Hagen
Mitglied
Es bleibt immer irgendwas hängen!
Der geneigte Leser mag sich noch erinnern, dass ich eingelocht worden war weil ich angeblich eine Bank überfallen hatte. Hatte sich zwar als Irrtum rausgestellt, das Ganze, und ich war ohne Entschuldigung wieder entlassen worden - Missverständnis - aber wie gesagt, es bleibt immer irgendwas hängen und ich wurde bei meiner Firma auch entlassen.
Fristlos.
Kein Kommentar.
Sie wollten mir zwar eine Abfindung zahlen, aber darauf kam es mir nicht an.
Aus Prinzip. Ich nahm sie aber trotzdem.
Da konnte ich nur wieder nach Hause gehen und mich zu Männe, dem arbeitslosen Binnenschiffer und Robert, dem arbeitslosen Bademeister, auf die Bank vor dem Haus setzen, in die Sonne blinzeln und billiges Bier trinken.
Genau das tat ich dann auch, gab einen Sechserträger Bex aus, und Männe hieß mich willkommen im Club.
Ich ging zum Kiosk und holte noch einen Sechserträger.
Brauchten ja nicht alle zu wissen, dass ich das Geld aus dem Bankraub an mich gebracht hatte, aber irgendwie würde es schon auffallen, dass ich mehr Geld ausgab, als ein normaler, braver Hartz IV-Empfänger.
Das mit dem zweiten Sechserträger hätte ich besser lassen sollen.
Zudem beschlich mich ein blödes Gefühl, dass das noch nicht alles war, das mit dem Geld aus dem Bankraub meine ich.
„Sag mal“, sagte Männe irgendwann nachdem er lange genug in die Sonne geblinzelt hatte, und setzte die Flasche ab, „du hast doch jetzt viel Zeit. Ich habe da von Wolfgang einen uralten Flipper gekriegt, der tut nicht mehr richtig. Meine Frau will das Monstrum aus der Wohnung haben. Ich verstehe da ja nix von, aber du kannst dir den ja mal ansehen.“
„Kann ich ja mal machen. Aber versprechen kann ich nix.“
Kurz und gut, wir brachten den Flipper in mein Wohnzimmer, Männe ging an meinen Kühlschrank, nahm ein Bier raus, sagte: „Ich schulde dir ein Bier“, und ging wieder weg.
Ich war mittlerweile auch ziemlich besoffen und ging erst mal schlafen. Meine Trinkfestigkeit ließ drakonisch zu wünschen übrig.
Als ich wieder aufwachte, wollte ich zunächst zur Arbeit gehen. Aber dann fiel mir ein, dass ich mit der neuen Situation klarkommen musste, ging frische Brötchen holen, frühstückte ausgiebig in der Küche und dabei kam mir der Gedanke, dass mir irgendwann mal irgendjemand gesagt hatte, dass mir ein Trenchcoat gut steht.
Anstatt zum Arbeitsamt zu gehen, sollte ich eine Detektei anmelden. Während des weiteren Frühstücks gewöhnte ich mich an den Gedanken.
Richtige Detektive tragen immer ein Trenchcoat.
Gedacht, getan.
War garnichtmal so teuer und der brave Beamte zuckte nur höhnisch mit den Mundwinkeln, aber wir leben ja in einem freien Land, und als ich wieder auf der Straße stand, war ich Detektiv. Ich hatte selber nicht geglaubt, dass die Sache so einfach ist.
Feiern tat ich die Sache in einem keinen Café, so ganz für mich alleine mit einem Stück Heidelbeer-Sahnetorte, so richtig fies mit extra Orangenlikör und einem Kännchen Kaffee. Richtige Detektive essen zwar keine Heidelbeer-Sahnetorte, aber noch war ich ja kein richtiger Detektiv, weil ich noch kein Trenchcoat hatte und mich kannte in diesem Café auch keiner.
Um anständig zu feiern, mit Bier und Whisky war es ohnehin zu früh, und mit wem hätte ich auch feiern sollen?
Blieb eigentlich nur Männe, aber den konnte ich momentan nicht ertragen. Meine Freunde hatten sich alle ausgeklinkt, seit in der Zeitung gestanden hatte, dass ich eine Bank ausgeraubt hatte. Dass die ganze Geschichte ein Irrtum war, stand natürlich nicht in der Zeitung.
Ich stellte fest, dass ich überhaupt keine richtigen Freunde hatte, nicht mal Kumpels.
Egal.
Aber dann kam Katrin rein und setzte sich zu mir an den Tisch.
„Lange nicht gesehen, aber trotzdem wiedererkannt.“
Offensichtlich hatte sie keine Zeitung gelesen.
Mit Katrin, wir nannten sie ‘Kitty‘, hatte ich mal die Schulbank gedrückt und die ersten zarten Küsse getauscht. Nach der Schule hatte sie gleich geheiratet und sich wieder scheiden lassen. Dann verlor ich sie aus den Augen und spendierte ihr jetzt ein Kännchen Kaffee und ein Stück Heidelbeer-Sahnetorte, damit ich nicht so ganz alleine feiern musste.
Prompt erzähle sie mir aus ihrem Leben, dass sie schon wieder geschieden war und zudem auch keinen Job hatte.
An dieser Stelle merkte ich auf, denn Detektive haben immer eine blonde Sekretärin am Telefon sitzen, und Kitty war blond. Zwar nicht so blond wie Kelly Bundy, aber immerhin blond.
Das sah man am Telefon nicht, und ich fragte sie, ob sie meine Sekretärin machen wollte; - sie müsste allerdings auch Kaffee kochen.
Kitty war Feuer und Flamme, naja, zumindest Flamme, und als ich ihr ein gehaltsmäßig gutes Angebot machte, rührte sie etwas nachdenklich in ihrem Kaffee rum, aß die Heidelbeer-Sahnetorte etwas halbherzig und stimmte schließlich zu.
