Der Fall Baltino

Die Leiche lag vor „Lehmann“s Buchhandlung. Man sah keine Blutlache, nur ein dünnes, rotes Rinnsal, das langsam versiegte.

Da das Opfer ein Portemonnaie in der linken Innentasche seines Jacketts von teurem, jedoch abgetragenen Burberry-tweed hatte, konnte es recht schnell identifiziert werden. Es war einer der Professoren der Philologie, genauer der Italianistik, der Marburger Philipps-Universität. Der Ausweis war in Marburg ausgestellt worden. Eine Marburgerin hatte den Professor auf dem Kopfsteinpflaster liegen sehen und hatte die Polizei alarmiert. Die Kommissarin der Oberstadtwache war nach genau 58 Sekunden zugegen.

Heike hatte gut geschlafen. In ihrem Passat fuhr sie die Waldstrecke nach Marburg und parkte auf einem kleinen Parkplatz in der Metzgergasse, zwischen den Fachwerkhäusern. Langsam wurde es Frühling, und das sogar hier, in dieser kalten Gegend. Sie war gut gelaunt. Heute Morgen hatte sie kurz gefrühstückt. Sie aß ein Brötchen und schaute nur kurz in das Lokalblatt. Sie blätterte die Zeitung durch und las den Comic Hägar. Sie lächelte. Hägar erinnerte sie an Asterix und Obelix. Sie hatte Asterix und Obelix in der Schule gelesen und fand die Geschichten rührend.

Heike liebte ihren schwarzen Pudel Pfiffi. Dieser begleitete sie fast überall hin. Nur zur Arbeit durfte sie ihn leider nicht mitnehmen. Dann ließ sie ihn im Garten herumtollen. Sie lief die paar Meter zur Wache. Heute gab es bestimmt das übliche: Taschendiebstähle und kleinere Drogendelikte. Heike trug heute ihr Polizeioutfit. Als der Anruf reinkam, genehmigte sie sich gerade einen zweiten Kaffee. „Ein Toter. Vor Lehmanns.“, sagte Susanne, ihre braunhaarige Assistentin, die für eingehende Telefonate und Recherchen zuständig war. Wie auch für das Nachfüllen des Kaffeeautomaten. Die Kaffeebohnen standen in dem kleinen Räumchen im Regal.

Die Zeugin war schon etwas älter. Heike schätzte sie auf ungefähr siebzig Jahre. Sie hatte dunkelbraune Augen und graue Locken. Sie trug eine Jeans mit einer kurzen, dunklen Jacke und einer blauen Bluse mit weißen Knöpfen. „Schicke Schuhe“, dachte Heike. Sie waren aus blauem Leder. Möglicherweise kam die Zeugin als mutmaßliche Täterin in Frage. Heike nahm ihre Personalien auf. „Frau Dornhöfer, warum waren Sie denn heute Morgen in der Oberstadt?“, fragte sie sie. „Ich nenne es ‚auf die andere Seite kommen‘“ gab diese zurück. Ich war im Supermarkt um Gemüse zu kaufen. Zweimal die Woche erledige ich den Einkauf, und gehe dann durch die Oberstadt nach Hause.“ „Wo wohnen Sie denn?“, fragte Heike. „Ich wohne in der Ketzerbach“, antwortete die Dame. „Ich sah den Mann auf dem Kopfsteinpflaster liegen und habe umgehend die Polizei benachrichtigt.“

In der Zwischenzeit war schon die Spurensicherung angerückt. Sie sperrte alles mit rot-weißem Plastikband ab. Heike gab Frau Dornhöfer ihre polizeiliche Visitenkarte. „Rufen Sie mich bitte an, falls Sie sich noch an etwas erinnern können. Jeder Hinweis kann uns dabei helfen, den Fall aufzuklären.“

„Danke. Was für ein Tag. Heute hatte ich eigentlich vor, eine Frühlingssuppe zu kochen. Und nun das. Auf Wiederschauen.“

„Auf Wiedersehen,“, erwiderte Heike.

