Der Doppelgänger XIII Wir werden die Wildkatze schon zähmen!

Hagen

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Wir werden die Wildkatze schon zähmen!

Ich fuhr Kitty vorsichtig nach Hause, vorsichtig wie eine kostbare Fracht.
Im Grunde war sie auch eine kostbare Fracht, das Kostbarste, was ich im Moment hatte.
Unterwegs rief ich den Hellinger aus einer Telefonzelle an und sagte ihm, wo er sich seinen Hubschrauber abholen könnte, und er sollte nicht vergessen, genügend Sprit mitzunehmen.
Als Hellinger anfing, mich zu beschimpfen, legte ich einfach auf, meine Visitenkarte trug sowieso die falsche Nummer, was also sollte es?
Ich hatte Kitty wieder und legte mir, zuhause in der Tiefgarage, ihre Handtasche um den Hals und ihren Arm um die Schulter. Sie schien zu lächeln und ich ging mit ihr wie mit einer Betrunkenen zum Lift. Ausgerechnet da traf ich Männe.
„Na, Frühschoppen gehabt?“, grinste er.
„In der Tat“, antwortete ich, „ist uns nur ein wenig aus dem Ruder gelaufen. - Männe, bist du so lieb und hältst die Dame mal einen Moment?“
„Na klar! Mann, die ist aber hinüber! Hat Wodka getrunken, was? Ich rieche nämlich gar nichts.“
„Ja, wie die Russen. Nur dass sie nicht so viel abkann.“
Ich klaubte meinen letzten Hunderter aus dem Portemonnaie, „Männe sei so lieb und hol mir aus der Apotheke ein Blutdruckmessgerät und ein Blutzuckermessgerät, bitte, den Rest kannst du auch behalten.“
„Mann, heute ist Sonntag!“
„Eine Apotheke wird schon Notdienst haben! Bitte tue das für die Damen hier, bitte.“
„Naja, weil du es bist. Aber wir trinken nochmal ein Bier zusammen.“
„Wenn du willst auch zehn, aber nun besorge mir die Geräte, bitte.“
„Ist ja gut, ich mach‘s ja.“
„Dank dir. Und nun kannst du mir die Dame auch wiedergeben.“
„Ja natürlich. Mann ist die hinüber. Aber lass man, die ist bald wieder auf den Beinen, ist mir auch schon passiert, ab und zu muss das mal sein!“
In meiner Wohnung angekommen legte ich Kitty auf mein Bett. Sie rollte sich auf die Seite und schlief weiter.
Ich ließ sie.
Wie schön sie war.
Wie die Aphrodite von Sandro Botticelli, nur dass sie in meinem Bett lag und nicht einer Muschel entstieg.
Ich zog ihr frische Wäsche an, welche von mir, und deckte sie behutsam zu. Ein Fiberthermometer hatte ich noch, 37,2°, das war also in Ordnung, noch kein Fiber.
Wo Männe bloß blieb?
Ich setzte mich neben das Bett und betrachtete sie.
Schön war sie, und sie atmete ruhig und gleichmäßig.
Und sie schlief, zusammengerollt wie eine Katze, oder besser gesagt, wie nach einem ordentlichen Tagewerk.
Die Typen hatten ihr hoffentlich nur reichlich KO-Tropfen gegeben, ich wartete dass sie aufwachen würde, wartete und hoffte an ihrem Bett wie eine Mutter bei ihrem kranken Kind.
Endlich, nach mehreren Stunden kam Männe. Er hatte eine gewaltige Fahne und brachte mir die Geräte.
„Hab noch einen kleinen glipft. Durfte ich doch, oder war das so eilig mit den Geräten?“
„Naja, sind ja nun da. Dank‘ dir, Männe.“
Männe wollte natürlich gleich wieder flippern, aber ich komplimentierte ihn raus, ging ja nicht wegen der schlafenden Dame, aber demnächst ganz bestimmt und ein schön gekühltes Bier sollte auch dabei sein, oder zwei oder drei.
Männe verstand, wünschte mir und er Dame noch alles Gute, „wird schon nicht so schlimm sein!“, und endschwandt.
Nix war gut.
Blutdruck lag bei 119 zu 70 bei 91 Schlägen, aber der Blutzucker stand auf Weltuntergang!
43 mg/dl!
Kitty war also total unterzuckert.
Als wenn ich es geahnt hätte.
Da musste diese Saubande sie mit irgendwelchen Drogen am Schlafen gehalten haben, kaum was zu essen gegeben und sich ab und zu mal gemeldet haben, wenn Kitty aufgewacht war. Und dann ‘nach mir die Sintflut‘!
Aber es half nichts, mich darüber aufzuregen, ich kramte noch einen Schokoriegel hervor und begann sie zu wecken. Zärtlich zuerst und dann immer verzweifelter, bis sie schließlich die Augen ganz langsam öffnete.
