Der blanke Horror

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Der blanke Horror


Ich war auf dem Weg zum Bahnhof, um zur Arbeit zu fahren. Der Fußweg ist kaum mehr als zwei Meter breit, am Straßenrand stehen geparkte Autos, und vormittags um halb elf ist die relativ enge Hauptstraße recht stark befahren.
Etwa fünfzig Meter vor mir sehe ich einen Mann und eine Frau samt zweier kleiner Kinder. Plötzlich wird es laut, der Mann schreit die Frau an, die Kinder tollen unbeobachtet um sie herum.
Ich komme immer näher.
Alle waren nicht gerade sehr gepflegt in ihrer Erscheinung. Der Mann hatte eine zottelige, sehr ungepflegte Frisur, ein Tattoo auf der Wange, Ohrringe, Nasenring - kurz, vorurteilsbehaftet würde man ihn als totalen Assi abstempeln, weil auch sein Benehmen nichts anderes vermuten ließ. Die Kippe in der einen und die Flasche Bier in der anderen Hand rundeten das widerwärtige Bild ab.

Plötzlich lief eines der Kinder mir ein paar Schritte entgegen, um dann zwischen die parkenden Autos zu flüchten. Blitzartig reagierte ich, nachdem ich wahrgenommen hatte, dass von hinten ein Bus herankam, dessen Fahrer dieses Kind nie und nimmer rechtzeitig hätte sehen können. Ich lief dem Kind nach und packte es noch gerade rechtzeitig am Arm, dass es nicht auf die Straße laufen konnte. Es schrie sofort los.
„Pack mein Kind nicht an, Alter!“, rief der Kerl. Er hatte nur sehr verzögert realisiert, dass die Kleine auf die Straße gerannt wäre.
„Hey, geht es noch?“, schrie ich zurück. „Hätte ich sie laufen lassen sollen, oder was?“
Der Busfahrer hatte wohl nur mal kurz gezuckt, weil er meine schnelle Bewegung erkannt haben mochte, aber er hätte keine Chance gehabt. Er hätte das Kind überfahren.
„Finger weg von meinem Kind!“, schrie er wieder. „Ich zeig dich an, du Arsch! Chantall! Komm her!“
Chantal, na, klar, dachte ich fast amüsiert. Aber wer hier die Anzeige bekommen müsste, sah ich natürlich anders.
Ich ließ das kleine Mädchen los, achtete aber sehr genau darauf, wohin sie nun laufen würde.
„Wie wäre es mal mit Verkehrserziehung, damit sie nicht bei nächster Gelegenheit wieder auf die Straße rennt. Dann ist vielleicht keiner da, der sie rettet“, sagte ich in bemüht ruhigerem Ton.
„Ja, ja, verpiss dich, Alter“, blaffte er mich wieder an.
Kopfschüttelnd ging ich weiter. Seine kalten glasigen Augen machten mir Angst.

Ich bin selbst Busfahrer, und ich glaube, es gibt keinen größeren Horror, als eine solche Situation, die dann im Unglück endet.
 
G

Gelöschtes Mitglied 14278

Gast
Hallo Rainer,

ja, so ist das oft - Undank ist der Welt Lohn. Fast täglich lese ich in der Zeitung, dass in Hamburg ein Kind angefahren wurde, weil es zwischen geparkten Autos hindurch lief. Da frage ich mich immer: Wo waren da die Eltern? Oder eine Mutter fährt seelenruhig auf dem Radweg neben einer vielbefahrenen Straße, ihr Kind in wackeliger, weil noch ungeübter Fahrt meterweit hinter ihr. Da packt einen schon manchmal die Wut …

Gruß, Ciconia
 

molly

Mitglied
Hallo Rainer,

"Der blanke Horror",

Dein Titel trifft die Situation genau. Das macht traurig und wütend.

Gruß
molly
 
Hallo Ciconia, hallo Molly,
solchen Leuten, wie ich sie in dieser Szene erleben musste, fehlt in meinen Augen jegliche Kompetenz, Kinder würdig zu erziehen. Denn diese zwei waren bestimmt nicht erst seit kurzer Zeit so drauf. Das ist einfach nur abscheulich für die Kinder.
Ich habe selbst keine Kinder, aber solchen Leuten sollte man verbieten, überhaupt welche zu bekommen.
Liebe Grüße,
Rainer Zufall
 



 
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