„Was hast du denn überhaupt für eine Firma?“, fragte sie mit vollen Backen, „ein Floristikstudio? Das kann ich gut, in so einer Firma habe ich schon mal gearbeitet.“
„Quatsch! Ein Floristikstudio! Das ist etwas für Mädels! – Du solltest mich doch kennen! Ich habe eine Detektei! Du brauchst nur das Telefon bewachen und hin und wieder Kaffee kochen. Ich denke, das kriegst du hin.“
„Klar kriege ich das hin! Eine Detektei! Ich werde verrückt, ist das aufregend! Nimmst du mich auch mal mit, auf Verbrecherjagd?“
„Mal sehen. Läuft ja erst an, die ganze Chose.“
„Huch ist das aufregend. Wann kann ich anfangen?“
„Heute oder Morgen, wie du willst. Nimm schon mal den Schlüssel von meinem Büro, dann brauche ich nicht zur Tür gehen, und du brauchst nicht zu klingeln. Das ist irgendwie zu viel Action. Ich bin nämlich ganz faul. Vielleicht schlafe ich ja auch noch, du darfst mich dann nicht wecken; - es sei denn, es ruft ein Klient an.“
Wir tauschten Adressen, ich schmackofazte noch meine Heidelbeer-Sahnetorte zuende, gab Kitty noch einen Bussi auf die Wange, zahlte und zog von dannen.
Schließlich hatte ich noch einen Flipper zu reparieren und meinen Schreibtisch ins Wohnzimmer zu verbringen, denn meine Frau hatte bei ihrem Auszug während meiner Abwesenheit, boshaft, wie Frauen manchmal sind, die Schrankwand und die Sitzgruppe mitgenommen.
Das Wohnzimmer gähnte mir wirklich in ungewohnter Leere entgegen und ich machte ein wirklich schönes Detektivbüro daraus. Auf dem Sperrmüll fand ich auf dem Heimweg sogar noch ein speckiges Ledersofa. Das nahm ich mit, passte gediegen in das Interieur eines Detektivbüros, wie man es aus den guten, alten Filmen kennt. Nur mein Computer störte etwas, aber man kann nicht alles haben.
Und dann kam Kitty auch schon, und wir flipperten noch ein Bisschen, weil ich das Ding mittlerweile so weit hatte, das man sich ein bisschen belustigen konnte.
Bis die Jungs von der Kripo tatsächlich zum Zwecke einer Hausdurchsuchung ankamen.
Dass Kitty vorher eine Heidelbeer-Sahnetorte mitbrachte, fand ich echt geil; - gäbe es für ‘geil‘ einen Komparativ, würde ich sagen: Am allerallergeilsten!
Aber, ich denke, dass lasse ich Kitty erzählen, kann sie ohnehin viel besser, dann hatte ich gleich meinen Einstellungstest, was die Arbeit am Computer betrifft. Außerdem hatte ich noch den Flipper zuende zu reparieren, das hatte schließlich Vorrang vor allem Anderen.
Kitty:
Als Einstand buk ich eine Heidelbeer-Sahnetorte mit extra Orangenlikör, da ich gesehen hatte, dass Hagen sowas in dem Café gegessen hatte.
Ich legte die Torte in meinen Einkaufskorb, zog mir noch eine leichte Jacke über und ging in Hagens Büro.
Hagen hing mit dem Oberkörper in einem Flipperautomaten. Er hatte die Scheibe ausgebaut und das Spielfeld hochgeklappt. Auf dem Schreibtisch standen ein alter Computer und ein Schiffsmodell. Es sah in seinem ‘Büro‘ aus, wie in einem Detektivbüro aus der Ära der schwarz-weiß-Filme.
"Ach, Kitty", murmelte Hagen ohne mich anzusehen, "biste schon da? Schön dass du kommst."
"Ja", antwortete ich, "ich hab' eine Heidelbeer-Sahnetorte mit extra Orangenlikör gebacken. Magst du ein Stück?"
"Selbstgebackene Torte? Ich werd' verrückt! - Naja", Hagen kam aus dem Flipper, "eigentlich essen richtige Männer ja keine Sahnetörtchen. Du erzählst es nicht weiter, nein?"
"Ich glaub', du hast ein Problem mit deinem Männlichkeitsbild!“, sagte ich, „aber ich koch' schon mal Kaffee."
Ich machte mir weiter keine Gedanken. Das übliche Spielchen ging wieder los, wie in jeder Firma, in der ich neu angefangen hatte: Kaffee kochen, Tisch decken, Torte aufschneiden, eigentlich hätte es in einer Detektei anders zugehen müssen. Irgendwie aufregender, spannender!
Hagen fummelte derweil in dem Flipper rum. Als ich den Tisch gedeckt hatte, klappte Hagen das Spielfeld herunter und ließ eine Kugel gegen die Schlagtürme laufen. Sie knallten fürchterlich laut, als die Kugel zurückgeschlagen wurde.
"Hab' die Pfannen unter den Bumpern nochmal nachjustiert", murmelte er. Während wir am Tisch saßen und Torte aßen, erklärte er mir ausführlich, was mit dem Apparat alles los gewesen war, wobei er Fachausdrücke wie 'Ploinger', 'Score-Motor' oder 'Tilt-Hold-Relais' oft und gerne benutzte. Ich ließ ihn in seinem typisch-männlichen Renommiergetue und tat so, als ob ich intensiv zuhören würde. Nach dem dritten Stück Heidelbeer-Sahnetorte spielten wir ein paar Runden mit dem Flipper.
Es machte richtig Spaß, zumal ich etwas besser war als Hagen.
"Irgendwie fehlt mir der Anreiz" murmelte er, "wollen wir denn dann jetzt vielleicht auch wohl mal um etwas Geld spielen?"
"Wenn's nicht zu viel ist", nickte ich „ich verdiene ja jetzt ganz gut bei dir.“
"Okay. Ein 'Pfündchen'?"