„Kitty, meine Kitty! - Du musst was essen, Schokolade, du bist unterzuckert!“
„Hagen, bist du das? Gott sei Dank! Welchen Tag haben wir heute?“
„Sonntag. - Nun iss schon! Soll ich dir den Schokoriegel kleinschneiden? Ganz klein?“
„Ach was. - Ich habe soooo einen Hunger!“
„Nun iss endlich.“
„Wo bin ich überhaupt?“
„In meiner Wohnung. Aber iss erst mal.“
Sie versuchte abzubeißen, aber es funktionierte nicht, sie war zu kraftlos. Ich holte ein Frühstücksbrettchen sowie ein Messer und schnitt ihr den Schokoriegel in ganz kleine Stückchen.
„Magst du noch etwas Marzipankuchen? Ich habe noch ein Bisschen!“
Kitty nickte schwach nachdem sie den Schokoladenriegel gegessen hatte. Langsam schienen die Lebensgeister zurückzukehren. Den Rest Marzipankuchen konnte sie schon ohne Hilfe essen.
„Möchtest du noch Spagetti mit recht viel Ketschup? Was anderes habe ich leider nicht. Aber Morgen gehen wir essen, ja? So richtig schön.“
Kitty nickte ganz schwach und ich bereitete Spagetti zu.
War lange her, dass ich mal für eine Frau gekocht hatte, aber das waren ganz andere Umstände gewesen, und nicht nur Spagetti mit Ketschup. Aber Ketschup enthält Zucker, viel Zucker und den brauchte Kitty jetzt.
Die Spagetti waren noch nicht ganz ‘al dente‘ als ich sie zu Kitty brachte, mit reichlich Ketschup.
Und Kitty aß wie eine Verhungernde, einen ganzen Teller voll, und wollte dann wissen wie sie hier her gekommen war.
„Ich habe dich da rausgeholt. Das waren alles Verbrecher. Aber nun ist alles wieder in Ordnung. - Schlaf noch ein bisschen. Morgen sieht alles ganz anders aus.“
„Ach Hagen …“
Kitty fiel zur Seite und schlief weiter. Ich wartete noch einen Moment und piekte sie in den kleinen Finger um einen Blutstropfen für die nächste Messung zu bekommen.
Das sah schon besser aus 64 mg/dl, und ich leckte den Blutstropfen von ihrem kleinen Finger.
Ach Kitty, ich bringe dich schon wieder in Gang!
Du hättest sterben können!
Ich wachte an Kittys Bett wie eine Mutter bei ihrem kranken Kind, und maß alle zwei Stunden den Blutzucker, wobei ich jedes Mal den Blutstropfen von ihrem kleinen Finger leckte. Der Blutzucker kletterte langsam in die Höhe. Dann schmierte ich mir ein Paar Stullen, kochte Eier und Kaffee. Ich hatte ganz vergessen, dass ich auch einen Mordshunger bekommen hatte.
Kaffee brauchte ich erst Mal. Viel Kaffee.
Ich aß langsam und es schmeckte mir auch besser, aber zu schlafen traute ich mich noch nicht, bei Kitty Blutzucker messen, den Blutstropfen vom kleinen Finger lecken, alle zwei Stunden, zwischendurch Comedys gucken - ich konnte nicht lachen - bis die kleinen Vögel draußen erwachten und mir ihre Morgenlieder zu Gehör brachten.
Um diese Zeit war ich öfter nach Hause gekommen, vom Billard spielen, etwas bezecht, und meine Frau hatte mich angekeift. Ich hatte mich dran gewöhnt und war im Wohnzimmer auf dem Sofa schlafen gegangen. Auf erotischer Basis war schon lange nichts mehr gelaufen, - aber mit Kitty sollte jetzt alles ganz anders werden!
Ach, egal.
Kitty erwachte, als ich sie piekte um wieder mal Blutzucker zu messen.
„Aua, was machst du denn mit mir?“
„Blutzucker messen. Du warst total unterzuckert.“
Ich setzte das Messgerät an.
„Willst du einen Kaffee? Kommt gleich. Ich bringe ihn dir ans Bett!“
Das Blutzuckermessgerät piepste.
87 mg/dl. Na bitte. Trotzdem tat ich reichlich Zucker in Kittys Kaffee.
„Ich will nach Hause! Endlich mal baden und frische Wäsche anziehen. Wieso habe ich eigentlich diese scheußliche Unterhose an?“
„Ich habe sie dir angezogen. Dein Hüft-Panty war nicht mehr zu gebrauchen.“
„Ah, ja.“ Ihre Augen wurden ein wenig schmal.
„Komm, ich bin froh, dass ich dich wieder in Gang gekriegt habe, da hatte ich absolut keinen Blick für sowas! - Kitty, du warst total unterzuckert, davon kann man sterben! Und du wärst vermutlich gestorben, wenn du nicht den Schokoladenriegel, den Marzipankuchen und die Spagetti mit Ketchup gegessen hättest!“
Kitty trug noch die gleichen Klamotten wie an dem Tag, an dem wir geflippert hatten, Rock und Pulli. Die Strumpfhose und der BH waren irgendwie weg, aber Schuhe und das Wichtigste, ihre Handtasche, waren noch da.
„Weißt du was?“, sagte ich, „Ich hole uns mal eben was zu frühstücken. Wir frühstücken, und du regenerierst noch ein bisschen. Und dann sehen wir weiter. Okay?“
Kitty nickte und ich ging zum Bäckerladen. Vera war wieder dort, und glücklicherweise noch ein paar andere Kunden, sodass sie mir keine Unterhaltung aufdrängen konnte.
