Der Bauernsohn und der Teufel

Es waren einmal ein Bauer und eine Bäuerin, die waren sehr arm. Tagein, tagaus schufteten sie auf dem Feld. Im Schweiße ihres Angesichts mühten sie sich ab und kamen trotzdem nur kläglich über die Runden. Sie hatten einen Sohn. Anstatt seinen Eltern zu helfen, die sich von früh bis spät plagten auf dem Feld und im Stall, streifte der Bauernsohn lieber durch die Wälder, lag im Schatten der Bäume und beobachtete die Enten im Teich. Dass seine Mutter und sein Vater von der harten Arbeit schon ganz bucklig waren und Schwielen an den Händen hatten, war ihm gleichgültig. Er sah nicht ein, warum man all die quälende Mühsal auf sich nehmen sollte, dafür, dass man mit Not gerade mal so sein Auskommen findet.

»Wenn wir die Arbeit niederlegen, nicht den Acker pflügen, säen und die Ernte einbringen, dann verlieren wir unsere Existenz«, sprach der Vater.
»Einerlei – das Leben geht weiter«, sagte da der Bauernsohn.
»Wovon sollen wir leben?«
»Der Wald ist voll von Früchten und Wild, und im Fluss tummeln sich die Fische.«
»Und wo sollen wir schlafen, wo Unterschlupf suchen, wenn es stürmt und schneit?«
»Im Wald gibt es Höhlen, wo man es sich behaglich machen kann«
»Du bist ein Narr! – Hast du den Verstand verloren?!«, polterte der Vater. »Es mag nicht viel sein, das wir haben. Doch du würdest dich schon wundern, wenn wir auf einmal mit nichts dastünden«
»Einerlei...Das Leben geht weiter!«

So vergingen die Jahre. Die Arbeit blieb hart, die Eltern arbeiteten wie die Tiere, während vom Sohn weiterhin keine Hilfe kam. Am Tag seiner Volljährigkeit sprach sein Vater ein Machtwort: »So geht es nicht weiter, Sohn! Lange genug haben wir dir ein Dach über dem Kopf und zu essen gegeben, ohne dass du auch nur einen einzigen vernünftigen Handgriff getan hast. Wenn du nicht deinen Beitrag leistest, musst du gehen!«
Die Mutter, die immer gehofft hatte, dass aus ihrem Sohn doch noch ein rechtschaffener Arbeiter wird, weinte und drückte ihn zum Abschied.
»Geh in die Welt hinaus und finde dein Glück«, schluchzte die Mutter.
»Mach etwas aus dir, Junge. Schaffe etwas, oder such dir wenigstens eine reiche Frau, die dich aushält«, sagte der Vater. Und sie ließen ihn ziehen.

Dem Burschen war es einerlei, ob er nun bei seinen Eltern war oder durchs Land zog. Er war weder traurig noch freute er sich.
So marschierte er vor sich hin, bis er in eine Stadt kam. Dort herrschte hektischer Betrieb. Ein Mann sprach ihn an, er rühmte sich damit, der Haus- und Hofschreiner des Königs zu sein. Nur die feinsten und besten Hölzer aus aller Welt verarbeitete er zu Möbelstücken, die in ihrer Kunstfertigkeit unübertroffen seien. Der Schreiner geriet ins Schwärmen über die schöne Königstochter, für die er ein prächtiges Himmelbett aus edlem Mahagoniholz zimmerte, in das er kostbare Edelsteine einfasste.
Und er bot dem Bauernsohn an, bei ihm als Lehrling zu bleiben. »Warum nicht?«, sagte der Bauernsohn.
Einen einzigen Tag war der Bursche bei dem Schreiner. Er stellte sich denkbar ungeschickt an und er fand keinerlei Freude an der für ihn harten Tischlerarbeit. Und auch der Schreinermeister war nicht begeistert: »Du hast ja zwei linke Hände, kannst kaum einen Nagel gerade einschlagen. Einen wie dich kann ich nicht brauchen.«

