe auf der Puppe, dem Mädchen, auf dem hellen, teuren Fußbodenbeleg.
Die Falte auf seiner Stirn vertieft sich. Herrgott! All das ist teuer gewesen, was sie da so gedankenlos vollkleckst! Er holt bereits Luft, um sie anzuherrschen …
als sie den Kopf hebt und ihn anstrahlt. „Schau, Papa! Ich hab Luise geschminkt!“ Sie hält ihm die Puppe entgegen.
Ein mattes Lächeln erscheint auf seinem Gesicht. „Ja, und dich und den Fußboden gleich mit.“
„Sie will zu einem Ball“, verkündet das Kind, ohne auf den impliziten Vorwurf des Vaters einzugehen, oder ihn auch nur zu registrieren, „Sie ist nämlich eine Prinzessin.“
Der Vater grinst. „In Ordnung. Während Prinzessin Luise auf dem Ball ist, holst du bitte einen Lappen, damit wir den Fußboden saubermachen können.“ Nein, er wird nicht schimpfen. Aber alles durchgehen lassen wird er ihr auch nicht. Die Kleine blickt ihn forschend an, versucht wohl herauszufinden, ob eine Diskussion lohnt. Dann trottet sie in die Küche und holt einen Spüllappen.
Kurz darauf hocken die beiden am Boden, sammeln Stifte ein, wischen die Farbe vom Boden. Ganz wird die Farbe kaum abgehen. Vielleicht muss er ihn professionell reinigen lassen. Oder noch besser, durch etwas Kindgerechtes ersetzen.
„Vielleicht malst du in Zukunft besser auf dem Papier, was?“ meint er, als die Kleine sich theatralisch den Schweiß von der Stirn wischt, „Dann ist das Aufräumen nicht so anstrengend.“
Sie greift sich einen Stift, hält ihn ihm entgegen. „Malst du mir was?“
„Ich?“ Er lacht, „Ich kann gar nicht malen. Ich kann nur schreiben.“
„Aber das machst du mit deinem Computer.“
„Man kann auch mit einem Stift schreiben.“ Wann hatte er eigentlich zuletzt etwas per Hand geschrieben? Vielleicht mal abgesehen von einem Einkaufszettel.
„Dann schreib etwas!“ verlangt sie und drückt ihm einen Stift in die Hand.
Einen Bleistift. Ein Lächeln huscht über sein Gesicht. Seine allererste Geschichte hatte er mit einem Bleistift geschrieben. Als Kind. Seitdem hat er immer geschrieben. Immer ist ihm etwas eingefallen ...
Die Kleine schiebt ihm ein Blatt hin. „Schreib etwas!“ fordert sie.
Einen Moment starrt er sie an. Dasselbe, das er schon die ganze Zeit denkt. Schreib etwas! Schreib etwas! Aus dem Mund seiner kleinen Tochter. Schreib etwas! Schreib etwas! Er schluckt, blinzelt. Sein Blick verschwimmt.
Eine kleine Hand streicht ihm über die Wange. „Was ist denn, Papa?“ fragt sie, „Warum weinst du?“
„Ich weiß nicht, was ich schreiben soll“, gesteht er ihr, „Mir fällt einfach nichts ein.“
„Hm!“ Angestrengt überlegt die Kleine. Sie schiebt das Blatt näher. „Wir könnten Schule spielen und dann übst du und vielleicht fällt dir dann wieder ein, wie du schreiben kannst.“
„Das ist eine gute Idee.“
„Also, schreib deinen Namen“, befielt sie, „Ich bin nämlich die Lehrerin.“
Er lacht, kritzelt seinen Namen aufs Papier, rechts oben, wie in der Schule.
Ein kindliches Stirnrunzeln. „Man muss vorne anfangen. Nicht einfach irgendwo was hinkritzeln.“
„Also gut.“ Er schreibt noch einmal. Langsamer, sorgfältiger. Wie ein Schuljunge.
„Papa!“ liest sie.