Ich kaufte das, was man zum Frühstück so braucht und natürlich eine Zeitung.
Von unserer Aktion am Vortage stand schon alles drin, sogar mit Schlagzeile, ‘Dreister Überfall auf das Krankenhaus. Opiate mit einem Hubschrauber gestohlen‘.
Da lag ich also richtig mit meiner Vermutung, aber das war mir im Moment egal.
Kitty legte das Telefon gerade weg als ich kam.
„Bist du schon aufgestanden? Das sollst du doch nicht!“
„Ach geht schon wieder. Hätte ja auch was Wichtiges sein können, aber es war nur unser Freund Gronau. Seine Frau ist nicht entführt, sie war nur in Holland, hat abgetrieben.“
„Guck an! - Hier, die Zeitung, lies mal. Das mit dem Hubschrauber, das war ich.“
„Nee, nicht?“
„Doch! Deswegen hat man dich entführt, um mich zu zwingen einen Hubschrauber zu klauen und dann diese Nummer abzuziehen. Sonst hätte ich niemals so einen Scheiß gemacht.“
Kitty sah mich an, total zweifelnd, „das hast du alles wegen mir gemacht?“
„Weswegen hätte man dich sonst entführen sollen?“
„Ach, red‘ keinen Quatsch! - Ich bin noch ein wenig müde, aber es geht schon wieder. Du hast was von Frühstück gesagt, können wir das machen? Und dann will ich endlich nach Hause, baden und frische Wäsche anziehen.“
„Natürlich.“
Es half alles nix, ich konnte mal wieder Frühstück machen, und Kitty überflog während dessen den Artikel in der Zeitung.
„Das soll ich dir glauben“, sagte sie an einem Schinkenbrötchen vorbei, „das hast du dir doch ausgedacht! Hagen, du schwindelst und lügst rund um dich zu. Das weiß ich; - aber das du es jetzt auch noch bei mir versuchst, finde ich gemein.“
„Und was meinst du, warum man dich entführt hat?“
„Man wird mich mit irgendjemandem verwechselt haben. – Sonst würde man mich ja nicht so sang und klanglos wieder freigelassen haben!“
„Ach Kitty.“
Ich erzählte ihr die ganze Geschichte, allerdings ließ ich die Sache mit Vera weg. Es wäre auch zu kompliziert geworden.
„Das ist eine schöne Geschichte, aber ich glaube sie nicht“, sagte Kitty und stand auf, „du solltest Romane schreiben! - Und nun lass mich nach Hause!“
Es half alles nix, ich schnappte mir die beiden Messgeräte, nahm noch schnell zwei Tausender aus dem Flipper und brachte Kitty nach Hause.
Weil sie sich noch ein wenig matschig fühlte, durfte ich sie nach oben bringen, in ihre Wohnung. Dort begoss sie erst mal ihre Blumen und verschwand dann im Bad. Kurts darauf rief sie nach mir. Sie saß in der Badewanne, bis zum Hals im Schaum und hatte die Augen geschlossen.
„Hättest du nicht die Polizei rufen können, damit die mich da rausholen? - Ich war in einem Keller eingesperrt und so ein Typ mit Motorradhelm hat mir ab und zu was zu essen gebracht. - Hättest du mich da nicht eher rausholen können?“
„Ach Kitty, ich habe dir die ganze Geschichte erzählt. Sie ist zugegebener Maßen etwas abstrus, aber sie ist wahr!“
Ihre Hand kam aus dem Schaum und sie tippte sich an die Stirn.
„Du flunkerst und lügst doch rund um dich zu. Dass du mir jetzt sowas erzählst, finde ich richtig gemein! Aber ich werde es schon noch rauskriegen! - Und jetzt darfst du mich alleine lassen.“
„Wollen wir nicht nochmal richtig schön essen gehen?“
„Können wir machen.“
„Blutzucker müssen wir unbedingt nochmal messen!“
„Wenn du meinst.“
Kitty reckte mir ‘den Finger‘ entgegen.
Ich setzte die Lanzette an und drückte ab.
„Aua!“
„Das ist nun mal so.“
Ich drückte einen Tropfen heraus und berührte ihn vorsichtig mit dem Ende des Teststreifens. Während die Messung lief leckte ich den Blutstropfen ab.
Kitty lächelte dünn.
„106 mg/dl. Du bist außer Gefahr! Das ging aber schnell.“
„Quatsch doch nicht! Ich war nie in Gefahr, nur etwas müde. Ist ja auch kein Wunder nach dieser Entführung! Ich habe kaum was zu essen gekriegt, und dann noch KO-Tropfen. Da ist jeder erst mal müde!“
„Na wenn du meinst.“
Ich kam mir verdammt hilflos vor.
„Du kannst mich ja auch zu einer romantischen Nacht in einem Hotel überreden. Ich muss mal raus hier. Die Freiheit genießen. - Aber erst, wenn ich zuende gebadet habe. Ist das Okay?“
„Das ist sehr Okay!“

Kitty:

Da war ich also wieder mal im Begriff, mit einem Mann in ein Hotel zu gehen, wie damals, als meine Ehe bröckelte. Ich hatte ihn in einem Stau kennengelernt, Ludwig hieß er.