Der Bauernsohn zog weiter. Er war nicht niedergeschlagen: »Ist das grobe Handwerk eines Schreiners auch nichts für mich, dann versuche ich mich eben an einer leichteren Arbeit, die mehr für zarte Hände bestimmt ist und nicht so viel rohe Kraft erfordert.«
Und der Bauernsohn kam zu einem Schneider. Der rühmte sich, für den König und sein Gefolge aus den feinsten und exotischsten Stoffen die schönsten Gewänder zu fertigen. Und auch er geriet ins Träumen über die Königstochter, der er die herrlichsten Kleider auf den schönen Leib schneiderte. Eigentlich, sagte er, bedürfe sie seiner Gewänder nicht, weil ihr Anblick selbst in den schäbigsten Lumpen dem einer Göttin glich. Der Bauernsohn sollte bei ihm bleiben, sich als Schneiderlehrling verdingen. »Was soll's, warum nicht«, sagte der Bursche. Einen Tag arbeitete er in der Näherei des Schneidermeisters und er bemühte sich aufrichtig, dem Schneider eine Hilfe zu sein. Doch ins seiner ungeschickten und schusseligen Art verwechselte er ständig Maße, schnitt teure Stoffe falsch zu und verursachte so einen beträchtlichen Schaden.
Der Schneidermeister war ein geduldiger Mann, aber das war zu viel. »Geh mir aus dem Augen! Und wage es ja nicht, nochmal anzuklopfen.«

So zog der Bauernsohn weiter. Trotz der zwei Fehlschläge war er nicht traurig. »Bin ich eben nicht zum Handwerker gemacht. Vielleicht bin ich eher ein Denker, vielleicht tauge ich zum Schreiber und Gelehrten.«
»So, ein Schreiber..?«, sagte da ein Mann, der an ihn herantrat.
»Du kannst mit Feder und Pergament umgehen? Dann werde mein Schüler! Ich bin Gelehrter und Berater des Königs. Zudem verwalte ich die Güter am Hof. Mein ganzes Leben habe ich ferne Länder bereist und fremde Kulturen und Sprachen studiert. Und auch mit den Gestirnen bin ich vertraut. Doch ist kein Stern und auch der Mond nicht annähernd so schön wie die Tochter des Königs. Ich unterrichte sie, ein großes Privileg. Es würde mich glücklich machen, wenn ich mein ungeheures Wissen an einen Novizen weitergeben könnte.«
»Warum nicht«, sagte der Bauernsohn. Und schon am nächsten Tag begann der Unterricht. Es dauerte allerdings nicht lange, da erkannte der Gelehrte, dass sein neuer Schüler von einer geistigen Schwerfälligkeit war, die seinesgleichen suchte.
Ja, der Bauernsohn war strohdumm. Die einfachsten Formel konnte er nicht behalten und sich keine Theorien merken, und kein Tier und keine Pflanze beim Namen nennen, und auch der Sternenhimmel blieb für ihn ein großes Rätsel.

»Ich fürchte, aus dir wird niemals ein Gelehrter oder gar ein Philosoph werden, nicht einmal ein einfacher Schreiberling«, sagte der Gelehrte und schickte den Bauernsohn fort.
Der war nicht traurig. »Was soll's...bin ich nicht zum Handwerker, nicht zum Gelehrten und auch nicht zum Bauern geschaffen, so bin ich vielleicht zum Künstler bestimmt..?«
Sprachs, da kam eine Gruppe bunter, junger Menschen, musizierend und tanzend sprangen sie um den Burschen herum.
»Ein Künstler?«, rief der Vorderste der Truppe. »Dann komm mit uns!«
Und der Bauernsohn schloss sich der Künstler-Kommune an. Bei der Gruppe aus Gauklern und verrückten Freigeistern gefiel es ihm. Eine Weile blieb er bei ihnen und er versuchte sich an Gesang und Tanz, malte und schuf Skulpturen. Für die Künstler war freilich alles, was ihr neuer Kumpan machte, künstlerisch wertvoll und einzigartig. Denn in der Kunst gab es kein Richtig und kein Falsch. Doch der Bauernsohn merkte selbst, dass er kein Talent hatte zum Künstler. Es erfüllte ihn nicht; die Fähigkeit, seine tiefsten inneren Empfindungen zu spüren und der Drang, diese auszudrücken, fehlten ihm gänzlich. Auf Dauer würde er keine Freude haben in der Kommune.
Gerade als er seinen neuen Freunden eröffnete, sie wieder verlassen zu wollen, da sagten die Künstler: »Wir respektieren deinen Entschluss und wünschen dir nur das Beste, aber bleib nur noch diesen Abend bei uns. Komm mit uns an den Hof unserer Majestät, wo wir ein Schelmenstück aufführen, mit Tanz und Musik, zur Unterhaltung des Königs und seines Gefolges.«
Auch die Königstochter werde dem Spektakel beiwohnen.
»Die junge Prinzessin ist so schön wie die aufgehende Sonne, sie inspiriert Musiker zu den wunderbarsten Klängen. Wenn dieses anmutige Wesen uns auch nur einmal seine Aufmerksamkeit schenkt, so ist das die größte Belohnung für unsere künstlerisches Tun.«
»Warum nicht?«, sagte der Bauernsohn. »Wird bestimmt lustig.«
Außerdem war er neugierig auf die Königstochter, von deren Schönheit alle Welt so schwärmte.

