Der einsame Zauberer

Der einsame Zauberer



Es lebte einst in einem fernen Land ein einsamer Zauberer. Er wohnte alleine in einer Holzhütte, die sich am Gipfel eines Hügels befand. Rund um das Gebäude gab es nichts als viele Bäume, denn der einsame Zauberer lebte in einem Wald. Er hatte keine Familie, keine Freunde und auch sonst keinen Menschen, mit dem er sprechen oder lachen konnte. Seine Hütte war sehr bescheiden. Sie war sehr klein, hatte nur ein paar Fenster. Die einzigen Lebewesen, die ihn in seiner Hütte besuchten und mit denen er ab und zu sprach, waren die Tiere des Waldes. So fanden zum Beispiel sehr oft Mäuse bei ihm Unterschlupf. Unter seinem Dach hauste jeden Tag eine alte verschlafene Eule. Auch ein paar Eichhörnchen schauten hin und wieder beim Fenster herein. Sein Lieblingstier aber war ein alter Dachs, der jede Nacht auf der Suche nach Futter um seine Hütte schlich. Der einsame Zauberer mochte alle diese Tiere sehr, waren sie doch die einzigen Lebewesen, die er jeden Tag sah und mit denen er Gespräche führte, auch wenn sie ihn nicht verstehen konnten.

Die meiste Zeit saß er auf seinem Stuhl und dachte darüber nach, wie er seine Situation ändern könnte. Denn eines war gewiss. Er wollte nicht einsam sein. Er wollte Freunde finden, vielleicht einmal heiraten. Er wollte mit jemanden sprechen und hin und wieder einfach Spaß mit anderen Menschen haben.

Eigentlich hätte er nicht viel tun müssen, denn nicht weit von seiner Hütte entfernt lebten sogar viele Menschen. Am Fuße des Hügels befand sich nämlich eine große Stadt. Mit den Bewohnern hätte er all dies erleben könnte, nach dem er sich so sehnte. Und doch gab es da ein großes Hindernis. Ein Problem, das dazu führte, dass er nicht einmal mehr im Traum daran dachte, auch nur einen Fuß in diese Stadt zu setzen und mit diesen Menschen zu sprechen. Sie hassten ihn. Alle Menschen in diesem Dorf, ob groß oder klein, Mann oder Frau. Alle machten einen großen Bogen um den Zauberer und alle schauten nur weg, wenn sie ihn sahen. Es war nicht so, als ob er es nie versuchte, sich mit ihnen anzufreunden. Vor allem in der ersten Zeit nach seiner Ankunft auf diesem Hügel versuchte er es mehrmals. Er ging anfangs auch immer wieder in die Stadt und wollte beispielsweise beim Geburtstagsfest des Königs mitfeiern, wie es alle Menschen in der Stadt taten. Wenn er in einem Einkaufsladen jemanden traf, versuchte er sofort, ein paar nette Worte zu finden. Doch so sehr er sich auch anstrengte, sie hassten ihn und wollten nichts mit ihm zu tun haben. Nie bekam er heraus, warum dies so war. Mit der Zeit begann er es zu akzeptieren. Sie wollten den Zauberer einfach nicht. So wurde er einsam. Wegziehen kam für ihn aber auch nicht in Frage, denn in seiner Hütte fühlte er sich ja wohl.