"Was ist denn ein Pfündchen?"
"Ein altes, englisches Pfund. Zwanzisch Euro. Okay?"
Ich nickte. "Na, dann wollen wir mal!"
Ich zog die Kugel ab, legte die Finger auf die Knöpfe und ließ die Kugel tanzen.
Eine Silvesterfeier vor vielen Jahren fiel mir wieder ein, alles war langweilig, bis auf einen jungen Mann, der Freund meiner damaligen Freundin. Irgendwie ergab es sich, dass wir in die Kneipe an der Ecke gingen und stundenlang am Flipper standen. Als wir schließlich kurz vor Mitternacht zurück kamen, um mit den anderen auf das neue Jahr anzustoßen, war meine Freundin sauer. Sie hatte mich mit ihrem Freund weggehen sehen, und als wir nach einer Stunde noch nicht wieder da waren, alle Zimmer des Hauses - auch das Schlafzimmer - durchsucht. Sie machte ihrem Freund eine Riesenszene, unterstellte ihm, mit mir im Bett gewesen zu sein und was nicht alles. Er sollte ihr sofort beweisen, dass dem nicht so gewesen war. Eifersüchtige Frauen sind etwas furchtbares, sie ruinierte die ganze Silvesterparty damit und später auch ihre Beziehung.
"Jupp", sagte Hagen in meine Gedanken hinein, "du hast gewonnen! Lassen wir die Einsätze stehen?"
"Wie wär's denn mit 'doppelt oder nichts?", fragte ich zurück.
"Angenommen! Vierzig Euro?!"
"Klar doch!" Ich zog die nächste Kugel ab.
Ich muss gut gespielt haben, denn die Partie gewann ich auch.
"Achtzig Euro!“ sagte Hagen und legte auch ganz gut vor. Mir war's recht, ich musste mich aber doch anstrengen um ganz knapp zu gewinnen.
"Hundertsechzig?" fragte ich vorsichtig. Hagen nickte.
"Jo jo. - Leg' vor!"
Eigentlich wäre er dran gewesen, aber ich zog die Kugel ab. Diesmal lief sie überhaupt nicht gut, aber in der letzten Runde lag ich doch in Führung. Hagen verflippte seine letzte Kugel derart dusselig, dass ich annahm, er wollte mich absichtlich gewinnen lassen, zumal er auch noch so wütend gegen den Flipper trat, dass er tilte und den Bonus nicht aufzählte.
Warum wollte Hagen mir Geld zukommen lassen?
Wollte er mich vielleicht auf diese Weise kaufen?
Ich konnte es mir nicht vorstellen. Er stand auch immer neben oder hinter mir, dass er mir nicht in den Ausschnitt sehen konnte, wenn ich leicht nach vorne gebeugt am Flipper stand und die Kugel beobachtete.
Die nächste Runde, es ging nun um dreihundertzwanzig Euro. Ich gewann wieder. Das nächste Spiel auch, und das nächste.
Hagen begann nervös zu werden, er schaute immer öfter zur Uhr, aber er verlor jedes Spiel. Als wir gerade mitten in der Partie um zweitausendfünfhundertsechzig Mark waren, klingelte es und ich ging aufmachen, weil Hagen gerade eine Kugel laufen hatte. Zwei Männer standen vor der Tür und wiesen sich als Kriminalbeamte aus.
"Sind sie Frau von Wegen?", fragte einer, und der andere: "Dürfen wir uns mal bei ihnen umsehen?"
Sie kamen einfach herein bevor ich etwas sagen konnte, gingen zu Hagen, fragten ihn auch ob sie sich mal umsehen dürften und fingen sofort an, die Schubladen der Schränke aufzuziehen.
Hagen flipperte seelenruhig zuende und sagte dann zu mir: "Du hast wieder gewonnen."
Er zündete sich eine Zigarette an und fragte einen der Herren: "Um was geht's denn überhaupt?"
"Hausdurchsuchung", sagte der Kripobeamte knapp, "Herr Hagen von Wegen?"
Hagen nickte.
"Herr von Wegen, sie sind kürzlich aus der Untersuchungshaft entlassen worden, ist das richtig?"
"Das ist richtig." Hagen öffnete vorne an dem Flipper eine Klappe, griff hinein und legte irgendwo einen Hebel um.
"Wissen sie auch, weshalb man sie in die Untersuchungshaft verbracht hat?", fragte der Kripobeamte weiter.
"Weil ich irgend so einem Knallkopp, der eine Bank ausgeraubt hat, unheimlich ähnlich sehen muss! - Ich weiß allerdings nicht, weshalb ich etwas überstürzt entlassen worden bin. Es ist mir aber trotzdem sehr recht."
Hagen baute das vordere Metallteil des Flippers ab, zog die Scheibe heraus und lehnte sie an die Wand.
Der andere Beamte fragte mich, ob er mal in meine Handtasche sehen dürfte.
Der Beamte wühlte ein Wenig in meiner Handtasche herum, zuckte die Achseln, schraubte das blaue Schiff auf dem Schreibtisch auf, sah hinein, zuckte die Achseln, ging ins Badezimmer und schaute sich offenbar da um.
"Tja, wissen sie, Herr von Wegen, wir haben den richtigen Täter gefunden. Allerdings keine Spur von der Beute", sagte der Beamte, der neben Hagen stand.
"Ja?“, Hagen machte eine hilflose Bewegung mit den Schultern, „ach deshalb bin ich entlassen worden, weil sie den Richtigen gefasst haben?"
Der Kripobeamte nickte. "Das Merkwürdige ist nur: Heute Nachmittag ist der Mann in seiner Wohnung aufgetaucht. Er ist von seinem Vermieter erkannt worden."
"Tja", Hagen zuckte wieder mit den Schultern und klappte das Spielfeld hoch, "ich kann ihnen da nicht helfen."
"Wo waren sie denn heute Vormittag?"