Nach einem Krach mit meinem damaligen Mann war ich zu meiner Mutter gefahren, wie die Ehefrauen in den Witzen. Nach endlosen Telefonaten mit meinem Mann wollte ich doch wieder zurück, es noch einmal versuchen, und dann geriet ich auf dem Rückweg in diesen Stau, und dieser Ludwig stoppte neben mir und hielt mir durch das geöffnete Fenster eine Keksrolle vor das Gesicht.
"Greifen Sie doch zu", lächelte er, "wer weiß, wie lange wir hier noch festsitzen."
Es dauerte genau eine Dreiviertelstunde, und die brauchte er auch, um mich zu einem Drink in der nächsten Hotelbar zu überreden. Es wurde eine Nacht daraus, und am nächsten Wochenende wollte er seine Familie zu seinen Eltern nach Erlangen bringen, damit wir noch mal in diesem Hotel …
Ich hatte noch nie so schnell meine Sachen wieder an.
Aber diesmal, verdammt, ich war frei, ich betrog niemanden!
Ich war geschieden und frei.
Und Hagen auch; - hatte er jedenfalls gesagt.
Ich wollte eine romantische Nacht mit Hagen verbringen, nach dieser desolaten Sache mit dem Hubschrauber.
Ich glaubte ihm die Sache noch immer nicht. Etwas zu abstrus, aber was hätte sonst passieren sollen, warum war ich entführt worden?
Was mich aber am Meisten wurmte, war, dass sein Bett nach einer fremden Frau gerochen hatte!
Dieser Kerl musste irgendwas mit einer anderen Frau gehabt haben, und das wollte ich rauskriegen. Soviel Aufwand, mich mal kurz loszuwerden, sah ihm gar nicht ähnlich.
Was steckte dahinter?
Vorläufig sagte ich ihm noch nichts von dieser Frau.
In einem romantischen Hotel sollte es sein, unsere erste Nacht, damit ich jederzeit abhauen konnte; - jederzeit wenn mir irgendetwas nicht zusagte.
Und dann bekam dieser Kerl einen Migäneanfall!
Er bat mich zu fahren, er wollte sich nur mal einen Moment hinlegen und eine Tablette nehmen, und dann wollten wir die ‘romantische Nacht‘ beginnen.
Vorläufig hatte ich noch nichts dagegen. Irgendwie mochte ich den Burschen doch. Mal sehen, wie es sich entwickeln würde; - wenn nur der Geruch der anderen Frau nicht gewesen wäre!
Kurz entschlossen bog ich rechts ab, fuhr durch einige Dörfer und hielt vor einem kleinen, von außen unscheinbaren Hotel. "Ist dir das recht hier?", fragte ich Hagen.
Der nickte nur ganz zaghaft, murmelte: "'sei so lieb und mach' das mit dem Zimmer klar", und stieg mit langsamen Bewegungen aus.
Wir bekamen sogar ohne hämisches Grinsen des jungen Mannes am Empfang ein Doppelzimmer, in dem ein Bett mit Ritze in der Mitte stand. Hagen ließ sich sofort auf eine Betthälfte fallen und bat mich, die Gardinen zuzuziehen und das Licht zu löschen. Auch den Gefallen tat ich ihm, und dann saß ich im Halbdunkel des Hotelzimmers und kam mir vor wie - ja wie eigentlich?
Hagen hatte immer treffende Vergleiche, aber mir fiel in diesem Moment nichts ein, ich fühlte mich schlicht und einfach überflüssig und unbegehrt.
Ich war kurz davor, mir ein Taxi zu rufen und einfach abzuhauen, denn so ganz klar war ich immer noch nicht wieder. Ich stand auf, brachte im Bad meine Frisur in Ordnung, hängte mir meine Handtasche über die Schulter und ging in das Hotelrestaurant. Dort war es noch recht leer, ich setzte mich an die Bar, trank einen Cognac und noch einen, blätterte in einer Illustrierten und bestellte mir schließlich ein Hirschragout mit Pilzen, Nüssen und Früchten. Nach den lieblos geschmierten Broten mit Wasser in der Gefangenschaft freute ich mich auf das Essen.
Es war herrlich, wieder frei zu sein, und ich wollte endlich mal etwas Vernünftiges essen, nach dem Fraß, den die Entführer mir gegeben hatten. Nach dem Essen wollte ich noch etwas spazieren gehen und vielleicht noch etwas lesen, aber ich hatte ja kein Buch mit, vielleicht ganz entspannt Fernsehen bis Hagen sich von seinem Migäneanfall erholt hatte?
Neben mich setzte sich ein Mann und legte seine Wagenschlüssel vor sich auf die Theke. Ein goldener Schlüssel mit BMW-Emblem, sein Anzug war im Don Johnson-Look, er war braungebrannt und mit Goldkettchen um den Hals. Sein Lächeln war strahlend und erfolgsgewohnt.