Es gab nur einen einzigen Anlass im ganzen Jahr, zu dem man Kontakt mit dem Zauberer aufnahm. Und das war der Tag, an dem Vertreter der Stadt an seine Tür klopften, um die jährlichen Steuern einzuholen. Dabei schickte der König meistens einen Diener herbei, der sehr stark und kräftig war, damit man den Zauberer einschüchtern konnte und er mit dem Geld sofort herausrückte. Doch der einsame Zauberer hätte nie nein gesagt, denn er wusste, dass eine Stadt das Steuergeld auch brauchte, um zum Beispiel Brücken, Straßen und Gebäude zu erbauen. Aber es machte ihn traurig und zugleich auch wütend. Zu gerne hätte er oft einfach seinen Zauberstab genommen und die Diener, die vor seiner Tür standen, in grässliche Ungeheuer verwandelt. Zu gerne hätte er ein gefährliches Tier hervorgezaubert, das den Dienern bis ins Schloss des Königs hinterherjagen würde. Aber es gab eine alte wichtige Regel der Zauberer und die besagte, dass ein Zauberer nie den Stab gegen Menschen erheben dürfe, auch wenn sie noch so schrecklich sind und es vielleicht sogar verdient hätten. Und daran hielt sich der Zauberer, denn er war ein ehrenwerter Mann und wollte eigentlich niemandem etwas Böses.

Überhaupt wandte er trotz seiner magischen Kräfte sehr selten Magie an. Warum auch, denn eigentlich hatte er ja alles, was er brauchte. Vor seinem Haus befand sich ein großer Garten, wo er alle mögliche Gemüsesorten anpflanzte. Auch der Wald selbst bot ihm sehr viel Nahrung, und im Winter lagerte alles Notwendige in einem kleinen Schuppen, der sich neben der Hütte befand. Auch in der Hütte brauchte er nicht viel, denn er war mit seinen alten Stühlen und Tischen, mit seinem Geschirr und mit seinem alten Bett mehr als zufrieden. Vor allem aber liebte er seine Bücher. Er hatte sehr viele davon. Bücher waren auch die Ausnahme, für die er ab und zu seinen Zauberstab hervorholte. Durch Magie war es ihm möglich, alle Bücher von der ganzen weiten Welt hervorzuzaubern und zu lesen. Er war also mit allen Dingen, der in seinem Leben brauchte, versorgt. Nur der Kontakt zu anderen Menschen fehlte ihm, aber das hatte er schon aufgegeben.

So vergingen die Jahre und so verlief die Zeit. Tagein, tagaus lebte er in seiner Hütte, sprach mit den Tieren und wurde immer einsamer.

Doch dann geschah eines Tages etwas, an das er im Traum nie gedacht hätte. Eines frühen Morgens klopfte jemand an seine Tür und rief: „Herr Zauberer, bitte öffnen Sie die Tür.“ Was ist denn jetzt los?, fragte sich der Zauberer. Die Steuern waren für dieses Jahr bereits einkassiert worden, das konnte also nicht der Grund sein. Sofort dachte er daran, dass sich vielleicht nur irgendwelche Kinder einen Spaß erlaubten und ihn erschrecken wollten. Das wäre nicht das erste Mal gewesen. Deshalb ignorierte der Zauberer zuerst das Klopfen und die Worte, die er hörte. Doch nach einer Minute klopfte es erneut und wieder hörte er eine Stimme, die sagte: „Bitte Herr Zauberer, wir flehen Sie an. Bitte öffnen Sie die Tür.“ Jetzt war er verunsichert. Er hörte keine wütende oder grimmige Stimme. Derjenige, der vor seiner Tür stand, war eher ängstlich, traurig und irgendwie konnte er auch Panik aus seiner Stimme hören. Schon einen Moment später klopfte es erneut. Dieses Mal noch heftiger und lauter. Und als er erneut eine Stimme hörte, war er sich sicher. Die Person, die vor seiner Tür stand, hatte Angst vor etwas, denn in der Stimme konnte er eindeutig ein Zittern hören. „Bitte kommen Sie heraus und sprechen Sie mit uns. Wir brauchen dringend Ihre Hilfe. Wir wissen einfach nicht mehr weiter!“, sprach die unbekannte Person vor der Tür. Was sollte das nun bedeuten? Erlaubte man sich nicht vielleicht doch einen Scherz mit ihm? Wer war diese Person? Es war eindeutig eine männliche Stimme, so viel war klar. Das Flehen vor der Tür ging weiter und wurde noch lauter. Sollte er die Tür öffnen? Sollte er sich wegzaubern, damit man ihn nicht finden konnte, wenn jemand hereinstürmen würde? Der Zauberer bekam es mit der Angst zu tun. Er selbst begann zu zittern und bekam feuchte Hände. Aber er versuchte sich zu beruhigen. Was konnte ihm schon passieren? Er war immerhin ein sehr guter Zauberer und konnte sich, wenn es sein musste, mit seiner Magie verteidigen. Mehr als böse Worte konnte er eigentlich nicht befürchten und die war er ja ohnehin schon gewohnt. Vor allem aber interessierte er sich sehr dafür, warum die Person vor seiner Tür solch eine Angst hatte und wieso man ihn plötzlich aufsuchte. Die Gründe mussten ja sehr wichtig sein, denn sonst hätte man nie Kontakt mit ihm aufgenommen. Er nahm vorsichtshalber seinen Zauberstab in die Hand, atmete tief ein und aus. Er ging zu Tür, griff zur Schnalle und öffnete sie zuerst nur einen Spalt breit, damit er einen Blick hinaus werfen konnte. Und was er sah, verschlug ihm beinahe die Sprache.