"Naja, hier. Irgendwann hab' ich mal Zigaretten geholt, aber ansonsten habe ich den Flipper hier repariert. Er gehört einem Mitbewohner, Herr Kürschner aus dem fünften. Der rechte, obere Bumper tut noch nicht ganz richtig", Hagen griff sich eine kleine Zange und bog damit ein Teil unter dem Bumper nach, "gegen später kam meine Freundin, und wir haben erst Kaffee getrunken, Torte gegessen und dann noch ein wenig gespielt."
Hagen sah nachdenklich in den Flipper, "so wird's gehen. - Die Spulen sollte ich erneuern. Die Bumper haben gehangen, da werden die Spulen heiß. Naja, 'n paar neue Gummis braucht der sowieso, 'n paar neue Lämpchen auch. - Ach, entschuldigen sie, möchten sie auch einen Kaffee und ein Stück Torte? Selbstgebacken von dieser bezaubernden Dame dort?"
Ich war wütend, weil Hagen einfach meine Torte anbot, aber der Kripobeamte schüttelte den Kopf und schaute erst nachdenklich in den Flipper und dann Hagen an.
“Können sie nicht mal den Flipper in Ruhe lassen? Dies hier ist eine Hausdurchsuchung!“
"Ich kann ihnen wirklich nicht helfen, Herr Inspektor", sagte Hagen und klappte die Spielfläche wieder herunter, "es tut mir leid ..."
Der andere Kripobeamte kam zurück.
"Nichts", sagte er, "dürfen wir auch mal in ihren Keller sehen?"
"Naja, wenn es denn sein muss - kochst du nochmal Kaffee, bitte?" Ich nickte.
Hagen ging mit den beiden Kripobeamten raus. Ich kochte wieder Kaffee. Irgendwas stimmte da nicht. Hagen hatte sich seltsam benommen, er sprach zwar nie über das, was er vor hatte, aber er wusste immer ganz genau, wo er hin wollte. Soweit kannte ich ihn noch. Aus diesem Grund hatte ich mich auch nicht eingemischt, als er den Kripobeamten offensichtlich belogen hatte. Und dann dieses Rumgemache mit dem Flipper. Es sah Hagen gar nicht ähnlich.
Es dauerte fast eine Stunde, bis er ein wenig grinsend wieder kam.
"Entschuldige", murmelte er, "aber die haben auch mein Auto durchsucht. - Ist der Kaffee fertig?"
"Ja, natürlich", nickte ich, "was haben die eigentlich gesucht?"
"Die Beute aus dem Banküberfall", sagte Hagen, "es ging, wenn ich mich nicht irre, um rund dreihunderttausend Euro. - Einen machen wir noch, ja?"
"Von mir aus. Dann sind das allerdings fünftausendeinhundertzwanzig Euro; - Weißt du das?"
"Natürlich! Leg' vor!"
"Na gut. Spielschulden sind Ehrenschulden. - Sag' mal, willst du die Scheibe nicht wieder einsetzen?"
"Och nö. Vielleicht muss ich ja nochmal ran."
Ich brauche wohl nicht zu erwähnen, dass ich wieder gewann, und zwar haushoch.
"Tja", sagte Hagen und klappte das Spielfeld wieder hoch, "sagen wir fünfzwo."
Hagen griff in den Flipper, zog ganz hinten einige Kabelbäume heraus, löste einige Schrauben und hob ein Brett, auf dem viele kleine Teile saßen, etwas an.
"Die Relaisbänke sind auf ein Brett geschraubt worden", sagte er mit wichtigem Gesicht, "dadurch erhält der Flipperautomat einen doppelten Boden. Das muss man nur wissen!"
Er zog einige Geldbündel darunter hervor, zählte fünftausendeinhundertzwanzig Euro ab und reichte sie mir.
"Aber gib's nicht gleich aus. - Ich würd's auch nicht unbedingt zur Bank tragen."
" Wie?", fragte ich verdattert, "hast du das ernst gemeint, mit dem vielen Geld?"
"Sicher", nickte Hagen, "Spielschulden sind Ehrenschulden! Es stammt aus dem Banküberfall von diesem Typen, der mir so ähnlich sieht. Ich hab's mir gewissermaßen erarbeitet, mit harter Denkarbeit! - Der Bursche hatte es in dem hübschen, blauen Schiffchen versteckt, das du dort auf dem Tische stehen siehst. -Ich hab mir gedacht, dass die Kripoleute da einen flüchtigen Blick rein werfen. Außerdem war es ganz gut, dass du noch nicht Bescheid wusstest, als sich diese sympathischen Herren hier umgesehen hatten. - Könnte ich denn jetzt wohl vielleicht auch mal einen Kaffee haben, und auch noch ein Stück deiner hervorragenden Torte?"
"Hagen, du bist ein ...", ich suchte nach einem Kraftausdruck, so ähnlich wie 'Schlitzohr' - nur schlimmer - aber ich fand keinen.
"Ja, natürlich“, sagte ich statt dessen. – „Aber woher wusstest du denn, dass die kommen würden?"
"Ich wusste es nicht, aber man muss ja heutzutage mit allem rechnen, es gibt ja so viele schlechte Menschen!"
"Das kann man wohl sagen!“ sagte ich.
Eigentlich passierte dann nichts mehr, an meinem ersten und den nächsten Arbeitstagen. Da die Kripoleute alles umgewühlt, sogar die Matratzen aus Hagens Bett rausgerissen hatten, half ich Hagen wieder Ordnung herzustellen.
Das war’s eigentlich, wir saßen in seinem Büro, flipperten, jetzt allerdings nicht mehr um Geld, erzählten uns gegenseitig unser Leben, und Hagen schrieb für irgend so ein Literaturforum, Leselupe, glaube ich, kleine Geschichten.
Aber dann rief tatsächlich mal jemand an, die Hagens Hilfe brauchte.