"Guten Abend, gnädige Frau", sagte er, "so eine schöne Frau wie Sie sollte doch nicht alleine sein. Darf ich Sie zum Essen einladen? Ich habe etwas zu feiern. Einen guten Abschluss, und ich weiß nicht, mit wem ich das feiern sollte."
"Ich habe mir schon was bestellt", sagte ich, "trotzdem vielen Dank."
"Dann entschuldigen Sie bitte", der Mann nahm den Schlüssel wieder an sich und setzte sich an das andere Ende der Bar. Wie war das möglich?
War ich plötzlich so unattraktiv, dass es sich nicht lohnte, sich wenigstens ein bisschen um mich zu bemühen?
Zum Essen setzte ich mich an einen Tisch, der Solargebräunte rief "guten Appetit" zu mir herüber und ging weg.
Ich aß langsam und versuchte es mit Genuss zu tun, aber es machte mir nicht viel Freude, zumal erst der Kellner und dann der Koch zu mir kamen und fragten, ob auch alles in Ordnung wäre. Als ich mir anschließend eine Zigarette anzünden wollte, wurde mir plötzlich über die Schulter Feuer gereicht.
'Da hat sich der Mann doch besonnen', dachte ich, aber die Hand, die das Feuerzeug hielt, hatte rotlackierte Fingernägel, und sie trug goldene Ringe. Eine Frau setzte sich mir gegenüber an den Tisch und lächelte mich mit sorgsam geschminkten Lippen an.
"Na, Leidensgenossin? Auch alleine?"
Ich nickte.
"Ach, macht nix", einige goldene Armbänder klimperten, als die Frau eine abwinkende Bewegung machte, "darf ich mal raten? Sie begleiten Ihren Chef, aber der 'arbeitet' noch, und Sie wissen nicht, wie Sie den Abend ausfüllen sollen - stimmt's?"
"Stimmt“, log ich, „woher wissen Sie?"
Ich hatte keine Lust ihr die Geschichte mit dem Migäneanfall zu erzählen. Warum sollte ich auch?
"Ach, ich mache das schon seit Jahren mit, man bekommt einen Blick dafür. Zuerst war's ja immer ganz toll, wenn mein Chef mich mitgenommen hat, aber dann? Alles lässt mal nach. Was meinen Sie, wollen wir an die Bar gehen, einen trinken, so ganz unter Frauen?"
"Warum eigentlich nicht?"
"Prima, ich bin die Dunja, und du?"
"Katrin, aber sag' doch einfach Kitty zu mir. Das tun alle."
"Gut, Kitty, komm!"
Dunja war wirklich ein Temperamentsbolzen, sie ließ ihren Rock schwingen und ihre Haare fliegen, und sie konnte unheimlich was vertragen.
"Das lernt man in der Branche", lächelte sie mit blitzenden, dunklen Augen, "ich habe meinem Chef so zu manchem Abschluss verholfen. Was macht Deiner denn so?"
In dieser Situation fiel mir nichts Besseres ein als: "Er hat eine Kranbaufirma."
"Ach so", sagte Dunja, "meiner macht in Jachten, neue und gebrauchte, dabei wird er ganz leicht seekrank. Er muss den Kunden die Jachten ja vorführen. Dabei wird er jedes Mal bei der kleinsten Welle seekrank. Hast Du Deinen Chef schon mal kotzen sehen? Ich erleb' das dauernd."
"Muss ja nicht sehr angenehm sein für Dich."
"Ach, du gewöhnst Dich an alles. - Übrigens, kennst Du das einzig sichere Mittel gegen Seekrankheit?"
"Nee, kenn' ich nicht. Erzähl!"
"Ganz schnell unter einen Baum legen!" Dunja kicherte und bekam einen Schluckauf. "Ich bin ja schon richtig ein bisschen beschwipst, na, macht nix, morgen habe ich ja frei - musst Du morgen arbeiten, Kitty?"
Dunja beugte sich zu mir und legte ihre Hand auf meinen Unterarm. Es war mir nicht unangenehm. Ihr Duft auch nicht, und als ihre Haare meine Wangen, und ihre Hand meinen Arm streichelten, saß ich einen Moment ruhig da und empfand die Berührung. Ein wohliges, schwebendes Kribbeln drang in mich.
"Komm", flüsterte Dunja und ihr Arm strich wie versehentlich über meine Brüste, "wir legen uns einen Moment hin. Ich bin ein bisschen beschwipst und die Nacht ist noch lang."
'Nein', dachte ich, 'das wirst du nicht tun. Das gibt nur wieder Komplikationen.'
Stattdessen ließ ich mich widerspruchslos von Dunja vom Hocker ziehen. Dunja lachte leise und glucksend.
"Komm ..." Sie fasste mich um und drängte sich an mich, sie war weich und anschmiegsam, und ich ging mit ihr, wir kicherten beide, als wir den Gang zu Dunjas Zimmer hinunterliefen und sie eine Tür öffnete. Es war eins der teuren Zimmer. Ruhig, ganz am Ende des Ganges mit getrenntem Schlafkabinett, aber auf dem Tisch stand ein Sektkühler mit einer Flasche darin - und drei Gläser. Dunja schloss die Tür, zog mich an sich, schmiegte sich an mich und küsste mich.