Sie schaute auf die Stelle, auf der eben noch der leblose Körper lag. Nun hatten sie ihn mitgenommen, und weiße Kreideumrisse markierten, wo die Leiche auf dem Kopfsteinpflaster gelegen hatte.

Später war im Obduktionsbericht zu lesen:

Das Opfer erlag aufgrund einer Stichwunde den Verletzungen, die ihm mit einem Messer mit einer relativ langen, scharfen Klinge zugefügt worden waren. Der Messerstich verläuft vom Rücken bis ins Herz des Opfers. Der genaue Zeitpunkt des Todes kann nicht ermittelt werden. Schätzungen zufolge starb Herr Professor Matteo Baltino heute, 13.Mai 2025, zwischen 8:45 und 9:00 Uhr.

Heike schniefte. Es fiel ihr in solchen Fällen immer wieder schwer, die persönliche Distanz zu wahren. Da sie Kommissarin ist, darf sie natürlich auch den Obduktionsbericht einsehen. Dies hatte zur Folge, dass sie sich leise eine Träne aus dem rechten Auge wischte. Sie brauchte unbedingt einen klaren Kopf, um klare Gedanken fassen zu können. Heute Abend würde sie am liebsten auf ihrem Hometrainer Sport treiben und sich dann das Abendbrot richten. Aber sie blieb realistisch. Heute würde sie bis in alle Puppen arbeiten müssen.

Die Kollegen von der Spurensicherung schüttelten leise mit dem Kopf. „Ohne Mordwaffe haben wir keinerlei Hinweise“, sagte Karl Schönebäcker seufzend.

Die Presse war zugegen. Die Fotografen und Journalisten würden am nächsten Tag einen ausführlichen Artikel zum Mord an Herrn Professor Matteo Baltino in Druck geben.

Den Mörder zu finden war ein Lauf gegen die Zeit. – Dies bedeutete, dass Heike Überstunden machen musste. Die Sporteinheit in ihrem Terminplaner würde sie doch streichen müssen. Heike versuchte ihre immer wieder in die Ferne abschweifenden Gedanken zu vertreiben. Kaffee: sie schenkte sich noch eine Tasse ein. Ihr war nun auch die unliebsame Aufgabe übertragen worden, die Frau des ermordeten Professors aufzusuchen. Ihre Assistentin hatte ihre Adresse bereits herausgefunden, und sie ihr in ihrem Büro auf den Schreibtisch gelegt. Frau Baltino wohnte am Ortenberg.

„Gute Wohngegend“, dachte Heike, als sie vom Navi geleitet in Richtung Alte Kasseler Str. fuhr.

Sie fand das Haus ohne Probleme. In den Fensterkästen wuchsen rote Geranien.

„Die hängenden“, bemerkte sie.

„Guten Tag, Frau Baltino“, sagte sie, als sich die Tür einen Spalt breit öffnete.

„Mama, ci sono poliziotti,“, rief ein kleines Mädchen in die Richtung, in der Heike die Küche vermutete.

„ Mein Gott, ist etwas passiert?“, fragte eine Frau mittleren Alters, die zur Tür geeilt kam. Heike zeigte ihr ihren Polizeiausweis.

„Darf ich reinkommen?“ fragte sie. Etwas verdutzt öffnete Frau Baltino die Tür und ließ Heike eintreten.

„Sie sind Frau Baltino?“, fragte Heike. Sie wurde in das Esszimmer geführt. Frau Baltino nickte: „Möchten Sie Platz nehmen?“ Heike nahm das Angebot dankbar an, du setzte sich auf den weißen Designerstuhl.

„Ihr Mann ist heute Morgen tot aufgefunden worden. Die Polizei ermittelt gegen einen noch unbekannten Täter. Frau Baltino wurde blass. Erschüttert fing sie an, zu weinen.