Und am Abend, da sah er sie. Und war überrascht, denn ihr Anblick spottete jeder Beschreibung, die er vorher gehört hatte. Die Prinzessin war nicht schön für seine Begriffe, beim besten Willen nicht. Sie hatte einen leichten Überbiss und krause Haare. Zum Glück verhüllten weite Samtgewänder ihren unförmigen Körper. Der Bauernsohn wollte schon fragen, ob dieses reizlose Weibsbild eine Dienerin der Königsfamilie war. Doch himmelten alle sie an, das kein Zweifel bestand, dass sie die vermeintlich schöne Prinzessin war.
Angewidert wandte er sich ab und verließ den Saal.
Vor den Toren der Stadt stand er auf einem weiten Feld und über ihm funkelten die Sterne. Und er kam sich ganz winzig vor. Jeder der vielen tausend Sterne ist eine Welt für sich und da sind noch unzählige mehr, die ich nicht sehe, dachte er. Wie unbedeutend bin ich doch in diesem gigantischen Universum, dachte er und war überwältigt. »Ich tauge nicht zum Arbeiter, nicht zum Schreiberling und auch nicht zum Künstler. Was soll ich tun, was ist der Sinn meines Lebens?«
Da regte sich etwas im Gebüsch. Es war ein Käfer, der zwischen den Halmen hervor kam. Und er sprach: »Was beschwerst du dich? Du bist ein Mensch, das stärkste und klügste Geschöpf auf Erden. Du kannst überall hin und alles tun. Ich dagegen komme niemals über dieses Feld hinaus.«
Für einen Augenblick wunderte sich der Bauernsohn, dass er zu einem Käfer sprach, dann sagte er: »Aber was nützt es mir? Ich will nicht hierhin und nicht dorthin, ich will nur wissen, was meine Aufgabe in der Welt ist.« Und er fragte den Käfer, was denn seine Aufgabe sei.
»Meine Aufgabe ist es, Blätter, die von den Bäumen auf den Boden gefallen sind, zu fressen und Erdlöcher zu graben. Ich lüfte und dünge die Erde, halte sie sauber«, sagte der Käfer ganz stolz.
»Das ist alles?«, fragte der Bauernsohn. »Das hört sich furchtbar langweilig an.«
»Es ist eben das, was ich tue. Nicht mehr und nicht weniger. Ist doch wunderbar.«
»Wunderbar? Ich kann das Ende des Feldes von hier aus sehen. Und das ist deine ganze Welt? Du warst noch niemals woanders?«
»Was soll ich woanders? Ich habe doch alles, was ich brauche. Viel Erde zum Graben und der Wind trägt Blätter von den Bäumen zu mir.«
Der Käfer fragte den Bauernsohn, von wo er kommt, und der erzählte ihm, was er erlebt hatte. »Wie es scheint, bin ich weder für körperliche noch für geistige Arbeit geeignet, und auch nicht für künstlerische Betätigung. Was also ist meine Aufgabe?«
»Woher soll ich kleiner Käfer wissen, wozu ein Mensch wie du bestimmt ist..?«
»Woher wusstest du, dass du Blätter fressen und den Boden umgraben sollst?«
»Weil alle es tun. Alle Käfer meiner Gattung.«
»Bei den Menschen ist es viel komplizierter. Die Menschen haben unterschiedliche Berufe, sie machen dieses und jenes, verdienen Geld und schaffen sich eine Existenz.«
»Eine Existenz - Was ist das..?«
»Eben eine Berechtigung, dass man da ist. Es heißt, sich etwas zu schaffen, man baut sich etwas auf.«
Der Käfer verstand nicht und der Bauernsohn zog weiter.
»Was soll's, dann suche ich eben weiter«, sagte der Bursche zu sich selbst. »Irgendwann werde ich schon dahinterkommen, wozu ich hier bin und was das alles soll.«
Eine Weile marschierte er so dahin, da wurde es ganz dunkel, die Sterne am Firmament verschwanden. Und der Boden tat sich auf und eine finstere Gestalt kroch aus dem Spalt. Es war der Teufel.