Aber das soll der faule Sack selber erzählen.
Der geneigte Leser mag sich noch erinnern, dass ich eingelocht worden war weil ich angeblich eine Bank überfallen hatte. Hatte sich zwar als Irrtum rausgestellt, das Ganze, und ich war ohne Entschuldigung wieder entlassen worden - Missverständnis - aber wie gesagt, es bleibt immer irgendwas hängen und ich wurde bei meiner Firma auch entlassen.
Fristlos.
Kein Kommentar.
Sie wollten mir zwar eine Abfindung zahlen, aber darauf kam es mir nicht an.
Aus Prinzip. Ich nahm sie aber trotzdem.
Da konnte ich nur wieder nach Hause gehen und mich zu Männe, dem arbeitslosen Binnenschiffer und Robert, dem arbeitslosen Bademeister, auf die Bank vor dem Haus setzen, in die Sonne blinzeln und billiges Bier trinken.
Genau das tat ich dann auch, gab einen Sechserträger Bex aus, und Männe hieß mich willkommen im Club.
Ich ging zum Kiosk und holte noch einen Sechserträger.
Brauchten ja nicht alle zu wissen, dass ich das Geld aus dem Bankraub an mich gebracht hatte, aber irgendwie würde es schon auffallen, dass ich mehr Geld ausgab, als ein normaler, braver Hartz IV-Empfänger.
Das mit dem zweiten Sechserträger hätte ich besser lassen sollen.
Zudem beschlich mich ein blödes Gefühl, dass das noch nicht alles war, das mit dem Geld aus dem Bankraub meine ich.
„Sag mal“, sagte Männe irgendwann nachdem er lange genug in die Sonne geblinzelt hatte, und setzte die Flasche ab, „du hast doch jetzt viel Zeit. Ich habe da von Wolfgang einen uralten Flipper gekriegt, der tut nicht mehr richtig. Meine Frau will das Monstrum aus der Wohnung haben. Ich verstehe da ja nix von, aber du kannst dir den ja mal ansehen.“
„Kann ich ja mal machen. Aber versprechen kann ich nix.“
Kurz und gut, wir brachten den Flipper in mein Wohnzimmer, Männe ging an meinen Kühlschrank, nahm ein Bier raus, sagte: „Ich schulde dir ein Bier“, und ging wieder weg.
Ich war mittlerweile auch ziemlich besoffen und ging erst mal schlafen. Meine Trinkfestigkeit ließ drakonisch zu wünschen übrig.
Als ich wieder aufwachte, wollte ich zunächst zur Arbeit gehen. Aber dann fiel mir ein, dass ich mit der neuen Situation klarkommen musste, ging frische Brötchen holen, frühstückte ausgiebig in der Küche und dabei kam mir der Gedanke, dass mir irgendwann mal irgendjemand gesagt hatte, dass mir ein Trenchcoat gut steht.
Anstatt zum Arbeitsamt zu gehen, sollte ich eine Detektei anmelden. Während des weiteren Frühstücks gewöhnte ich mich an den Gedanken.
Richtige Detektive tragen immer ein Trenchcoat.
Gedacht, getan.
War garnichtmal so teuer und der brave Beamte zuckte nur höhnisch mit den Mundwinkeln, aber wir leben ja in einem freien Land, und als ich wieder auf der Straße stand, war ich Detektiv. Ich hatte selber nicht geglaubt, dass die Sache so einfach ist.
Feiern tat ich die Sache in einem keinen Café, so ganz für mich alleine mit einem Stück Heidelbeer-Sahnetorte, so richtig fies mit extra Orangenlikör und einem Kännchen Kaffee. Richtige Detektive essen zwar keine Heidelbeer-Sahnetorte, aber noch war ich ja kein richtiger Detektiv, weil ich noch kein Trenchcoat hatte und mich kannte in diesem Café auch keiner.
Um anständig zu feiern, mit Bier und Whisky war es ohnehin zu früh, und mit wem hätte ich auch feiern sollen?
Blieb eigentlich nur Männe, aber den konnte ich momentan nicht ertragen. Meine Freunde hatten sich alle ausgeklinkt, seit in der Zeitung gestanden hatte, dass ich eine Bank ausgeraubt hatte. Dass die ganze Geschichte ein Irrtum war, stand natürlich nicht in der Zeitung.
Ich stellte fest, dass ich überhaupt keine richtigen Freunde hatte, nicht mal Kumpels.
Egal.
Aber dann kam Katrin rein und setzte sich zu mir an den Tisch.
„Lange nicht gesehen, aber trotzdem wiedererkannt.“
Offensichtlich hatte sie keine Zeitung gelesen.
Mit Katrin, wir nannten sie ‘Kitty‘, hatte ich mal die Schulbank gedrückt und die ersten zarten Küsse getauscht. Nach der Schule hatte sie gleich geheiratet und sich wieder scheiden lassen. Dann verlor ich sie aus den Augen und spendierte ihr jetzt ein Kännchen Kaffee und ein Stück Heidelbeer-Sahnetorte, damit ich nicht so ganz alleine feiern musste.
Prompt erzähle sie mir aus ihrem Leben, dass sie schon wieder geschieden war und zudem auch keinen Job hatte.
An dieser Stelle merkte ich auf, denn Detektive haben immer eine blonde Sekretärin am Telefon sitzen, und Kitty war blond. Zwar nicht so blond wie Kelly Bundy, aber immerhin blond.
Das sah man am Telefon nicht, und ich fragte sie, ob sie meine Sekretärin machen wollte; - sie müsste allerdings auch Kaffee kochen.
Kitty war Feuer und Flamme, naja, zumindest Flamme, und als ich ihr ein gehaltsmäßig gutes Angebot machte, rührte sie etwas nachdenklich in ihrem Kaffee rum, aß die Heidelbeer-Sahnetorte etwas halbherzig und stimmte schließlich zu.
