Der Container

Der Container



Es war ein roter Container mit einem exotischen Firmenlogo, das niemand im Hafen kannte. Entladen wurde er wie tausende, ja zehntausente andere jeden Tag von einem dieser riesigen Schiffe die den Waren-, ja Lebensfluss unserer modernen Konsumgesellschaft so unbeachtet am Laufen halten. Und in einem jener wunderbaren, für Laien undurchschaubaren Prozesse -gesteuert von künstlicher Intelligenz- einem Meister- ja Wunderwerk der modernen Logistik wurde er einem LKW zugewiesen und auf diesen gesetzt. Der Fahrer, ein etwas brummeliger und übermüdeter Rumäne mittleren Alters setzte sich ans Steuer und startete. Und so ging es Stunde für Stunde über deutsche Autobahnen – nur unterbrochen von einer Teepause auf einem dieser Rastplätze, von denen nur die LKW-Fahrer wissen. Quälend langsam die Anstiege in den Mittelgebirgen, quälend langsam die Überholvorgänge. Fluchend die PKW-Fahrer, die sich dahinter stauten, die SUV-Fahrer, die Angst hatten, sehr wichtige Geschäftstermine zu versäumen, die Familienväter, deren Blasenfüllung bedrohlich anstieg.

Schließlich erreichte er den verheißenen Süden, die kleine Stadt, in denen sich ein Betrieb befand, der dringend auf eine Lieferung jener Vorprodukte wartete, deren Veredelung er mit einer Meisterschaft beherrschte, die ihn zum Weltmarktführer in seiner sehr speziellen Marktnische machte. Die Welt würde stillstehen, könnte er diese Produkte nicht weiter liefern, denn sie waren, wenn sie den meisten Menschen auch unbekannt waren, notwendig, um fasst alle modernen Elektrogeräte zu produzieren, ein Vitamin, ein lebensnotwendiges Spurenelement der Weltwirtschaft - quasi.

Er fuhr also in den Firmenhof ein, begab sich – in einem seltsam eiernd unrundem Gang, eilend und doch nicht sehr schnell in das Büro der Firma, legte die Frachtpapiere auf den Tisch und verlangte einen Kaffee! Schwarz! Und ohne alles!

Die Büroangestellte, Seele und Herz des Betriebs, versorgte ihn und brachte die Frachtpapiere zu den entsprechenden Lagerarbeitern. Diese luden den Container vom Wagen und gingen daran, die Papiere zu prüfen um ihn anschließend zu entladen. Ein Teil der Papiere war leider unleserlich geworden und so machten sie sich eilig daran, den Inhalt zu überprüfen. Allein, die Frachtluke klemmte. Und so kam ein Arbeiter nach dem anderen zum Container, werkelte kurz aber vergeblich an der Luke, ratloste und besprach sich mit den anderen. Manche holten Werkzeuge und andere Geräte, nichts half, der Container ließ sich nicht öffnen. Schließlich beschlossen sie, den Container aufzuschweißen, es half ja nichts.

Die gesamte Belegschaft stand gespannt um den geheimnisvollen Container als der Schweißer sein Werk begann. Kaum hatte er damit begonnen, die Funken sprühten und die erste Stelle begann zu glühen, da ging die Luke auf.

Heraus kam ein kleines Männchen, nicht größer Kind aber mit einem deutlichen Kugelbauch, an eine Karikatur erinnernd aber doch eindeutig ein Mensch. Bekleidet war nur er mit einer Art Turnhose, er hatte eine eigenartig gelb-dunkelorange Haut mit einem Grünstich und trug die schwarzen Haare auf seinem großen Kopf in einem eigenartigen Topfschnitt. Er schimpfte und gestikulierte wild und wütend. Seine Sprache hörte sich fast wie eine Art Schnattern an und niemand verstand irgendetwas. Ja niemand fühlte sich an irgendeine Sprache erinnert, die er jemals gehört hätte. Die Angestellten versuchten ihrerseits mit dem Männchen zu kommunizieren, indem sie gestikulierten und versuchten auf jedwede Möglichkeit ein Signal des Verstehens zu erheischen. Sie probierten es mit Sätzen, Wörten und Floskeln aus allen Sprachen, die irgendeinem von ihnen bekannt waren, sogar mit unanständigen französischen. Ein Angestellter versuchte es sogar mit einigen Signalen aus der Gebärdensprache. Nichts! Das Männchen gestikulierte und schimpfte weiter. Schließlich kam ein Weibchen aus dem Container. Das mag zwar sehr diskriminierend klingen – aber der Begriff fiel sofort allen die sie sahen ein und zum Begriff „Männchen“ fällt mir kein nichtdiskriminierender weiblicher Gegenbegriff ein. Sie war offensichtlich seine Frau. Sie war von ähnlichem Aussehen und ähnlicher Größe wie das Männchen, trug ein Schürze und eine Art Schlappen. Beide stritten und gestikulierten wild miteinander. Schließlich trat sie an einen der Angestellten heran und entriss ihm das Tablet, das er hielt und das eigentlich zur Registrierung der Ladung dienen sollte. Der Angestellte war sprachlos und ließ es geschehen. Sie tippte und wischte geschäftig auf dem Gerät und öffnete unbekannte Apps bzw. Programme. Schließlich hielt sie das Tablet dem Angestellten entgegen und auf dem Bildschirm war in großen Lettern zu lesen: „Was soll das? Wir haben euch nichts getan, warum brecht ihr in unsere Wohnung ein? Wer seid ihr? Seid ihr von allen gutem Geistern verlassen?“. Nachdem sich einer der Angestellten wieder gefasst hatte erbat er mit einer Geste das Tablet zurück. Unsicher und nervös tippte so er etwas wie ein Gegenfrage ein und gab sie dem Weibchen zurück. Sie zeigte es dem Männchen und beide entspannten sich etwas und wurden ruhiger. Sie tippten wiederum etwas ein und zeigten es herum: „Nein Danke, wir brauchen keine Hilfe, wir besitzen alles, was wir brauchen, uns geht es gut. Nur etwas frischer Pflaumensaft und etwas getrocknetes Rindfleisch würde und freuen.“ So begann man miteinander zu kommunizieren, das Männchen überprüfte die Frachtpapiere, schüttelte den Kopf (offensichtlich hatten sie hierbei die gleiche Geste) tippte und wischte viel auf dem Tablet und gab in Auftrag, Neue zu drucken. Man kam überein, den Schaden am Container zu reparieren und ihn am nächsten Morgen zurückzuschicken, der rumänische Fahrer war ja noch im Haus. Bevor sich die beiden in ihren Container zurückzogen zeigten sie noch eine Nachricht auf dem Tablet: „Wenn wir schon in Deutschland gelandet sind, wollten wir höflichst fragen, ob es nicht möglich ist etwas Spekulatius zu besorgen, das mögen wir und das gibt es bei uns zu Hause nicht“. Es war natürlich möglich!
 



 
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