„Mein Matteo?! Wer hat ihm das angetan?“, fragte sie schluchzend. „Er hatte manchmal Probleme, die nur Professoren haben. Einmal ist ihn ein BA Student angegangen, da er meinte, das Italienische Wort ‚questura‘ würde mit i ausgesprochen werden, wie das i in Mietshaus. Dieser Student hat die halbe Fachschaft Italianistik gegen meinen Mann aufgebracht. Damals drehte es sich wohl um Italienische, auditive Phonetik“ fügte sie hinzu.

„Die Ermittlungen sind im vollen Gang“, tröstete sie Heike, die solche Situationen hasste. Obwohl sie fest mit dem Zeigefinger auf ihren Daumen drückte um selbst nicht die Fassung zu verlieren, war sie sich bewusst, dass auch Frau Baltino eine Tatverdächtige war.

„Hatte Ihr Mann weitere Feinde?“, fragte sie.

„Nein, ganz gewiss nicht. Er war sogar an der Fachschaft Romanische Philologie der Philipps-Universität sehr beliebt. Er lehrte Pirandello. Sie schluchzte wieder. ‚Wir sind eine sehr glückliche kleine Familie, Matteo, Paola und ich. Meine Tochter ist gerade in der dritten Klasse in der Grundschule. Sie ist zweisprachig, spricht fließend Italienisch und auch Deutsch.‘

„Entschuldigung, ich brauche ein Taschentuch,“ fügte sie hinzu, ging zu einem der weißen Esszimmerschränke und nahm ein Päckchen Taschentücher heraus, schneuzte sich, und setzte sich wieder hin.

„Wenn sie psychologische Unterstützung benötigen, können wir Ihnen gerne Jemanden vorbeischicken.“, sagte Heike, aber Frau Baltino winkte ab.

„Was hat Ihr Mann denn heute in der Oberstadt gemacht?“, fragte Heike sie. „Er wollte im Weltlädchen eine Tasse Kaffee trinken. Dort hat er sich einmal im Monat mit einer lieben Kollegin getroffen.“, antwortete Frau Baltino. „Auf Wiedersehen.“

„Auf Wiedersehen, und danke“, sagte Heike, erhob sich und ging. Die Tür fiel hinter ihr ins Schloss.

Heike’s Magen verkrampfte sich. Auf der Oberstadtwache hatte sie noch etwas Magensaft auf pflanzlicher Basis. Leise dachte sie bei sich, dass Frau Baltino trotz der Tränen doch sehr gefasst war. Ob das Mädchen an der Tür wohl ihre Tochter war? Es war nicht das erste Mal, dass Sie einer Frau eine so negative Botschaft übermitteln musste, und dass sich ihre professionelle Distanz wie damals auch, leider dahinschwand.

Sie fluchte leise und steuerte den roten Passat wieder gen Metzgergasse. Als sie nach einem kleinen Spurt wieder an der Oberstadtwache ankam, erzählte sie ihrer Assistentin Susanne mit dem adretten Kurzhaarschnitt von dem Gespräch mit Frau Baltino. Daraufhin rief Susanne im Weltladen an, der gegenüber von der Oberstadtwache am Marktplatz in seinem Laden vor allem den Elisabethkaffee verkaufte, aber auch Tees, Kerzen sowie alle möglichen anderen Fairtrade Artikel. „Weltladen Marburg, Herr Breidstein am Apparat.“

„Hallo, Susanne Hille, Oberstadtwache.

Wir stellen Recherchen im Mordfall Baltino an. Hat Frau Dr Andrea Henkell vielleicht heute noch Ladendienst?“ „Mordfall?!“, stammelte Herr Breidstein. „Aber natürlich, Andrea ist heute noch bis 15 Uhr hier.“ „Ich schicke Ihnen Frau Kommissarin Heike Hartmann vorbei. Sie ist die leitende Beauftragte in diesem Mordfall. Auf Wiederhören.“

„Auf Wiederhören!“

Eine halbe Minute später erschien Heike in der Tür des Weltladens und zückte ihren Polizeiausweis. „Guten Tag“, sagte sie, als das Glöckchen über der Tür klingelte. Der Geruch von Räucherkerzen schlug ihr entgegen.