„Was hast du denn überhaupt für eine Firma?“, fragte sie mit vollen Backen, „ein Floristikstudio? Das kann ich gut, in so einer Firma habe ich schon mal gearbeitet.“
„Quatsch! Ein Floristikstudio! Das ist etwas für Mädels! – Du solltest mich doch kennen! Ich habe eine Detektei! Du brauchst nur das Telefon bewachen und hin und wieder Kaffee kochen. Ich denke, das kriegst du hin.“
„Klar kriege ich das hin! Eine Detektei! Ich werde verrückt, ist das aufregend! Nimmst du mich auch mal mit, auf Verbrecherjagd?“
„Mal sehen. Läuft ja erst an, die ganze Chose.“
„Huch ist das aufregend. Wann kann ich anfangen?“
„Heute oder Morgen, wie du willst. Nimm schon mal den Schlüssel von meinem Büro, dann brauche ich nicht zur Tür gehen, und du brauchst nicht zu klingeln. Das ist irgendwie zu viel Action. Ich bin nämlich ganz faul. Vielleicht schlafe ich ja auch noch, du darfst mich dann nicht wecken; - es sei denn, es ruft ein Klient an.“
Wir tauschten Adressen, ich schmackofazte noch meine Heidelbeer-Sahnetorte zuende, gab Kitty noch einen Bussi auf die Wange, zahlte und zog von dannen.
Schließlich hatte ich noch einen Flipper zu reparieren und meinen Schreibtisch ins Wohnzimmer zu verbringen, denn meine Frau hatte bei ihrem Auszug während meiner Abwesenheit, boshaft, wie Frauen manchmal sind, die Schrankwand und die Sitzgruppe mitgenommen.
Das Wohnzimmer gähnte mir wirklich in ungewohnter Leere entgegen und ich machte ein wirklich schönes Detektivbüro daraus. Auf dem Sperrmüll fand ich auf dem Heimweg sogar noch ein speckiges Ledersofa. Das nahm ich mit, passte gediegen in das Interieur eines Detektivbüros, wie man es aus den guten, alten Filmen kennt. Nur mein Computer störte etwas, aber man kann nicht alles haben.
Und dann kam Kitty auch schon, und wir flipperten noch ein Bisschen, weil ich das Ding mittlerweile so weit hatte, das man sich ein bisschen belustigen konnte.
Bis die Jungs von der Kripo tatsächlich zum Zwecke einer Hausdurchsuchung ankamen.
Dass Kitty vorher eine Heidelbeer-Sahnetorte mitbrachte, fand ich echt geil; - gäbe es für ‘geil‘ einen Komparativ, würde ich sagen: Am allerallergeilsten!
Aber, ich denke, dass lasse ich Kitty erzählen, kann sie ohnehin viel besser, dann hatte ich gleich meinen Einstellungstest, was die Arbeit am Computer betrifft. Außerdem hatte ich noch den Flipper zuende zu reparieren, das hatte schließlich Vorrang vor allem Anderen.
Kitty:
Als Einstand buk ich eine Heidelbeer-Sahnetorte mit extra Orangenlikör, da ich gesehen hatte, dass Hagen sowas in dem Café gegessen hatte.
Ich legte die Torte in meinen Einkaufskorb, zog mir noch eine leichte Jacke über und ging in Hagens Büro.
Hagen hing mit dem Oberkörper in einem Flipperautomaten. Er hatte die Scheibe ausgebaut und das Spielfeld hochgeklappt. Auf dem Schreibtisch standen ein alter Computer und ein Schiffsmodell. Es sah in seinem ‘Büro‘ aus, wie in einem Detektivbüro aus der Ära der schwarz-weiß-Filme.
"Ach, Kitty", murmelte Hagen ohne mich anzusehen, "biste schon da? Schön dass du kommst."
"Ja", antwortete ich, "ich hab' eine Heidelbeer-Sahnetorte mit extra Orangenlikör gebacken. Magst du ein Stück?"
"Selbstgebackene Torte? Ich werd' verrückt! - Naja", Hagen kam aus dem Flipper, "eigentlich essen richtige Männer ja keine Sahnetörtchen. Du erzählst es nicht weiter, nein?"
"Ich glaub', du hast ein Problem mit deinem Männlichkeitsbild!“, sagte ich, „aber ich koch' schon mal Kaffee."
Ich machte mir weiter keine Gedanken. Das übliche Spielchen ging wieder los, wie in jeder Firma, in der ich neu angefangen hatte: Kaffee kochen, Tisch decken, Torte aufschneiden, eigentlich hätte es in einer Detektei anders zugehen müssen. Irgendwie aufregender, spannender!
Hagen fummelte derweil in dem Flipper rum. Als ich den Tisch gedeckt hatte, klappte Hagen das Spielfeld herunter und ließ eine Kugel gegen die Schlagtürme laufen. Sie knallten fürchterlich laut, als die Kugel zurückgeschlagen wurde.
"Hab' die Pfannen unter den Bumpern nochmal nachjustiert", murmelte er. Während wir am Tisch saßen und Torte aßen, erklärte er mir ausführlich, was mit dem Apparat alles los gewesen war, wobei er Fachausdrücke wie 'Ploinger', 'Score-Motor' oder 'Tilt-Hold-Relais' oft und gerne benutzte. Ich ließ ihn in seinem typisch-männlichen Renommiergetue und tat so, als ob ich intensiv zuhören würde. Nach dem dritten Stück Heidelbeer-Sahnetorte spielten wir ein paar Runden mit dem Flipper.
Es machte richtig Spaß, zumal ich etwas besser war als Hagen.
"Irgendwie fehlt mir der Anreiz" murmelte er, "wollen wir denn dann jetzt vielleicht auch wohl mal um etwas Geld spielen?"
"Wenn's nicht zu viel ist", nickte ich „ich verdiene ja jetzt ganz gut bei dir.“
"Okay. Ein 'Pfündchen'?"
