Der Besuch

fuuly

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Tante Corona zu Besuch

Völlig überraschend, aus heiterem Himmel oder trüben Gewässern, je nachdem wie man es betrachten wollte, kam Tante Corona zu Besuch. Nie zuvor hatte man von ihrer Existenz etwas vernommen. Unangekündigt und rätselhaft, eine Jungfernzeugung, ausgebrütet von fast ausgestorbenen Flugdrachen mit denen sie, so sagt man im Westen, ein Verhältnis gehabt habe und die sie im Stile einer Herrgottanbeterin nach der Begattung roh zu verzehren beliebte.

Dabei wussten schon die alten Germanen, dass mit Drachen und insbesondere mit deren Blute nicht zu spaßen sei. Man könne zwar darin baden, sagten die alten Überlieferungen, sollte aber ansonsten das Drachen- oder Schweinefleisch sorgfältig über dem Feuer brutzeln. Das war Gesetz! Jedenfalls wurde ein Vergehen dieser Art im Thing unbarmherzig geahndet.

Als dann die Epoche der Völkerwanderungen anbrach, vermischten sich auch die Sagen und Erzählungen der Altvorderen, die Regeln und nützlichen Überlieferungen verblassten. Die Nachgeborenen wussten es besser. Die klug ausgeschiedenen Sprüche waren auf jedem mitgeführten Pappschild zu lesen.

Nun schauen wir aber auf die kreisfreie Großstadt Knalle und das kommunale Umland dortselbst. Wie überall, so hatte man auch hier in der Provinz vernommen, dass diese Tante nicht allzu gutes im Schilde führen sollte. Zwar war schon bekannt, dass die Dame keinerlei Millionenbeträge, Gold, Diamanten oder sonstigen Klunker mitbringen würde, selbst auf die Möglichkeit hin, dass einer ihrer honorigen Mitbürger dafür zu opfern sei. Nein, man wusste aus anderen Weltgegenden, der Besuch würde sehr viel kosten, Millionen verschlingen und Tausenden den Tod bringen. Die böse Tante berührte die Umstehenden mit ihrem vergifteten Staubwedel und die so Gezeichneten verteilten den Giftstaub weiter auf alle Umstehenden. Exponentiell wurde das alternative Unwort des Jahres!

Nun gesellte sich aber für die meisten der Einwohner ein Lichtblick in die finstere Bedrohung. Man wusste, ein einziges Menschenopfer würde dieses Mal den Schrecken nicht aufhalten, aber die möglichen, leichter zu treffenden Jahrgänge waren gut und wissenschaftlich eingegrenzt. Wie sagte ein neunmalkluger aus dem Think Tank des Bürgermeisters? „Es steht schon in der Bibel, ein Leben währet siebzig Jahre und wenn es hochkommt sind es achtzig Jahre!“ Ein anderer meinte, ob sie nun ein halbes Jahr früher oder später an der Reihe wären, was sei da viel Gedöns zu machen!

Gegen solcherlei Gedanken hatte der hohe Ethik-Rat bereits einen Riegel vorgeschoben. Das mittlerweile in den Laboren entwickelte Gegengift hatte sich gegen die Staubwedel erfolgreich behauptet. Die Menschen, einmal mit jenem Serum versorgt, kamen mit dem Schrecken davon, konnten vergnügt weiterleben und blieben zukünftig unbehelligt. Jedoch war dieses Serum ein äußerst selten vorhandenes und somit kostbares Gut, was nur wenigen vorerst zuteilwerden konnte.

Und so kamen viele Asse
drängten in die Rettungsgasse.
Bischöfe und Bürgermeister,
Schwager, Schwester und die Geister
die im Büro den Speichel lecken,
Hengste, Dödel und die Zecken,
die Elite der Provinz
sei noch lang nicht Kunz und Hinz.


„Ich schnappe mir die Wurst vom Teller!“,

sprach der Windhund, der war schneller!
 



 
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