Der Kuss war angenehmer als ich dachte, aber da standen drei Gläser auf dem Tisch, und in diesem Moment, als ich Dunjas Kuss empfing, ertönte das charakteristische 'Plopp' das entsteht, wenn eine Sektflasche geöffnet wird.
Ich riss mich los und drehte mich um. Hinter mir stand dieser Don Johnson-Typ, nur trug er jetzt einen Hausmantel und war dabei, die Sektgläser einzuschenken.
Ich stand wie erstarrt.
"Was ist?" gurrte Dunja, "es macht mehr Spaß zu dritt …“
"... und wenn ich erst mal nur zuschaue?", fragte der Mann. "Nein! Nicht mit mir, lasst mich raus!"
"Kitty - Liebes, hab' dich doch nicht so!"
"Ich hab' mich überhaupt nicht! Ich mach' sowas nicht mit! Ich will hier raus!"
Dunja packte mich wieder am Arm. Ich trat nach ihr und riss die Tür auf.
"Wir werden die Wildkatze schon zähmen."
Der Mann presste es zwischen den Zähnen hervor. Ich riss mich los, stürzte auf den Gang, stolperte über irgendwas und fiel hin. Dunja packte mich am linken Arm und wollte mich wieder ins Zimmer zerren, aber ich stemmte mich mit den Füßen gegen den Türrahmen. Glücklicherweise kam Jemand den Gang entlang, die Tür wurde geschlossen, ich stand langsam und etwas schwankend auf.
“Alles in Ordnung?“, fragte der Mann, der den Gang entlang gekommen war.
„Ja, es ist alles in Ordnung“, sagte ich, aber ich muss wohl einen leicht betrunkenen Eindruck gemacht haben.
„Sie sollten sich besser hinlegen“, meinte der Mann, ich vermeinte noch ein leises „tz, tz tz“, zu hören und er ging weiter.
Langsam ging ich wieder zurück in Hagens und mein Zimmer, mit verwühlten Haaren, verschmierten Makeup und einem Riss im Kleid. Aber meine Handtasche hatte ich noch.
Hagen lag inzwischen unter der Decke, sein Kopfkissen war stark zerwühlt, sein Zeug lag auf einem Stuhl, und er atmete ruhig. Zwei kleine, leere Flaschen aus der Minibar standen auf seinem Nachttisch.
Ich setzte mich auf das andere Bett, stand wieder auf und öffnete die Minibar. Rum war noch da und Weinbrand. Ich leerte die beiden Fläschchen, ließ mich wieder aufs Bett fallen, streifte die Schuhe von den Füßen und legte mich lang. Das Zimmer begann um mich zu kreisen.
Gut so.
'Gibt es denn überhaupt keine normalen Menschen mehr?', dachte ich, 'entweder man entführt mich, man versucht mich zu vergewaltigen oder man schläft! Was ist das bloß für eine Welt?'


Hagen mal wieder:

Immer wenn ich mal mehr als lächerliche 36 Stunden nicht geschlafen hatte, reagiert mein Körper mit einem Migräneanfall.
Egal, ich fand langsam wieder zu mir, schüttelte den Kopf und sah Kitty neben mir. Wie schön sie wieder war, ihre Haare waren zwar noch etwas zerwühlt, sie war noch heiß vom Schlaf und sie schlief irgendwie unruhig.
Naja, kein Wunder nach der Sache mit der Entführung. Was mich aber wunderte, war dass sie komplett angezogen war. Ihre Strümpfe waren zerrupft und ihr Kleid hatte einen langen Riss.
Mir schoss etwas durch den Kopf; - nämlich dass sie an meinen Doppelgänger geraten war und mit ihm geschlafen hatte.
Quatsch!
Nur ganz lausige Autoren kommen auf so einen blöden Bolzen, denn dazu hätte der Typ hier im Hotel sein müssen. So einen Zufall gibt es nicht, mein Kontingent an Zufällen war ohnehin erschöpft.
Ich betrachtete sie noch eine Weile, wie sie in holder Unschuld neben mir lag und maß nochmal Blutzucker. Sie wachte auf, als ich sie vorsichtig piekte und den Blutstropfen von ihrem Finger leckte.
„Aua! Verdammt, lass mich in Ruhe!“
„Hab nur nochmal Blutzucker gemessen. 89 mg/dl. Du musst was essen! Wollen wir frühstücken? Es ist schon neun Uhr durch.“
„Ach, lass mich doch in Ruhe!“
„Ach Kitty. - Guten Morgen heißt das erst mal. Wie hast du denn geschlafen?“
„Beschissen! Ich will hier raus! Scheißmänner! Scheißweiber! Alles Scheiße! Ich denke, ich suche mir einen Job in einem Floristikstudio, da habe ich wenigstens meine Ruhe und werde nicht entführt oder vergewaltigt. Himmelarsch …!“
Es war nicht gerade die Atmosphäre für Romantik, die Kitty verbreitete.
Sie stürzte ins Bad und blieb da eine ganze Weile. Ich zog mich derweil wieder an. Das Duschen und Zähneputzen verschob ich. War sowieso alles egal, und wenn Kitty so weiter machte, konnte sie mich allemal kreuzweise.
