Bonnie Darko
Mitglied
Der Beginn einer wunderbaren Freundschaft
Mann, was für eine Party! Olli hat nicht zuviel versprochen, diesmal hat sich die Vorfreude wirklich gelohnt. Korrekte Mucke, Wodka bis zum Abwinken, und das Gras ist allererste Sahne. Die beste Einstimmung auf den Urlaub. Wie der Kottrich es geschafft hat, die Mädels aus der Neunten zum Kommen zu überreden, ist mir nach wie vor ein Rätsel. Aber sie sind da, und das allein zählt. Vor allem, weil Marla gekommen ist. Seit knapp zehn Minuten steht sie mit ihren Freundinnen in einer Ecke und saugt auf diese unnachahmlich marleske Weise an ihrer Marlboro. Was für eine Frau! Wieso können die anderen Tussen nicht mal einen kollegialen Klogang einlegen? Nach ein wenig gutem Zureden von Väterchen Gorbatschow fasse ich mir schließlich ein Herz. Wenn der Berg nicht, und so weiter. Gerade will ich in Marlas Richtung, als Tom aus der B mich am Ärmel entführt. Er murmelt irgendwas von 'langweilig' und 'bißchen Stimmung reinbringen', und ich gebe mich bereitwillig geschlagen. Vielleicht sollte ich dem alten Michail noch ein bißchen Gelegenheit geben, sich zu setzen.
In der Küche ist es knüppelvoll. Tom schiebt mich bis zur Mitte vor, wo Olli und Markus irgendwas zu Fummeln haben. Hey, Steff, ruft Olli, als er mich sieht, und drückt mir das verschrumpelte braune Ding in die Hand. Probier mal, das geht total ab. Warum nicht, denke ich. Ein bißchen moralische Unterstützung im Fall Marla B. kann nicht schaden. Ich schiebe mir das Ding in den Mund und kaue ein wenig darauf herum. Naja, für einen Michelin-Stern reicht es nicht. Von toller Wirkung ganz zu schweigen. Ich werde mir lieber noch einen Wodka holen. Geht doch nichts über Altbewährtes. Beim Gedanken an etwas Flüssiges meldet sich dann aber erstmal meine Blase zu Wort. Nur schnell mal für kleine Jungs. Marla wird mir schon nicht wegrennen.
Ah, das tut gut! War aber auch höchste Eisenbahn. Wer kichert denn da so blöd? Ob das die ersten Hallus sind?
Nein, es ist nur Gabi, eine der Schnepfen, die dauernd an Marla kleben. Ob ich immer in den Abfalleimer pinkle, will sie wissen. Ob sie immer fremden Männern auf die Toilette folgt, kontere ich. Welche Toilette, fragt sie dämlich, und verschwindet, immer noch kichernd.
Mannomann, sind Frauen eigentlich immer so albern? Ich ziehe den Reißverschluß hoch und gehe zurück ins Wohnzimmer. Marla steht immer noch umringt von ihrem weiblichen Fanclub in der Ecke, und Gabi grinst mich anzüglich an. Das ist mir doch zu blöd. Ich verziehe mich ans andere Ende des Raumes, wo Elli und Markus auf ein paar Kissen hin und her rollen und Speichelfäden austauschen. Boah – wie eklig! Ich schlüpfe unter den Vorhang, dessen Muster mir irgendwie interessant erscheint, und betrachte die Party eine zeitlang durch eine orangene Stoffmaske. Kein schlechter Effekt, aber nach einer Weile wird es mir doch zu blöd, Marla von fern anzustarren. Mir fällt auf, wie verdammt stickig es hier drinnen ist. Stickig und rauchig. Ich sehne mich nach einem Zug kalter, sauerstoffreicher Luft. So, wie sie durch diesen dünnen Spalt hereinströmt. Der Spalt wird breiter, als ich ihn berühre. Die Terrassentür, ach so. Ich mache mich dünn und zwänge mich hindurch.