„Ja, guten Tag auch“, sagte Frau Dr Henkell. Sie war blond und trug große Ohrringe aus weiß-roten Perlchen. „Was hört man denn da? Ein Mordfall?! Was in aller Welt ist denn passiert?“

„Ein Professor Baltino ist heute Morgen vor Lehmann‘s tot aufgefunden worden. Die Polizei ermittelt in diesem Mordfall. Sie hatten heute Morgen eine Verabredung mit ihm?“ Heike bemerkte, dass Frau Dr Henkell anfing, zu zittern. Dann schien sie sich innerlich einen Ruck zu geben. „Ja, das stimmt“, presste sie hervor, sichtlich erschüttert. Sie bat Heike in die Bücherecke des Weltladens.

„Setzen Sie sich doch.“

Heike schluckte. Auch ihr Magen meldete sich wieder bei ihr. Beide nahmen Platz. Es war schon 12 Uhr.

„Ob Frau Dr Henkell wohl ein Alibi hat?“, dachte Heike bei sich.

„Der Weltladen macht um 10 Uhr auf. Heute morgen um 9:30 Uhr wollten Matteo und ich uns hier über die Dialektologie im französischen bzw im Italienischen austauschen. Wir trafen uns regelmäßig. Ungefähr ein Mal im Monat. Sie fing an, zu weinen.

„Nun beruhigen Sie sich doch.“, sagte Heike.

„Wo befanden Sie sich denn zwischen 8:45 und 9:00 Uhr?“, fügte sie hinzu.

„Da bin ich gerade zum Weltladen geschlendert.“

„Ist Ihnen irgendetwas seltsam vorgekommen?“

„Nein“, sagte Frau Dr Henkell. Um 9:00 Uhr öffnete ich gerade die Tür vom Weltladen. Ich erinnere mich daran, weil zu jeder vollen Stunde dieser nervige Steinvogel, der über der Uhr mit dem blauen Ziffernblatt und den goldenen Zeigern an der Rathausfassade angebracht ist, mit den Flügeln schlägt.“

„Hatte Herr Professor Baltino denn irgendwelche Feinde?“, fragte Heike.

„Nicht, dass ich wüsste“, presste Frau Henkell hervor. In dem Augenblick kam Herr Breuer um die Ecke und sagte anscheinend unbekümmert:

„Darf ich Ihnen einen Kaffee anbieten?“ Rasch erkannte er jedoch den Ernst der Lage. Der Kaffee wurde wie immer in kleinen orangefarbenen Tassen serviert. Heike und auch Frau Henkell schüttelten beide mit dem Kopf. Heike zog ihre polizeiliche Visitenkarte aus einem schwarzen, kleinen Lederetui:

„Es tut mir leid, dass ich Sie zu diesem Fall befragen musste. Wenn Ihnen noch etwas einfällt, rufen Sie mich bitte umgehend an.“

„Danke“, schluchzte Frau Henkell.

Heike stand auf, nicht ohne sich den Kopf an der Blechlampe zu stoßen, die über dem runden Holztischchen hing. Langsam ging sie wieder hinüber zur Oberstadtwache. Dort angekommen nahm sie einen Löffel aus der Schreitischschublade und nahm einen Schluck ihrer Magentropfen. Auch Susanne zeigte sich mal wieder von ihrer freundlichen Seite.

„Magenschmerzen? Da hat ein Herr Jens Driesl angerufen, ein Schüler aus der blista, der Blindenstudienanstalt Marburg. Er hat von dem Mordfall Baltino gehört, und sagt, dass es bei Lehmanns einen Aufzug gegeben habe, von dem er glaubt, dass der mutmaßliche Täter diesen als Fluchtweg benutzt haben könnte. Es sei nur so ein Gedanke, eine Ahnung“, fügte Susanne hinzu.

Das erste Mal an diesem Tag musste Heike lächeln. Der Magensaft tat seine Wirkung.

„Susanne, sind die Angestellten von Lehmanns Buchhandlung schon vernommen worden?“ fragte Heike.