Vor ihm stand nicht nur eine Person. Nein. Vor ihm standen mindestens 20 Männer und Frauen. Damit hatte er nun wirklich nicht gerechnet. Jetzt fürchtete er sich sogar. Warum standen so viele Personen vor seinem Haus? Schlimme Gedanken gingen dem Zauberer durch den Kopf. Er würde nervöser und ängstlicher. Doch plötzlich bemerkte er etwas in den Gesichtern seiner Besucher. Etwas, das für ihn nicht nachvollziehbar und sehr überraschend war. In den Gesichtern der Männer und Frauen war große Angst zu sehen.

„Bitte Herr Zauberer, tun Sie uns nichts Böses. Wir brauchen dringend Ihre Hilfe. Wir wissen einfach nicht mehr weiter,“ sprach der Mann, der offenbar schon zuvor gesprochen hatte. Zwei Dinge verstand der Zauberer nun gar nicht. Erstens, warum glaubten die Menschen, er würde ihnen womöglich etwas Böses antun, und zweitens, was konnte denn so schlimm sein, dass man so viele Personen des Dorfes zu ihm schickte? Er nahm all seinen Mut zusammen und versuchte seine Angst zu verbergen. Langsam begann er zu sprechen: „Seit so langer Zeit werde ich von euch nur schlecht behandelt, warum sollte ich euch helfen?“ Die Menschen vor seiner Tür sahen sich alle fraglich an, in einigen Gesichtern glaubte er sogar Verständnis zu erkennen, dennoch wollte niemand etwas auf seine Frage antworten. Der Zauberer wurde aber auch neugierig und langsam mutiger. Er fragte: „Wovor haben Sie denn alle so große Angst?“ Jetzt ergriff ein anderer Mann das Wort und als der Zauberer den Mann näher betrachtete, erkannte er ihn. Es war der König höchstpersönlich, der da vor ihm stand und zitterte. Seine Krone hielt er in der Hand und mit gesenktem Kopf ging er auf ihn zu. „Wir wissen, dass wir nicht gut zu Ihnen waren, aber wir haben so schlechte Erfahrungen mit Zauberern gemacht, dass wir nichts mit Ihnen zu tun haben wollten. Alle Zauberer, die vor Ihnen in der Stadt lebten, waren böse Menschen und wandten böse Magie für furchtbare Dinge an. Jetzt haben wir es aber mit einem noch schlimmeren Ungeheuer zu tun. Ein Riese, wie wir noch keinen größeren gesehen haben, zerstört unsere Häuser, unsere Felder und unseren Wald. Bisher konnten wir nichts gegen ihn machen. Wir befürchten, dass er bald auch Menschen entführen wird.“