"Was ist denn ein Pfündchen?"
"Ein altes, englisches Pfund. Zwanzisch Euro. Okay?"
Ich nickte. "Na, dann wollen wir mal!"
Ich zog die Kugel ab, legte die Finger auf die Knöpfe und ließ die Kugel tanzen.
Eine Silvesterfeier vor vielen Jahren fiel mir wieder ein, alles war langweilig, bis auf einen jungen Mann, der Freund meiner damaligen Freundin. Irgendwie ergab es sich, dass wir in die Kneipe an der Ecke gingen und stundenlang am Flipper standen. Als wir schließlich kurz vor Mitternacht zurück kamen, um mit den anderen auf das neue Jahr anzustoßen, war meine Freundin sauer. Sie hatte mich mit ihrem Freund weggehen sehen, und als wir nach einer Stunde noch nicht wieder da waren, alle Zimmer des Hauses - auch das Schlafzimmer - durchsucht. Sie machte ihrem Freund eine Riesenszene, unterstellte ihm, mit mir im Bett gewesen zu sein und was nicht alles. Er sollte ihr sofort beweisen, dass dem nicht so gewesen war. Eifersüchtige Frauen sind etwas furchtbares, sie ruinierte die ganze Silvesterparty damit und später auch ihre Beziehung.
"Jupp", sagte Hagen in meine Gedanken hinein, "du hast gewonnen! Lassen wir die Einsätze stehen?"
"Wie wär's denn mit 'doppelt oder nichts?", fragte ich zurück.
"Angenommen! Vierzig Euro?!"
"Klar doch!" Ich zog die nächste Kugel ab.
Ich muss gut gespielt haben, denn die Partie gewann ich auch.
"Achtzig Euro!“ sagte Hagen und legte auch ganz gut vor. Mir war's recht, ich musste mich aber doch anstrengen um ganz knapp zu gewinnen.
"Hundertsechzig?" fragte ich vorsichtig. Hagen nickte.
"Jo jo. - Leg' vor!"
Eigentlich wäre er dran gewesen, aber ich zog die Kugel ab. Diesmal lief sie überhaupt nicht gut, aber in der letzten Runde lag ich doch in Führung. Hagen verflippte seine letzte Kugel derart dusselig, dass ich annahm, er wollte mich absichtlich gewinnen lassen, zumal er auch noch so wütend gegen den Flipper trat, dass er tilte und den Bonus nicht aufzählte.
Warum wollte Hagen mir Geld zukommen lassen?
Wollte er mich vielleicht auf diese Weise kaufen?
Ich konnte es mir nicht vorstellen. Er stand auch immer neben oder hinter mir, dass er mir nicht in den Ausschnitt sehen konnte, wenn ich leicht nach vorne gebeugt am Flipper stand und die Kugel beobachtete.
Die nächste Runde, es ging nun um dreihundertzwanzig Euro. Ich gewann wieder. Das nächste Spiel auch, und das nächste.
Hagen begann nervös zu werden, er schaute immer öfter zur Uhr, aber er verlor jedes Spiel. Als wir gerade mitten in der Partie um zweitausendfünfhundertsechzig Mark waren, klingelte es und ich ging aufmachen, weil Hagen gerade eine Kugel laufen hatte. Zwei Männer standen vor der Tür und wiesen sich als Kriminalbeamte aus.
"Sind sie Frau von Wegen?", fragte einer, und der andere: "Dürfen wir uns mal bei ihnen umsehen?"
Sie kamen einfach herein bevor ich etwas sagen konnte, gingen zu Hagen, fragten ihn auch ob sie sich mal umsehen dürften und fingen sofort an, die Schubladen der Schränke aufzuziehen.
Hagen flipperte seelenruhig zuende und sagte dann zu mir: "Du hast wieder gewonnen."
Er zündete sich eine Zigarette an und fragte einen der Herren: "Um was geht's denn überhaupt?"
"Hausdurchsuchung", sagte der Kripobeamte knapp, "Herr Hagen von Wegen?"
Hagen nickte.
"Herr von Wegen, sie sind kürzlich aus der Untersuchungshaft entlassen worden, ist das richtig?"
"Das ist richtig." Hagen öffnete vorne an dem Flipper eine Klappe, griff hinein und legte irgendwo einen Hebel um.
"Wissen sie auch, weshalb man sie in die Untersuchungshaft verbracht hat?", fragte der Kripobeamte weiter.
"Weil ich irgend so einem Knallkopp, der eine Bank ausgeraubt hat, unheimlich ähnlich sehen muss! - Ich weiß allerdings nicht, weshalb ich etwas überstürzt entlassen worden bin. Es ist mir aber trotzdem sehr recht."
Hagen baute das vordere Metallteil des Flippers ab, zog die Scheibe heraus und lehnte sie an die Wand.
Der andere Beamte fragte mich, ob er mal in meine Handtasche sehen dürfte.
Der Beamte wühlte ein Wenig in meiner Handtasche herum, zuckte die Achseln, schraubte das blaue Schiff auf dem Schreibtisch auf, sah hinein, zuckte die Achseln, ging ins Badezimmer und schaute sich offenbar da um.
"Tja, wissen sie, Herr von Wegen, wir haben den richtigen Täter gefunden. Allerdings keine Spur von der Beute", sagte der Beamte, der neben Hagen stand.
"Ja?“, Hagen machte eine hilflose Bewegung mit den Schultern, „ach deshalb bin ich entlassen worden, weil sie den Richtigen gefasst haben?"
Der Kripobeamte nickte. "Das Merkwürdige ist nur: Heute Nachmittag ist der Mann in seiner Wohnung aufgetaucht. Er ist von seinem Vermieter erkannt worden."
"Tja", Hagen zuckte wieder mit den Schultern und klappte das Spielfeld hoch, "ich kann ihnen da nicht helfen."
"Wo waren sie denn heute Vormittag?"