„Ja, drei unserer Ermittler waren sofort an Ort und Stelle. Sie haben allerdings im Eifer des Gefechts übersehen, dass es innerhalb der Buchhandlung einen Aufzug gibt.“

„Dann werde ich mich mal mit einer der Angestellten unterhalten“, sagte Heike und war auch schon an der Tür der Oberstadtwache.

Sie schlenderte über den Marktplatz, am imposanten Rathaus vorbei, durch ein kleines Gässchen. Die Absperrung war inzwischen aufgehoben worden. Nur die weißen Farbstriche, die um die Leiche herum aufgemalt worden waren, waren noch deutlich auf dem Kopfsteinpflaster zu erkennen. Heike hielt dieses Mal nicht, so wie sonst vor dem Schaufenster, sondern betrat die Buchhandlung sofort.

„Guten Tag“, sagte sie am Tresen, „Hätten Sie eventuell fünf Minuten Zeit für mich? Ich ermittle im Mordfall Baltino.“

„Ihre Kollegen waren schon da,“ antwortete die geschätzt 25-jährige Angestellte, die eine Jeans, dazu Turnschuhe und ein T-shirt trug.

„Wie können wir Ihnen denn noch helfen?“ fragte sie höflich, aber doch schon etwas genervt.

„Gibt es den Aufzug noch?“

„Ja, natürlich. Glauben Sie etwa, der Täter sei auf diese Art und Weise davongekommen?!“ fragte sie.

„Es könnte sein“, sagte Heike bestimmt. „Gibt es da nicht auch so einen kleinen Raum zwischen Ober- und Unterstadt?“, fragte sie.

„Ja, wir können gerne mal runterfahre“, sagte die Angestellte.

Sie bat Heike, ihr zu folgen und schloss eine Tür auf, hinter der sich der Aufzug verbarg.

„Haben Sie eigentlich auch eine Abteilung mit italienischer Literatur?“, fragte Heike beiläufig, als sie eintrat.

„Nicht wirklich“, erwiderte die Angestellte. „Aber Herr Professor Baltino hat bei uns Fachliteratur bestellt. Manche dieser Bücher wurden auch in bekannten italienischen Verlagen publiziert. Er - wie auch seine Student*innen bezogen ihre Literatur von uns.“

Mit einem Ruck kam der Aufzug zum Stehen. Heike fiel noch der Duft des dezenten Parfums auf, den die Angestellte trug. Es war bestimmt Meer von Kento. Sie traten in den kleinen Raum, der sich zwischen Ober- und Unterstadt befindet.

„Ja, was haben wir denn da?“, rief Heike aus.

In der Ecke des Raumes lag ein blutverschmiertes Messer mit einem schwarzen Plastikgriff und einer langen Klinge.

„Ach du Scheiße!“, entfuhr es der hübschen Angestellten. „Das muss die Mordwaffe sein.“

„Vorsicht“, warnte Heike. „Bitte nichts anfassen“.

Sie kramte ein Plastiktütchen aus ihrem Rucksack, zog sich mittelgroße, weiße Plastikhandschuhe an und verstaute das Messer, indem sie es vorsichtig in das Plastiktütchen gleiten ließ. Die Angestellte, die nach Meer duftete, wurde leichenblass. Sie musste husten.

„Lassen Sie uns bitte wieder nach oben fahren.“, bat sie.

Heike nickte. Sie schaute sich nochmals kurz um. Die Luft kam ihr stickig vor und schnürte ihr die Kehle zu. Als sie oben angekommen waren, fragte Heike noch:

„Wer hat den alles Zugriff auf den Schlüssel?“

„Alle Angestellten wissen, dass der Schlüssel für den Aufzug am kleinen Schlüsselbrett hinter dem grünen Vorhang hängt. Auch Ralf, der bei uns ein Praktikum macht. Er hilft uns dabei, morgens die Bücher aus den Kisten zu nehmen, und alphabetisch ins Regal zu räumen. Ich kann Ihnen gerne seine Telefonnummer geben.“

„Das wäre nett,“ sagte Heike. Danke nochmals, und auf Wiedersehen,“ fügte sie hinzu und reichte der Angestellten ihre polizeiliche Visitenkarte.