Der Zauberer runzelte die Stirn. Er und böse? Sie hatten tatsächlich Angst vor ihm? Das konnte doch nicht stimmen. Aber er sah in den Augen seiner Besucher tatsächlich große Furcht. Und er wusste ganz genau, solche starken Gefühle, wie sie in den Blicken dieser Menschen zu sehen waren, konnten nicht gespielt sein. Doch trotzdem wusste er nicht, wie er reagieren sollte. Einerseits dachte er sich, waren die Menschen stets sehr schlecht zu ihm. Selbst wenn sie Angst vor ihm hatten, so hätten sie doch in all den Jahren zumindest ein kleines Zeichen der Freundlichkeit setzen können. Andererseits war es ihm als Zauberer bestimmt, Menschen, die in Not gerieten, zu helfen. Auch das besagte eine uralte Zauberregel, der er sich eigentlich nicht widersetzen konnte. Er musste in Ruhe nachdenken, schloss die Tür und ließ seine Besucher verdutzt und überrascht stehen. Es war ihm egal, was sie über ihn dachten. Er brauchte jetzt eine Minute zum Nachdenken, und zwar alleine. Der Zauberer setzte sich in seinen Stuhl und fing an zu überlegen. Allerdings war es nicht lange still, denn schon nach kurzer Zeit hörte er vor seiner Tür die Stimmen der Menschen. Anscheinend wussten sie nicht, wie sie mit der Situation umgehen sollten. Die Stimmen wurden immer lauter und nervöser. Der Zauberer überlegte und überlegte, er dachte über all die Vor- und Nachteile nach, die eine Hilfe für die Menschen verursachen würde. Bald stand für ihn der Entschluss jedoch fest, denn immerhin war er ein guter Zauberer. Er wollte den Menschen helfen. Doch nicht ohne Bedingungen. Denn so schnell konnte er ihnen nicht vergeben. So schnell hatten sie es nicht verdient, dass all die einsamen Momente des Zauberers einfach vergessen sein würden.

Er stand auf und ging wieder zur Tür, öffnete sie und blickte hinaus. Von einer Minute auf die andere waren die lauten Stimmen verstummt. Alle Menschen vor der Tür sahen ihn gespannt an. Er begann zu sprechen: „Ich bin bereit, euch zu helfen, aber ich stelle drei Bedingungen. Und nur, wenn ihr mir diese drei Wünsche wirklich erfüllt, helfe ich euch, den Riesen zu beseitigen.“ Der König wirkte überrascht. Auch die anderen Personen wussten zuerst nicht, was sie sagen sollten. Schließlich aber ergriff der König das Wort: „Egal, was es ist. Sie bekommen alles, was Sie sich wünschen.“ Der König hatte dabei keine große Bedenken. Was konnten denn die Wünsche schon sein? Immerhin war er ja ein Zauberer und ein Zauberer konnte sich ja ohnehin alles herzaubern, was er wollte. Hätte er gewusst, wie falsch er lag, hätte er die nächste Frage nicht gestellt: „Welche Wünsche dürfen wir Ihnen erfüllen?“

Der Zauberer überlegte noch ganz kurz, dann antwortete er: „Zuallererst wünsche ich mir, dass ich für immer von den Steuern befreit werde.“ Der König nickte sofort, das konnte er ihm jederzeit erfüllen.

Der Zauberer sprach weiter: „Ich wünsche mir außerdem, dass ich für einen Tag selbst König der Stadt sein darf.“ Darüber war der König schon etwas mehr verwundert. Kurz zögerte er, weil er mit diesem Wunsch nicht gerechnet hatte. Und außerdem musste er bisher noch keinen einzigen Tag auf die Krone verzichten. Aber es blieb ihm nichts anderes übrig und er stimmte zu.