Er lacht. „Nein. Franz-Karl von Mayer.“
„Aber warum schreibst du das? Du heißt Papa!“
Kurz ist er versucht, ihr den Unterschied zu erklären, aber ihr kindlich-strenges Lehrerinnengesicht lässt ihn innehalten.
„Schreib deinen richtigen Namen!“
PAPA. In Großbuchstaben.
„Und jetzt meinen.“
Sorgfältig malt er ihr die Buchstaben aufs Papier.
Und dann sitzt er da und übt das Schreiben unter der Anleitung seiner vierjährigen Tochter. Malt Buchstabe für Buchstabe. Langsam und sorgfältig. Wie bei seinen allerersten Schreibübungen.
Irgendwann wird ihr das Spiel langweilig und sie greift selbst zu den Stiften, malt ein Bild, erzählt ihm, was sie da malt. Papa und sie selbst und Mama als Engel im Himmel, die ihnen zusieht und auf sie aufpasst. Mama ist nämlich jetzt ein Engel, hat die Kindergärtnerin gesagt.
Der Autor selbst hat nicht viel mit Religion und Engeln am Hut. Er hat seiner Tochter nur gesagt, die Mama sei nun tot. Sie sei fort und natürlich sei sie deshalb traurig. Genau wie er. Und das stimmte auch. Er hat seine Exfrau durchaus gemocht und es stimmt ihn traurig, sie nicht mehr wiederzusehen.
Aber er widerspricht der Kindergärtnerin auch nicht, da es der Kleinen zu helfen scheint, den Verlust der Mutter zu verarbeiten.
Und dann malt sie ein Bild von ihrer Puppe. Als Prinzessin auf dem Ball. Ist sie eine echte Prinzessin? Oder hat sie sich nur verkleidet, wie das kleine Mädchen und ihre Freundinnen es manchmal tun? Gibt es auch einen Prinzen?
„Nee! Jungs sind doof! Die Prinzessin heiratet ihre beste Freundin“, verkündet die Kleine.
'Auch gut', denkt er grinsend.
Als es Zeit fürs Abendbrot ist, haben sie eine ganze Serien Bilder gemalt. Er bringt die Kleine zu Bett und räumt auf. Sammelt die Zeichnungen ein, will seine Schreibübungen wegwerfen, aber dann bringt er den ganzen Stoß Papier in sein Arbeitszimmer. Hängt ein Bild nach dem anderen an die Wand.
Dann fährt er den Rechner hoch – und starrt das leere Dokument an. Blink, blink, BLINK! Geht zu Bett. Wälzt sich unruhig herum. Träumt. Von einem kleinen Mädchen, das tanzt und lacht. Ihn auffordert, zu schreiben. Schreiben. Nicht tippen!
Mit einem Ruck fährt er hoch. Es ist mitten in der Nacht, aber ihm ist etwas klar geworden.
Er erhebt sich, schlüpft in eine Jogginghose und läuft ins Arbeitszimmer. Er zieht einen Stapel Papier aus dem Drucker, greift nach dem Bleistift, den seine Tochter ihm gegeben hat. Blickt zu den Zeichnungen auf. Setzt den Bleistift an. Schreibt zögerlich: „Es war einmal ...“
Und plötzlich schießen die Worte wie Projektile aus dem Stift. Schneller als Projektile. Der Stift ist die Waffe des Autors. Die Waffe, um seine eigenen Zweifel zu vertreiben. Zweifel an sich selbst. Worte fließen aus ihm heraus. In seinen Stift, aufs Papier. Eine ganze Flut von Worten.
Er schreibt und schreibt, korrigiert und schreibt. Die ganze restliche Nacht.
Dann bringt er seine Tochter zum Kindergarten. Und telefoniert. Den ganzen Vormittag. Bis er gefunden hat, was er sucht.
Und am Nachmittag spielt er wieder mit seiner Tochter. Entspannt und fröhlich. Fragt nach den Abenteuern ihrer Spielsachen. Sammelt ihre Bilder und ihre Geschichten. Lauscht gebannt ihrer Fantasie. Er zögert, in ihre Gedankengänge einzugreifen, aber bald spinnen sie zusammen die Geschichten. Wie hat er nur je glauben können, Kinder seien langweilig?