„Auf Wiedersehen,“ erwiderte diese. Sie beschloss, sich für den Rest des Tages frei zu nehmen.

Zurück an der Oberstadtwache informierte Kommissarin Heike Hartmann sofort die Spurensicherung. Lehmanns wurde geschlossen und drei Polizeibeamt*innen untersuchten das kleine Räumchen. In der Zwischenzeit rief Susanne bei dem Praktikanten an.

„Polizeibeamtin Susanne Hille am Telefon. Spreche ich mit Ralf Schmidt?“

„Am Apparat.“

„Wir leiten die Mordkommission im Fall Baltino.“

„Wo waren Sie denn heute Morgen gegen neun Uhr?“

„Ich war bei meiner Nachbarin, und habe auf die Katze aufgepasst,“ sagte Ralf.

„Kann das Jemand beweisen?“

„Nein, sie brauchte halt Jemanden, der auf Pfötchen aufpasst.“

„Kannten Sie denn den Herrn Professor Baltino?“

„War das nicht der Pirandello-Professor?“ fragte Ralf.

„Woher wissen Sie das dann?“ hakte Heike nach.

„Er hat vor ein paar Tagen ein Büchlein über Pirandello ‚Pirandello und das Deutsche Theater – ein Vergleich‘ bei uns bestellt. Meine Freundin hat bei ihm den Kurs ‚Pirandello in der Gegenwartsliteratur‘ bei ihm belegt. Sie stand voll auf ihn. Dieser reiche Professor hatte es ihr wohl angetan.“

Susanne horchte auf. Ralf redete sich in Rage.

„Dabei sah der alte Opa doch Scheiße aus in seinem Tweed-Jackett und seinen braunen Lederschuhen. Sogar die Freundinnen von Angelika schienen auf ihn zu stehen. Das war doch lauter intellektuelle Kacke, was der von sich gegeben hat. Sie stand wohl sogar auf sein Parfum: Zedernholz.“

Haben Sie denn ein Küchenmesser mit einem schwarzen Griff? fragte Susanne, jetzt sichtlich besorgt.

„Was geht Sie denn das Messer was an?“, antwortete Ralf. Ich habe mir das Messer nur mal ausleihen wollen, bei meiner Nachbarin, fügte er hinzu.

Susanne nickte Heike zu, die eine Streife zu dem Mordverdächtigen schickte. Dieser wollte mit der quietschegelben Ente seines Vaters nach Gladenbach flüchten. Als er aus seiner Ausfahrt fuhr, wurde er von Polizeistreifen umzingelt. Noch auf der Polizeiwache gestand er die Tat. Die Spurensicherung fand die Fingerabdrücke des Täters auf dem Messergriff.

„War der Täter polizeibekannt?“, sollte Heike ihren Kollegen Hans Dittrich, der für die Spurensicherung und DNA zuständig war später fragen.

„Nein, er war sogar ganz nett und hat tatsächlich auf die Katze aufgepasst. habe die Nachbarin gesagt. Aber nur für eine viertel Stunde. Das Messer hatte er aus ihrer Küchenschublade genommen.“, erwiderte dieser.

Heike fuhr an diesem Abend nach Hause, machte sich einen Kamillentee, und streichelte ihren schwarzen Pudel Pfiffi, der den ganzen Tag draußen im Garten herumgetobt hatte.

„Dann bin ich wohl nicht die Einzige, die sich heute verausgabt hat, was?“ fragte sie. Müde ging sie ins Bett und schlief fünf Minuten später ein.

Herr Jens Driesl wurde am darauffolgenden Tag in der Lokalzeitung in dem Artikel ‚Mord aus Eifersucht‘ gelobt als derjenige, ‚der für die Polizei den entscheidenden Hinweis geliefert hat‘.