Durch den Vorhang dringt orange gefärbtes Licht nach draußen, ansonsten ist es vollkommen dunkel. Ich glaube, ich habe noch nie so viele Sterne auf einmal gesehen. Der Himmel sieht ein bißchen aus wie das Rauschbild im Fernsehen, nur umgekehrt. Ich sauge die klare Luft in meine Lungen, lege den Kopf in den Nacken und seufze wohlig. Allmählich setzen sich die Sterne in Bewegung, zuerst langsam nach links, dann wieder nach rechts, und am Ende gleichzeitig in beide Richtungen. Wow, denke ich, das ist ja wirklich mal abgefahren. Die anderen wissen gar nicht, was sie verpassen.
"Wieso liegst'n hier aufm Boden rum, Alter?"
Es ist der langhaarige Thimo aus der C, der immer in diesem bescheuerten Slipknot-T-Shirt rumrennt. "Hau einfach ab, du Spanner!" murmele ich genervt. "Kann man hier eigentlich nirgendwo alleine sein?" Aber ein bißchen kalt wird mir doch, und ich rapple mich ächzend wieder auf.
Dann sehe ich sie, und vergessen sind alle Schmalspurmetaller der Welt! Wie eine Erscheinung steht sie, wo sich vorher noch blanker Terrassenboden erstreckte - ein dunkler Engel vor dem phänomenalsten Sonnenuntergang, den die Welt je gesehen hat. Ich reibe mir ungläubig die Augen.
"Marla!" Meine Stimme droht zu versagen. "Ich wollte dich eigentlich vorhin schon...äh..."
Ich merke, daß es um meinen Gleichgewichtssinn nicht allzu gut bestellt ist. Verdammt, Gorbi, laß mich jetzt nicht im Stich! Aber die mangelnde Eleganz meiner Bewegungen scheint die Frau meiner Träume nicht abzuschrecken. Sie läßt es zu, daß ich näher komme, mich im Glanz der untergehenden Sonne gegen sie lehne, sie im Sternenrauschen mit einer ungeschickten, aber leidenschaftlichen Umarmung umfange.
"Ach, Marla..." Ich seufze tief und vergrabe mein Gesicht in ihr weiches Haar, das nach Frühling und Weihnachten zugleich riecht. Ich habe von Anfang an geahnt, daß das meine, daß das unsere Nacht ist. Und jetzt, hier, wir zwei, allein unterm Sternenhimmel...
"Ey, Alter, ich will dich ja nicht desillusionieren oder so..."
Schon wieder dieser verdammte Slipknot-Jünger! Kann der nicht endlich mal die Fresse halten?
"...aber du hast gerade sowas wie Petting mit ner Zypresse. Nicht, daß es mich was anginge..."
"Verschwinde endlich!!!" brülle ich, nehme kurz Anlauf und ramme dem Idiot meinen Schädel ins Slipknot-T-Shirt. Japsend geht das langhaarige Ärgernis zu Boden. Ich will ihm dorthin folgen, doch irgendetwas umschlingt mich, verdreht mir den Arm und zerrt mich zurück auf die Terrasse und von dort Richtung Sonnenuntergang. Ich trete um mich, will mich von den vielhändigen Tentakeln befreien, die mich umschlingen, will an der Luft bleiben, will bei Marla bleiben...MARLAAA!!!!!
"Ihr habt Sie ja nicht mehr alle," dringt es durch den dichten orangenen Nebel an mein Ohr. "Und ich darf es dann hinterher ausbaden, wenn ihr hier so ne Scheiße baut!" Ist das Ollis Stimme? Und ist das nicht Marla, die sich lächelnd über mich beugt?
"Marla..." wispere ich ein letztes Mal, und versuche, mich auf das Gesicht zu konzentrieren, das da inmitten eines Meers aus flüssiger Lava schwimmt, kreist, verschwimmt. Dann wird es wieder dunkel.
Als ich in einem halbverdunkelten Raum zu Bewußtsein komme, ist es bereits Tag. Vor mir steht eine afro-amerikanische Frau im eleganten Zweiteiler und hält mir einen Revolver unter die Nase. Ihr Blick ist vorwurfsvoll, fast mütterlich. Na was, will ich fragen, noch nie einen über den Durst getrunken? Aber aus meiner Kehle kommt nur ein trockenes Krächzen.