Ein halbes Jahr später hält er etwas in der Hand. Ein Buch. Das vielleicht wichtigste Buch seines Lebens. Und zeigt es dem wohl schärfsten Kritiker, den er sich vorstellen kann.
Ein Bilderbuch, eine Geschichte. Ein kleines Mädchen, das Nacht für Nacht träumt und die tollsten Abenteuer erlebt. Etwas umfangreich für eine Vierjährige. Vielleicht. Aber jede Seite hat Bilder. Nicht die der Kleinen, aber entworfen nach den Bildern, die sie zusammen gemalt haben. Er hat einen Illustrator gesucht bei seiner Telefonaktion, der ihre Bilder professionalisiert.
„Oh!“ quietscht die Kleine, „Das sind ja wir!“ Begeistert blättert sie, juchzt und lacht, als sie die Bilder entdeckt. Der Illustrator hat die Originale tatsächlich in seine Bilder eingearbeitet. Wundervolle Arbeiten mit leuchtenden Farben. „Das ist toll!“ freut sie sich.
Ein größeres Lob als das begeisterte Lachen seine Kindes gibt es nicht. Die etwas abfälligen Bemerkungen einiger Kritiker sind ihm egal. Denn was kann wichtiger sein als das Lachen der Kinder? Der eigenen Kinder!
Der Autor atmet tief durch. "Gut geht's voran", sagt er. Und starrt auf den Cursor des geöffneten Textdokuments. Ein leeres Dokument. Der Cursor scheint ihm höhnisch zuzublinzeln. Blink, blink. Blink, blink! Er hört den Verleger reden, hört ihm aber nicht zu. Blink, BLINK!
Als er aufgelegt hat, steht er auf, wandert herum. Was soll er schreiben? Es muss etwas wirklich Großartiges sein. Das erwarten die Leser von ihm.
Sein Blick streift den Cursor. BLINK!
Nicht die albernen Gedanken an seine nutellaverschmierte Tochter, die ihm im Kopf herumgehen. Die Tochter, die seit kurzem bei ihm wohnt.
Er will ja schreiben, nur...
Nur schleicht sich immer wieder dieses kleine Mädchen in seine Gedanken, das er im Grunde kaum kennt. Seine Schuld. Er hat sie nur selten besucht.
Schon wieder schleicht sie sich in seine Gedanken.
Frustriert schlägt er den Laptop zu. Verlässt das Arbeitszimmer - und stolpert über einen Turm Bauklötze. Über Puppen und Haarspangen. An die er sich erst langsam gewöhnt.
Er stapft die Treppe hinunter, tritt ins Wohnzimmer, wo die Kleine hingebungsvoll ihre Puppe … anmalt?! Überall liegen Stifte verteilt, Farbe auf der Puppe, dem Mädchen, auf dem hellen, teuren Fußbodenbeleg.
Die Falte auf seiner Stirn vertieft sich. Herrgott! All das ist teuer gewesen, was sie da so gedankenlos vollkleckst! Er holt bereits Luft, um sie anzuherrschen …
als sie den Kopf hebt und ihn anstrahlt. „Schau, Papa! Ich hab Luise geschminkt!“ Sie hält ihm die Puppe entgegen.
Ein mattes Lächeln erscheint auf seinem Gesicht. „Ja, und dich und den Fußboden gleich mit.“
„Sie will zu einem Ball“, verkündet das Kind, ohne auf den impliziten Vorwurf des Vaters einzugehen, oder ihn auch nur zu registrieren, „Sie ist nämlich eine Prinzessin.“
Der Vater grinst. „In Ordnung. Während Prinzessin Luise auf dem Ball ist, holst du bitte einen Lappen, damit wir den Fußboden saubermachen können.“ Nein, er wird nicht schimpfen. Aber alles durchgehen lassen wird er ihr auch nicht. Die Kleine blickt ihn forschend an, versucht wohl herauszufinden, ob eine Diskussion lohnt. Dann trottet sie in die Küche und holt einen Spüllappen.