Etwas Urlaub würde ihr sicher guttun und dann würde man weitersehen. Irgendwann würde sie schon wieder normalisieren, irgendwann …
Sie kam aus dem Bad, in ein Badetuch gehüllt.
„Dreh dich gefälligst um, wenn sich eine Dame anzieht, verdammt!“
Ich tat ihr den Gefallen und sah aus dem Fenster. Leider spiegelte sich nichts.
Sie wühlte in ihren Klamotten. Das Frauen immer mit einer gewaltigen Reisetasche für eine Nacht ins Hotel gehen müssen.
Eine gefühlte Ewigkeit später war sie soweit und es zehn Uhr.
„Wie sehe ich aus?“
Kitty hatte ein ‘Kleines Schwarzes‘ an, mit ein wenig Glitzer und bombastisch Rouge aufgelegt. Etwas deplaciert zum Frühstück, aber wunderschön anzuschauen.
„Phantastisch!“, sagte ich.
„Gut! Frühstück, und dann bring mich nach Hause.“
So sah also die ‘Romantische Nacht‘ aus, aber ich nickte und wir gingen.
Der Kaffee war lausig, aber sonst war das Frühstück in Ordnung, nur dass Kitty einem anderen Paar laufend ‘Den Finger‘ zeigte und sich lasziv auf ihrem Sessel rumflegelte, irritierte mich etwas, aber Frauen sind wohl so.
Anschließend bezahlte ich mit einem Tausender. Ohne mit der Wimper zu zucken legte der Mann an der Rezeption den Schein unter ein Prüfgerät und murmelte: „Vielen Dank, Herr Schneider. Und noch einen wunderschönen Tag. Beehren sie uns bald wieder!“
Hätte ich Kitty gar nicht zugetraut, uns unter falschem Namen anzumelden. Ich gab dem guten Mann ein Trinkgeld, steckte das Wechselgeld ein und brachte Kitty nach Hause. Wenigstens war wieder mal ein Tausender gewaschen.

Die Tiefgarage war seltsam leer. Als ich das Auto auf meinen Stellplatz fuhr, sah ich, dass es die Nacht zuvor gebrannt haben musste. Ein Autowrack stand ausgebrannt in der Nachbarbox. Boden, Decke, Wände, alles war rußgeschwärzt und meine Winterreifen, die ich an die Stirnwand der Box gestellt hatte, waren auch hin, nur die Felgen lagen am Boden, total ausgeglüht.
Schöne Scheiße, aber ich hatte Glück im Unglück.
Ich fuhr wieder raus und stellte das Auto auf den Parkplatz vor dem Haus. Als ich ihn gerade abschloss fuhr ein Thunderbird auf einen der freien Parkplätze dicht bei und die schöne Schwarzhaarige von Nebenan stieg aus.
"Hallo, Frau Nachbarin", sagte ich, "wo haben sie denn den tollen T-Bird her?"
"Der gehört mir nicht, leider. Hab' ihn auch nur geliehen, meinen hat letzte Nacht jemand angezündet. Haben sie vielleicht jemanden gesehen, meine Box liegt ja neben ihrer."
"Ihr Wagen war das? Oh, das tut mir leid, wirklich. Gesehen habe ich niemanden, ich war gar nicht da."
"Braucht ihnen nicht leid zu tun", die schöne Schwarzhaarige schloss den T-Bird ab, "Herr von Wegen, sie sind doch Detektiv, nicht wahr?"
"Woher wissen sie?" '
„Das Schild an ihrer Klingel.“
"Ach so. Normalerweise gehe ich ja nicht so gerne damit hausieren, zumindest nicht in der Nachbarschaft, sie verstehen? Ich werde es demnächst wieder abmachen. Bringt ja nix."
"Würden sie für mich auch etwas tun, Herr von Wegen?"
"Kommt drauf an, was."
"Ja, sicher. - Können wir bei mir drüber reden?"
Ich nickte, wir fuhren nach oben und in ihrer Wohnung angekommen, legte die schöne Schwarzhaarige ein Handy auf den Tisch und setzte Wasser auf, vermutlich für Tee.
Endlich schien es soweit zu sein, eine schöne Frau brauchte die Hilfe des Detektivs; - eine Situation wie in den schönen Filmen. Deshalb hatte ich die Detektei angemeldet. Um schönen Frauen zu helfen, in der Hoffnung, dass sich die schöne Frau in den Detektiv verliebt. Ich konnte mich nur zum Teufel nicht an ihren Namen erinnern, wir waren uns auch nur ein paar Mal begegnet und hatten uns einen schönen Tag und guten Weg gewünscht. Das letzte Mal lange bevor ich meine Detektei eröffnet hatte.
"Ja, ich weiß nicht, wie ich anfangen soll", sagte sie, als sie wiederkam, "aber ich habe herausbekommen, dass mein Freund - mein bisheriger Freund - verheiratet ist. Er besucht mich nachher, und ich werde dann diese Beziehung beenden."
Das hörte sich schon mal gut an, die Sache mit dem Beenden der Beziehung.