"Naja, hier. Irgendwann hab' ich mal Zigaretten geholt, aber ansonsten habe ich den Flipper hier repariert. Er gehört einem Mitbewohner, Herr Kürschner aus dem fünften. Der rechte, obere Bumper tut noch nicht ganz richtig", Hagen griff sich eine kleine Zange und bog damit ein Teil unter dem Bumper nach, "gegen später kam meine Freundin, und wir haben erst Kaffee getrunken, Torte gegessen und dann noch ein wenig gespielt."
Hagen sah nachdenklich in den Flipper, "so wird's gehen. - Die Spulen sollte ich erneuern. Die Bumper haben gehangen, da werden die Spulen heiß. Naja, 'n paar neue Gummis braucht der sowieso, 'n paar neue Lämpchen auch. - Ach, entschuldigen sie, möchten sie auch einen Kaffee und ein Stück Torte? Selbstgebacken von dieser bezaubernden Dame dort?"
Ich war wütend, weil Hagen einfach meine Torte anbot, aber der Kripobeamte schüttelte den Kopf und schaute erst nachdenklich in den Flipper und dann Hagen an.
“Können sie nicht mal den Flipper in Ruhe lassen? Dies hier ist eine Hausdurchsuchung!“
"Ich kann ihnen wirklich nicht helfen, Herr Inspektor", sagte Hagen und klappte die Spielfläche wieder herunter, "es tut mir leid ..."
Der andere Kripobeamte kam zurück.
"Nichts", sagte er, "dürfen wir auch mal in ihren Keller sehen?"
"Naja, wenn es denn sein muss - kochst du nochmal Kaffee, bitte?" Ich nickte.
Hagen ging mit den beiden Kripobeamten raus. Ich kochte wieder Kaffee. Irgendwas stimmte da nicht. Hagen hatte sich seltsam benommen, er sprach zwar nie über das, was er vor hatte, aber er wusste immer ganz genau, wo er hin wollte. Soweit kannte ich ihn noch. Aus diesem Grund hatte ich mich auch nicht eingemischt, als er den Kripobeamten offensichtlich belogen hatte. Und dann dieses Rumgemache mit dem Flipper. Es sah Hagen gar nicht ähnlich.
Es dauerte fast eine Stunde, bis er ein wenig grinsend wieder kam.
"Entschuldige", murmelte er, "aber die haben auch mein Auto durchsucht. - Ist der Kaffee fertig?"
"Ja, natürlich", nickte ich, "was haben die eigentlich gesucht?"
"Die Beute aus dem Banküberfall", sagte Hagen, "es ging, wenn ich mich nicht irre, um rund dreihunderttausend Euro. - Einen machen wir noch, ja?"
"Von mir aus. Dann sind das allerdings fünftausendeinhundertzwanzig Euro; - Weißt du das?"
"Natürlich! Leg' vor!"
"Na gut. Spielschulden sind Ehrenschulden. - Sag' mal, willst du die Scheibe nicht wieder einsetzen?"
"Och nö. Vielleicht muss ich ja nochmal ran."
Ich brauche wohl nicht zu erwähnen, dass ich wieder gewann, und zwar haushoch.
"Tja", sagte Hagen und klappte das Spielfeld wieder hoch, "sagen wir fünfzwo."
Hagen griff in den Flipper, zog ganz hinten einige Kabelbäume heraus, löste einige Schrauben und hob ein Brett, auf dem viele kleine Teile saßen, etwas an.
"Die Relaisbänke sind auf ein Brett geschraubt worden", sagte er mit wichtigem Gesicht, "dadurch erhält der Flipperautomat einen doppelten Boden. Das muss man nur wissen!"
Er zog einige Geldbündel darunter hervor, zählte fünftausendeinhundertzwanzig Euro ab und reichte sie mir.
"Aber gib's nicht gleich aus. - Ich würd's auch nicht unbedingt zur Bank tragen."
" Wie?", fragte ich verdattert, "hast du das ernst gemeint, mit dem vielen Geld?"
"Sicher", nickte Hagen, "Spielschulden sind Ehrenschulden! Es stammt aus dem Banküberfall von diesem Typen, der mir so ähnlich sieht. Ich hab's mir gewissermaßen erarbeitet, mit harter Denkarbeit! - Der Bursche hatte es in dem hübschen, blauen Schiffchen versteckt, das du dort auf dem Tische stehen siehst. -Ich hab mir gedacht, dass die Kripoleute da einen flüchtigen Blick rein werfen. Außerdem war es ganz gut, dass du noch nicht Bescheid wusstest, als sich diese sympathischen Herren hier umgesehen hatten. - Könnte ich denn jetzt wohl vielleicht auch mal einen Kaffee haben, und auch noch ein Stück deiner hervorragenden Torte?"
"Hagen, du bist ein ...", ich suchte nach einem Kraftausdruck, so ähnlich wie 'Schlitzohr' - nur schlimmer - aber ich fand keinen.
"Ja, natürlich“, sagte ich statt dessen. – „Aber woher wusstest du denn, dass die kommen würden?"
"Ich wusste es nicht, aber man muss ja heutzutage mit allem rechnen, es gibt ja so viele schlechte Menschen!"
"Das kann man wohl sagen!“ sagte ich.
Eigentlich passierte dann nichts mehr, an meinem ersten und den nächsten Arbeitstagen. Da die Kripoleute alles umgewühlt, sogar die Matratzen aus Hagens Bett rausgerissen hatten, half ich Hagen wieder Ordnung herzustellen.
Das war’s eigentlich, wir saßen in seinem Büro, flipperten, jetzt allerdings nicht mehr um Geld, erzählten uns gegenseitig unser Leben, und Hagen schrieb für irgend so ein Literaturforum, Leselupe, glaube ich, kleine Geschichten.
Aber dann rief tatsächlich mal jemand an, die Hagens Hilfe brauchte.
Aber das soll der faule Sack selber erzählen.