Kurz darauf hocken die beiden am Boden, sammeln Stifte ein, wischen die Farbe vom Boden. Ganz wird die Farbe kaum abgehen. Vielleicht muss er ihn professionell reinigen lassen. Oder noch besser, durch etwas Kindgerechtes ersetzen.
„Vielleicht malst du in Zukunft besser auf dem Papier, was?“ meint er, als die Kleine sich theatralisch den Schweiß von der Stirn wischt, „Dann ist das Aufräumen nicht so anstrengend.“
Sie greift sich einen Stift, hält ihn ihm entgegen. „Malst du mir was?“
„Ich?“ Er lacht, „Ich kann gar nicht malen. Ich kann nur schreiben.“
„Aber das machst du mit deinem Computer.“
„Man kann auch mit einem Stift schreiben.“ Wann hatte er eigentlich zuletzt etwas per Hand geschrieben? Vielleicht mal abgesehen von einem Einkaufszettel.
„Dann schreib etwas!“ verlangt sie und drückt ihm einen Stift in die Hand.
Einen Bleistift. Ein Lächeln huscht über sein Gesicht. Seine allererste Geschichte hatte er mit einem Bleistift geschrieben. Als Kind. Seitdem hat er immer geschrieben. Immer ist ihm etwas eingefallen ...
Die Kleine schiebt ihm ein Blatt hin. „Schreib etwas!“ fordert sie.
Einen Moment starrt er sie an. Dasselbe, das er schon die ganze Zeit denkt. Schreib etwas! Schreib etwas! Aus dem Mund seiner kleinen Tochter. Schreib etwas! Schreib etwas! Er schluckt, blinzelt. Sein Blick verschwimmt.
Eine kleine Hand streicht ihm über die Wange. „Was ist denn, Papa?“ fragt sie, „Warum weinst du?“
„Ich weiß nicht, was ich schreiben soll“, gesteht er ihr, „Mir fällt einfach nichts ein.“
„Hm!“ Angestrengt überlegt die Kleine. Sie schiebt das Blatt näher. „Wir könnten Schule spielen und dann übst du und vielleicht fällt dir dann wieder ein, wie du schreiben kannst.“
„Das ist eine gute Idee.“
„Also, schreib deinen Namen“, befielt sie, „Ich bin nämlich die Lehrerin.“
Er lacht, kritzelt seinen Namen aufs Papier, rechts oben, wie in der Schule.
Ein kindliches Stirnrunzeln. „Man muss vorne anfangen. Nicht einfach irgendwo was hinkritzeln.“
„Also gut.“ Er schreibt noch einmal. Langsamer, sorgfältiger. Wie ein Schuljunge.
„Papa!“ liest sie.
Er lacht. „Nein. Franz-Karl von Mayer.“
„Aber warum schreibst du das? Du heißt Papa!“
Kurz ist er versucht, ihr den Unterschied zu erklären, aber ihr kindlich-strenges Lehrerinnengesicht lässt ihn innehalten.
„Schreib deinen richtigen Namen!“
PAPA. In Großbuchstaben.
„Und jetzt meinen.“
Sorgfältig malt er ihr die Buchstaben aufs Papier.
Und dann sitzt er da und übt das Schreiben unter der Anleitung seiner vierjährigen Tochter. Malt Buchstabe für Buchstabe. Langsam und sorgfältig. Wie bei seinen allerersten Schreibübungen.
Irgendwann wird ihr das Spiel langweilig und sie greift selbst zu den Stiften, malt ein Bild, erzählt ihm, was sie da malt. Papa und sie selbst und Mama als Engel im Himmel, die ihnen zusieht und auf sie aufpasst. Mama ist nämlich jetzt ein Engel, hat die Kindergärtnerin gesagt.
Der Autor selbst hat nicht viel mit Religion und Engeln am Hut. Er hat seiner Tochter nur gesagt, die Mama sei nun tot. Sie sei fort und natürlich sei sie deshalb traurig. Genau wie er. Und das stimmte auch. Er hat seine Exfrau durchaus gemocht und es stimmt ihn traurig, sie nicht mehr wiederzusehen.