"Ja, wenn sie meinen, dass sie das tun müssen … Aber wie soll ich ihnen dabei helfen?“
"Es kann sein, dass er gewalttätig wird.“
"Alles klar! Sie klopfen an die Wand und ich komme! Nötigenfalls rufen Sie mich mit dem Ding", ich deutete auf das Handy, "an."
Das war genau das, was ich jetzt brauchte!
Jemanden zusammenschlagen! Und dann auch noch mit Grund!
Und die schöne Frau wird dann schmachtend an meine Seite sinken.
"Da wäre ich ihnen dankbar."
Die schöne Schwarzhaarige lächelte mich doch tatsächlich an.
"Ehrensache unter Nachbarn. - Was ist denn das für ein Typ, der gegen Frauen gewalttätig wird?"
"Ach, ich hab‘ mich leider in ihm getäuscht. - Aber da wäre noch was."
"Ja?"
"Seine Frau hat herausbekommen, dass ich seine Geliebte bin; - halten sie mich bitte nicht für hysterisch, aber sie hat gedroht mich umzubringen."
"Naja, betrogene Frauen reagieren bisweilen etwas überspannt. Wenn sie sich sowieso von dem Mann trennen wollen, wäre da nicht eine Aussprache ganz angebracht?
"Ich hab`s versucht, es war nicht möglich."
Die schone Schwarzhaarige stellte Tassen auf den Tisch und schenkte Tee ein, "nehmen sie Sahne? Zucker?"
"Nur Zucker bitte", sagte ich, tat mir einen Löffel Zucker in den Tee und rührte, "was soll ich in diesem Fall tun? Sie beschützen?"
"Ja, das könnte man sagen", sie rührte auch in ihrem Tee, "ich werde ohnehin nicht mehr lange hier wohnen, und dann auch nur wenn ich hier alleine sein sollte. Aber das ist eine andere Geschichte", die schöne Schwarzhaarige sah zur Uhr, "ich will nicht unhöflich sein, Herr von Wegen, aber ich habe ja gesagt, dass ich noch Besuch erwarte."
"Is klar", sagte ich, trank den Tee aus und stand auf, "sie klopfen an die Wand, wenn der Typ gewalttätig werden sollte oder rufen mich an.“
Ich gab der schönen Schwarzhaarigen meine Nummer.
„Das kriegen wir hin.“
„Mein ich doch. Jetzt fühl ich mich schon viel wohler. - Über die Sache mit dem Beschützen reden wir nochmal, ja?“
„Natürlich.“
Ließ sich dynamisch an, die Sache. Irgendwie war wieder beschwingt als wir uns verabschiedet hatten und ich in meine Wohnung ging. Eigentlich war das der Traumjob eines jeden Detektivs; - eine schöne Frau bittet um seinen Schutz, aber im Kino war das immer etwas anders.
Im Grunde hatte ich mir diesen Job etwas anders vorgestellt; - den geeigneten Anzug dafür hatte ich gerade erworben, sogar mit der stilechten dunklen Brille, den Revolver mit Schulterhalfter, der immer demonstrativ eine hübsche kleine Beule im Jackett macht, würde ich mir noch besorgen und den dazu passenden markanten Gesichtsausdruck, der nicht den leisesten Anflug eines Lächelns in der Reichweite der Schlaghand duldet, lange geübt.
Mir blieb nichts anderes übrig, als mich aufs Bett zu legen und zu warten, Wand an Wand mit der schönen Schwarzhaarigen von Nebenan, ob sie klopfen würde oder nicht.
Ich weiß nicht mehr, was ich gelesen habe, als ich wartete, aber sehr viel später hörte ich sie ihre Wohnung verlassen und zum Lift gehen.
Unverkennbar ihr Gang. Waren da nicht auch noch männliche Schritte?
Egal.
Sie hatte nicht an die Wand geklopft. Der Fahrstuhl kam und fuhr wieder hinunter.
Stille breitete sich greifbar aus, sogar das obligate Ehepaar, dass sich in solchen Situationen immer bei offenem Fenster und in dieser Gegend lautstark zofft, vertrug sich, und niemand legte eine sentimentale CD in den Player.
Ich ging zum Fenster und sah, wie die schöne Schwarzhaarige eng umschlungen mit einem Mann zu ihrem T-Bird ging, diesen aufschloss und mit dem Mann davon fuhr.
Dann war der Kerl also nicht gewalttätig geworden; - ich hatte mich umsonst gefreut und die schöne Schwarzhaarige wird mich bald vergessen haben.
Das Leben ist nicht anders.
Ich suchte im Radio einen Sender mit klassischer Musik, sie spielten gerade Händel; - Musik für einen König.
War zwar im Moment etwas unpassend aber sehr schön.
Ich setzte mich in meinen Sessel, zog meines Schreibtisches zweitunterste Schublade heraus, legte die Füße drauf und dachte an Kitty; - ob und wie es wohl mit uns weitergehen würde.
Alles geht immer weiter und nichts endet so wie geplant; - oder?
Ich wartete auf einen Schlussakkord in Moll, denn ich hatte nicht mehr in Erinnerung, ob es sowas gab, bei der Musik für einen König.
Ich hätte jetzt gerne sentimentale Musik gehört, mit einem Schlussakkord in Moll …
 



 
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