Es dauert eine Weile, bis mir klar wird, daß ich im Zimmer meines Kumpels Olli auf dem Boden liege und mit dem Jackie-Brown-Poster rede, das seit ein paar Wochen seine Tür ziert. Olli hat einen Narren an dieser blöden Jackie gefressen. Wieso, habe ich noch nie verstanden. Dicke Titten sind nicht alles, oder? Wenn ich da an Marla denke...
Dicht neben mir ertönt ein leises Stöhnen. Was'n jetzt, denke ich mürrisch. Kann man denn nicht mal ungestört seinen Rausch ausschlafen?
"Mann, Alter, du hattest gestern vielleicht einen in der Birne!"
Es ist Olli, mein bester Freund und Saufkumpan, der sich im Bett herumwuchtet und mich aus verquollenen Augen anglotzt. Neben ihm regt sich etwas, und ein weiterer dunkler Haarschopf taucht unter der Decke auf. Es ist Marla, die mich ein wenig verknautscht anlächelt. "Na, Steff, gut geschlafen?" Sie kichert leise, verschluckt sich und fängt wild zu husten an.
Ungläubig starre ich zuerst Marla, dann Olli an. Es dauert ein bißchen, bis ich die Zusammenhänge erfasse, aber das ist angesichts meines Zustands und der Uhrzeit kein Wunder. Olli ist noch damit beschäftigt, Marla auf den Rücken zu klopfen, als ich das Zimmer verlasse. Wie in Trance steige ich über die verstreuten Partyleichen, die im Flur und im Wohnzimmer campieren und lasse mich schließlich auf das schwarze Ledersofa fallen.
Wie kann er mir das antun? Wie kann sie mir das antun?
Ich fühlte mich hohl, unendlich hohl.
Meine Hand greift mechanisch zum nächststehenden Glas, und ich kippe den Inhalt in einem Zug hinunter.
Verflucht, Marla! Was ist mit unserem Kuß?! Was ist mit unserem verdammten Sonnenuntergang?!!!
Als ich das nächste Mal aufwache, ist es fast schon wieder dunkel. Einige der Partygäste sind gerade dabei, ihre Sachen zusammen zu suchen und sich von Olli zu verabschieden.
"Ciao, Steffen!" ruft irgendjemand durch den Raum, aber das alles prallt an mir ab.
Marla, denke ich. Marla, quillt es aus meinen brennenden Augen.
Ich will weg hier, bloß weg.
Auf der Terrasse ist es arschkalt. Ich klammere mich an die Wodkaflasche in meiner Hand, als könne sie mich wärmen. Wo die Flasche auf einmal herkommt, weiß ich nicht. Auch nicht, ob ich derjenige bin, der sie halbleer getrunken hat.
Der Schnee im Garten hinter dem Haus ist zu schmutzigen Pfützen geschmolzen. Bis ich am anderen Ende des Rasens ankomme, bin ich hoffnungslos verdreckt, aber das macht mir nichts aus. Solche Dinge habe ich hinter mir gelassen. Da stehe ich drüber. Auch die Kälte wirkt nach ein paar Schlucken Wodka wie ein treuer Weggefährte. Auf Gorbi und die Kälte ist Verlaß. Da weiß man, woran man ist. Ich spiele mit dem Gedanken, nach Sibirien auszuwandern. In der eisigen Einöde müssen die Menschen zwangsläufig dichter zusammenrücken. Da kann man es sich nicht leisten, dem besten Freund in den Rücken zu fallen. Da zählen moralische Werte noch was. Da ist das Leben klar und rein wie der Wodka, der durch meine geschundene Seele rinnt.
Hinter einem Busch treffe ich den Slipknot-Fan, der gerade Anstalten macht, sich in die reißenden Fluten einer besonders großen Schlammpfütze zu stürzen.
"Bißchen niedrig für nen Kopfsprung, Alter," meine ich und nehme noch einen Schluck.
"Ich will nicht mehr," heult der Langhaarige, und wischt sich den Rotz aus dem Gesicht. Ein blauer Fleck, vermutlich ein Überbleibsel unseres nächtlichen Kampfes, ziert seinen Wangenknochen. "Es macht alles keinen Sinn ohne sie."
"Ach," krächze ich versöhnlich, denn ich kann mir fast denken, was jetzt kommt.