Aber er widerspricht der Kindergärtnerin auch nicht, da es der Kleinen zu helfen scheint, den Verlust der Mutter zu verarbeiten.
Und dann malt sie ein Bild von ihrer Puppe. Als Prinzessin auf dem Ball. Ist sie eine echte Prinzessin? Oder hat sie sich nur verkleidet, wie das kleine Mädchen und ihre Freundinnen es manchmal tun? Gibt es auch einen Prinzen?
„Nee! Jungs sind doof! Die Prinzessin heiratet ihre beste Freundin“, verkündet die Kleine.
'Auch gut', denkt er grinsend.
Als es Zeit fürs Abendbrot ist, haben sie eine ganze Serien Bilder gemalt. Er bringt die Kleine zu Bett und räumt auf. Sammelt die Zeichnungen ein, will seine Schreibübungen wegwerfen, aber dann bringt er den ganzen Stoß Papier in sein Arbeitszimmer. Hängt ein Bild nach dem anderen an die Wand.
Dann fährt er den Rechner hoch – und starrt das leere Dokument an. Blink, blink, BLINK! Geht zu Bett. Wälzt sich unruhig herum. Träumt. Von einem kleinen Mädchen, das tanzt und lacht. Ihn auffordert, zu schreiben. Schreiben. Nicht tippen!
Mit einem Ruck fährt er hoch. Es ist mitten in der Nacht, aber ihm ist etwas klar geworden.
Er erhebt sich, schlüpft in eine Jogginghose und läuft ins Arbeitszimmer. Er zieht einen Stapel Papier aus dem Drucker, greift nach dem Bleistift, den seine Tochter ihm gegeben hat. Blickt zu den Zeichnungen auf. Setzt den Bleistift an. Schreibt zögerlich: „Es war einmal ...“
Und plötzlich schießen die Worte wie Projektile aus dem Stift. Schneller als Projektile. Der Stift ist die Waffe des Autors. Die Waffe, um seine eigenen Zweifel zu vertreiben. Zweifel an sich selbst. Worte fließen aus ihm heraus. In seinen Stift, aufs Papier. Eine ganze Flut von Worten.
Er schreibt und schreibt, korrigiert und schreibt. Die ganze restliche Nacht.
Dann bringt er seine Tochter zum Kindergarten. Und telefoniert. Den ganzen Vormittag. Bis er gefunden hat, was er sucht.
Und am Nachmittag spielt er wieder mit seiner Tochter. Entspannt und fröhlich. Fragt nach den Abenteuern ihrer Spielsachen. Sammelt ihre Bilder und ihre Geschichten. Lauscht gebannt ihrer Fantasie. Er zögert, in ihre Gedankengänge einzugreifen, aber bald spinnen sie zusammen die Geschichten. Wie hat er nur je glauben können, Kinder seien langweilig?
Ein halbes Jahr später hält er etwas in der Hand. Ein Buch. Das vielleicht wichtigste Buch seines Lebens. Und zeigt es dem wohl schärfsten Kritiker, den er sich vorstellen kann.
Ein Bilderbuch, eine Geschichte. Ein kleines Mädchen, das Nacht für Nacht träumt und die tollsten Abenteuer erlebt. Etwas umfangreich für eine Vierjährige. Vielleicht. Aber jede Seite hat Bilder. Nicht die der Kleinen, aber entworfen nach den Bildern, die sie zusammen gemalt haben. Er hat einen Illustrator gesucht bei seiner Telefonaktion, der ihre Bilder professionalisiert.
„Oh!“ quietscht die Kleine, „Das sind ja wir!“ Begeistert blättert sie, juchzt und lacht, als sie die Bilder entdeckt. Der Illustrator hat die Originale tatsächlich in seine Bilder eingearbeitet. Wundervolle Arbeiten mit leuchtenden Farben. „Das ist toll!“ freut sie sich.
Ein größeres Lob als das begeisterte Lachen seine Kindes gibt es nicht. Die etwas abfälligen Bemerkungen einiger Kritiker sind ihm egal. Denn was kann wichtiger sein als das Lachen der Kinder? Der eigenen Kinder!
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