»Ich beobachte dich, schon eine ganze Weile«, sagte der Gehörnte.
»Ich kenne dich. Du bist der Teufel!«, sagte der Bauernsohn, ganz unerschrocken. Seine Mutter hatte ihm vom Teufel erzählt, als er noch ein kleiner Junge war. »Der dunkle Fürst, der die Menschen verführt und zum Bösen verleiten will.«
»Es ist wahr. Ich bin der Teufel und ich komme geradewegs aus der Hölle. Du fragst, was deine Aufgabe hier auf Erden ist? Du sollst mir dienen! Werde mein Knecht, und es soll dir an nichts fehlen.«
»Meine Bestimmung soll es sein, dir zu dienen? Warum das, und warum gerade ich..?«
»Du suchst nach einer Aufgabe, nach Achtung und Wertschätzung. All das und noch viel mehr kann ich dir geben.«
»In der Hölle soll es schrecklich heiß sein und rußig.«
»Du musst nicht mit mir in die Hölle kommen. Hier auf Erden bist du mir ohnehin von größerem Nutzen. Schwöre mir ewige Treue, und ich schenke dir ewiges Leben, Gold und Macht.«
Der Bauernsohn war wankelmütig. Seine Mutter hatte ihn vor Satan gewarnt, vor seiner Niedertracht und seiner Überredungskunst. Hatte er sich anfangs noch gefragt, was seine Aufgaben als Diener des Teufels seien, so war er bald geblendet von der versprochenen Belohnung. Ewiges Leben, Gold - Wie hypnotisiert stand der arme Bursche da und verlor sich in den glimmenden Augen des Gehörnten.
Da raschelte es im Gebüsch. Es war der kleine Käfer, der dem Bauernsohn gefolgt war.
»Glaube ihm nicht, diesem Scheusal«, sagte das Tierchen. »Lass dich nicht ein auf sein niederträchtiges Spiel. Bleib standhaft. Du bist ein aufrechter, guter Mensch. Es ist nicht deine Bestimmung, der Knecht des Teufels zu werden.«
Der dunkle Dämon rief: »Was willst du, wertlose Kreatur?! – misch dich nicht ein. Ich werde dich zerstampfen. Mach dich auf dein Ende gefasst!«
Und Satan kam mit großem Getöse auf den winzigen Käfer zu, und er beugte sich über ihn. Gerade wollte der dunkle Fürst dem kleinen Käfer den Garaus machen, da trat der Bauernsohn dazwischen: »Warte!«
»Was ist denn..?!«
»Du versprichst mir Gold und ewiges Leben. Aber was soll ich mit einem ewigen Leben in Reichtum, wenn dieses Leben keinen Sinn hat?«
»Wie ich sagte, deine Aufgabe wird sein, mir zu dienen, in Ergebenheit und Treue.«
»Du bist boshaft und schlecht, dir werde ich nicht dienen. Da werde ich lieber der Knecht des Käfers, helfe ihm, alte Blätter zu fressen und den Boden zu düngen.«
Da lachte der Teufel schallend auf.
»Und wenn ich ihn zerquetsche..!?«, sagte der Teufel und zertrat den Käfer.
»Dann diene ich der Erde und allen Geschöpfen die darauf wandeln.«
»Du Narr! Was hätte ich dir alles geben können...«
Vor Wut spuckte der Teufel Feuer und Galle, dass alles Gras verbrannte und die Erde verkohlt und vergiftet zurückblieb. Der Bauernsohn setzte sich nieder, und Ruhe und Frieden durchströmte ihn. Die Morgensonne stieg auf und auch die letzten der alles versiegenden Flammen erloschen. Mit seinen bloßen Händen grub der Bauer die Erde um. Dann säte er, und er bewässerte das karge Feld. Der Bursche setzte sich hin und sah mit großem Wohlwollen, wie es grünte und gedieh. Er schuf den prächtigsten Garten, den man sich vorstellen kann.

Tiere und Menschen kamen aus allen Ecken des Landes, um den wunderbaren Ort zu sehen, an dem das Gute über den Teufel triumphierte.
 



 
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