"Auch nen Schluck?"
Mann, was für eine Party! Olli hat nicht zuviel versprochen, diesmal hat sich die Vorfreude wirklich gelohnt. Korrekte Mucke, Wodka bis zum Abwinken, und das Gras ist allererste Sahne. Die beste Einstimmung auf den Urlaub. Wie der Kottrich es geschafft hat, die Mädels aus der Neunten zum Kommen zu überreden, ist mir nach wie vor ein Rätsel. Aber sie sind da, und das allein zählt. Vor allem, weil Marla gekommen ist. Seit knapp zehn Minuten steht sie mit ihren Freundinnen in einer Ecke und saugt auf diese unnachahmlich marleske Weise an ihrer Marlboro. Was für eine Frau! Wieso können die anderen Tussen nicht mal einen kollegialen Klogang einlegen? Nach ein wenig gutem Zureden von Väterchen Gorbatschow fasse ich mir schließlich ein Herz. Wenn der Berg nicht, und so weiter. Gerade will ich in Marlas Richtung, als Tom aus der B mich am Ärmel entführt. Er murmelt irgendwas von 'langweilig' und 'bißchen Stimmung reinbringen', und ich gebe mich bereitwillig geschlagen. Vielleicht sollte ich dem alten Michail noch ein bißchen Gelegenheit geben, sich zu setzen.
In der Küche ist es knüppelvoll. Tom schiebt mich bis zur Mitte vor, wo Olli und Markus irgendwas zu Fummeln haben. Hey, Steff, ruft Olli, als er mich sieht, und drückt mir das verschrumpelte braune Ding in die Hand. Probier mal, das geht total ab. Warum nicht, denke ich. Ein bißchen moralische Unterstützung im Fall Marla B. kann nicht schaden. Ich schiebe mir das Ding in den Mund und kaue ein wenig darauf herum. Naja, für einen Michelin-Stern reicht es nicht. Von toller Wirkung ganz zu schweigen. Ich werde mir lieber noch einen Wodka holen. Geht doch nichts über Altbewährtes. Beim Gedanken an etwas Flüssiges meldet sich dann aber erstmal meine Blase zu Wort. Nur schnell mal für kleine Jungs. Marla wird mir schon nicht wegrennen.
Ah, das tut gut! War aber auch höchste Eisenbahn. Wer kichert denn da so blöd? Ob das die ersten Hallus sind?
Nein, es ist nur Gabi, eine der Schnepfen, die dauernd an Marla kleben. Ob ich immer in den Abfalleimer pinkle, will sie wissen. Ob sie immer fremden Männern auf die Toilette folgt, kontere ich. Welche Toilette, fragt sie dämlich, und verschwindet, immer noch kichernd.
Mannomann, sind Frauen eigentlich immer so albern? Ich ziehe den Reißverschluß hoch und gehe zurück ins Wohnzimmer. Marla steht immer noch umringt von ihrem weiblichen Fanclub in der Ecke, und Gabi grinst mich anzüglich an. Das ist mir doch zu blöd. Ich verziehe mich ans andere Ende des Raumes, wo Elli und Markus auf ein paar Kissen hin und her rollen und Speichelfäden austauschen. Boah – wie eklig! Ich schlüpfe unter den Vorhang, dessen Muster mir irgendwie interessant erscheint, und betrachte die Party eine zeitlang durch eine orangene Stoffmaske. Kein schlechter Effekt, aber nach einer Weile wird es mir doch zu blöd, Marla von fern anzustarren. Mir fällt auf, wie verdammt stickig es hier drinnen ist. Stickig und rauchig. Ich sehne mich nach einem Zug kalter, sauerstoffreicher Luft. So, wie sie durch diesen dünnen Spalt hereinströmt. Der Spalt wird breiter, als ich ihn berühre. Die Terrassentür, ach so. Ich mache mich dünn und zwänge mich hindurch.