Nun teilte der Zauberer seine dritte Bedingung mit: „Und zum Schluss wünsche ich mir noch, dass ich die schönste Frau der Stadt heiraten darf.“ Der König dachte, dass er sich verhört hatte. Der Zauberer wollte heiraten? Er glaubte tatsächlich, irgendjemand in der Stadt würde einen Zauberer heiraten, wo doch alle Angst vor ihm hatten? Er blickte seine Ratgeber und Diener an. Die zuckten aber nur mit den Schultern, weil sie selbst nicht wussten, was sie dazu sagen sollten. Aber auch hier blieb dem König nichts anderes übrig als zuzustimmen: „Nun gut, wenn Sie uns das Problem mit dem Riesen lösen, erfüllen wir Ihnen sogleich all Ihre Wünsche.“ Der Zauberer hatte mit ein bisschen Widerstand gerechnet, aber es freute ihn umso mehr, dass sie mit seinen Bedingungen einverstanden waren. Er ging wieder in seine Hütte, um seinen Zauberstab zu holen, dann marschierten sie los. Ganz vorne der König, dicht gefolgt vom Zauberer. Und dann, noch mit etwas Abstand, die anderen Stadtbewohner.

Während sie den Hügel und den Wald im Laufschritt verließen und durch die Stadt gingen, konnte er hinter den Fenstern der Stadthäuser immer wieder gespannte und überraschte Gesichter sehen. Anscheinend hatten viele nicht damit gerechnet, den Zauberer und den König zusammen zu sehen. Dabei musste der Zauberer kurz leise lachen. Wenn der König wüsste, welche Vereinbarung er eingegangen war. Der Riese stellte für den Zauberer kein Problem dar. Ein kurzer Zauberspruch und er würde sich in einen Berg verwandeln. Aber die Bedingungen des Zauberers waren für den König doch etwas umfangreicher.

Als sie nach einiger Zeit auf den Feldern ankamen, sahen sie den Riesen auch schon. Er war gerade dabei, das ganze Getreide auszureißen und in seinen Mund zu stopfen. Schließlich kamen sie einige Meter vor ihm zum Stehen. „Er frisst unser ganzes Getreide weg, bitte machen Sie etwas“, flehte der König den Zauberer schon an. Nichts leichter als das, dachte sich der Zauberer. Er hielt seinen Zauberstab in die Höhe und begann so laut zu sprechen, dass sogar der Riese auf ihn aufmerksam wurde. Wenn dieser gewusst hätte, was der Zauberer hier aussprach, dann hätte er vermutlich das Weite gesucht, aber er ahnte nicht, dass er hier einen Zauberspruch gegen sich zu hören bekam:

„Der große Riese zerstört Wald und Wiese. Aber in Zukunft soll das nicht mehr so sein, deshalb verwandle er sich sofort in einen großen Berg aus Stein.“

Plötzlich schoss ein Lichtstrahl aus dem Stab des Zauberers direkt auf den Riesen zu. Ohne das dieser mitbekam, was eigentlich geschah, verwandelte er sich plötzlich in einen großen Berg.

Alle Stadtbewohner hatten das Ereignis mitverfolgt und brachen jetzt in Jubel aus. Sie applaudierten, jubelten laut und liefen plötzlich auf den Zauberer zu, um ihm die Hand zu geben. Das war zu viel auf einmal für ihn, deshalb wandte er sich gleich an den Zauberer und fragte nach der Erfüllung der Bedingungen. Der König reagierte sogleich und befahl allen Stadtbewohnern, ihn und den Zauberer in den Palast zu begleiten, wo sofort mit der Umsetzung seiner Wünsche begonnen werden sollte. Als man dort ankam, setzten seine Ratgeber und Schriftführer einen Vertrag auf, in dem festgeschrieben wurde, dass der Zauberer bis an sein Lebensende von allen Steuern befreit sein würde. Der erste Wunsch war somit erfüllt. Dann folgte der zweite. Man beschloss, dass gleich um Mitternacht der Tag beginnen sollte, an dem der Zauberer in der Stadt herrschen durfte. Auch dazu wurde ein kurzer Vertrag von allen unterschrieben. Der König freute sich sogar irgendwie, so konnte er endlich einen freien Tag mit seiner Tochter verbringen und mit ihr in die Berge wandern. Das hatte er ihr schon lange versprochen. Was den dritten Wunsch betraf, so war die Sache schon etwas schwieriger. Der Zauberer kannte ja nicht alle unverheirateten Frauen in seinem Reich und konnte daher auch nicht sagen, welche Frau die schönste war. Der König schlug vor, dass drei seiner engsten Ratgeber und Diener innerhalb eines Tages feststellen sollten, wer denn die Schönste in der Stadt war. Sie brachen sofort auf.