Es wurde langsam wärmer in Marburg. Die ersten Schneeglöckchen sprießten aus der Erde. Jedoch wurde noch Monatelang über diesen Mordfall in Marburg und Umgebung gesprochen. War das Tatmotiv wirklich Eifersucht gewesen?
 

jon

Mitglied
Das scheint die Erstversion des Textes zu sein. Selbst wenn man die Info aus deinem Profil berücksichtigt und dir zugute hält, dass du dich in der englischen Sprache sicherer fühlst, sind doch noch etliche, damit nicht begründbare Fehler im Text. Das gibt es Dopplung, fehlende Satzzeichen (neben den Kommas nach wörtlicher Rede), überflüssige Satzzeichen und nicht zuletzt die falsche Absatzgestaltung bei den Dialogen. Würdest du bitte so viel wie möglich davon beheben, bevor ich ein Korrektorat mache?

Zur Struktur: Der Anfang holpert mächtig - eben ist die Kommissarin gekommen (58 Sekunden nach Anruf), nun steht sie gerade erst auf. Was eben noch an Spannung aufgebaut worden ist, wird durch die Schilderung belangloser Details getötet. Und dann - schwupps! - sind wir bei der Zeugin.
 

Anders Tell

Mitglied
Dies ist nicht einmal das Gerippe eines »whodunnit«. Der Leser muss zum Mitraten angeregt werden. Hier gibt es nichts zu rätseln. Alle sind nur der Bezeichnung nach verdächtig. Motiv, Möglichkeit, etc. - alles unklar. Am Ende wird der Täter als Jack in the box hervorgezaubert.
Die Figurenzeichnung ist blaß bis zur Typisierung. Alle Verhaltensweisen der Handelnden wirken klischeehaft und wenig originell.
Völlig ohne Vergnügen gelesen.
 

marcm200

Mitglied
Ich habe bis jetzt nur bis zur Stelle mit dem Obduktionsbericht gelesen.

Mir ist oft leider nicht klar, wo man sich gerade aufhält.

Heike fährt zum Revier. Spricht sie dort mit der Zeugin Dornhöfer? Oder ist sie vom Revier zum Tatort gefahren und alles weitere findet dort statt - sie schaut ja auf die Stelle, an der die Leiche gelegen hatte.

Ich finde den Aufbau unglücklich. Du springst zwischen Sätzen, welche die aktuelle Arbeit ("sie blickte auf den Boden") zu Sätzen, die das Frühstück beschreiben, um dann wieder bei einer Autofahrt und einem Anruf vom Revier zu sein. Ich würde das viel stärker trennen.

Ich würde nicht so viel nacherzählen (Frühstück, Comic), das wirkt für mich schnell überfrachtend. Zumal du dann die Vorvergangenheitsform nehmen müsstest ("sie hatte ein Brötchen gegessen"). Aber das wird aufgrund der dann notwendigen hohen Zahl an "hatte" schnell mühsam zu lesen.

Du könntest mit einer Szene am Frühstückstisch beginnen. Heike ist gut gelaunt, weil sie gut geschlafen hat, dann streicht der Pudel um ihre Beine. Dann liest sie den Comic, und fährt ins Revier. Und von dort dann zum Tatort usw. Wenn die Ermittlungen mal angefangen haben, würde ich Expositionsinformationen, die jetzt nicht zur aktuellen Handlung gehören, nur anbringen, wenn sie aktuell gerade eine Relevanz haben (der Pudel bspw. ist nicht relevant an dieser Stelle).

"Heike trug heute ihr Polizeioutfit" - wenn du das so betonst, frage ich mich: Ist sie sonst in ziviler Kleidung? Zieht sie sich im Revier um? Und falls es heute anders als sonst ist, würde ich einen Grund angegeben.

Stilistisch unschön für mich: "fragte sie sie" - Zweimal "sie" mit unterschiedlicher Referenz würde ich vermeiden. Nimm bspw. "fragte sie die Frau/Zeugin/ältere Dame".
 



 
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