Durch den Vorhang dringt orange gefärbtes Licht nach draußen, ansonsten ist es vollkommen dunkel. Ich glaube, ich habe noch nie so viele Sterne auf einmal gesehen. Der Himmel sieht ein bißchen aus wie das Rauschbild im Fernsehen, nur umgekehrt. Ich sauge die klare Luft in meine Lungen, lege den Kopf in den Nacken und seufze wohlig. Allmählich setzen sich die Sterne in Bewegung, zuerst langsam nach links, dann wieder nach rechts, und am Ende gleichzeitig in beide Richtungen. Wow, denke ich, das ist ja wirklich mal abgefahren. Die anderen wissen gar nicht, was sie verpassen.
"Wieso liegst'n hier aufm Boden rum, Alter?"
Es ist der langhaarige Thimo aus der C, der immer in diesem bescheuerten Slipknot-T-Shirt rumrennt. "Hau einfach ab, du Spanner!" murmele ich genervt. "Kann man hier eigentlich nirgendwo alleine sein?" Aber ein bißchen kalt wird mir doch, und ich rapple mich ächzend wieder auf.
Dann sehe ich sie, und vergessen sind alle Schmalspurmetaller der Welt! Wie eine Erscheinung steht sie, wo sich vorher noch blanker Terrassenboden erstreckte - ein dunkler Engel vor dem phänomenalsten Sonnenuntergang, den die Welt je gesehen hat. Ich reibe mir ungläubig die Augen.
"Marla!" Meine Stimme droht zu versagen. "Ich wollte dich eigentlich vorhin schon...äh..."
Ich merke, daß es um meinen Gleichgewichtssinn nicht allzu gut bestellt ist. Verdammt, Gorbi, laß mich jetzt nicht im Stich! Aber die mangelnde Eleganz meiner Bewegungen scheint die Frau meiner Träume nicht abzuschrecken. Sie läßt es zu, daß ich näher komme, mich im Glanz der untergehenden Sonne gegen sie lehne, sie im Sternenrauschen mit einer ungeschickten, aber leidenschaftlichen Umarmung umfange.
"Ach, Marla..." Ich seufze tief und vergrabe mein Gesicht in ihr weiches Haar, das nach Frühling und Weihnachten zugleich riecht. Ich habe von Anfang an geahnt, daß das meine, daß das unsere Nacht ist. Und jetzt, hier, wir zwei, allein unterm Sternenhimmel...
"Ey, Alter, ich will dich ja nicht desillusionieren oder so..."
Schon wieder dieser verdammte Slipknot-Jünger! Kann der nicht endlich mal die Fresse halten?
"...aber du hast gerade sowas wie Petting mit ner Zypresse. Nicht, daß es mich was anginge..."
"Verschwinde endlich!!!" brülle ich, nehme kurz Anlauf und ramme dem Idiot meinen Schädel ins Slipknot-T-Shirt. Japsend geht das langhaarige Ärgernis zu Boden. Ich will ihm dorthin folgen, doch irgendetwas umschlingt mich, verdreht mir den Arm und zerrt mich zurück auf die Terrasse und von dort Richtung Sonnenuntergang. Ich trete um mich, will mich von den vielhändigen Tentakeln befreien, die mich umschlingen, will an der Luft bleiben, will bei Marla bleiben...MARLAAA!!!!!
"Ihr habt Sie ja nicht mehr alle," dringt es durch den dichten orangenen Nebel an mein Ohr. "Und ich darf es dann hinterher ausbaden, wenn ihr hier so ne Scheiße baut!" Ist das Ollis Stimme? Und ist das nicht Marla, die sich lächelnd über mich beugt?
"Marla..." wispere ich ein letztes Mal, und versuche, mich auf das Gesicht zu konzentrieren, das da inmitten eines Meers aus flüssiger Lava schwimmt, kreist, verschwimmt. Dann wird es wieder dunkel.
Als ich in einem halbverdunkelten Raum zu Bewußtsein komme, ist es bereits Tag. Vor mir steht eine afro-amerikanische Frau im eleganten Zweiteiler und hält mir einen Revolver unter die Nase. Ihr Blick ist vorwurfsvoll, fast mütterlich. Na was, will ich fragen, noch nie einen über den Durst getrunken? Aber aus meiner Kehle kommt nur ein trockenes Krächzen.