So gingen beide zufrieden nachhause. Der Zauberer freute sich auf seinen Tag als König, denn er wollte an diesem Tag gute Gesetze für die Bevölkerung bestimmen und außerdem festschreiben, dass es zwischen Zauberern und der Bevölkerung keinen Hass mehr geben sollte. Der König hingegen freute sich auf einen Tag mit seiner Tochter. So verbrachten beide glückliche Stunden und das Volk sah, dass der Zauberer eigentlich ein guter Mensch war, der auch gute Gesetze für sie festlegte. Zwei Tage später trafen sie sich wieder im Schluss, damit der König das Zepter und die Krone wieder zurückbekommen konnte.

Natürlich interessierte beide, zu welchem Entschluss seine drei Diener gekommen waren, was die schönste Frau der Stadt betraf. Die drei stellten sich vor den König und den Zauberer. Einer der drei begann zu sprechen: „Wir haben gesucht und gesucht. Am Ende sind wir einstimmig zum Entschluss gekommen, dass die schönste Frau in der ganzen Stadt die Prinzessin ist.“ Der König glaube zuerst, sich verhört zu haben. Er freut sich natürlich darüber, dass seine Tochter die Schönste war, aber eine Hochzeit mit einem Zauberer? Andererseits hatten an den Tagen davor wirklich alle bemerkt, dass der Zauberer wirklich sehr nett war. Als sich das Urteil der drei Diener in der Stadt verbreitete, brach überall Jubel aus. Alle freuten sich, dass es bald eine Hochzeit geben würde. Eine Heirat zwischen der Tochter des Königs und dem Zauberer würde auch bedeuten, dass sie sich niemals mehr Sorgen machten mussten, wenn es wieder Gefahren wie den Riesen geben sollte. Auch die Prinzessin selbst war sofort damit einverstanden, denn ein besserer Mann hätte ihr nicht passieren können.

Schon ein paar Monate danach fand die Hochzeit statt. Alle Stadtbewohner nahmen daran teil und feierten bis in die späten Nachtstunden. Die Prinzessin und der Zauberer waren glücklich und verliebt bis über beide Ohren. Der König war froh, dass seine Tochter glücklich war und endlich einen Mann gefunden hatte. Das Schicksal hatte es nach vielen einsamen Stunden doch gut mit dem Zauberer gemeint. Und das in vielerlei Hinsicht. Zum einen hatte er endlich eine Frau gefunden, die sehr schön war und ihn liebte. Das hieß, er würde nie wieder einsam sein. Zum anderen wurde er nach dem Tod des alten Königs selbst zum König der Stadt. Das bedeutete, er musste sowieso nie mehr Steuern zahlen und er konnte sein Leben lang gute Beschlüsse und Entscheidungen für die Stadtbewohner fassen. Steuern zahlen musste zum Beispiel schon bald überhaupt niemand mehr, denn immerhin konnte er für alle Menschen die notwendigen Dinge doch einfach herbeizaubern. So lange man mit Zauber den Menschen etwas Gutes tat, brach man auch keine Zauberregel. Er lebte mit seiner Frau auch weiterhin bescheiden und gab den Palast für einige der ärmeren Dorfbewohner her. Denn eines wollte er nicht aufgeben, nämlich seine Hütte am Hügel. Von dort hatte er ohnehin einen viel besseren Überblick über die Stadt und außerdem konnte er dadurch weiterhin bei seinen Freunden, die Tieren des Waldes, wohnen. Allerdings jetzt auch mit seiner Prinzessin. Und so lebten alle glücklich und zufrieden bis ans Ende ihrer Tage.
 



 
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