Es dauert eine Weile, bis mir klar wird, daß ich im Zimmer meines Kumpels Olli auf dem Boden liege und mit dem Jackie-Brown-Poster rede, das seit ein paar Wochen seine Tür ziert. Olli hat einen Narren an dieser blöden Jackie gefressen. Wieso, habe ich noch nie verstanden. Dicke Titten sind nicht alles, oder? Wenn ich da an Marla denke...
Dicht neben mir ertönt ein leises Stöhnen. Was'n jetzt, denke ich mürrisch. Kann man denn nicht mal ungestört seinen Rausch ausschlafen?
"Mann, Alter, du hattest gestern vielleicht einen in der Birne!"
Es ist Olli, mein bester Freund und Saufkumpan, der sich im Bett herumwuchtet und mich aus verquollenen Augen anglotzt. Neben ihm regt sich etwas, und ein weiterer dunkler Haarschopf taucht unter der Decke auf. Es ist Marla, die mich ein wenig verknautscht anlächelt. "Na, Steff, gut geschlafen?" Sie kichert leise, verschluckt sich und fängt wild zu husten an.
Ungläubig starre ich zuerst Marla, dann Olli an. Es dauert ein bißchen, bis ich die Zusammenhänge erfasse, aber das ist angesichts meines Zustands und der Uhrzeit kein Wunder. Olli ist noch damit beschäftigt, Marla auf den Rücken zu klopfen, als ich das Zimmer verlasse. Wie in Trance steige ich über die verstreuten Partyleichen, die im Flur und im Wohnzimmer campieren und lasse mich schließlich auf das schwarze Ledersofa fallen.
Wie kann er mir das antun? Wie kann sie mir das antun?
Ich fühlte mich hohl, unendlich hohl.
Meine Hand greift mechanisch zum nächststehenden Glas, und ich kippe den Inhalt in einem Zug hinunter.
Verflucht, Marla! Was ist mit unserem Kuß?! Was ist mit unserem verdammten Sonnenuntergang?!!!
Als ich das nächste Mal aufwache, ist es fast schon wieder dunkel. Einige der Partygäste sind gerade dabei, ihre Sachen zusammen zu suchen und sich von Olli zu verabschieden.
"Ciao, Steffen!" ruft irgendjemand durch den Raum, aber das alles prallt an mir ab.
Marla, denke ich. Marla, quillt es aus meinen brennenden Augen.
Ich will weg hier, bloß weg.
Auf der Terrasse ist es arschkalt. Ich klammere mich an die Wodkaflasche in meiner Hand, als könne sie mich wärmen. Wo die Flasche auf einmal herkommt, weiß ich nicht. Auch nicht, ob ich derjenige bin, der sie halbleer getrunken hat.
Der Schnee im Garten hinter dem Haus ist zu schmutzigen Pfützen geschmolzen. Bis ich am anderen Ende des Rasens ankomme, bin ich hoffnungslos verdreckt, aber das macht mir nichts aus. Solche Dinge habe ich hinter mir gelassen. Da stehe ich drüber. Auch die Kälte wirkt nach ein paar Schlucken Wodka wie ein treuer Weggefährte. Auf Gorbi und die Kälte ist Verlaß. Da weiß man, woran man ist. Ich spiele mit dem Gedanken, nach Sibirien auszuwandern. In der eisigen Einöde müssen die Menschen zwangsläufig dichter zusammenrücken. Da kann man es sich nicht leisten, dem besten Freund in den Rücken zu fallen. Da zählen moralische Werte noch was. Da ist das Leben klar und rein wie der Wodka, der durch meine geschundene Seele rinnt.
Hinter einem Busch treffe ich den Slipknot-Fan, der gerade Anstalten macht, sich in die reißenden Fluten einer besonders großen Schlammpfütze zu stürzen.
"Bißchen niedrig für nen Kopfsprung, Alter," meine ich und nehme noch einen Schluck.
"Ich will nicht mehr," heult der Langhaarige, und wischt sich den Rotz aus dem Gesicht. Ein blauer Fleck, vermutlich ein Überbleibsel unseres nächtlichen Kampfes, ziert seinen Wangenknochen. "Es macht alles keinen Sinn ohne sie."
"Ach," krächze ich versöhnlich, denn ich kann mir fast denken, was jetzt kommt.
"Auch nen Schluck?"